Schüler, der nicht schreiben kann

  • Hey,


    ich bin nur noch kurze Zeit an meiner Ausbildungsscgule. In dieser Zeit soll ich einen meiner schüler intensiv fördern. Er ist im 4. Schulbesuchsjahr (jetzt förderschule) und kann zwar relativ gut lesen, aber überhaupt nicht schreiben. Wir arbeiten recht viel mit dem buchstabenhaus, machen freie schreibanlässe usw. Sobald eine solche aufgabe kommt, ruft er direkt "Hiiilffeeee!" Z.B. wollte er letztens einen brief schreiben. das Wort <Hallo> verschriftete er mit "oa". ich habe mich zu ihm gesetzt, ihm das Wort vorgesprochen, ihn aufgefordert, es selbst auszusprechen und ihn gefragt, was er höre. Ich denke, er versteht gar nicht, was das heißt, bei einem Wort etwas zu hören. Er spricht also überdeutlich "Hallooooo" und schreibt eben das "o". Nur weil ich gesagt habe, dass er da bestimmt noch mehr laute höre, meinte er "a" und dann war das wort für ihn auch fertig. Ich finde die Lautanalyse auf jeden fall schwierig für einige Schüler und ich denke, dass es für ihn absolut nicht der richtige weg ist, schreiben zu lernen.
    Ich überlege nun, was ich in den Förderstd mit ihm machen könnte. Vielleicht wäre ein silbentraining gut, also silben vorzugeben und diese schließlich zu worten zusammenzulegen und ganz intensiv zu üben. Ich bin mir aber auch nicht sicher....
    hat jemand vielleicht ein paar tipps, was man machen könnte in so einer intensivförderung?
    Wäre echt über jeden tipp dankbar!!!
    Viele Grüße,
    katharina

  • Hi,


    ich habe auch einige Kinder, die sich mit dem "Hinhören" noch enorm schwer tun - aber ich habe ja auch ein 1. Schuljahr. Mit den ganz schwachen mache ich einen"Kurs" zur Förderung der phonologischen Bewusstheit. Gut finde ich die Aufgaben aus dem Papiertiger-Ordner. Das ist so eine Art Vorkurs vor dem eigentlichen Buchstaben- und Leselehrgang. Es geht darum herauszuhören, welche Wörter gleiche Anlaute haben, welche Wörter sich reimen etc.


    Ist bei dem Jungen organisch alles in Ordnung (Hörprobleme ausgeschlossen?).


    Gruß


    Sina

  • Der Junge ist also neun oder zehn Jahre alt, seit vier Jahren in der Schule... und schreibt bei Hallo oa.
    Es ist ja offenbar eine Förderschule... da ist doch bestimmt eine intensive Diagnostik gelaufen?
    Was genau ist sein Problem?
    Der IQ? Eine heftige LRS? Etwas anderes?
    Ich bin ja keine Sonderpädagogin, aber ich stelle mir vor, dass es wichtig ist, die Diagnose genau zu kennen, um sein Problem gezielt anzugehen, oder?


    Außerdem würde ich, glaube ich, ganz anders arbeiten... die konventionellen Methoden wird er sicher alle kennen und die haben jetzt vier Jahre lang eher wenig Erfolg gebracht.
    Was ist mit diesem Intra-Act-Plus Konzept?
    Ich kenne es nicht... aber ich habe schon viel davon gehört. Es macht mich neugierig. Und gerade bei so einem Kind würde ich mal eine ganz andere Methode wählen.
    Aber ob das DIE Methode für diesen Jungen ist, das kann ich natürlich auch nicht beurteilen...

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • ja, da gabs diagnostik en masse und er war auch schon bevor er an die förderschule kam dreieinhalb jahre I-Kind.
    von dem lehrgang habe ich auch gehört und habe heute auch schon dran gedacht. eine kollegin von mir hat den glaub ich. vielleicht sollte ich mir den mal genau ansehen. ich find den eigentlich nicht so cool (hat ja etwas sehr mechanisches...), aber für eine intensive förderung wärs vielleicht gar nicht so doof...

  • sarahkatha:


    Offensichtlich scheint Dein Schüler ja extreme Probleme mit der phonologischen Diskriminierung zu haben, daher würde ich diesen so völlig erfolglosen Weg, erst zu hören, und dann zu schreiben sofort verlassen, sondern andersherum arbeiten. Kannst Du mit ihm denn intensiv direkt - also in einer 1:1- Situation arbeiten? Dann biete ihm halt langsam Buchstabe für Buchstabe an und achte darauf, dass Du und er immer simultan mit dem Schreiben eines Buchstabens diesen - und nur diesen - gemeinsam aussprechen. Wichtig ist hier die absolute Simultanität: Buchstabe sehen, nachspuren, gemeinsam aussprechen nicht hintereinander, sondern wirklich gleichzeitig. Und diesen Vorgang in Schleifen immer wiederholen. Danach kannst Du langsam anfangen einfachste Silben und Wörter zusammenzubauen.


    So in etwa geht das Intraactplus-Konzept in seinem Schreibanteil vor. Es ist ein Druckschrift-Lehrgang.


    Allerdings würde ich mir bei diesem Schüler sehr genau überlegen, ob ich nicht statt mit Druckschrift (wie bei Intraactplus) mit der Schreibschrift arbeiten würde. Er hat ja bisher schon sehr viel Zeit verloren. Druckschrift ist dem Schüler schon vom Lesen vertraut, das wäre der einzige Vorteil in meinen Augen. Schreibschrift - wenn Du nicht die verschnörkelte Lateinische Ausgangsschrift, sondern die Schulausgangsschrift verwendest, hat den Vorteil, dass die Bewegungen sehr viel flüssiger laufen können und nicht so abgehackt sind und dass Wortgrenzen viel eindeutiger markiert sind - ein wesentlicher optischer Vorteil bei akustischen Problemen.


    Berichte doch mal, wie Du vorgehst und ob sich etwas bessert!


    craff

  • ja, das intra-act.plus-konzept habe ich mir jetzt auch aus der schule ausgeliehen. zwar hat noch kein kollege damit gearbeitet und ich habe im seminar auch viel kritisches darüber gehört, aber es ist halt ein wirklich anderer weg und deshalb würde ich es gerne ausprobieren. leider leider bin ich nur noch drei wochen an der schule, weil danach mein referendariat zu ende ist. das find ich ganz schön traurig... naja, zumindetsne sknann ich mich und ihn arbeiten und wenn die anfänge gut laufen, gebe ich es an meine kollegin weiter.
    gruß und danke!

  • craff:


    da ich leider nicht an meiner ausbildungsschule bleiben konnte und seit eineinhalb wochen jetzt an ner anderen schule arbeite, konnte ich nicht intensiv mit ihm arbeiten. habe den förderplan für den schüler jetzt so geschrieben, dass die neue lehrerin eigentl ganz gut mit ihm arbeiten könnte bzw da anknüpfen könnte. das intraact plus kannte sie aber nicht und ich glaube auch nicht, dass sie damit arbeiten wird. schade.

  • Der folgende verlinkte Artikel zum Thema IntraActPlus-Konzept ist mir grad aufgefallen und da erinnerte ich mich an diesen Thread. Dieses Konzept spaltet wohl sehr extrem (wie man an dortigem Komentar sehen kann).
    Wahrscheinlich liegts (wie immer) am tatsächlichen Einsatzzweck. Eine allgemeine Kritik heißt ja nicht, dass dieses Konzept für einzelne Kinder super ist..


    Auch wenn er älter ist, vielleicht interessierts noch jemanden:


    http://bildungsklick.de/a/6748…ernprogramm-intraactplus/

  • Ich selbst kenne Intraplus nicht, es basiert aber wohl auf der "Silbenmethhode", wie ich in "Metakommentaren" nachgelesen habe.


    In der Legasthenieförderung wird schon immer mit dem Silbenansatz lesen und schreiben gefördert. Ich denke, dass Brügelmann sich gegen einen flächendeckenden Einsatz windet. Wenn ein Kind aber Teilleistungesstörungen in dem grundlegenden Bereich der Methode "Lesen durch Schreiben- Anlauttabelle" hat, die phonologische Bewusstheit fehlt - ist es schwierig, diesen Weg zu beschreiten. Ich würde mich daher auf die Erfahrung von Leuten verlassen, die eben mit jenen Kindern lernen, die mit der herkömmlichen Methode scheitern....
    Und davon gibt es wohl auch ziemlich viele.


    Mittlerweile gibt es Fibeln, die den Silbenansatz zugrundelegen und auch mehrere methodische Ansätze..., Brügelmann vertritt eher die Gegenposition (aus seiner Zeit heraus auch zu verstehen).


    Ergo: Ich würde mich nicht daran stören, was die Fachleute sagen, wenn der eine Weg bei dem Kind gescheitert ist, muss eine andere Lerntheorie und Methode ausprobiert werden. Und vieles spricht für den Weg der "kleinen und kleinsten Schritte".


    flip

  • Ich kenne die Methode mittlerweile ziemlich gut und habe die Erfahrung gemacht, dass sie wirklich auf viele Situationen anwendbar ist. Es ist zunächst keine Silbenmethode, sondern sie beginnt mit Einzelbuchstaben, die zusammengeschliffen werden, anschließend Silben, später Wörter, die dann aber nicht mehr in Silben getrennt werden. Es ist also keine Silbenmethode. Hier werden viele Prinzipien gleichzeitig umgesetzt. Fokussierung: ein großer Buchstabe zur Zeit. Aufmerksamkeitstraining, nur ein Buchstabe im Gesichtsfeld dank Schablone. Von Anfang an Training der Leserichtung. Keine Ablenkung durch Bilder. Lernen am Modell, sofortige Verbesserung von Fehlern.
    Ich empfehle diese Methode mittlerweile sogar meinen Azubis als Lehrgang für zu Hause, wenn sie schlecht lesen und schreiben und motiviert sind, das zu ändern. Der Lehrgang macht ihnen Spaß und endlich werden sie besser... Meine eigene Erstklässlerin hat in Windeseile damit Lesen gelernt, meine Freundinnen berichten Wunderdinge von ihren Dritt- und Viertklässlern. Wenn die Kinder so rasch lesen können, sind sie anschließend im Unterricht viel aufnahmebereiter. Das Schreiben hat insbesondere Vorteile für aufmerksamkeitsgestörte Kinder. Durch das Training wird die Aufmerksamkeitsspanne, die sie brauchen, um ein Wort zu vervollständigen, um ein Vielfaches verkürzt, sie schaffen einfach mehr und fallen nicht mehr durch den Rost, hampeln in der Schule nicht mehr rum, stören nicht, sondern tun was.
    Das Brügelmannsche Gutachten habe ich gelesen und kann wenig damit anfangen. Ein wenig seltsam sind angeblich 40 Zusatzgutachter. Hat das Brandenburgische Bildungsministerium wirklich 40 Leute mit dem Material zur Beurteilung geschult? Besonders verwunderlich finde ich die Überschrift Warnung, denn im Gutachten wird nicht ein einziger Fall benannt, in dem sich ein Schüler unter Anwendung der Methode verschlechtert oder nicht verbessert hat. Überhaupt kommen Anwender nicht zu Wort, sondern es wird aus theoretischer Überlegung gewarnt.
    Übrigens: Eine Warnung würde ich gelten lassen, habe von Eltern gehört, die ihren Dreijährigen damit Lesen beibringen. Ich finde, in diesem Alter reicht Vorlesen wirklich aus.

  • Ich habe in meinen Modulen in der Ausbildung auch viel Negatives gehört, was ich auch nachvollziehen kann. Eben dadurch dass auf jeglichen Handlungsrahmen verzichtet wird, wirkt es ja auch sehr kühl und unansprechend. ich könnte mir jetzt auch nicht recht vorstellen ihn von anfang an in einer klasse anzuwenden. ich könnte mir den lehrgang aber ganz gut im förderunterricht vorstellen, weil ich schon denke, dass er eben für manche schüler genau das richtige ist.
    generell ist es einfach aber unglaublich schwierig, einen richtig guten lese-schreib-lehrgang rauszusuchen.


    was haltet ihr denn von klick oder einsterns schwester?


    gruß, sarahkatha

  • Zitat

    Original von sarahkatha
    Ich habe in meinen Modulen in der Ausbildung auch viel Negatives gehört, was ich auch nachvollziehen kann. Eben dadurch dass auf jeglichen Handlungsrahmen verzichtet wird, wirkt es ja auch sehr kühl und unansprechend.


    Die Grundschullehrer, mit denen ich gesprochen habe, bestreiten damit nicht ihren gesamten Deutschunterricht, sondern wenden es entweder im Rahmen der Wochenplanarbeit an oder verwenden es nur für einen Teil des Deutschunterrichts und füllen den Rest der Zeit mit ihren eigenen Inhalten. Es ist zunächst sehr spartanisch und inhaltsfrei, am Ende kommen schlichte Texte. Es geht nur ums Erlernen derTechnik, macht den Kindern und Jugendlichen aber Spaß, langweilig wirkt es, glaube ich, am Anfang eher auf Erwachsene. Auch wenn der Vergleich hinkt: vielleicht wie Seilhüpfen, da macht die eigene Aktion auch mehr Spaß als die Vorstellung anderen zuzuschauen.


    craff

Werbung