Ausstieg aus dem Lehrerberuf

  • Hallo ihr,


    ich weiß nicht, ob ich mit diesem Thema hier an der richtigen Adresse bin, aber vielleicht gibt es doch jemanden hier, der ein bischen Bescheid weiß.


    Mir wird das alles zuviel, ich bin jetzt im ersten Berufsjahr nach dem Ref, das Ref war für meine Nerven schon die reinste Zerreißprobe und ich dachte, danach wird's vielleicht besser, weil man ja nun schon anderthalb Jahre Unterrichtserfahrung hat und der Prüfungsstress weg ist. Fakt ist aber, dass es nicht besser ist und dass ich langsam ernsthaft denke, dass ich für diesen Beruf nicht besonders geeignet bin (trotz gutem 2. Stex) und allmählich auch nicht mehr will. Mir geht das ständige Disziplinieren auf den Keks und teilweise auch richtig an die Nieren, so dass ich nachts nicht mehr schlafen kann. Ich arbeite zu viel, weiß, dass ich das nicht sollte, aber ohne sauber ausgearbeitetes Konzept fühle ich mich nicht sicher. Die Klasse, in der ich Klassenlehrerin bin, ist unzufrieden mit mir und lässt mich das deutlich spüren - teilweise zu Recht: Ich habe tatsächlich schon zweimal irgendwas organisatorisches nicht rechtzeitig mitbekommen (unter anderem natürlich auch deshalb, weil ich einfach die Kommunikationsformen der neuen Schule noch nicht so gut kenne) und habe gerade in dieser Klasse große Disziplinprobleme.
    Und allmählich hab' ich einfach auch die Schnauze voll und möchte einfach nur noch weit weg, irgendwohin, wo es keine Teenager gibt.


    Jetzt bin ich dabei, meine Fühler in Richtung Schulbuchverlag auszustrecken, in der HOffnung dort mehr Schreibtischarbeit und weniger reales Schulleben abzubekommen. Denke, das würde mich zufriedener machen.
    Allerdings: Weiß jemand, wieviel man ungefähr verdient, wenn man Volontärin ist? Und wie ist das mit KÜndigungsfristen, wenn man Beamtin auf Probe ist? Wie kommt man da raus und vor allem auch wie kurzfristig?
    Hab' nämlich das Gefühl, dass das alles einigermaßen schnell gehen sollte, ich verkrafte das nämlich nicht mehr lange. Klar, es wäre gut, erst mal eine Stelle zu haben, aber daran arbeite ich gerade.


    Vielleicht weiß irgendwer was zu diesem Thema?



    Vielen Dank und viele Grüße,


    Langohr

  • ohje, langohr, das hört sich ja gar nicht gut an!
    dein bauchgefühl sagt es dir ganz deutlich und eigentlich sollte man auch darauf hören.
    du hast auf jeden fall recht: so kann es nicht weitergehen!


    aber meinst du das wirklich ganz ernst mit dem ausstieg oder könnte dir so etwas wie supervision oder stellenreduzieren nicht erst einmal helfen? ich weiß, das ist ein vernunftargument, aber eine so lange ausbildung, in der sooo viel zeit und energie steckt nicht zu nutzen, wäre schade. reflektierte und sensible lehrer braucht das land und du gehörst dazu!
    wie wäre eine beratung mit systemischem hintergrund, ist eine sache, die schnell etwas bringt.
    mir hat man beim schulpsychologischen dienst (ich war da zu einem gespräch über ein kind meiner klasse) ganz deutlich gesagt, dass die auch für uns lehrer da sind und dass, wenn wir irgendwelche probleme haben (burn-out als berufsrisiko), wir uns auch an die wenden können.


    zu deinem wunsch, in die verlagsbranche einzusteigen, kann ich nichts sagen, sorry. aber meinst du, dass ein reiner schreibtischjob etwas ist auf die dauer? du bist ja aus einem bestimmten grund lehrer/in geworden.


    ich wünsche dir viel glück und erfolg, dass du die richtige entscheidung triffst und - wenn du aussteigst - den richtigen job findest, in dem du aufgehen und dich engagieren kannst, ohne daran kaputt zu gehen!!!

  • Hallo Langohr,


    deine Situation tut mir sehr Leid! Ich kann dich aber auch verstehen. Ich bin zwar erst im Ref., habe momentan jedoch ebenfalls mit Disziplinschwierigkeiten zu kämpfen.


    Zum Thema Schulbuchverlag kann ich leider auch nur wenig sagen:
    Ich weiß, dass man dort nur sehr schwer hinein kommt. Hast du Praktika vorzuweisen? Falls nicht, musst du damit rechnen, erst einmal für sehr wenig Geld eines zu absolvieren.
    Der Verdienst im Volontariat ist meines Wissens abhängig vom jeweiligen Verlag. Ich glaube der Verdienst ist etwa so wie im Referendariat.


    Falls dein größtes Problem die Disziplin ist: Könntest du dir vielleicht vorstellen, auf einer Abendschule zu arbeiten? Ich habe gehört, dass die Schüler dort sehr viel disziplinierter sind - zumal du es mit Erwachsenen zu tun hast, die wirklich arbeiten WOLLEN.


    Wäge deine Entscheidung aber gut ab, bevor du sie triffst und verlass dich auf dein Gefühl.
    Ich wünsche dir alles Gute!


    LG


    Sylvana

  • stimmt, sylvana hat recht.
    mein mann hat sein abi nach der ausbildung auf einem kolleg nachgeholt, da herrschte eine ganz andere unterrichtsatmosphäre und lehrer-schüler-kommunikation. alle hatten sich bewusst entschieden, das abi zu machen und waren erwachsen... wäre wirklich eine alternative.

  • Hallo,
    das wird schon wieder! Sich in einer neuen Schule einzugewöhnen ist immer anstrengend. Die Disziplinprobleme werden weniger, das lernt man mit der Zeit. Mir hat das Buch "Hey, Lehrer! Schulangst?" geholfen. Versuch die Arbeit lockerer zu nehmen und dir in deiner Freizeit etwas gutes zu tun! Schalt ab und entspann dich. Übrigends haben viele Lehrer in manchen Klassen Disziplinprobleme. Mit den Eltern reden hilft auch manchmal.
    Alles Gute für Dich!

  • Hallo Langohr,


    ja, das ist alles nicht sehr ermutigend.


    Noch weniger ermutigend ist allerdings, was ich bisher (eher Weniges) über die Verlagsarbeit mitbekommen habe, da sind meines bescheidenen Wissens nach die Gehälter nicht gerade toll, und berufliche Sicherheit hat man auch erst nach einer gewissen Zeit.
    Und Stress würdest du dort auch haben.
    Es wäre wahrscheinlich nicht so, dass du Schulbücher schreibst, denn das machen mehr oder weniger renommierte Lehrer aus dem Schulgeschäft, sozusagen als Ehrenamt nebenher; sondern du könntest dann Fortbildungen organisieren (ok, das ist vielleicht noch gut) und / oder die Schulen abklappern und die Lehrer in den großen Pausen damit nerven (so jedenfalls wird es bei uns empfunden), sie über die Schulbücher vollzuquatschen... Eine gewisse Verkaufsquote wird da sicher auch erwartet. Das nennt man dann übrigens Schulbetreuer...


    Also, mein Tip wäre auch eher Abendschule oder Teilzeit; als gute Bücher könnte ich G. Hoegg, 99 Tipps. Den Schulalltag meistern (2010), und K. Brose/W. Pfaffe, Survival für Lehrer (2008) [Da solllte jetzt eigentlich kein Smiley hin, sondern eine 8; ich weiß nicht, warum der da ist] empfehlen. Geteilt sind die Meinungen bei G. Lohmann, Mit Schülern klarkommen; allerdings habe ich selbst es nicht gelesen.


    Hamilkar

  • Hallo,


    vielen Dank für die lieben Antworten und die guten Ratschläge.
    Ja, vielleicht wäre Supervision tatsächlich eine gute Idee. Habe mich auch schon mal drum bemüht, eine Gruppe zu finden, aber das war nicht so einfach, weil die davon ausgehen, dass sich jeweils aus dem Lehrerkollegium von ein und derselben Schule mindestens zehn Leute zusammenfinden.
    Allerdings wurde mir damals auch angeboten, zu einem persönlichen Coaching zu kommen, wenn ich ein konkretes Problem hätte. Denke, das werde ich mal in die Wege leiten. Danke, dass Ihr mich daran erinnert habt!


    Was den Verlag angeht, so habe ich bereits eine Antwort vom Helbling-Verlag bekommen, dass ich dort mal in den Schulferien hereinschauen darf. Unbezahlt, aber das ist ok, weil sonst müsste ich ja um Genehmigung fragen und dann wäre bekannt, dass ich meine Fühler anderweitig ausstrecke. Natürlich will ich mir das auch alles gut überlegen und genauer Bescheid wissen, bevor ich eine Entscheidung treffe.


    Was die Abendschule angeht: Tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass ich mit Erwachsenen besser zusammenarbeiten kann als mit Teenagern. Allerdings ist dafür meine Fächerkombination nicht so günstig: Ich habe Musik und Deutsch, aber Deutsch nur mit kleiner Fakultas. Also fehlt mir für mein Hauptfach die offizielle Lehrbefähigung für die Oberstufe. Und bei Musik weiß ich nicht, ob das an der Abendschule tatsächlich unterrichtet wird, glaube eher, dass solche Orchideenfächer dort meistens wegfallen.


    Jedenfalls vielen Dank nochmal für Eure Anteilnahme und Eure guten Ratschläge! Kann ja weiter berichten, was ich unternommen habe und ob's geholfen hat!


    Lieben Gruß


    Langohr

  • Wären dann vielleicht jüngere Schüler was für dich, sodass ein Wechsel an die Grundschule eine Option wäre? Disziplinprobleme gibt es da natürlich auch, aber man hat idR doch ein ganz anderes Verhältnis zu den Schülern als an den weiterführenden Schulen...

  • Hallo Mare,


    ja, das könnte sein, dass Grundschule mir besser liegen würde. Aber nur Grundschule geht ja auch nicht, soweit ich weiß muss man dann auch Hauptschule unterrichten oder eben Realschule.
    Und ob das geht, ob man einfach wechseln kann, wenn man die Ausbildung für Gymnasiallehramt gemacht hat? Ist ja sehr viel weniger Pädagogik inbegriffen! Weißt Du das?


    Lieben Gruß,


    Jasmin

  • Hi Langohr,


    ohne jetzt mal auf Dein Problem mit der Schule/den Schülern einzugehen: Ich habe in einem Schulbuchverlag als Lektorin gearbeitet. Eins haben diese beiden Berufe Lehrer / Lektor gemeinsam: Man hat nie Feierabend! Als Lektorin ist es sogar oft so, dass man meist abends und am Wochenende mit dem Frust der Autoren zu kämpfen hat, denn das sind meistens Lehrer, die nur dann Zeit haben zu schreiben, wenn Du eigentlich Feierabend haben willst.


    Zudem musst Du Dir darüber im Klaren sein,d ass Du Schnittstelle zwischen Verlagsleitung und Autoren bist. Ergo: Du bekommst die volle Breitseite von beiden ab!


    Falls Du weitere Infos brauchst, können wir auch gerne per PN plaudern.


    Viel Erfolg weiterhin!

  • Hallo Langohr!
    Über die Bedingungen mit einer Gymnasialausbildung an der GS zu arbeiten weiß ich leider nichts, aber ich könnte mir vorstellen, dass es da Möglichkeiten gibt. Musik als Fach ist doch schon mal günstig.


    Zu dem Punkt NUR Grundschule: Ich bin der Ausbildung nach Grund-, Haupt- und Realschullehrerin und habe nie woanders als an einer Grundschule unterrichtet.


    LG Mare

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Langohr,


    tut mir leid, das zu lesen!
    Trotzdem (oder gerade deswegen) möchte ich vor der Annahme warnen, dass es in der Grundschule grundsätzlich leichter ist!


    Zitat

    Original von Langohr
    Mir geht das ständige Disziplinieren auf den Keks und teilweise auch richtig an die Nieren, so dass ich nachts nicht mehr schlafen kann. Ich arbeite zu viel, weiß, dass ich das nicht sollte, aber ohne sauber ausgearbeitetes Konzept fühle ich mich nicht sicher.


    Diese Punkte hast du an der Grundschule aber 100%ig genau so! Ohne ausgearbeitetes Konzept läuft da gar nichts bzw. gehen dir die Kinder über Tisch und Bänke. Und dann hätte ich eigentlich gedacht, dass man in der GS mehr disziplinieren muss als in der Mittel- und Oberstufe. Mich nervt das auch massiv, aber viele Kinder kommen mit wenig "Erziehung" in die Schule. Auch mal still sein, nicht immer sofort durch die Klasse brüllen; seinem Nachbran nicht einfach das Buch übern Kopf ziehen, weil der einen geärgert hat; seine Blätter nicht zerknüllt unter den Tisch stopfen, sondern in Mappen abheften, überhaupt Mappen und Hefte führen; nicht plötzlich wild durch die Klasse rennen; keine Stühle oder Flaschen nach anderen Kindern oder der Lehrerin werfen, wenn man sich ärgert; sein Getränk nicht über den ganzen Tisch, die eigenen Unterrichtsmaterialien und die des Nachbarn schütten; Schnippsel und sonstigen Müll nicht einfach auf den Fußboden werfen; nicht alle 2 Minuten aufs Klo gehen und vor allem die eigene Lautsärke auch mal drosseln - das und noch einiges mehr sind die "Freuden" der Grundschule. ;)
    Stressfreier ist das m.E. nicht. Kommt immer auf den Blickwinkel an, aber ich hätte gedacht, dass es sogar in dieser Hinsicht am Gymnasium sicher stressärmer ist.
    Gerade wenn du als Musiklehrerin verschiedene Grundschulklassen in diesem Fach unterrichtest, hast du ganz sicher mit Disziplinproblemen umzugehen.


    Wünsche dir die richtige Entscheidung!
    Vielleicht nimmst du dir auch erstmal eine Auszeit oder reduzierst Stunden. Eine volle Stelle ist anfangs wirklich viel.


    VG
    Melo


    P.S: Nicht zu vergessen, dass du mit einer vollen Stelle an der GS bzw. mit Klassenleitung meist auch Fächer unterrichten musst, mit denen du möglicherweise gar nichts am Hut hast. Das macht viel Arbeit, diesen Unterricht vorzubereiten, weil einem Hintergrundwissen und Material fehlen. Nur weil man mal Mathe in der Schuel hatte, kann man es noch lange keinem Erstklässler erklären...

    Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule.


    (Mark Twain)


    Auf dem Weg zur Weltherrschaft! :teufel:

    2 Mal editiert, zuletzt von Melosine ()

  • @ melosine
    So isses. Deine Beschreibung des Grundschulalltags ist zwar "verdichtet" - und wenn jede Stunde so abliefe, würde ich schreiend aus dem Zimmer rennen. Aber über' n Vormittag passt das schon :muede:


    Zum Ausstiegsszenario gibt es hier eine Zusammenstellung von (Berufs-) Alternativen für Lehrer:
    http://www.autenrieths.de/links/linkfort.htm

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Hallo allerseits,


    ja, kann ich mir denken, dass das in der Grundschule auch stressig ist. Klar. Aber meine bisherigen Erfahrungen mit Kindern sind, dass sie im Normalfall nicht bewusst verletzend sind, d.h. einem gezielt Sachen an den Kopf werfen, weil sie wollen, dass man sich schlecht fühlt. Teenager tun das schon, jedenfalls einige. Und Kinder zeigen einem auch mal, wenn sie einen mögen oder etwas gut finden, Teenager tun das eher selten. MIt meinen Fünft- und Sechstklässlern zum Beispiel komme ich prima klar, die können auch anstrengend sein, aber man weiß immer ganz genau, wo man dran ist. Und ich habe dazu das Gefühl, dass viel mehr zurückkommt, an gemeinsamem Spaß an Dankbarkeit usw. Ich habe bei denen einfach ein viel besseres Gefühl und weiß eher, wenn ich was richtig oder auch was falsch gemacht habe. Es ist eindeutiger. Finde ich zumindest.
    Natürlich ist mir bewusst, dass fünfte und sechste Klasse Gymnasium nicht mit einer durchschnittlichen Grundschulklasse zu vergleichen sind. Logo. Sind ja schon vorerzogen und selektiert worden :).


    Dass die Vorbereitung von Grundschulunterricht und natürlich auch die ERziehung eines quirligen, lebhaften Haufens zum vormittagelangen Stühlchensitzen und konzentrieren anstrengend ist, kann ich mir allerdings auch sehr gut vorstellen.


    Lieben Gruß, Langohr

  • wenn ich gefragt werde, warum nicht SEK I/II, würde ja unter umständen mehr geld bringen, antworte ich immer, dass ich bei grundschulkindern noch in der lage bin die arme sau im arschloch zu sehen. bei pubertierenden könnte ich das glaube ich nicht.
    langohr hat recht, ich denke auch, dass man in der grundschule mehr positives zurückbekommt, weil die kids noch nicht so berechnend sind.

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