Nazilieder im Unterricht - Lehrer droht Entlassung ?!

    • Offizieller Beitrag

    http://www.spiegel.de/schulspi…sen/0,1518,536346,00.html


    Eine interessante Geschichte.


    Es stellt sich die Frage, wie weit man gehen darf, um den Schülern die Nazizeit näher zu bringen.
    Der Lehrer wird als "unbedarft" bezeichnet, was die Verwendung des Liedes "Unsere Fahne flattert uns voran" angeht.


    In Vilshofen in Bayern hat ein Lehrer namens Fridolin Wimmer sogar über eine ganze Unterrichtsreihe, in der mehrere Nazi-Lieder gesungen wurden, promoviert. Dort schien man - nach entsprechender Vorbereitung und Information von Schülern und Eltern - wohl keine Probleme damit zu haben.


    Ist das Singen von Nazi-Liedern zu Unterrichtszwecken per se nun in dem Sinne falsch?
    Oder war hier der Umgang des Delmenhorster Lehrers mit der Problematik schlichtweg pädagogisch und fachlich ungeschickt?


    Rechtfertigt dies ein Nicht-Bestehen der Probezeit bzw. eine (Straf)Versetzung?


    Da ich mit Musik und Geschichte ja beide Fächer habe und ich diesbezüglich auch schon unter rein fachlichen und pädagogischen Gesichtspunkten diverse Überlegungen angestellt habe, würde mich Eure Meinung interessieren.


    Gruß
    Bolzbold

  • Ich hab auch Geschichte studiert und so etwas käme mir nie in den Sinn.


    Es geht jedoch nicht nur um Lieder, sondern auch darum, dass der Lehrer den Hitlergruß verlangte. Und irgendwo hört es ja wohl auch auf........

  • Also ich habe auch schon davon gehört, dass Nazilieder im Unterricht besprochen wurden -- und zwar im Musikunterricht. DA wurde Text mit Melodie verglichen, Aussagen von "schöner" Melodie gekoppelt mit Nazi-Ideologie verglichen etc.


    Die Reihe war rein nach musikwissenschaftlichen Themen gegliedert, und fand zunächst keine Verbindung im Geschichtsunterricht.
    Die Eltern wurden vorher nicht informiert. Alles kein THema. Es wurde in einer 10. Klasse besprochen, und die Schüler haben tolle Arbeitsmappen zu dem Thema abgeliefert!


    Warum nicht? So lange man den Kids begreiflich macht, was da vorgespielt/besprochen wird, finde ich das schon sinnvoll.


    Tina

  • Also ich denke schon, das eine aktive Auseinandersetzung mit der Nazizeit sinnvoll und notwendig ist. Das kann man auch über Nazilieder machen, was ich für einen pädagogisch guten Ansatz halte. Aber es muß sicherlich nicht gleich gesungen werden.... es hätte sicher auch das Abspielen einer Tonaufnahme genügt und vielleicht die Kopie der Seite mit dem Text aus 'nem damaligen Liederbuch (was es bestimmt gab) als Informationsmaterial für eine anschließende Bearbeitung/Besprechung/Diskussion...


    Insofern, denke ich, hat sich der Lehrer einfach blöd angestellt.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Könnte es nicht sein, dass der Lehrer die Schüler das Lied hat singen lassen und den Hitlergruß hat machen lassen, um ihnen zu verdeutlichen, wie man 'in den Bann gezogen' wird von solch einer Art von Liedern, also im Sinne von Gruppensog?

    • Offizieller Beitrag

    Ich kenne auch einen Geschichtslehrer, der seine zweite Zula über die Nazizeit geschrieben hat.
    Und ehrlich gesagt, finde ich eine bewusste Auseinandersetzung damit auch sehr sinnvoll.
    Abgesehen davon ist bei uns in der elften Klasse in Deutsch Rhetorik auf dem Lehrplan und da werden laufend Reden oder auch Texte von Naziliedern analysiert, weil man an denen einfach am besten die rhetorischen Mittel zur Manipulation zeigen kann.
    Ich denke, es kommt immer darauf an, wie man damit im Unterricht umgeht- und das beschriebene Verhalten halte ich einfach für grenzenlos unsensibel. Da hätte schon vorher eine Erklärung hergemusst und Schüler, die dabei nicht mitmachen wollen, müssen einfach auch verstanden werden.
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Er hat sich auf SEHR dünnes Eis begeben:


    Zitat

    Nach 1945 wurde der Hitlergruß in Deutschland sowie Österreich verboten. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Verwendung des Hitlergrußes und anderer Formen (etwa „Mit Deutschem Gruße“ oder der SS-Wahlspruch „Meine Ehre heißt Treue“) durch § 86a des Strafgesetzbuches (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) unter Strafe gestellt; ebenso finden sich entsprechende Paragraphen im Strafgesetzbuch der Republik Österreich. Eine geregelte Ausnahme ist ausschließlich das Zeigen zur „Berichterstattung über die Geschichte“, das z. B. in Deutschland laut § 86 Absatz 3 StGB nicht strafbar ist.


    aus der Allwissenden Müllhalde


    Zeigen (mit pädagogischer Begründung) ja - ausführen lassen - nein.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Hallo,
    ich würde unter gar keinen Umständen ein Nazi-Lied singen lassen. Einen Text besprechen und analysieren ist eine Sache - aber singen ist eine andere.
    Gruß venti

  • Um bestimmte Lieder komme ich in meinem Geschichtsunterricht nicht herum (z.B. an "Meine Fahne flattert uns voran" ), aber mir reicht es völlig, die Lieder vorzuspielen. Ich würde das auch persönlich nicht singen wollen, warum also sollte ich das mit der Klasse singen? Ich würde auch niemals in der Klasse den Hitlergruß machen oder machen lassen. Warum denn auch? Ich sehe darin didaktisch keinen Sinn.

    • Offizieller Beitrag

    @Dudel


    Man könnte das Singen von Nazi-Liedern so begründen, dass es um das Nachempfinden der Wirkung solcher Lieder geht und in einem zweiten Schritt um die Sensibilisierung für die Manipulierbarkeit eines jeden Individuums durch Musik.


    Ideologiefrei betrachtet sind die Melodien ja durchaus schmissig und einprägsam, was unsere Großelterngeneration mitunter problemlos beweisen könnte.


    In anderen Worten begebe ich mich von der rein kognitiv-analytischen auf die affektiv-emotionale Ebene. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass ohne eine unmittelbar angeschlossene Reflexion dieses Singens in der Tat ein "merkwürdiger" Eindruck entsteht bzw. das Lernziel, die Schüler für solche Lieder und die Gefahren, die davon ausgehen, zu sensibilisieren, verloren geht.


    Wie viele Songtexte aus den Charts können unsere Schüler auswendig mitsingen, ohne dass sie sich über den Inhalt der Songtexte im Klaren sind bzw. diese wirklich verstanden haben? Die Frage ist natürlich rein rhetorischer Natur. Nazi-Lieder sind unter dem Aspekt und unter dem Aspekt ihrer Verwendung in der damaligen Zeit nichts anderes.


    Gruß
    Bolzbold

  • Nun, das Experiment hat doch ganz wunderbar funktioniert!


    Zitat

    Als eine Schülerin sich weigerte, habe der Lehrer zu ihr gesagt, sie solle mitmachen. [...]


    Einige Schüler beschwerten sich bei der Schulleitung. Direktor Burkhard Leimbach hörte sich daraufhin beide Seiten an, er informierte die Behörde und leitete ein Disziplinarverfahren gegen den Lehrer ein.


    ...natürlich nur, wenn es ergebnisoffen sein sollte. Dann hat der Lehrer nämlich herausgefunden, dass das mit der Manipulation offenbar nicht so einfach ist, wie man in der Schule manchmal lernt. Nur dumm, dass der Lehrer nicht daran gedacht hat, dass seine Klasse womöglich NICHT in eine Gruppe jubelnder Nazis mutiert - egal, ob mit oder ohne Musik.


    Ich finde jedenfalls: Ein bemerkenswerter Ausgang der Sache, der für den Lehrer natürlich unangenehm ist. Aber es ist immer noch das eine, solche Lieder zu besprechen und festzustellen, dass sie von der Melodie und dem Text mitreißend wirken können, und das andere, sie kommentarlos zu singen (singen zu lassen).

    • Offizieller Beitrag

    @unter_uns


    Vermutlich sollten wir hier den Akzent auf "kommentarlos singen zu lassen" legen, denn das geht m.E. nun wirklich gar nicht.


    Dennoch gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen der wie erwähnt analytischen Auseinandersetzung mit Musik und der sozusagen "erlebnisorientierten" Auseinandersetzung.


    Ich könnte mir vorstellen, dass das Gefühl, dass man aufgrund eigener Erfahrung manipulierbar ist bzw. sein könnte, eine nachhaltigere Wirkung erzielt als das nüchterne Feststellen aufgrund von Spekulationen, die auf Analyseergebnissen bzw. geschichtlichen Fakten basieren.


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Ich könnte mir vorstellen, dass das Gefühl, dass man aufgrund eigener Erfahrung manipulierbar ist bzw. sein könnte, eine nachhaltigere Wirkung erzielt als das nüchterne Feststellen aufgrund von Spekulationen, die auf Analyseergebnissen bzw. geschichtlichen Fakten basieren.


    Ja, da stimme ich vollkommen zu! Man müsste aber wohl, um bestimmte Gefühle zu erzeugen, für eine klare "Rahmung" sorgen. Also gleich sagen: Wir machen nun ein Experiment, wir wollen einmal sehen, wie sich das anfühlt - wenn man marschiert, dazu singt etc.


    Da wir ja nicht mehr im Jahr 1933 leben, ist eine solche Rahmung ohnehin nötig, da man von sich selbst ja abstrahieren muss, um sich eine historische Situation vorstellen zu können (aus der man DANN wieder Rückschlüsse für die Gegenwart ziehen kann.)


    Allerdings dürfte man auch mit entsprechender Ansage u. U. Probleme bekommen, wenn man Schüler singen und den Hitlergruss zeigen lässt.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von unter uns
    Ja, da stimme ich vollkommen zu! Man müsste aber wohl, um bestimmte Gefühle zu erzeugen, für eine klare "Rahmung" sorgen. Also gleich sagen: Wir machen nun ein Experiment, wir wollen einmal sehen, wie sich das anfühlt - wenn man marschiert, dazu singt etc.


    Da wir ja nicht mehr im Jahr 1933 leben, ist eine solche Rahmung ohnehin nötig, da man von sich selbst ja abstrahieren muss, um sich eine historische Situation vorstellen zu können (aus der man DANN wieder Rückschlüsse für die Gegenwart ziehen kann.)


    Völlig richtig - nur so kann es gehen.
    Nebenbei: Da Schulleiter bei solchen "Experimenten" doch recht "sensibel" reagieren, empfiehlt es sich, auf die politisch hierzulande unverdächtigere "Internationale" auszuweichen. Die ist vom Ductus her mit von Schirachs Lied vergleichbar und sollte für weniger Missverständnisse sorgen.


    Zitat


    Allerdings dürfte man auch mit entsprechender Ansage u. U. Probleme bekommen, wenn man Schüler singen und den Hitlergruss zeigen lässt.


    Nun ja, wenn verfassungsfeindliche Symbole und Gesten verboten sind, sollte man auch nicht zugunsten eines Experiments diese vollziehen lassen.
    Im Politikunterricht stifte ich die Schüler ja auch nicht zum Ladendiebstahl an, wenn ich Jugendkriminalität durchnehme.


    Gruß
    Bolzbold

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