Grenzen zwischen Abschreiben, Auswendig Lernen, Plagiat etc in Klausuren???

  • Hallo zusammen,


    ich stehe gerade vor dem Problem, dass ich während der letzten Klausur (12. Klasse Englisch) ein Handy einsammeln musste, da damit im Internet recherchiert wurde. Wie ich mit der Klausur umgehe ist klar.
    Problematisch ist jetzt jedoch eine andere Klausur, die ich jetzt gerade lese.
    Beim Lesen des comments wurde mir klar, dass das nicht die Formulierungen der Schülerin sind. Google half und führte mich auf die zwei, drei websites, die ich den Schülern mal zur Vorbereitung des Themas genannt habe (ist ja schön, dass manche sowas dann tatsächlich auch Lesen). Und ja, zur Vorbereitung habe ich den Schülern mal ein recht/sehr ähnliches Thema als comment aufgegeben, damit sie das mal vernünftig üben. Rückwirkend betrachtetn war das vielleicht blöd.
    Denn der comment, den ich jetzt lese, ist zusammengestückelt aus den diversen Internetseiten - und zwar nicht inhaltlich, das wäre ja in Ordnung, und nicht nur einzelne Vokablen hier und da, sondern ganze Sätze. Ohne, dass das kenntlich gemacht wurde (aber es ist halt so dermaßen auffällig, weil die Ausdrücke, Wortschatz, Satzbau etc Meilen über dem liegt, was die Schülerin selbst produziert). Meiner Einschätzung nach ist das halt eine sehr fleißige Schülerin, die sich gewissenhaft vorbereitet. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass sie 2 1/2 Seiten Text auswendig gelernt hat... oder doch?
    Und selbst wenn es auswendig gelernt ist, ist das dann nicht streng genommen schon Plagiat? Ganz klar, in der Facharbeit wäre das so, aber wie sieht das dann eigentlich bei Klausuren aus?
    Muss/Sollte ich da jetzt irgendwie drauf reagieren? Wo ist in Klausuren da die Grenze?


    Wie geht ihr mit sowas um?


    Bei der Aktion mit dem Handy war übrigens die Maßgabe meiner Schulleitung, das alles, was ich eindeutig (!) als abgeschrieben nachweisen kann, mit Ungenügend zu bewerten ist. Wenn ich es nicht hätte nachweisen können, hätte ich eine neue Klausur stellen müssen (yay....).
    Hier weiß ich aber nicht, woher die Schülerin die Textbausteine hat, auswendig gelernt? Vorgeschrieben irgendwo aus der Tasche geholt? Handy? Ich weiß es einfach nicht.


    (Habe nach der Handy-Aktion nämlich das Gefühl, da wohl doch mal ein Signal setzen zu müssen, bevor die jetzt meinen, "die Alte merkt das eh nicht"... - nicht, dass ich da jetzt ernsthaft Lust zu hätte...)


    Danke schon mal!


    Lieben Gruß
    Katta
    Lieben

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ich glaube, wenn das wörtlich oder ganze Sätze gleich sind, wäre mir recht egal, woher die Schülerin das hat. Es ist schlicht nicht ihre eigene Arbeit, sondern von einem anderen Autor entnommen. Plagiat, weil es nicht als Zitat gekennzeichnet wurde.

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • Meiner Einschätzung nach ist das halt eine sehr fleißige Schülerin, die sich gewissenhaft vorbereitet. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass sie 2 1/2 Seiten Text auswendig gelernt hat... oder doch?


    Ich habe das schon erlebt, selten zwar, aber doch das eine oder andere Mal, dass Schüler längere Textpassagen auswändig lernen - gerade, wenn es sich um unsichere aber fleißige Schüler handelt, die meinen, mit auswendiger Reproduktion etwas sicher "richtiges" abzuliefern.


    Zitat

    Und selbst wenn es auswendig gelernt ist, ist das dann nicht streng genommen schon Plagiat? Ganz klar, in der Facharbeit wäre das so, aber wie sieht das dann eigentlich bei Klausuren aus?


    Der Begriff Plagiat passt nicht wirklich, aber ein auswendig gelernter Text ist ganz bestimmt keine Eigenleistung - und kann nicht als solche gewertet werden, außer vielleicht bei den Operatoren des Anforderungsbereiches I, die wirklich nur eine reine Reproduktion erfordern.


    Ich war beim ersten Mal, dass mir so etwas passiert ist, auch perplex - habe aber daraus die Konsequenz gezogen, dass ich das in den Anfangssemestern und bei neuen Kursen einfach vor der ersten Klausur thematisiere ("Könnte, man müsste eigentlich wissen, sollte" und andere Konjunktive halte ich für wenig hilfreich.) Man kann durchaus besprechen, wie eine sinnvollere Vorbereitung aussehen könnte, man kann üben, wie eine Paraphrase funktioniert etc. Ich gehe im Vorfeld zu Gunsten meiner Schüler aus, dass Texte nicht aus irgendeiner Täuschungsabsicht heraus auswendig gelernt werden, aber nehme dafür auch Konsequent Texte aus der Bewertung heraus, die nachweisbar nicht aus der Feder des Schülers stammen.


    Nele

  • ICh würde wie folgt vorgehen:
    1Schülerin ansprechen + Verdacht unter Klausur schreiben --> Schülerin äußert sich --> Wenn sie alles abstreitet:
    a) KAnnst du die Schülerin nicht bitten einen Teil des comments unter Deiner Aufsicht erneut zu schreiben?
    b) Wenn sie es zugibt abgeschrieben zu haben, ist der Fall klar


    Lg

  • Flipper79 Was würde das bringen? Wenn sie tatsächlich einen Teil des comments unter Aufsicht nochmal schreiben kann, macht es das Auswendiggelernte immer noch nicht zur Eigenleistung.
    Dann kann die TE doch nur den Sachverhalt erläutern, den sie genausogut ohne diese Probe hätte erklären können.

  • Unabhängig davon, wie man rein rechtlich und notentechnisch mit so einem Vorfall umgeht, halte ich es für entscheidend, der betroffenen Schülerin klar und deutlich zu zeigen, dass der von ihr eingeschlagene Weg auf Dauer nicht zu dem von ihr vermutlich angestrebten Ziel führen kann. Natürlich kann man das schlicht und einfach dadurch zeigen, dass man die Arbeit schlecht bewertet - begründen kann man das sicherlich wie oben bereits verschiedentlich erwähnt (wichtig wäre mir persönlich, vorher das Okay der Schulleitung dazu einzuholen).


    Aber wo soll das für das Mädchen langfristig hinführen? Das muss sich doch einsehen, dass es eine Sackgasse ist, in die sie sich begeben hat. Denn sie wird - egal, ob nun abgeschrieben oder auswendig gelernt - wohl kaum dazu in der Lage sein, diesen Input flexibel auf andere Situationen anzuwenden. Insofern war doch ihre ganze Mühe für die Katz!


    Ich finde, wenn jemand wirklich fleißig ist - und das unterstelle ich erstmal, weil das Gegenteil, wenn man jemanden nicht direkt beim Spicken erwischt, eh schwer nachzuweisen ist - dann sollte sich die- oder derjenige lieber auch klar machen, welche Lernaktivitäten wirklich zielführend sind und welche nicht. Das hat diese Schülerin bislang offensichtlich nicht begriffen. Womöglich geht das auch anderen so...

  • Kann man in Fächern wie Deutsch oder Englisch u.ä. Klausuren nicht so gestalten, dass auswändig Gelerntes nicht funktioniert?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Danke für die vielen Antworten, Ideen und Erfahrungen!


    Nach weiterem Nachdenken und Austausch mit diversen Kollegen bin ich auch zu einer Entscheidung gekommen, die dem Konsens hier auch entspricht: Es ist keine eigene Leistung und dazu passt es nicht vollständig auf die Aufgabenstellung, also kann sie da sowieso schon einmal keine volle Punktzahl bekommen, ebenso sprachlich.
    Natürlich habe ich der Schülerin dazu einen Kommentar geschrieben und werde auch noch mal persönlich mit ihr reden, wie sie so gelernte Informationen besser für sich weiterverarbeiten kann.
    Mit "böser" Absicht hat sie das bestimmt nicht so gemacht, sie ist nämlich sehr engagiert, lernt viel, macht im Unterricht toll mit, aber eigenartigerweise schreibt sie nicht so gute Klausuren (das ist in jedem Fach so, hat sie mir zu Beginn des Schuljahrs erzählt, als ich ihr nach Rückgabe der Klausur mein Erstaunen über die Leistung war, die nicht so gut war, wie ich es nach den Beobachtungen im Unterricht erwartet hatte. Den Spruch hört sie wohl immer von jedem Lehrer.)


    Also noch mal: :danke:


    Bezüglich: Kann man in Deutsch/Englisch keine Klausuren stellen, für die man nicht auswendig lernen kann: Im Prinzip schon. Ihre Antwort passte ja auch nicht ganz, nur in Teilen - und ich sagte oben ja auch, rückblickend war das wohl dumm, eine sehr ähnliche Aufgabe in der Vorbereitung zu stellen (Hälfte bis dreiviertel machen aber eh nie die Hausaufgaben... ). Wobei es bei Lektüren oder so schon vorkommt, dass ich da Inhaltsangaben bekomme, die dann nicht ganz zur Aufgabe passen (das war diejenige, der ich das Handy abgenommen habe...)
    Aber bis dato war ich anscheinend auch zu naiv bzw. nicht sehr streng, weil ich immer dachte, so richtig kann man in den Fächern nicht spicken, denn selbst wenn einer vorsagt, dass das ne Metapher ist o.ä., die Analyse muss man ja immer noch alleine leisten... war wohl zu naiv, wie ich jetzt lerne...

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ich weiß zwar nicht, was ein "Comment" ist (ein Kommentar?), aber ich muss mal für die Schülerin in die Bresche springen. Mit Auswendiglernen bin ich selber am allerbesten durch die Schulzeit gekommen. Viele Klassenarbeiten konnten anders gar nicht bearbeitet werden. Wenn ich an meinen Geschichtslehrer denke...meine Güte was habe ich da gepaukt! Das meiste habe ich auswendig gelernt, weil es genauso auch abgefragt wurde. Gut, das ist jetzt 20 Jahre her, Unterricht hat sich seither ein wenig geändert. Vielleicht kommt die Schülerin mit dieser Methode trotz allem am besten zurecht?
    Wenn du sie nicht erwischt hast, kannst du ihr auch kein Täuschungsverhalten nachweisen. Bleibt der "Plagiatsvorwurf". Der greift nur, wenn du die Schüler vorher aufgeklärt hast. Sie also darauf aufmerksam gemacht hast, dass sie Auswendig gelerntes in Anführungszeichen setzen müssen. Das fände ich allerdings wirklich zu viel verlangt, wenn man sich das auch noch merken müsste! Ich glaube auch, dass man das erst seit Guttenberg so eng sieht. Meine Güte, es ist eine Klassenarbeit, eine Leistungsüberprüfung und keine wissenschaftliche Arbeit. In der REgel geht es doch um Wissensabfrage, nicht mehr und nicht weniger.


    Grüße
    Mara

    "Die beste Methode das Gute im Menschen zu wecken ist, ihn so zu behandeln, als wäre er schon gut." (Gustav Radbruch) :troest:

  • Moment, erstens besteht keine Notwendigkeit, "in die Bresche zu springen" als wolle ich ihr per se was total Böses.
    Zweitens geht es (in der Oberstufe/ am Gymnasium??) in Deutsch und Englisch eben nicht nur/primär um eine Wissensabfrage, sondern vielmehr um Transferleistungen. Es ist ein essentieller Unterschied zwischen einem Fach oder Aufgabenarten, die Faktenwissen abfragen (was bei Geschichte ja tendenziell eher der Fall ist, wobei mir bewusst ist, dass es da auch die verschiedenen Kompetenzen wie Urteilskompetenz gibt, die man nicht auswendig lernen kann) und Aufgaben wie z.B. ein comment, die einen Transfer (!) erfordern. Ein Comment ist ein Kommentar, in dem Schüler ihr Faktenwissen sinnbringend anwenden sollen, um ihre eigene Meinung/Position zu einem Sachverhalt vernünftig begründet dazulegen. Anforderungsbereich III. Dass man dafür gerade in Englisch bestimmte Phrasen und Satzbausteine, bestimmtes Faktenwissen zum Themenbereich lernt ist völlig klar. Dass man ca. drei Seiten wortwörtlich von verschiedenen Internetseiten abschreibt (ob jetzt auswendig gelernt - was ich vermute - oder wirklich abgeschrieben im Wortsinne) und eben nicht alleine denkt, um es mal drastisch auszudrücken, ist eine ganz andere Kiste.
    Klar, wenn ich die Kriterien einer short story abfrage, das muss auswendig gelernt werden. Die Frage allerdings, ob es sich bei einem vorliegenden Text den Kriterien zufolge um eine Kurzgeschichte handelt, ist eine Transferleistung, eine eigene Leistung, die der Schüler bringen muss und die ich erwarten kann.
    Wie gesagt, habe die Aufgabe offensichtlich nicht deutlich genug von der Lernaufgabe im Unterricht abgegrenzt (wobei sie ja dadurch inhaltlich nicht alle Aspekte gebracht hat), sie kriegt jetzt auch keine massiven Punktabzüge oder einen ewig langen Sermon von mir mit erhobenen Zeigefinger, wird "zusammengeschissen" o.ä. - Ich bin halt aufgrund des eindeutigen Täuschungsversuchs jetzt sensibilisiert für die Thematik und wo die Grenzen zu ziehen sind, sofern das eben eindeutig geht.
    Nichtsdestotrotz ist eine explizite Aufgabe der Oberstufe die Wissenschaftspropädeutik, also die Vorbereitung auf ein universitäres Studium, auf die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens (unabhängig davon, ob sie auf die Uni gehen), weshalb sie ja auch inzwischen eine Facharbeit schreiben (die die Schüler übrigens gerade erst geschrieben haben inkl. aller Guttenberg-inspirierten Vorträge und Informationen zu angemessenen Umgang mit Quellen, Zitieren, Plagiat etc).

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  • Ich sehe das Problem gar nicht so groß wie Du, Katta.


    Ich würde einfach sagen: Wenn die Schülerin es geschafft hat / hätte, das Gelernte punktgenau und auf die Aufgabe zugeschnitten zu äußern, dann ist das eine tolle Leistung, und dann muss man das entsprechend honorieren.


    Wenn die Schülerin das aber nicht geschafft hat, sondern ihre Überlegungen nicht (ganz) zu der Aufgabenstellung passen, wenn sie am Thema "vorbeischreibt", und so, dann wird es Dir nicht schwer fallen, inhaltliche Brüche, Ungenauigkeiten, "Phantasierereien und Geplauder" festzustellen, und dann gibt es entsprechend eine weniger gute Note.


    Es ist durchaus eine Leistung, das Gelernte "passig" anzuwenden, wobei es dann egal ist, ob das auswendig gelernt ist oder nicht. Zitate in einer Klausur würde ich nicht fordern, in diesem Punkt schließe ich mich mara77 an.


    Allerdings: Die bereits angesprochenen Fehler im Vorfeld gilt es natürlich in Zukunft zu vermeiden, aber es ist ja nun auch normal, dass man Fehler macht, was soll man sich darüber aufregen, solange man aus Fehlern lernt und sie nicht dauernd wiederholt?


    Hamilkar

  • Da stimme ich dir eigentlich zu, habe das der Schülerin grundsätzlich so vermittelt, dass das natürlich völlig in Ordnung und gut ist, Phrasen vom im Unterricht behandelten Texten zu lernen und einzusetzen. Die Schülerin hat völlig verstanden, was ich meinte. D.h. sie soll ruhig weiter Inhalte, Satzbausteine etc lernen, allerdings sollte sie diese dann flexibel und passend einsetzen und eben übertragen können für eine gute Note.
    Wahrscheinlich müsste man die Klausur kennen um zu verstehen, was genau die Situation war.

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  • Die Frage allerdings, ob es sich bei einem vorliegenden Text den Kriterien zufolge um eine Kurzgeschichte handelt, ist eine Transferleistung, eine eigene Leistung, die der Schüler bringen muss und die ich erwarten kann.

    Ja, das gebe ich dir Recht! :)

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