Macht Schule Lehrer krank?

  • Hallo, Ihr Lieben,


    die FAZ berichtete am 19./20. Juli unter der Überschrift „Schule macht krank“ von einer bisher unveröffentlichten Studie der Uniklinik Freiburg. „Offene Feindseligkeiten, schwere Beleidigungen und Aggressivität seitens der Schüler - das sind die Faktoren, die Lehrer krank machen. [...] ‚Wer fachlich gut ist, aber nicht gelernt hat, wirksam gegenüber Schülern aufzutreten, verschleißt sich selbst und wird schneller krank’ resümieren die Mediziner ihre Untersuchung.“


    Wie sind Eure Erfahrungen?


    Wo und wie habt Ihr gelernt, mit solchen Schülern umzugehen? Wer kann Tipps geben?


    Gruß, Helen

  • Ein Kollege hat mal gesagt, "als Lehrer braucht man so ein dickes Fell, dass man zur Not auch ohne Knochen drin stehen kann."


    Ja, Schule ist ein unguter Ort, der krank macht, wenn man sich als Lehrer nicht entschlossen gegen sie verteidigt.


    Nele


  • Mein Aspekt: Schüler merken sehr schnell, ob man (bei allem fachlichen Können) ein Langweiler ist, den Stoff also nicht gut verkauft. In solchen Fällen muss man "kämpfen" bzw. "sich verteidigen", braucht man ein "dickes Fell"..
    Oder man übt das Verkaufen des Stoffes. Man macht den Unterricht spannend. Dann läuft es von allein gut und die Klasse hört gebannt zu, weil sie nichts verpassen will.


    Bei allem kann man nett, fröhlich, freundlich und höflich sein, muss aber konsequent und sofort jede Störung unterbinden. Meist rufen sich aber die Schüler gegenseitig zur Ruhe.

  • Vor ein paar Jahren habe ich mich versetzen lassen und musste dabei in Kauf nehmen, auch an einer Hauptschule zu landen - und die macht einen in der Tat krank...
    Soviel Schutz kann man gar nicht aufbauen, um nicht dabei verletzt zu werden...
    ...nicht umsonst ist der Lehrerberuf einer der Berufe mit den meisten vorzeitigen Ruheständlern (wenn man es überhaupt bis dahin aushält)...


    Ich kann guten Gewissens niemandem raten, unter den jetzigen (und absehbaren) Vorzeichen, diesen Beruf zu ergreifen.


    Es müsste sich so vieles und so grundlegendes ändern, dass es schlicht illusionär ist; solange Finanzpolitiker durch ihre rigiden Sparmaßnahmen über Inhalte in anderen Ressorts bestimmen, wird es keine Lösung geben.


    Mein "Glück" war, dass ich nach längerer Erkrankung den Weg zurück an eine Grundschule gefunden habe - aber auch die verändert sich mit einer sich ständig verändernden Schülerschaft (und nicht zum Positiven).

    Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht.
    B. Brecht, Me-Ti

    Einmal editiert, zuletzt von oktoberfeld ()

  • Dieselbe Studie wird auch hier abgehandelt:
    http://www.focus.de/schule/leh…aedagogik_aid_266172.html


    Diskutiert haben wir darüber auch schon:
    Lehrer werden ist nicht schwer...


    Auf den Punkt bringt folgender Artike die Kritik an dieser "Studie":
    http://wordpress.blokey.de/200…endliche-studie/#more-240

    Zitat

    Ein Thema, das seit einigen Wochen wieder die Bildungsressorts der Medien dominiert, ist der inkompetente Lehrer. Im Fokus diesmal: Lehramtsstudenten und Referendare. Bemängelt wird, dass zumeist die Schlechtesten, Arbeitsscheuesten und Unbeweglichsten ihres Jahrgangs den Lehrerberuf anstrebten, um dort verbeamtet ihren faulen Gelüsten frönen zu können.


    Den durchtriebenen Gipfel der faulen Unverschämtheit findet man dann heute beim Focus:


    Viele der befragten Studierenden hätten bei den Praktika gemerkt, dass sie inkompetent seien, „das hat sie aber nicht abgeschreckt“....


    Bevor jemand weitere Kommentare abgibt, empfielt es sich, diesen Artikel zu lesen.Darin wurde so ziemlich alles gesagt.



    Etwas bessere, fundiertere und Mut machende Darstellungen des Lehrerdaseins finden sich hier:
    http://www.zeit.de/themen/wissen/bildung/lehrer/index


    Meine Empfehlung: http://www.zeit.de/2008/10/C-Lehrer-Portraet-Gommen

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    2 Mal editiert, zuletzt von alias ()

    • Offizieller Beitrag

    Ein nicht zu vergessender Faktor beim Krankwerden :

    Zitat

    Lange Arbeitstage
    Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Lehrern liegt bei 42 bis 46 Stunden – die langen Ferien eingerechnet.

    Und ich denke, das ist recht zahm gerechnet.


    Auch nicht schlecht:

    Zitat

    Der Lautstärke-Spitzenwert im Klassenzimmer beträgt bis zu 86 Dezibel – das entspricht in etwa dem Lärm einer stark befahrenen Hauptstraße.


    Ich bin nur an der Oberstufe und habe das nie - und dafür bin ich zutiefst dankbar. Das hält kaum ein Arbeitnehmer lange aus.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Viel eher als Schule machen die abwertenden Artikel und die Haltung vieler Zeitgenossen krank, die einem immer noch unterstellen, dass Lehrer ein lauer Job mit zuviel Freizeit sei. Jetzt ist man also auch noch ein inkompetenter Loser, der selbst daran schuld ist, wenn er eine Klasse nicht im Griff hat. Wenn das so weitergeht, darf dich irgendann der kleine Knirps ansprucken und du bist auch noch selbst schuld daran.
    Nicht die Schule, nicht die Schüler und nicht das Kollegium macht krank, sondern die öffentliche Meinung, die auch dazu führt, dass Schüler immer weniger Respekt haben.
    row-k
    Ich teile deine Ansicht teilweise. Man sollte auch an sich selbst arbeiten und fährt damit auf lange Sicht besser als mit einem dicken Fell, an dem jegliche Kritik abprallt. Ich teile auch deine Auffassung, dass man konsequent gegen Störer vorgehen sollte, aber ich verweigere mich einer Berufshaltung, die mich als Dompteur oder Entertainer auftreten lässt.

  • Zitat

    Original von kaihawaii
    ...
    row-k
    Ich teile deine Ansicht teilweise. ... aber ich verweigere mich einer Berufshaltung, die mich als Dompteur oder Entertainer auftreten lässt.


    "Dompteur" gefällt mir nicht. Ich bezwinge oder zähme ja nicht. "Entertainer" gefällt mir schon besser in dem Sinne, dass Unterricht so unterhaltsam und spannend gemacht werden kann, dass es allen, also Lehrer und Schülern Spaß macht.
    Warum muss Schule denn ein Greuel sein?

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von row-k


    "Dompteur" gefällt mir nicht. Ich bezwinge oder zähme ja nicht. "Entertainer" gefällt mir schon besser in dem Sinne, dass Unterricht so unterhaltsam und spannend gemacht werden kann, dass es allen, also Lehrer und Schülern Spaß macht.
    Warum muss Schule denn ein Greuel sein?


    wer behauptet denn,dass Schule ein Gräuel ist ?
    Und wer um alles in der Welt erwartet, dass Schule immer und allen Spaß machen soll????
    Wie in allen anderen Bereichen auch ist das Erleben von Schule völlig unterschiedlich, mal machts Spaß, mal ist es langweilig. Mein Ausbilder sagte mal: Kein Schüler erträgt 6 Stunden guten Unterricht am Tag.


    Also weg mit dem Spaßfaktor als Gradmesser !


    Und zum Thema "Dompteur": auch wenn man keiner sein möchte, manchmal bleibt einem nichts Anderes übrig. Such is life ;)


    Als Entertainer, d.h. als Clown, der ein passives Publikum mit seinen Mätzchen belustigt und "fun" vermittelt, sehe ich mich jedenfalls schon gar nicht. Meine Aufgabe ist es, zu lehren und auch (teilweise) zu erziehen.

  • Zitat

    Original von Friesin
    wer behauptet denn,dass Schule ein Gräuel ist ?


    Oh pardon! "Gräuel" kommt ja von "Grauen".
    Aber: Wer es behauptet? Tja, wer wohl?



    Zitat


    Und wer um alles in der Welt erwartet, dass Schule immer und allen Spaß machen soll????


    Warum darf es denn keine Freude machen, zur Schule zu gehen, um zu lernen? Lernen darf doch auch Spaß machen.



    Zitat


    Wie in allen anderen Bereichen auch ist das Erleben von Schule völlig unterschiedlich, mal machts Spaß, mal ist es langweilig. Mein Ausbilder sagte mal: Kein Schüler erträgt 6 Stunden guten Unterricht am Tag.


    Warum sollte der Unterricht dann also "nicht gut" sein, wenn er schon 6 Stunden dauert?



    Zitat


    Also weg mit dem Spaßfaktor als Gradmesser !


    Es lernt sich doch unbestritten besser, wenn man Freude daran empfindet. Ersetzen wir das Wort "Spaß" durch "Freude am Lernen"! Einverstanden?



    Zitat


    Und zum Thema "Dompteur": auch wenn man keiner sein möchte, manchmal bleibt einem nichts Anderes übrig. Such is life ;)


    Ja, manchmal ist das so und meist dann, wenn man eine neue Klasse vor sich hat, die mal austesten möchte, wie weit sie gehen kann. Nach kurzer Zeit wird's aber besser.



    Zitat


    Als Entertainer, d.h. als Clown, der ein passives Publikum mit seinen Mätzchen belustigt und "fun" vermittelt, sehe ich mich jedenfalls schon gar nicht.


    Warum ist denn ein Entertainer gleichzeitig ein Clown?



    Zitat

    Meine Aufgabe ist es, zu lehren und auch (teilweise) zu erziehen.


    Unbestritten!


    EDIT: Leerzeilen eingefügt.

  • row-k:
    Der Gegensatz Entertainer oder Greuel/Gräuel ( ;) ) wurde schon von dir aufgestellt. ;)


    Aber ich habe mir da schon gedacht, dass Hauptproblem besteht vermutlich darin, wie man die Begriffe "Spaß" und "Entertainer" inhaltlich füllt. Denn wenn man Entertainer gleichbedeutend mit Clown sieht, dann bedeutet das was ganz anderes, als wie du es anscheinend meinst. Du hast ja dann durch die Begriffänderung "Freude am Lernen" auch deutlich gemacht, wie der Begriff für dich besetzt ist.
    Ich denke, die grundsätzlichen Einstellungen liegen gar nicht so weit auseinander.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Zitat

    Original von katta
    row-k:
    ...Ich denke, die grundsätzlichen Einstellungen liegen gar nicht so weit auseinander.


    Danke, katta!


    Gestern überlegte ich noch, in einem weiteren Beitrag nachzuschieben, dass zum Beispiel auch jeder Redner ein Entertainer sein sollte, damit seine Zuhörer nicht einschlafen oder die Rede (oder Präsentation, Vortrag, Vorlesung etc.) einfach nur langweilig finden, damit also das Zuhören "Spaß macht".


    Nun gut, somit tat ich es soeben ja doch noch. ;)

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke aber, wir sollten die Kinder doch auch zu selbstständigen und realistischen, vernünfitigdenkenden Leuten erziehen.
    Dazu gehört auch, dass sie lernen, dass eben nicht immer alles Spaß machen kann!
    Man verstehe mich richtig, natürlich gibt es auch Tage, an denen mir und den Schülern der Unterricht Spaß macht, aber ich finde, es m u s s auch Tage geben, in denen man sieht, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist. M.E. verkommen unsere Schüler teilweise sowieso zu reinen Spaßkonsumenten.
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Zitat

    Original von Hermine
    ...
    Dazu gehört auch, dass sie lernen, dass eben nicht immer alles Spaß machen kann!
    ...


    Jetzt muss ich aber nochmals einsprechen: Das Lernen selbst macht aber Spaß.


    Anders gesagt: Lernen bereitet Freude.


    Noch anders: Das Erlebnis, etwas verstanden zu haben, etwas zu können, was man vorher nicht konnte, das bereitet Freude (kurz gesagt: "Lernen macht Spaß.")

  • Aber der Weg zu der Erkenntnis, ich habe etwas gelernt, macht vielleicht nicht immer in dem Sinne "Spaß" oder "Freude".


    Ich habe mich gefreut, wenn ich eine gute Mathearbeit geschrieben habe oder eine Frage richtig beantworten konnte... aber das Lernen dafür, das Auswendiglernen macht nicht immer Spaß.
    Oder reden wir vielleicht eher von einem Fach, in dem ich mich besser auskenne: In Fremdsprachen muss ich einfach Vokabeln und grammatische Regeln lernen (stur auswendig lernen). Natürlich geht es leichter, wenn ich sie immer und viel gebrauche. Aber den Rahmen kann ich bei drei bis maximal fünf Wochenstunden nicht schaffen, dass man die Vokabeln und die Satzbauregeln nur über den Gebrauch automatisch aneignet.
    Und da müssen die Schüler Vokabeln eben büffeln. Klar, kann ich das mal auflockern über verschiedene Spiele. Aber auch dafür muss sich eben hingesetzt und die Vokabeln gelernt werden. Und das ist mitunter mühsam und langweilig.
    Das Erfolgserlebnis kommt eben leider erst danach, durch den Vokabeltest, den schönen Text, den man geschrieben hat, dass man sich mit dem Kanadier im Chat unterhalten konnte usw.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

    • Offizieller Beitrag

    Row-k, ich muss dir nochmals widersprechen, obwohl wir uns im Kern einig sind:
    Wenn du jeden Tag Lachsschnittchen, Kavier und Champagner- oder dein sonstiges Lieblingsessen- bekommst, wird es dir irgendwann mal zum Hals raushängen und du sehnst dich nach einem ganz simplen Butterbrot.
    Nichts anderes ist es mit den Dingen, die Spaß machen- wenn nicht mal Abwechslung rein kommt- oder man sich den Spaß auch mal erarbeiten muss- dann ist derjenige, der so etwas vermittelt, zwar vielleicht ein guter Lehrer- aber ein miserabler Erzieher, weil hier einfach die normale Lebenswelt beiseite geschoben wird. Nein, Lernen macht nicht per se immer und ständig Spaß, sondern bedeutet auch mal Arbeit- und das ist gut so.
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Generation RTL:
    "We love to entertain you..." :skeptisch:


    Und somit back to topic: Genau dieser Versuch, diesem Anspruch und Vergleich standzuhalten bzw. nachzueifern macht Lehrer krank....

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • row-k
    Ich muss Hermine und katta zustimmen.
    Man kann doch jetzt schon häufig feststellen, dass unsere Schüler eben diese Erwartungshaltung einer 24/7 Bespaßung an den Tag legen.
    Lernen macht vielen Schülern nur Spaß, wenn der Weg vom Lehrer so geebnet wird, dass Lernen nicht mehr als Anstrengung, sondern nur noch als Popcorn Lernen (rein, knacken lassen, runter) verstanden wird.
    Lernen bzw der Weg zum Erkenntnisgewinn macht nicht nur Spaß und Freude, sondern ist Arbeit und bedeutet Anstrengung.
    Sie müssen auch lernen, Situationen auszuhalten, die nicht von sofortigem Lustgewinn geprägt sind ;)
    Guter Unterricht kann doch nicht nur darin bestehen, Schülererwartungen an Kurzweil und Bespaßung zu erfüllen, sondern auch darin, die Schüler arbeiten zu lassen. Oder verstehe ich den Beruf falsch?
    Wenn ich an mich die Erwartungshaltung aufbauen würde, dass mein Unterricht 6 Stunden kurzweilig, spannend und lustig ist, dann hätte ich zwar das perfekte UnterrichtsÜ-Ei, wäre aber in einem Jahr reif für die Klinik. Zuviel Idealismus kann auch ungesund sein.

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