Schüler festhalten

  • Hallo!


    Ich bin Lehrer für Mathematik und Physik in einem Oberstufenzentrum. Die Klientel an unserer Schule ist recht unterschiedlich: Auf der einen Seite interessierte Schüler, die den schulischen Teil ihrer Berufsausbildung bei uns absolvieren. Auf der anderen Seite junge Menschen, die sich schon fast aufgegeben haben. Diese "parken" dann bei uns in berufsqualifizierenden Lehrgängen :( .


    Mit diesen Schülern habe ich dann meine besonderen Probleme, aber seit einiger Zeit ist es besonders schlimm. Die SuS kommen und gehen wann sie wollen, Hausaufgaben werden sowieso grundsätzlich und von niemanden angefertigt und obwohl das Schuljahr gerade erst angefangen hat, kamen bereits SuS unter Alkohol- oder Drogeneinfluss in die Schule :wacko: .


    Mein Problem bezieht sich nun auf einen speziellen Fall: Eine Schülerin (18) saß erkennbar "zu" in meinem Unterricht, störte aber nicht weiter. Ich war wiedermal überfordert mit der Situation und habe sie also einfach dasitzen lassen.
    Nach der Stunde wurde mir bewusst, dass sie anscheinend nicht mehr über ausreichende Kontrolle über die Situation verfügte. Sie torkelte mehr oder weniger zur Tür hinaus. Ich bin ihr dann hinterhergegangen, habe sie in der Schocksituation festgehalten und sagte ihr, dass sie dableiben solle. Die Schülerin forderte eindringlich von mir, sie loszulassen und wehrte sich zunehmend. Ich hielt sie allerdings weiter fest. Da ich auch nicht körperlich übermäßig stark bin, konnte die Schülerin sich losreißen. Sie blieb aber zum Glück stehen.
    Ich führte sie also zu meinem Schulleiter (in der Annahme, dass die Schülerin in diesem Zustand nicht alleine nach hause könnte). Mein Schulleiter sah die Situation aber anscheinend nicht als so schwerwiegend an ?( und schickte die Schülerin nach hause. Stattdessen machte er mir später Vorwürfe, dass ich sie festgehalten habe. Er sagte wörtlich, dies sei Freiheitsberaubung und im schlimmsten Fall könne die Schülerin Anzeige gegen mich erstatten. Dass ich die Situation als ernst wahrnahm, interessierte ihn nicht. Auch wenn unser Klientel eher nicht dazu neigt, Streitigkeiten juristisch zu lösen (eher muss ich mit einem Schlag ins Gesicht rechnen :X: ), würde ich dennoch gern wissen, was Sie von der Situation halten.


    Gruß keine lust mehr

  • Hmmm, schwierige Situation. Ich versuche es zumindest mal dir zu antworten (die Lösung ist mir aber noch nicht eingefallen).
    Zunächst zu dem konkreten Fall, den du schilderst: Die Schülerin hätte ich wahrscheinlich auch festgehalten und das erst mal nicht als Problem angesehen, da du sie ja vor sich selbst beschützen wolltest. Ist diese Schülerin schön öfter aufgefallen? Vielleicht auch bei anderen Kollegen? Dann könntest du dir Unterstützung holen und die Situation noch mal dem Schulleiter erklären. Gibt es bei euch in der Hausordnung einen Paragraphen, dass man weder alkoholisiert noch unter Drogen in die Schule kommen darf?
    Ansonsten schreibst du, dass du dich immer wieder überfordert fühlst. Ich war (zum Glück) noch nie in einer solchen Situation, aber vielleicht gibt es "Fortbildungen" oder Supervisionsgruppen, bei denen du dich dahingehend weiterbilden kannst. Ansonsten würde ich einen Versetzungsantrag stellen.
    Ganz viel Kraft wünsche ich dir!

  • Finde es schade, dass Dein Engagement und die Sorge um die Schülerin beim Schulleiter auf taube Ohren stößt.
    Ich würde allerdings generell darauf verzichten Schüler irgendwie zu berühren und achte immer darauf, z.B. beim Kontrollieren von Hausaufgaben (dem Rüberbeugen), einen deutlichen Privatsphäreabstand einzuhalten. Eine Schülerin festzuhalten (!) wäre für mich persönlich viel zu viel.


    Was die Situation Schülerin angeht hätte ich sie einfach leise nach dem Unterricht gefragt "Ist alles ok bei Dir? Willst Du kurz dableiben und reden?"
    Und wenn ich gemerkt hätte sie will nicht, dass man hilft, dann hätte ich mir gedacht "Na dann halt nicht" und hätte sie einfach gehen (und ja, auch torkeln) lassen.
    Ich finde zu zeigen, dass man prinzipiell bereit wäre für ein Gespräch oder Hilfeleistung ist völlig ausreichend. Alles was darüber hinaus geht ist aus meiner Sicht ein Einmischen, das meistens gar nicht erwünscht ist.
    Ich hätte in meiner Schulzeit auch nicht gewollt, dass ein Lehrer mehr als "Nachfragen, ob alles okay ist" für mich leistet. Hätte mich bedrängt gefühlt bei zu viel Interesse an meinem Privatleben.


    Man erspart sich eine Menge Streß, wenn man sich nicht als Samariter für alles verantwortlich fühlt. Je mehr man sich einsetzt, desto negativer sind die Folgen. Bis hin zu Anzeigen oder Streß mit den Eltern.

  • Guten Abend !
    Die Schüler körperlich anzufassen ist so nicht statthaft, es sei denn aus Notwehr.
    In so einem Fall würde ich lieber den Sanitätsdienst kommen lassen. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Hallo.....mach mal keine Panik. Du hast die Schülerin berührt und nicht geschlagen. Das Anfassen von Personen ist keine Freiheitsberaubung. Du bist deinen pädagogischen Pflichten achgekommen. Und nicht schon vorher immer Angst machen lassen: Falls ein Schüler einen Lehrer anzeigt, dann könnte es Körperverletzung oder Freiheitsberaubung sein! Also mache ich als Lehrer lieber gar nichts! Falsche Einstellung, die uns da von den Schulleitungen nahe gelegt werden. Und das kommt nur von den Ämtern, die kein Interesse haben, uns Lehrer vor Gericht zu vertreten. Mach dich nicht verrückt: Nicht falls die Schülerin eine Anzeige machen würde, lieber gar nichts machen - sondern lieber etwas unternehmen und dann lass dich nicht bedrohen: Soll sie doch erst mal zur Polizei gehen und dich anzeigen wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Nicht alle Staatsanwälte machen den Spaß von solchen Idioten mit!


    Schüler körperlich zu berühren ist nicht statthaft........so ein Quatsch. Wenn ich merke, dass jemand nicht mehr laufen kann, dann kann ich ihm "unter die Arme" greifen oder ist es neuerdings schon Körperverletzung, wenn ich aufmunternd einen SChüler an der Schulter berühre? (Ich vermeide hier mal lieber den Begriff "Ein Schlag auf die Schulter").


    Und nochmal: nicht vorher einschüchtern lassen und nicht feige werden!!!!

  • In die gleiche Kategorie gehört übrigens auch das Alleinesein mit einer Schülerin im gleichen Raum bei geschlossener Türe - und sei es nur für eine Minute -> egal, was die Umstände sind, dies darf niemals vorkommen, sonst bist Du beliebig erpressbar.


    Ist das echt derart krass?!


    Was ist mit Diagnostik-, Einzelförderungs- und Therapiesituationen, in denen man ja gerade ungestört mit einem Schüler arbeiten möchte? Sollten so etwas bei Schülerinnen nur weibliche Lehrkräfte durchführen?!




    Zitat

    Die Schüler körperlich anzufassen ist so nicht statthaft, es sei denn aus Notwehr.


    Zitat

    Als Mann solltest Du unter gar keinen Umständen eine Schülerin berühren - es ist einfach zu gefährlich. Auch wenn sie plötzlich wegen eines Schwächeanfalls im Unterricht umfällt.


    Gilt das eures Erachtens erst ab der Sekundarstufe (in dem Forum ist dieser Thread ja) oder auch schon für Kinder im Grundschulalter?


    Wie ist das bei Schülerinnen mit Behinderungen, die in manchen Situationen körperliche Unterstützung benötigen oder davor bewahrt werden müssen, sich selbst in Gefahr zu begeben/etwas anzutun?

  • Hallo, da bin ich nochmal.


    Da ich ja gestern ziemlich "durch den Wind" wirkte (und auch war),
    wollte ich nur Bescheid geben, dass ich mich heute wieder beruhigt habe :rolleyes: .
    Aber
    gerade weil unsere Schulleitung bei Problemen eigentlich immer
    hilfsbereit zur Seite steht, war ich gestern ein wenig frustriert.

    Dann könntest du dir Unterstützung holen und die Situation noch mal dem Schulleiter erklären. Gibt es bei euch in der Hausordnung einen Paragraphen, dass man weder alkoholisiert noch unter Drogen in die Schule kommen darf?
    Ansonsten schreibst du, dass du dich immer wieder überfordert fühlst. Ich war (zum Glück) noch nie in einer solchen Situation, aber vielleicht gibt es "Fortbildungen" oder Supervisionsgruppen, bei denen du dich dahingehend weiterbilden kannst. Ansonsten würde ich einen Versetzungsantrag stellen.
    Ganz viel Kraft wünsche ich dir!

    An Fortbildungen zu bestimmten Problemfeldern nehme ich häufig teil.
    Probleme, die unsere Kompetenzen überschreiten (wie z.B. Suchtproblematiken), können wir auch an unseren Schulpsychologen weiterleiten. Also, an sich herrschen bei uns paradisische Zustände :) . Und immer wieder zeigen auch Schüler in meinen schwierigen Lerngruppen kleine Fortschritte, also: Verzweifelt bin ich noch nicht 8) .


    Ich habe bezüglich des Vorfalls allerdings immer noch ein schlechtes Gefühl in meiner Magengegend. Ich glaube, wenn ich nochmal in die Situation käme, würde ich anders handeln...


    Als Mann solltest Du unter gar keinen Umständen eine Schülerin berühren - es ist einfach zu gefährlich. Auch wenn sie plötzlich wegen eines Schwächeanfalls im Unterricht umfällt. Besser eine Lehrerin informieren im Nachbarraum - Du gefährdest Dich sonst einfach zu sehr.


    In die gleiche Kategorie gehört übrigens auch das Alleinesein mit einer Schülerin im gleichen Raum bei geschlossener Türe - und sei es nur für eine Minute -> egal, was die Umstände sind, dies darf niemals vorkommen, sonst bist Du beliebig erpressbar.

    Das finde ich allerdings auch beängstigend.Trotzdem würde ich eine Schülerin, die wegen eines Schwächeanfalls bewusstlos ist, berühren. Wenn ich erstmal nach der nächsten Kollegin Ausschau halte, kann doch wer weiß was passieren. Hoffentlich sehe ich die Sache nicht anders, wenn ich irgendwann mit der ersten Klage konfrontiert werde.
    So oder so, als Lehrer muss ich leider immer selbst die Situation einschätzen und mein Handeln danach ausrichten. Ich will nicht wissen, was passiert wäre, wenn ich die Schülerin gestern einfach gehen hätte lassen und sie von einem Auto überfahren worden wäre 8| .


    Gruß keine lust mehr

  • Wenn jemand bewusstlos, also nicht mehr ansprechbar ist, muss man im Rahmen der Erste Hilfe-Maßnahmen die betreffende Person anfassen. Z.B. Um die Atmung zu kontrollieren. Wir bringen in der EH-Ausbildung ausdrücklich bei: Anschauen, Ansprechen, Anfassen. Das würde ich dann auch alsLehrer bei einer Schülerin so machen - die Nothilfe hat hier Vorrang. Im Regelfall ist man in solchen Situationen auch dadurch abgesichert, dass man nich andere Personen dabei hat. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich mit einer Schülerin alleine war, als diese Hilfe benötigt hatte. (Ich werde nie vergessen, wie ich mich über den Kopf einer bewusstlosen Schülerin beugte, um die Atmung zu überprüfen und sie genau in diesem Moment wieder erwachte. Den Anblick wird sie nie wieder vergessen.)
    Wenn eine Schülerin ansprechbar ist und noch selbst läuft, wäre ich mit anfassen vorsichtig und würde vorher fragen, ob ich helfen soll.


    Sarek

  • Als Mann solltest Du unter gar keinen Umständen eine Schülerin berühren - es ist einfach zu gefährlich. Auch wenn sie plötzlich wegen eines Schwächeanfalls im Unterricht umfällt. Besser eine Lehrerin informieren im Nachbarraum - Du gefährdest Dich sonst einfach zu sehr.


    So ein Unfug. Wenn eine Schülerin mit einem Schwächeanfall umfällt und ich bin anwesend, helfe ich ihr natürlich, so wie es menschlich geboten ist - auch, wenn ich sie dabei berühre! :rolleyes:


    Nele

  • Vielleicht ist die Brisanz nur bei Männern - nur, ich finde auch, wenn eine Schülerin Hilfe braucht (gar torkelt, umfällt oder sonst was) und man ihr nicht hilft- dann ist das unterlassene Hilfeleistung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einem einer einen Strick aus so einer Situation drehen kann. Ich erinnere mich, dass eine Bekannte von mir mal erzählte, dass Freunde einen Betrunkenen zu Besuch hatten. Der Betrunkene wollte unbedingt Auto fahren. Sie haben ihm mehrmals gesagt, er darf nicht, er soll ein Taxi nehmen. Er ist doch gefahren und hat einen Unfall gebaut. Hinterher hieß es, sie hätten dafür sorgen müssen, dass der Betrunkene sicher nach Hause kommt und es reicht nicht zu sagen, dass man nicht fahren darf.
    So ähnlich stelle ich mir das so auch vor. Und mal ehrlich- jemand der torkelt, der kann doch auch nicht mehr ganz klar sagen ob er HIlfe braucht oder nicht, oder?

  • Wenn ich merke, dass jemand nicht mehr laufen kann, dann kann ich ihm "unter die Arme" greifen oder ist es neuerdings schon Körperverletzung, wenn ich aufmunternd einen SChüler an der Schulter berühre?

    Ich würde NIE eine Schülerin aufmunternd an der Schulter berühren. Deine Tipps sind gelinde gesagt riskant für jeden männlichen Lehrer.

  • Ist das echt derart krass?!


    Was ist mit Diagnostik-, Einzelförderungs- und Therapiesituationen, in denen man ja gerade ungestört mit einem Schüler arbeiten möchte? Sollten so etwas bei Schülerinnen nur weibliche Lehrkräfte durchführen?!

    Du kannst als Mann problemlos Einzelgespräche mit einer Schülerin führen. Ich mach das einfach meistens vor dem Klassenraum während die restlichen Schüler drinnen bei offener Türe selbständig arbeiten. Oder am Lehrerpult vorne und einfach leise sprechen. Die Klasse ist ja doch laut genug, das niemand sonst etwas verstehen kann. Auch wenn eine Schülerin nach dem Unterricht noch eine Frage stellen will - kein Problem - einfach die Türe offen lassen und vorne am Lehrerpult bleiben, so dass man von draussen hineinsieht wenn jemand vorbeiläuft. Ist doch eigentlich ganz natürlich. Falls mal eine Schüler eine Klassenarbeit alleine nachschreiben muss: Einfach die Türe offen lassen.

  • Mein Rat: Finger weg von den Schülern - und als Mann besonders von den Schülerinnen. Explizite Notfallsituationen ausgenommen (ein leichtes Schwanken gehört da nicht dazu).
    Den Ruf, ein "Grabscher" zu sein, kann man sich in wenigen Sekunden für lange Zeit erwerben - inklusive daraus folgender schulrechtlicher (Fürsorge-)Maßnahmen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat

    Du kannst als Mann problemlos Einzelgespräche mit einer Schülerin führen. Ich mach das einfach meistens vor dem Klassenraum während die restlichen Schüler drinnen bei offener Türe selbständig arbeiten. Oder am Lehrerpult vorne und einfach leise sprechen. Die Klasse ist ja doch laut genug, das niemand sonst etwas verstehen kann. Auch wenn eine Schülerin nach dem Unterricht noch eine Frage stellen will - kein Problem - einfach die Türe offen lassen und vorne am Lehrerpult bleiben, so dass man von draussen hineinsieht wenn jemand vorbeiläuft. Ist doch eigentlich ganz natürlich. Falls mal eine Schüler eine Klassenarbeit alleine nachschreiben muss: Einfach die Türe offen lassen.

    In den von mir genannten Situationen geht ja nicht um allgemeine Einzelgespräche, sondern um intensive Einzelförderung (Therapie). Und da möchte man ja eigentlich gerade nicht, dass die Schülerin durch Lärm oder andere Schüler gestört ist (insbesondere Sprachtherapie); gibt ja auch extra Therapieräume etc.

  • Hallo,


    das Thema interessiert mich momantan auch sehr. Fange ab Mittwoch als Sportlehrer an und da muss man ja auch gelegentlich mal jemanden festhalten. Dass man als Mann Schülerinnen nicht berühren soll ist mir klar, aber wie macht ihr das im Sportunterricht? Z.B. beim Bodenturnen, oder Geräteturnen, wenn man mal Hilfestellung geben muss?
    Lasst ihr die Schüler/innen sich dann untereinaner helfen und macht die Übung mit einem oder zwei Schülern vor? Wie wird das bei euch in der Schule gehandhabt? :?:


    Wäre toll, wenn sich mal ein erfahrener Lehrer zu diesem Thema äußern könnte!


    MfG
    Mijeniti

  • Kennt jemand konkrete negative Vorfälle, bei denen Lehrer und Lehrerinnen ungerechtfertigter Weise der "unsittlichen Berührung" bezichtigt wurden und dann negative Konsequenzen befürchten mussten? (z.B. klärende Elterngespräche, Disziplinarverfahren, Entlassungen)


    Wie haben die Schulleitungen die Lehrkräfte unterstützt?

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