Buch: Persönlichkeiten Statt Tyrannen

  • Gleich zu Beginn, ich habe dieses Buch von Michael Winterhoff noch nicht gelesen. (werd es aber schnellstmöglich nachholen)


    Durch die Medien bin ich aufmerksam geworden- und muss über die These: Unsere Jugendlichen an der Schwelle zum Berufsleben hätten eine Psyche/Reife von 5Jahren. Sie vermögen es nicht ihre Wünsche zu unterdrücken - ICH- ALLES -JETZT- .


    Bin ganz ehrlich- mit dieser These kann ich viele Verhaltensweisen meiner Schüler erklären. Sie schaffen es werder für sich geschweige denn für Andere Verantwortung zu übernehmen. Sie können sich nicht Unterordnen, sind "Lust"gesteuert. Dauerausrede-(vor allem im Sport) "kein Bock". Sie erinnern mich häufig an kleine Kinder.


    Ich war erschrocken- wenn dies wirklich stimmt- was kommt da auf uns zu? Und er sagte es werde noch schlimmer kommen.


    Habt ihr das Buch schon gelesen- +Meinungen?


    VG skydep

    • Offizieller Beitrag

    Wenn man die ersten beiden Bücher gelesen hat, lässt sich so einiges, was man an der Schule so erlebt, erklären.


    Natürlich sollte man jetzt nicht hingehen und jeden Schüler krampfhaft analysieren und dann feststellen, er ist ein einer symbiontischen Beziehung zu seiner Mutter o.ä.


    Ich habe auch gerade erst von diesem Buch erfahren und werde es mir wohl zulegen.


    Was aktuell auf uns zukommt, sehen wir doch tagtäglich.


    Beruhigend ist jedoch, dass es ungeachtet der "kranken" oder "gestörten" Schüler immer noch eine deutliche Mehrheit an Schülern gibt, die - wenn wir die Pubertät als Ausnahmezustand einmal berücksichtigen - völlig normal ist.


    Gruß
    Bolzbold

  • Ich finde Winterhoffs Grundgedanken auch sehr überzeugend, halte Bolzbolds einschränkende Aussage aber für zentral.


    Aus meiner Sicht leidet das (erste) Buch phasenweise immer wieder an einer zu starken Tendenz zur Verallgemeinerung. Teilweise neigt Winterhoff auch auch sehr zu Übertreibungen, was sicherlich zum Verkaufserfolg des Buches beigetragen hat.

  • Zitat

    Original von Bolzbold
    Beruhigend ist jedoch, dass es ungeachtet der "kranken" oder "gestörten" Schüler immer noch eine deutliche Mehrheit an Schülern gibt, die - wenn wir die Pubertät als Ausnahmezustand einmal berücksichtigen - völlig normal ist.


    Nur, wie sagte Prof. Biedenkopf jüngst:


    Von den 100 Kindern, die wir bräuchten, werden nur 65 geboren, von denen 15 nicht ausbildungsreif sind und weitere 10 auswandern.


    Ob die restlichen 40 reichen, um die Gesellschaft am Laufen zu halten?


    Ich oute mich hiermit als ab und zu Maischberger-Gucker:
    http://www.ardmediathek.de/ard…517136?documentId=4008184
    Diesmal sogar mit Howard "Howie" Carpendale!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    • Offizieller Beitrag

    Ich weiß, wir hatte es hier schon öfter, aber ich musste sofort an dieses Zitat denken:


    Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. Sokrates (um 469 vChr - 399 vChr)


    Ich will nicht so recht an den Verfall der Jugend glauben. Vielmehr denke ich, dass sich Jugend eben verändert - ebenso wie unsere Sichtweise auf sie.
    Habe neulich gleich zwei Leserbriefe von Ausbildungsleitern großer bzw. mittelständischer Unternehmen unserer Region gelesen. Sie erschienen nach einem Artikel über die "unbrauchbaren" Jugendlichen, die nicht mal in der Lage seien, Lehrstellen anzutreten. Beide Betriebsvertreter wollten das nicht bestätigen. Sie sähen vielmehr, dass sich die Jugendlichen verändert hätten, aber immer noch erfolgreich und engagiert ihre Ausbildung antreten und absolvieren würden. Den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr. Mich hat aber beeidruckt, dass es diesen Nicht-Pädagogen scheinbar in der Lage sind, die Jugendlichen da abzuholen wo sie sich befinden.

  • Zitat

    Original von Melosine
    Ich weiß, wir hatte es hier schon öfter, aber ich musste sofort an dieses Zitat denken:


    Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. Sokrates (um 469 vChr - 399 vChr)


    Ich will nicht so recht an den Verfall der Jugend glauben. Vielmehr denke ich, dass sich Jugend eben verändert - ebenso wie unsere Sichtweise auf sie.
    Habe neulich gleich zwei Leserbriefe von Ausbildungsleitern großer bzw. mittelständischer Unternehmen unserer Region gelesen. Sie erschienen nach einem Artikel über die "unbrauchbaren" Jugendlichen, die nicht mal in der Lage seien, Lehrstellen anzutreten. Beide Betriebsvertreter wollten das nicht bestätigen. Sie sähen vielmehr, dass sich die Jugendlichen verändert hätten, aber immer noch erfolgreich und engagiert ihre Ausbildung antreten und absolvieren würden. Den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr. Mich hat aber beeidruckt, dass es diesen Nicht-Pädagogen scheinbar in der Lage sind, die Jugendlichen da abzuholen wo sie sich befinden.


    Melosine, du hast in der langen Frist sicher Recht mit deinem Hinweis.


    Andererseits:
    Die Jugend verändert sich und damit auch ihre Probleme. Im Umgang mit Jugendlichen sollte man über diese historisch spezifischen Problemkonstellationen Bescheid wissen und da bietet Winterhoff einfach einen interesanten Ansatz.


    Außerdem denke ich schon, dass man bezüglich der Intensität von Problemen von und mit Jugendlichen durchaus wellenartige Phasen ausmachen kann. Das wäre doch sehr merkwürdig, wenn sich die Problemintensitäten über die Jahre hinweg nicht verändern würden. Natürlich kann man dann jeweils lange darüber diskutieren, in welcher "Phase" eine Generation gerade im Vergleich zur vorausgegangenen steckt.

    • Offizieller Beitrag

    Mag mit daran liegen, dass ich Winterhoff nicht leiden kann. Hab an anderer Stell schon meine Meinung zu seinen Thesen geschrieben. Fand die Bücher anfangs noch nachvollziehbar und gut, dann aber zunehmend dogmatisch und altbacken- jetzt mal sehr salopp ausgedrückt. ;)

  • Zitat

    Original von Melosine
    Fand die Bücher anfangs noch nachvollziehbar und gut, dann aber zunehmend dogmatisch und altbacken- jetzt mal sehr salopp ausgedrückt. ;)


    Das kann ich sogar nachvollziehen. Die Bücher (bzw. das erste Buch, das oder die anderen kenne ich nicht) und auch sein Auftreten in der ein oder anderen Talkshow haben mich nicht überzeugt. Der Begriff 'dogmatisch' bringt da auch mein Gefühl ganz gut auf den Punkt. Ich bleibe aber dabei, dass ich seine analytischen Grundgedanken für sehr interessant und überzeugend halte. Deshalb lohnt es sich - bei aller Kritik - meiner Meinung nach auch, zumindest sein erstes Werk mal in die Hand zu nehmen.


    Ich kann mich übrigens auch daran erinnern, dass das hier schon mal anderswo Thema war, habe aber gerade keine Lust zu suchen.

  • Ich kannte Winterhoff vorher nicht und habe keines seiner Bücher gelesen, aber was ich in den letzten Tagen von ihm in den Medien gehört habe, hat mich nachdenklich gestimmt. Als Lehrerin an einer Berufsschule mit hohem Anteil von Vollzeitschülern (Höhere Handelsschule) bin ich täglich hauptsächlich konfrontiert mit Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren. Und da kann ich vieles unterschreiben, was Winterhoff sagt. Impulsgesteuert wie 5-Jährige, nicht fähig sich an Regeln zu halten, dazu an völliger Selbstüberschätzung leidend in dem Glauben, die Betriebe würden nur auf sie als Auszubildende warten und lauter Fünfer in den Prüfungsfächern auf dem Zeugnis wären nicht so schlimm... :rolleyes:

  • Zitat

    Original von Zankfrosch
    Ich kannte Winterhoff vorher nicht und habe keines seiner Bücher gelesen, aber was ich in den letzten Tagen von ihm in den Medien gehört habe, hat mich nachdenklich gestimmt. Als Lehrerin an einer Berufsschule mit hohem Anteil von Vollzeitschülern (Höhere Handelsschule) bin ich täglich hauptsächlich konfrontiert mit Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren. Und da kann ich vieles unterschreiben, was Winterhoff sagt. Impulsgesteuert wie 5-Jährige, nicht fähig sich an Regeln zu halten, dazu an völliger Selbstüberschätzung leidend in dem Glauben, die Betriebe würden nur auf sie als Auszubildende warten und lauter Fünfer in den Prüfungsfächern auf dem Zeugnis wären nicht so schlimm... :rolleyes:


    dazu passend: ein derzeitiger Thread bei den Schulthemen.
    Entschuldigung nach 3 Mon. - wieso ein Problem?

    "Die Welt ist kein romantischer Ort mehr.
    Einige Menschen in dieser Welt sind es aber trotzdem noch.
    Und darin liegt die Hoffnung…
    Lass die Welt nicht gewinnen, Ally McBeal."

  • Dieses Geschwafel bei Maischberger ist ja furchtbar.


    Ich kann den Winterhoff auch nicht leiden - er bedient im Moment den allgemeinen Trend, dass ein Erziehungsnotstand herrscht in Folge der antiautoritären Erziehung, die angeblich die Kinder der 68er alle genossen haben.


    Andererseits nehme ich viele von meinen Schülern auch als so kindisch wahr wie hier beschrieben, maßlos in ihrem Anspruch und extrem unhöflich. Und gerade die älteren Kollegen klagen ausgiebigst über die Jugend von heute. Und nun?


    Was ist nun meine Rolle als Lehrerin? Welche Chancen habe ich denn, auf Achtzehnjährige einzuwirken, die für alles zu faul sind und keine Umgangsformen haben? Gibt es da welche, die ihre Schule mit 16 (Sek II) schlecht erzogen betreten haben und mit 19 mit Abschluss, produktiver Arbeitshaltung und guten Manieren verlassen (ich kenne keine. Viele sind vorher weg, die anderen mogeln sich mit Minimalaufwand und schlechten Manieren durch, die dritten waren von Anfang an in Ordnung)? Wenn ja, wie erreicht man das? Durch Disziplinarmaßnahmen? Gutes Zureden?


    Oder ist mit 16 eh alles zu spät - die Eltern haben es schon vergeigt? Was ist dann mit meinem Erziehungsauftrag? Schließlich muss ich ja an Entwicklungen glauben.


    Was empfiehlt denn der Herr Winterhoff?

  • @Pikesieben genau die gleichen Fragen habe ich mir nach dem Beitrag bei Stern Tv auch gestellt.
    OK- er hat es nun fest gestellt - UND NUN? ich bekomm die Schüler mit 13 / 14 Jahren. Viele zeigen das angesprochene Verhalten- also absolut Impulsgesteuert, Anerkennung keinerlei Regeln, Nichtanerkennung des Lehrers...
    Nun steht man da- das ist der gegenwärtige Zustand. Was kann ich intensivst tun um den Schülern beim "Reifen" aktiv zu helfen. Und ist es in dem Alter überhaupt noch möglich. Ist es in dem jetzigem Schulsystem (Klassen mit ungefähr 26 Schülern auf ein Lehrer) überhaupt möglich hier positiv einzugreifen.


    Wenn nicht- wo führt das hin?


    Antworten sind gefragt.

  • Starker Tobak, diese Stern.tv-Sendung.


    Aber verwundern tut es mich nicht: Dass diese Entwicklung, die man als Lehrkraft, schon seit Jahren beobachten kann, irgendwann auch in der Gesellschaft / Wirtschaft ankommt, war ja klar. Und Winterhoff behauptet ja noch, dass alles noch viel schlimmer wird... Dieses lust-/impulsgesteuerte Verhalten trifft man heutzutage sogar bei Oberstufenschülern an...


    Schüler/Schülerinnen, die sich nicht an Regeln halten, die trotzdem aus "pädagogischen Gründen" von vielen Kollegen und Kolleginnen immer weiter mit durchgezogen werden ("geben wir ihm/ihr noch eine Chance..."), die von ihren Eltern alles entschuldigt bekommen (vorzugsweise vor Klassenarbeiten/Klausuren) und deren Eltern die Schule als reinen "Dienstleister" sehen, kenne wir wohl alle.


    Einerseits ein erschreckender Bericht, andererseits empfinde ich auch so etwas wie Genugtuung. Wenn man jahrelang die Schule mit ihren Problemen alleine lässt, muss man sich nicht wundern, wenn diese Probleme irgendwann auch woanders auftauchen...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Original von Piksieben
    Oder ist mit 16 eh alles zu spät - die Eltern haben es schon vergeigt? Was ist dann mit meinem Erziehungsauftrag? Schließlich muss ich ja an Entwicklungen glauben.


    Immer schön ruhig bleiben. Als Lehrkraft tritt dein Erziehungsauftrag für den schulischen Bereich gleichberechtigt NEBEN denjenigen der Eltern. Dass heißt, wenn die Eltern es im außerschulischen Bereich nicht ernst nehmen und im schulischen Bereich nicht kooperieren (Rechte UND Pflichten der Erziehung!), dann kannst du effektiv wenig machen. Als Lehrkraft hast du nicht die Verpflichtung die Welt oder Individuen "zu retten". Das geht auch gar nicht.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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