1. Klasse - Bitte helft uns!

  • Ich hatte mich vor einiger Zeit schon einmal an euch gewendet, weil ich derzeit in einer enorm unruhigen Klasse Fachlehrerin bin. Das Problem um das es geht, ist aber bei der Klassenlehrerin genauso vorhanden: In der Klasse herrscht eine permanente Unruhe (Sachen herausholen, kramen, etwas angucken/anfassen, (Selbst-)Gespräche führen, Laute machen, mit den Füßen scharren usw.). Dazu kommt, 1.) dass einige Kinder total unselbstständig + unorganisiert sind und einfachste Dinge nur sehr schwer oder gar nicht nachvollziehen bzw. ausführen können und 2.) dass einige Eltern unsere Arbeit zu Hause überhaupt nicht unterstützen (Hefte angucken, Hausaufgaben überprüfen, mit dem Kind üben, Sachen nacharbeiten...).


    Wir Lehrer ziehen alle an einem Strang, die Kinder bekommen wenn nötig differenzierte Aufgaben, wir haben zig Sachen ausprobiert (Einzel-, Gruppen-, Elterngespräche, Belohungssystem für Einzelne (für die Allgemeinheit erscheint uns das momentan nicht durchführbar, weil man oft gar nicht ausmachen kann, wer sich wirklich gut benimmt und wer gerade stört), Gelbe/Rote Karte, stundenweise am Unterricht einer anderen Klasse teilnehmen, Bewegungsspiele oder Entspannungsübungen zwischendurch) - und sind langsam aber sicher am Verzweifeln, weil nichts dauerhaft fruchtet.


    WAS KÖNNEN WIR NOCH TUN? (Bitte sagt nicht: Abwarten...!)


    :danke:
    für eure Tipps

  • Schwierig, irgendwie wirkt deine beschreibung wie so eine "Störwolke" - man spürt es, aber so einzeln ausmachbar ist vieles nicht.
    Wenn ihr als Lehrer alle an einem Strang zieht könnte ich mir vorstellen, dass man das dauernde Gekrame unterbinden kann, wenn ihr ganz gezielt am Anfang jeder Stunde ALLES herausnehmen lasst, was ihr braucht und anschließend ein "Kramverbot" aussprecht. Ist zwar anstrengend, weil man so alles überblicken muss, aber bestimmt machbar.
    Vielleicht könnte man so ein "Stundenverlauf" für jede Stunde festlegen (ob das wirklich praktikabel ist müsst man austesten" und bildlich auf großen Blättern visualisieren
    1. Ich sitze auf meinem Platz
    2. Begrüßung
    3. Sachen herausholen (vll. zur Selbstständigkeit auch mit Bildern: Kleber, Schere, Federmäppchen, Heft, Mappe, Buch zur Not mit Fotos)
    4. Arbeiten
    5. Beendigungszeichen der Arbeit
    6. k.a. Bewegungsspiel/Lied/kl. Pause usw.


    Bei mir haben meine Kids eine zeitlang aus motorischer Unruhe heraus ihre federmäpchen am Reißverschluss über den Tisch "geschleudert" - dieses Geräusch hat mich kirre gemacht *lach*. Ich habe so Mini-Igelbälle geholt - die höre ich zumindest nicht - dann konnten sie die knautschen.


    Das mit dem unselbstständig kann man nur durch stetes Training üben - am Anfang auch mit ganz leichten Aufgaben.


    Wenn die Eltern euch nicht unterstützen, würde ich das auf dem nächsten Elternabend ansprechen und klar machen, dass sie damit ihrem eigenen Kind schaden (und DAS will ja kein Elternteil).


    Zum Thema Belohnungssystem: Verstärkerpläne sind schön und gut - ich habe in meiner Klasse (aufgrund eines Extraprogrammes) 3 Kinder mit individuellen verstärkerplänen - mehr wird tatsächlich schwierig sinnvolll zu beurteilen. ABER ich habe zusätzlich ein "Gesamtbelohnungssystem:
    Ich habe Klassenregeln (das übliche: ich arbeite leise, ich bin freundlich, ich melde mich etc. aber auch (weils da bei mir Probleme gab) ich erledige meine Hausaufgaben). Dazu gibt es eine Pappampel grün-gelb-rot mit den Kindernamen auf Wäscheklammern. Für jeden Verstoß gegen die Klassenregeln ging es in der 1 einen (wahlweise auch nur 1/2, kannst du ja festlegen) Schritt runter. In der 1 fing man auch jeden Tag wieder auf grün an. Ich notierte mir nur die Kinder, die auf rot gerutscht waren. Wer am Ende der Woche nie/nur einmal/nur zweimal auf rot war, durfte sich was aus der Überraschungsbox nehmen. Das zieht! Damit ließen sich auch "kleine" Verstöße schnell ahnden (auch ohne viele Worte).
    Ich hoffe, das war jetzt nicht zu kompliziert beschrieben.
    In der 2 läuft das nun über die ganze Woche: Verstoß gegen 1 Regel = 1/2 Schritt nach unten, wer am Freitag nicht auf rot steht bekommt etwas aus der Überraschungsbox.

  • Ich schließe mich schmeili an.


    - mit Bildsymbolen arbeiten (sitzen, Mund zu, hören, melden)
    - im Unterricht mit Bewegungsliedern arbeiten
    - abwechselnde Phasen (Sitzkreis-Erarbeitung, selber arbeiten, Zusatzmaterial für Schnelle)
    - mit der Stimme arbeiten (eher leise und ruhig, als zu laut)
    - klare Regeln
    - den Eltern auf dem Elternabend sagen, was du erwartest (gemeinsam geordnetes Federmäppchen etc.)


    Ich habe das hinter mit mit einem Haufen zu früh eingeschulter (aufgrund des tollen verschobenen Stichtages) Erstklässler...Kopf hoch, es wird besser


    Wichtig sind jedenfalls auf ewig gleiche Abläufe, die Orientierung bieten


    Mach doch ein Lesefrühstück, bei dem du eine Geschichte vorliest, während die Kinder etwas länger frühstücken dürfen, sie können halt noch nicht 45 Min am Stück still sitzen/konzentriert arbeiten

  • hm, Ferndiagnose ist natürlich schwer und ich kann auch nicht behaupten, dass ich das Problem in meiner ebenfalls unruhigen Klasse vollständig im Griff habe. Aber vielleicht liste ich doch mal die Maßnahmen auf, die bei uns am ehesten fruchten:
    Belohnungssystem: die Klasse ist in drei Gruppen aufgeteilt, die Gruppe die auf das Leisezeichen hin als erstes ruhig ist (oder zuerst das Frühstück eingeräumt hat etc.) , bekommt einen Punkt. Wenn sich eine Gruppe gar nicht einkriegt nehme ich auch schon mal einen Punkt wieder weg.
    Am Ende des Tages bekommt jedes Kind aus der Gruppe mit den meisten Punkten ein Lobkärtchen
    In Arbeitsphasen gehe ich auch schon mal mit dem Lobkärtchen-Schächtelchen rum und lege den Kindern, die leise arbeiten ein Kärtchen auf den Tisch, wenn die anderen das mitbekommen, strengen sie sich meist auch an...
    10 Kärtchen kann man gegen einen Aufkleber eintauschen.
    Ansonsten haben wir sie nach diversen Experimenten in Sachen Sitzordnung doch wieder frontal gesetzt. Ist zwar nicht sonderlich gemütlich und nimmt Platz weg, aber alles andere ging gar nicht (meine sind einfach auch extrem verquatscht).
    Auch hilfreich (vorausgesetzt ich wende es konsequent an): ich habe ein Schild zum Wenden an der Tafel. Wenn ich absolute Ruhe und Aufmerksamkeit will, drehe ich es auf die rote Seite. Wenn die Kinder mit der Arbeit beginnen dürfen, ihr Material holen oder auch zum Papierkorb auf Toilette etc. dürfen drehe ich es auf grün.
    In Zukunft wollte ich auch mal ein Belohnungssystem für die Klasse als ganzes einführen: immer wenn die Klasse einen gewissen Zeitraum leise und konzentriert gearbeitet hat, gibt es einen Punkt für alle. Bei einer bestimmten Anzahl von Punkten gibt es eine Spielstunde oder wir gehen raus...
    Auch schon mal nachgedacht habe ich über eine Lärmampel. Da würde es mich auch mal interessieren ob damit jemand Erfahrungen hat....
    Ich fürchte zwar, dass ist dir alles auch nicht neu, aber vielleicht ist ja doch irgendeine Anregung dabei,
    drücke euch jedenfalls die Daumen...

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich habe mal von einer Lehrerin etwas über die Lärmampelgehört..sie steht jetzt in der Ecke...den Kindern stört irgendwann das rote Licht nicht mehr;-).



    Ein konsequentes Auftreten von Anfang an ist einfach der erste ,wichtigste Schritt.

  • Ich habe seit fast 2 Jahren eine Lärmampel. Zunächst geliehen von einer früheren Kollegin, dann selber eine gekauft, nachdem meine Schüler (damals 3. Klasse) immer wieder nach der Ampel fragten und einer sogar weinte, als ich die Ampel zum Zurückgeben einpackte.


    Meine Schüler mögen die Ampel sehr und akzeptieren sie. Das kommt wohl auch darauf an, wie man selber die Ampel findet und wie die Kinder so sind. Für mich haben diese 90 Euro wirklich rentiert. ALLERDINGS so eine Ampel kann man NUR in Stillarbeitsphasen einsetzen, sonst macht es keinen Sinn. Also immer dann, wenn man wirklich absolute Ruhe will.


    Ich habe kein Verstärkerplan in dem Sinne. Allerdings habe ich meinen Kindern erklärt, dass ich ein Zeitkonto führe und dort immer vermerke wie viel Zeit wir vertrödeln für "Unsinn" (Warten bis Ruhe ist, Streit und Zickereien klären....).
    Ich habe sie dann ausrechen lassen wie viel Zeit wir in der Woche vertrödeln wenn es nur 5 Minuten am Tag sind und wir locker die Zeit haben mal einen Film zu gucken oder auf den SPielplatz zu gehen oder was auch immer wenn wir sonst KEIN Zeit vertrödeln. In unregelmäßigen Abständen lasse ich mir eine Belohnung als Überraschung einfallen, halt Film oder einen kleinen Ausflug usw., was Besonderes. Das haben sie sehr schnell begriffen, dass man sich so etwas für alle Schönes verdienen kann und sie sind sehr stolz wenn etwas stattfindet was die anderen Schüler nicht haben. Sie erklären den anderen KLassen dann, dass sie Film gucken dürfen weil sie die Zeit verdient haben.


    Das geht natürlich mich so kleinen nicht, aber ich finde allgemein "Gruppenaktionen" als Belohnungen schöner. Unsere morgige Belohnung ist ein gemeinsames Frühstück und einen Tanz lernen. Das finden meine Kinder toll.
    Es kann aber auch was "Popeliges" sein, wie z. B. länger Vorlesen beim Frühstück oder so...


    Fazit: Ich komme gut mit der Ampel klar. Die anderen Kinder, die ich nicht unterrichte sind sehr neugierig auf die Ampel und meine nächste Klasse freut sich schon jetzt, dass wir dann eine Ampel haben ;)

  • ich habe mir auch so eine ampel geliehen...die ersten 3 wochen hat es super funktioniert und ich war echt begeistert...dann ließ es rapide nach!
    das rote licht und das alarmsignal störte keinen mehr, sie quatschten einfach weiter, ein junge hat sogar immer wieder getestet, wie laut er brummen muss, bis es auf rot springt.
    jetzt benutzte ich sie nur noch ca. alle 2 wochen mal, dann funktioniert es auch wieder, aber eben nicht jeden tag! manchmal fragen die kinder auch danach, dann geht es auch!


    was mich besonders stört: die ampel muss in der nähe meines pultes stehen, da nur dort steckdosen sind. wenn ich also nicht bei einem kind sitze, sondern gerade am pult etwas korrigiere oder so, reicht das leiseste stiftklappern von mir und die ampel reagiert und wird rot!
    man kann ja die empfindlichkeit einstellen, nur, wenn sie so eingestellt ist, dass sie auch auf lärm der hinteren reihe reagiert, dann darf ich mich quasi gar nicht mehr bewegen! :evil:

  • Ja, täglich habe ich sie auch nicht im Gebrauch. Wirklich nur dann, wenn absolute Ruhe sein muss (das muss nicht jeden Tag bei mir sein ;) )

    • Offizieller Beitrag

    Ich kämpfe auch grad mit so einer Wuselklasse und habe festgestellt, dass viele Kinder mit den ganzen Kniffen und Methoden total überfordert sind. Also habe ich erstmal alles heruntergeschraubt und überlegt, welche Rituale und Arbeitsabläufe wirklich wichtig sind und sich täglich wiederholen. Angefangen habe ich damit, die Sitzordnung zu verändern. Ich bin sehr für Gruppentische, aber das funktioniert bei diesen Hibbeln nicht, also hab ich jetzt mehr oder weniger ein U, mit Lücken und einigen Tischen frontal in der Mitte. Viele Kinder sitzen einzeln.
    Grundregel 1 ist: erst zuhören, dann kramen (Danke ans Zaubereinmaleins! Das Plakat kommt gut an.)
    Grundregel 2: Ich warte. Mit Leisezeichen. Mit persönlichen Ermahnungen. Die Kinder müssen immer wieder zur Ruhe kommen. (Ganz ehrlich: Bewegungsspielchen halte ich für kontraproduktiv. Ich schicke meine Klasse nach jeder Stunde eine Runde über den Hof. Wir haben zum Glück Fünfminutenpausen. Nur in Englisch unterbreche ich für Singspiele.)


    Wer nicht hört, muss mit Konsequenzen rechnen: Vier-Augen-Gespräch auf dem Flur (Da kann ich dann auch schonmal lauter werden ...) - Name in die Stillewolke - zusätzliche Hausaufgabe - Pausenverbot - Sportverbot - Zusatzstunde (evtl. im Büro der Chefin) - Gespräch mit den Eltern. Das habe ich alles mit den Eltern besprochen und handel im Einverständnis.
    Ich kann nur sagen, dass es Wirkung zeigt, wenn man die Maßnahmen dosiert einsetzt. Ist die ganze Klasse unruhig, gibt es im Sachunterricht ein Erziehungsgespräch und ich streiche dann z.B. eine geplante Aktivität (Spielstunde, Spaziergang zum Spielplatz o.ä.). Dazu ist es im laufenden Schuljahr noch nicht gekommen.
    Spielt jemand mit dem Mäppchen, muss er es wegpacken. Auf dem Tisch liegen nur die Sachen, die für die aktuelle Arbeit benötigt werden. Ich hab jetzt nur noch einen Erstklässler, der das immer noch nicht kapiert hat.
    Was auch zu mehr Ruhe geführt hat: die Kinder müssen in der Hauptarbeitsphase einer Stunde (also so ca. 15 min.) auf ihrem Platz bleiben. Nach der allgemeinen Erklärung dürfen sie einmal zu mir kommen und mich fragen. Danach gehe ich rum und schicke auch alle, die trotzdem aufstehen, auf ihren Platz zurück. Die ersten haben jetzt verstanden, dass sie auch mal leise den Nachbarn fragen oder angestrengt nachdenken können ...
    Sind alle in ihre Arbeit vertieft, setze ich mich an meinen Platz und die Kinder, die Hilfe benötigen, melden sich und dürfen einzeln zu mir kommen. Im Moment funktioniert das gut. Es gibt immer mal wieder Stunden, die trotzdem unruhig verlaufen, aber dann reflektiere ich kurz mit den Kindern, woran es lag und es gibt oft einfache Erklärungen. Ich habe beispielsweise viele Ganztagskinder, auf deren Nachmittagsprogramm dann eine besondere AG steht, weshalb sie aufgeregt sind.
    Für den Unterrichtsablauf habe ich für die Kleinen ein festes Schema. Sie wissen mittlerweile, in welcher Abfolge z.B. ein Buchstabe eingeführt wird. Das gibt gerade den Jüngsten Sicherheit und Orientierung. In Mathe arbeite ich offener und ziemlich differenziert. Über Arbeitseifer kann ich nicht klagen. Meine Hauptsorge im Moment ist die Frühstückspause. Ich weigere mich, ständig etwas vorzulesen. Bei so viel Aufsicht wie ich habe, brauche ich diese zehn Minuten selbst zum Frühstücken bzw. muss für die Folgestunde (oft Englisch) das Material bereit legen. Viele Kinder können beim Essen anscheinend nicht sitzen. Da werde ich aber jetzt gezielt einige Eltern ansprechen.
    Es wird aber besser. Meine Zweitklässler arbeiten ganz selbständig und schaffen es multitaskingmäßig Quasseln und Arbeiten zu verbinden. ;) Die sind auch in ihrer Entwicklung dann schon gereift und auf der Schiene der Vernunft ansprechbar. Ich sehe das täglich: zwischen Erst- und Zweitklässlern liegen oft Welten.

    Ein Niederrheiner ist einer, der nix weiß und alles erklären kann.
    Hanns Dieter Hüsch

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