Wahrnehmung des Berufsalltags

  • Hallo zusammen,


    seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Frage, nach einer 2-jährigen Schulpause (arbeit in einem anderen Bereich) eventuell doch wieder in den Schuldienst zu wechseln. Man kann ja doch nicht ganz aus seiner Haut :) Damals habe ich das Ref als unglaublich belastende Zeit empfunden und brauchte Abstand von all den Erfahrungen die man in dieser Zeit macht (leider wenig Gute :()


    Mit etwas Abstand relativieren sich natürlich die überzogenen Ansprüche an Unterrichtsgestaltung, geblieben ist aber der "Zweifel", ob es möglich ist, einen Schulalltag auch ohne Dauerstress und Hetze zu erleben (immerhin redet ja alle Welt davon, dass man fast ein Superman /- frau sein muss, um all das zu bewältigen) . Daher wäre mir wichtig einmal ein paar Meinungen von euch zu hören, wie ihr euren Alltag, besonders bei vollem Stundendeputat empfindet. Eher gestresst, abgekämpft und nur noch aufs Wochenende hoffend oder durchaus auch ruhig, sowohl in der Schule als auch bei den Vorbereitungen.


    Danke euch schon mal ganz herzlich =)


    Viele Grüße


    smilie

  • Die Frage die sich mir sofort aufdrängt:


    Warum soll es heute anders, oder besser sein als damals?


    Was waren die Belastungsgründe?


    Ich denke die Vorbereitung auf den Unterricht dürfte mit der Zeit weniger zeitaufwändig sein.


    Was sicherlich bleibt, ist die Hektik, die großen Klassen, vielleicht Klassen die einige "schwierige" Schüler haben usw.


    Jeder empfindet die Belastung aber auch unterschiedlich.


    Daher muss jeder für sich entscheiden, welches nun der richtige Job ist.
    Ich würde mich da auf das Bauchgefühl verlassen, es dürfte ein guter Indikator sein für alle Faktoren, die man nicht rational erfassen kann.


    Ich kann nur für mich sagen, da ich aus der freien Industrie komme, der Bürojob mit Gleitzeit war deutlich weniger belastend, geregelter Tagesablauf, weniger hektisch, das Wochenende ist ein Wochenende, der Arbeitstag endete so um 17 Uhr und dann war auch Ende.


    Der Lehrerjob ist vielfältiger, vielleicht noch für mich da ich auch noch keine Routine habe und vieles vorbereiten muss. (Seiteneinstieg)


    Man muss den Job einfach mögen, vieles kann man sicherlich auch lernen.


    Gruß


    E_T

  • Dauerstress und Hetze gibt es auch nach dem Referendariat - allerdings in anderer Form. Im ersten Jahr nach dem Ref habe ich jedem, der es nicht hören wollte, gesagt, dass ich lieber zwei volle Stellen gleichzeitig, als noch einmal ein Referendariat machen würde.


    Man ist nicht mehr im "Dauer-Prüfungsstress", jedoch ist man beim Einstieg in das "echte Leben" natürlich durch die vielen neuen Klassen (-stufen), die man noch nie unterrichtet hat, und die vielen neuen Aufgaben, die man noch nie hat erledigen müssen (Klassenleitung etc.) ziemlich gefordert. Ich bin meist erst zwischen 2 und 3 zu Bett gekommen, wie gut, dass ich dafür kurz vor 8 wieder vor der Klasse stehen durfte.
    (Zu dem Zeitpunkt kannte ich aber dieses Forum noch nicht und habe so wohl manches Rad neu erfunden...)


    Ab dem zweiten Schuljahr nach dem Ref wird es besser, aber viel zu tun ist immer...

  • Ich habe das Referendariat auch insgesamt anstrengender, belastender empfunden als die nachfolgende Berufstätigkeit obwohl ich unterm Strich im Referendariat schon noch mehr Zeit für mich und Freizeitaktivitäten hatte.
    Ich hatte danach in den ersten 2 Jahren mit Vollzeit viel, viel mehr Arbeit - weiß rückblickend gar nicht mehr, wie genau ich die 8. Korrekturgruppen damals eigentlich gestemmt habe - aber der Prüfungsstress, das ständige Beurteilen durch Fachleiter und Schulleiter war weg und ich fühlte mich freier in dem, was ich tat.
    Stimme zu in dem Punkt, dass das generell jeder anders empfindet und dass es von vielen Faktoren wie Schulform, Schülerschaft, Kollegium, Schulleitung und Fächerkombi abhängig ist. Und ich habe auch keinen Vergleich zu anderem Berufsleben, da ich nie was anderes gemacht habe als Schuldienst.

    • Offizieller Beitrag

    ich hatte im Referendariat wesentlich weniger Zeit und mehr Belastung als nun mit voller Stundenzahl, Klassenleitung und ausschließlich Korrekturklassen. Und das, obwohl ich mich in einem anderen Bundesland erst mal in die Gepflogenheiten reinfuchsen muss.


    Kannst du nicht mit reduzierter Stundenzahl wieder einsteigen ?

  • Das Referendariat lässt sich in keiner Weise mit dem Berufsalltag vergleichen. Das Ref ist eine Ausnahmesituation. Die Anforderungen im "normalen" Schulalltag sind ANDERS, nicht schlimmer oder besser. Wie es sich für Dich darstellt, kannst Du nur selbst herausfinden. Nur Mut.


    Es hängt davon ab, wie sich deine Klasse und dein Schulumfeld zusammensetzt. Unterrichtsbesuche sind ja - mit Ausnahme der Verbeamtungsbesuche - nicht mehr fällig. Auch dein Status gegenüber Eltern und Kollegen ist anders.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe das Referendariat eigentlich wegen der Unterrichtsbesuche als schlimm empfunden - sondern wegen der Entmündigung und Infantilisierung erwachsener Menschen mit einem akademischen Abschluss. Warum die UBs an sich (der ungerechte Einzelfall kommt vor, ich weiß) als so traumatisch empfunden werden, weiß ich nicht, ich halte es auch für kontraproduktiv, weil sie bei den Kollegen zu dieser heute abgemilderten, aber immer noch vorhandenen Haltung "jeder murkelt da hinter verschlossenen Türen..." führt. Ich unterrichte bei offener Tür und wer auch immer dran vorbeigeht kann sich das angucken. Wer hospitieren will, bitteschön. Außerdem ist die Luft dann besser. :)


    Ingesamt bin ich heute eher ungetresst. Was nicht heißt, dasss ich wenig zu tun habe, aber im Ref. hat mich all das, was ich tue, sehr belastet, weil mich die Gesamtsituation so angekotzt hat: vor allem die sinnlosen Veranstaltungen, die mir Zeit gestohlen haben, die ich anderswo gebraucht hätte. Vielleicht hatte ich besonderes Pech, aber ich habe dort im Deutschsemiar nur wenig und in Englisch nichts gemacht, was ich brauchen konnte (das hab ich mit einer Gruppe Refs, die ich gut kante, nach den Veranstaltungen getan!). Keine Klausur gemiensam korrigiert, nicht über Bewertungsmaßstäbe geredet, keine Reihe geplant, keine Abiprüfung simuliert, nix: nur Schnörkelstunden mit Sahne, Gedichte selber schreiben, Shakespeare inszenieren. So ein Käse!! Pädagogik war okay, aber das lag auch nicht am Fachleiter, sondern an der Gruppe. Nach dem Seminar sind wir in die Kneipe und haben die Fragen selbst beantwortet, gemeinsam Schulrecht gewälzt und uns überlegt, was Sinn macht, nachhaltig wirkt, etc...
    Zudem hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits zwei Jahre Berufserfahrung aus England und war bei "Was ist eine offene und was ist eine geschlossene Frage" restlos unterfordert. Ich denke heute noch mit Grausen an diese Zeit. Und dann diese Sprechsteinfortbildungen und die auf-dem-Boden-im-Schneidersitz-pädagogischen-Trainingstage! Oh Gott!


    Die ersten Berufsjahre dann waren die absolute Hölle, was die Arbeitsbelastung anging. Klar, ich hatte ja auch genau das (26 Normalostunden planen und zügig korrigieren) Zentrale nicht gelernt. Und direkt nach dem Ref bekam ich einen 13er LK eines kranken Kollegen, den ich zum Abi führen durfte und einen eigenen LK. 70 Stunden waren der Normalfall. Ich dachte wirklich, ich schaff es nicht. Irgendwie gibg's dann besser; hauptsächlich durch viel Input netter Kollegen und einer absolut konsequenten und klaren Organistaion meines Alltags.


    Heute habe ich mich bei 55 Stunden eingependelt, mal mehr mal weniger, und damit komme ich gut klar. Und ich habe - nachdem ich schon leichte Anflüge von Stagnation im Berufsalltag" empfand, X Zusatzjobs, die mich interessieren: Beratunsglehrerin, Personalrätin, Gesamtpersonalrat, Schule&Gesundheit, etc ... das erweitert den Horizont und führt auch zur Berufszufriedenheit (und zu deutlich erweiterten Kompetenzen: Stagnation finde ich am Schlimmsten. Und der Lehrerberuf, wenn man sich nicht nach bestimmten Aufgabenfeldern umguckt, lässt Stagnation durchaus zu. Ihr kennt ja die Kollegen, die heut noch mit den Matritzen von 1980 arbeiten... ;) - oder den Typ "Haben wir noch nie so gemacht!" :) ).


    Kurz: es hat für mich 7, 8 Jahre gedauert, aber jetzt ist das Verhältnis Arbeitzeit - Qualität / Phasen der Anspannung-Entspannung / Lehren - selber Lernen / Beruf - Privatleben / und meine Berufszufriedenheit relativ ideal. Mental/psychisch belastende Phasen habe ich nur noch, wenn aus allen meinen Arbeitsbereichen viel Dringendes zusammenkommt UND im Privatleben was unrund läuft.


    Noch kürzer: ja, für mich gibt es einen Beraufsalltag ohe Dauerstress (kurze Stresshochs sind normal) und Hetze.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat

    ja, für mich gibt es einen Beraufsalltag ohe Dauerstress (kurze Stresshochs sind normal) und Hetze.


    Das kann ich bestätigen. Allerdings arbeite ich keine durchschnittlichen 55 Stunden pro Woche mehr, sondern inzwischen durchaus durchschnittlich 7-10 weniger und das ist für mich auch absolut ok so, weil ich darin meinen Rhythmus finde, mit dem ich klar komme und auch noch Privatleben habe.


    Es hat bei mir aber 2-3 Jahre gedauert bis ich allein dahin gekommen bin, d.h. die nötige Routine hatte um das alltägliche Pensum gut zu bewältigen, nicht mehr Unmengen an Zeit an Vorbereitungen und Korrekturen zu verlieren, sondern mich auch anderen außerunterrichtlichen Aktivitäten zuwenden zu können, Schüler- und Elternberatung intensiver wahrnehmen zu können und auch mal einer persönlichen Leidenschafts-AG sowie Gremiums-Mitgliedschaften nachgehen zu können.


    In den ersten 2 Berufsjahren hätte ich dazu mit Sicherheit keine Zeit und Kraft mehr gefunden!
    Denke, dass Nicht-Korrekturfachlehrer/innen häufig schneller an diesen Punkt kommen, an dem sie sich in Schule auch außerhalb der Routinetätigkeiten mehr verwirklichen können und besagte "Stagnation" vermeiden können, weil ihnen bedingt durch meist geringfügigere Korrekturbelastung faktisch definitiv mehr Zeit überbleibt. Deshalb findet man m.E. solche auch vielfach öfter auf den Pöstchen, die wirklich beförderungsträchtig sind.


    Zitat

    vor allem die sinnlosen Veranstaltungen, die mir Zeit gestohlen haben, die ich anderswo gebraucht hätte. Vielleicht hatte ich besonderes Pech, aber ich habe dort im Deutschsemiar nur wenig und in Englisch nichts gemacht, was ich brauchen konnte


    So sinnlos habe ich mein Referendariat nicht empfunden. Ich hatte gute Ausbilder in meinen Kernfächern, insbesondere in Deutsch. Mein Hauptseminar war allerdings sowas von unterirdisch, dass ich heute noch jede dort verbrachte Stunde als verschenkt begreife und immer noch eine Aversion gegen Kartenabfragen und Brainstromings habe, weil das dort so dermaßen überstrapaziert wurde ;)


    Ich denke, jeder muss selbst für sich herausfinden, ob der Job für ihn was ist. Und das merkt man letztlich nur in der Praxis.


    Ich schätze die meisten Gegebenheiten, die dieser Beruf mit sich bringt, wie z.B. das Miteinander mit Kindern/Jugendlichen, das Unterrichten - ich unterrichte nach wie vor wirklich unglaublich gern.
    Ich bereite auch gern vor und ich bringe mich gern ein in Kommissionen verschiedenster Art um Schule voranzubringen, Verbesserungen herbeizuführen. Ich erledige nicht gern Verwaltungsaufgaben und stundenlanges korrigieren ist auch nicht meins! Beruhigend ist, dass das den meisten Kollegen genauso geht :)

    Einmal editiert, zuletzt von Antigone ()

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