Was tun die Grundschulen im Sprachunterricht?

  • Ich denke, es wird Zeit, dass in der Pädagogik endlich mal wieder der gesunde Menschenverstand einkehrt und Schüler wieder was Vernünftiges lernen ! 8)

    100% Zustimmung.


    Warum stellen Lehrer nicht einmal die kritische Frage, ob es sich bei der "Kompetenzorientierung" nicht einfach um ein fremdbestimmtes und technokratisches Hirngespinst handeln könnte ?

    Die Frage stellen sich viele. Die Antwort ist auch schon bei Jochen Krautz, Ware Bildung, nachzulesen. Teile der universitären Pädagogik beziehen ebenso eindeutig Stellung.


    Weiteres dazu bei: http://www.bildung-wissen.eu

  • "Die Kollegen gehen fluchend durchs Lehrerzimmer und fragen sich, wie ein Kind, das beim Abschreiben (!) eines kurzen Textes dutzende Fehler macht, eine Gymnasialempfehlung bekommt."


    Gegenfrage: Heißt das im Umkehrschluss, dass ein Kind mit schlechter Rechtschreibung kein guter Schüler sein kann? Wegen einer Rechtschreibung, deren Regeln der Mensch selbst gemacht hat und die willkürlich auch anders hätte laufen können, wenn ein anderer sie gemacht hätte???


    Aber ich stimme dir im grundsätzlichen Problem zu.


    Ich möchte dir aus meiner Brennpunktschule berichten, dass wir die Kinder sehr wohl auf Pünktlichkeit hinweisen, dass Elterngespräche geführt werden und dass es Konsequenzen gibt. Leider gibt es auch Kinder, die resistent gegen das alles sind, weil sie das von zu Hause nicht kennen. (Deshalb wunder ich mich manchmal, dass selbst die Schulen den anderen Schulen den Miesepter zuschieben.)
    Ich könnte noch weiter ausholen, aber das lohnt sich eigentlich nicht, weil die meisten Informationen gleich sein würden: Wir tun an unserer Schule alles, damit es besser wird. Wird es auch.... man braucht sich nur ansehen, wie die Kinder in der Grundschule ankommen.... Bis Ende 4 haben sie dann schon ne Menge gelernt, auch wenn es für euch Sek I/IILehrer nicht so scheinen mag!!!


    Und jetzt bitte ich um etwas mehr Anerkennung für unsere Arbeit, die war schließlich NOCH anstrengender als eure, als die Kinder in Klasse 1 kamen ;)

    • Offizieller Beitrag

    So zum Beispiel diese Rechtschreibwerkstatt von Sommer-Stumpenhorst. An meiner Schule wird damit gearbeitet. Aber das Konzept dieser Werkstatt ist angeblich auf sechs Jahre angelegt und nicht nur auf vier. das heißt, die Kollegen der weiterführenden Schule hätten eigentlich noch zwei Jahre dieses Konzept fort zu führen.

    Sommer-Stumpenhorst hin oder her - die Rechtschreibentwicklung ist eben nicht passend zum Ende der 4. Klasse abgeschlossen. Ich bin immer wieder überrascht, dass viele Gymnasiallehrer meinen, die Kinder müssten in der 5. Klasse perfekt rechtschreiben können.
    Mir ist die Vermittlung guter RS sehr wichtig, aber man darf nicht vergessen, dass man in der GS mit vielerei anderen Themenbereichen beschäftigt ist.
    Anfangs müssen die Kinder überhaupt erstmal schreiben und lesen lernen. Anschließend dreht sich vieles um das Vefassen von Texten. Leseförderung wird ebenfalls sehr groß geschrieben, denn wenn man nicht gut lesen kann, kommt man auch in allen anderen Fächern nicht weit.
    Ach ja, nicht zu vergessen die vielfältigen erzieherischen Aufgaben.
    Grundschulunterricht ist einfach nicht vergleichbar mit Gymnasialunterricht. Vielleicht solltest du, unter uns, mal in der GS hospitieren? Ich hab schon bei manchen Gymnasilkollegen das Gefühl, dass sie so ein bisschen im Elfenbeinturm sitzen. Die Kinder, die schließlich aufs Gymnasium gehen, sind ja in der Regel die Leistungsstärksten der Klasse. Aber in einer normalen Grundschulklasse sitzen eben Kinder vom Förderschulniveau bis möglicherweise zur Hochbegabung. Und man muss allen gerecht werden. Da geht es gar nicht, dass ich RS-Unterricht wie vor 50 Jahren abhalte. Geschätzte 2/3 meiner Klasse würde ich dabei abhängen.
    Unter anderem aus solchen Gründen entstehen Reformen auch meist in der GS und werden "oben" nicht aufgegriffen. Wir haben in verstärktem Maße mit der Heterogenität der Klassen zu kämpfen. Und dabei kann man nicht nur darauf achten, die zukünftige Leistungselite zu fördern, sondern muss eben, wie gesagt, alle Kinder gleichermaßen da abholen, wo sie stehen. Ich bin schon der Meinung, dass sich auch die weiterführende Schule ein Stück weit an den Rahmenplänen und den Kompetenzen der Kinder orientieren sollte. Vielleicht fällt den Schülern auch die Umstellung der Methodik schwer? Oft sind sie ja gewöhnt eigenständig und z.B. nach Wochenplänen zu arbeiten.
    In Klasse 5 werden sie dann meist wieder mit 6 Stunden Frontalunterricht bombardiert. Da frage ich mich, warum die Kollegen an den weiterführenden Schulen die (mühsam geübten) Fähigkeiten unserer Kinder nicht nutzen?

  • Anfangs müssen die Kinder überhaupt erstmal schreiben und lesen lernen.

    Bis auf die Schüler, und die wirds doch wohl heute auch noch geben, die schon flüssig und betonend lesen können, wenn sie eingeschult werden. Die Unterschiede in der Leistung der Schüler müssen gerade an der Grundschule enorm sein, das nimmt man aus der Schülerperspektive gar nicht so war. Das schreibst Du ja auch:

    Wir haben in verstärktem Maße mit der Heterogenität der Klassen zu kämpfen. Und dabei kann man nicht nur darauf achten, die zukünftige Leistungselite zu fördern, sondern muss eben, wie gesagt, alle Kinder gleichermaßen da abholen, wo sie stehen.

    Man muss sich einmal überlegen wie groß die Leistungsdifferenz ist, wenn jemand an der Grundschule erst lesen erlernen muss, jemand anderes aber schon relativ dicke Bücher liest.
    Insofern denke ich, kann man als Primarschullehrer behaupten die stärkste Binnendifferenzierung durchführen zu müssen!
    Mich fragt ob durch diese so krass unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler, die Förderung nicht deutlich schwieriger und ineffizienter ist, als wenn man noch früher schon nach Leistung aufspalten würde. Ist vermutlich nicht machbar, weil vorher aufwändige Vortests stattfinden müssten und natürlich das System durchlässig sein müsste, das Spätentwickler nicht benachteiligt werden.
    Was mich immer wundert ist, dass Schulsysteme, in denen alle sogar noch länger als 4 Jahre zusammen unterrichtet werden, gar nicht so schlecht abschneiden bei Tests.
    Ich dachte immer, je heterogener eine Klasse, desto mehr leiden die extrem guten und die extrem schlechten Schüler (es sei denn, es ist viel Zeit für ausgiebige Binnendifferenzierung da, was ich mir aber sehr schwer vorstelle, da man im Unterricht auf so vieles Achten muss).

    Und jetzt bitte ich um etwas mehr Anerkennung für unsere Arbeit, die war schließlich NOCH anstrengender als eure, als die Kinder in Klasse 1 kamen ;)

    Ich sehe die Probleme absolut nicht in der Arbeit der Primarschullehrer, sondern ganz eindeutig im Elternhaus. Da spielen natürlich unheimlich viele Faktoren rein, vom heutigen Erziehungsstil, bis zur sozialen Situation der Eltern, die eine Förderung erschwert.


    Man beobachtet, auch im Sportverein gestern gerade wieder, oft wie die Eltern heutzutage mit den Kindern umgehen. Irgendwie ist ein Trend dahingehend zu sehen, dass sie sich entweder nicht sonderlich interessieren oder wenn, dann das Kind zu einem kleinen König erheben der nur das tun braucht, was er möchte.


    Wenn das Kind heute kein Musikinstrument lernen möchte, dann braucht es das nicht. Ja, ich wurde schon ein wenig dazu gezwungen anfangs und ich bin im Nachhinein dankbar. Verpflichtendes Auswendiglernen von Gedichten zum Nikolaus, wenn das Kind etwas bekommen möchte, oder das noch nicht eingeschulte Kind eine Geschichte am Weihnachtsabend vor versammelter Verwandtschaft vorlesen lassen? Nein, das setzt das Kind doch viel zu sehr unter Druck, dann entwickelt es Ängste.
    Vermutlich stehe ich mit diesen Ansichten mal wieder alleine, aber ich finde es schlimm, dass viele Eltern gar nicht mehr "das beste aus ihrem Kind" machen wollen, um ihm gute Fähigkeiten zu vermitteln und ihm dadurch einen guten Schulstart zu ermöglichen. Es wird immer so getan als würde dem Kind damit was ganz Schlimmes angetan, selbst hier im Forum habe ich das schon gemerkt, als man mir ungefähr sagte "Die armen Kinder, Du siehst nur das Humankapital".
    Ich verstehe, warum man nicht mehr so autoritär und streng erzieht wie früher und ein Kind muss auch Kind sein dürfen, aber wenn man als Eltern möchte, dass aus dem Kind etwas wird, dann ist es einem doch auch daran gelegen Anlagen zu fördern und Schwächen abzuschwächen.


    Natürlich wäre es falsch, wenn man so ehrgeizig ist, dass man deshalb seine Kinder zwingt und ihren Willen bricht, das sollte man nicht machen, sie aber so völlig druckfrei zu erziehen wie ich es oft erlebe, halte ich für genauso falsch. Ein bisschen auf Förderung und Mobilisierung der Fähigkeiten zu achten und eben auch mal von dem Kind zu verlangen, dass es gewisse Dinge erlernt und sich mal durchbeißt anstatt immer 100% der Zeit zu spielen, würde den Primarlehrern ihre Arbeit ein wenig erleichtern, weil die Kinder nicht mit so extrem wenig Fähigkeiten eingeschult werden.
    Vermutlich ist das aber alles wieder so unsozial und unpädagogisch.

    Einmal editiert, zuletzt von Silicium ()

    • Offizieller Beitrag

    Vermutlich stehe ich mit diesen Ansichten mal wieder alleine, aber ich finde es schlimm, dass viele Eltern gar nicht mehr "das beste aus ihrem Kind" machen wollen, um ihm gute Fähigkeiten zu vermitteln und ihm dadurch einen guten Schulstart zu ermöglichen. Es wird immer so getan als würde dem Kind damit was ganz Schlimmes angetan, selbst hier im Forum habe ich das schon gemerkt, als man mir ungefähr sagte "Die armen Kinder, Du siehst nur das Humankapital".


    das kann man so nicht stehen lassen.
    es gibt genauso diejenigen Eltern,die ihren Kindern alles ermöglichen, sie beonders vielfältig fördern wollen. Deren Kinder haben dann einen randvollen Terminkalender und sindnicht fähig,sich alleine zu beschäftigen und auch mal Langeweile auszuhalten.


    Zwischen diesen beiden Extremen scheint sich heute Erziehung abzuspielen. Gemeinsam ist beiden Gruppen, dass sie (Vorsicht: Verallgemeinerung!) ihren Kindern viele Entscheidungen überlassen und wenig Grenzen setzen.

  • es gibt genauso diejenigen Eltern,die ihren Kindern alles ermöglichen, sie beonders vielfältig fördern wollen. Deren Kinder haben dann einen randvollen Terminkalender und sindnicht fähig,sich alleine zu beschäftigen und auch mal Langeweile auszuhalten.

    Das gibt es auch, und das ist natürlich auch nicht optimal! Ist natürlich auch schwierig die richtige Mischung zu treffen.


    Gemeinsam ist beiden Gruppen, dass sie (Vorsicht: Verallgemeinerung!) ihren Kindern viele Entscheidungen überlassen und wenig Grenzen setzen.

    Das meinte ich unter anderem, ja.

  • Tut mir leid, Melosine, aber ich erkenne in Deinem Beitrag den Thread nicht wieder.


    Zitat

    Sommer-Stumpenhorst hin oder her - die Rechtschreibentwicklung ist eben nicht passend zum Ende der 4. Klasse abgeschlossen. Ich bin immer wieder überrascht, dass viele Gymnasiallehrer meinen, die Kinder müssten in der 5. Klasse perfekt rechtschreiben können.

    Das erwartet niemand.


    Zitat

    Mir ist die Vermittlung guter RS sehr wichtig, aber man darf nicht vergessen, dass man in der GS mit vielerei anderen Themenbereichen beschäftigt ist.

    Sollte man ergänzen: Neuerdings?



    Zitat

    Grundschulunterricht ist einfach nicht vergleichbar mit Gymnasialunterricht. Vielleicht solltest du, unter uns, mal in der GS hospitieren? Ich hab schon bei manchen Gymnasilkollegen das Gefühl, dass sie so ein bisschen im Elfenbeinturm sitzen. Die Kinder, die schließlich aufs Gymnasium gehen, sind ja in der Regel die Leistungsstärksten der Klasse. Aber in einer normalen Grundschulklasse sitzen eben Kinder vom Förderschulniveau bis möglicherweise zur Hochbegabung. Und man muss allen gerecht werden. Da geht es gar nicht, dass ich RS-Unterricht wie vor 50 Jahren abhalte. Geschätzte 2/3 meiner Klasse würde ich dabei abhängen.

    Hospitieren würde ich gerne mal. Habe ich auch schon. Soll ich zum dritten Mal schreiben, dass ich die GS-Arbeit für wichtig halte und denke, dass an den GS sehr intensiv gearbeitet wird? Oder noch mal erwähnen, dass ich die GS für eine sehr innovative Schule halte? Oder noch einmal erwähnen, dass ich bereit wäre, RS-Arbeit der GS fortzusetzen, wenn ich einen entsprechenden Auftrag hätte (oder die entsprechende Zeit)?


    Was den Elfenbeiturm angeht, ließe sich das auch auf die Grundschule anwenden, z. B. dann, wenn ich lese, dass Du das schreibst:


    Zitat

    kämpfen. Und dabei kann man nicht nur darauf achten, die zukünftige Leistungselite zu fördern, sondern muss eben, wie gesagt, alle Kinder gleichermaßen da abholen, wo sie stehen.

    Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass ich oben eine Studie aus NW zitierte, die zu folgendem Ergebnis kommt: Die Grunschulen FÖRDERN primär die Leistungselite, und zwar gerade WEIL sie bestimmte Basisfertigkeiten in ihrem Profil weniger berücksichtigen als früher. Man kann von dieser Studie halten, was man will, aber ich hätte schon erwartet, dass man die Daten zu Kenntnis nimmt.


    Zitat

    Unter anderem aus solchen Gründen entstehen Reformen auch meist in der GS und werden "oben" nicht aufgegriffen.

    Du meinst, es ist die Heterogenität der Lerngruppe, die dazu führt, dass die Grundschulen PC-Kenntnisse, Englisch, Buchvorstellungen in Klasse 2 etc. anbieten? Das glaube ich kaum. Ich sehe eher (wie ich auch schon schrieb) einen seltsamen Widerspruch zwischen der These, die Kinder könnten gar nichts (!) mehr und der immer weiteren Befrachtung des Grundschul-Curriculums mit Zusatzkompetenzen. Ich sage nicht, dass ich dafür eine Lösung habe oder dass die Grundschulen die Kinder nicht am PC schulen sollen. Ich stelle nur fest, dass das Ganze auf mich eigentümlich wirkt.


    Zitat

    Ich sehe die Probleme absolut nicht in der Arbeit der Primarschullehrer, sondern ganz eindeutig im Elternhaus.

    Ein Satz, auf den sich Grundschul- und Gymnasialkollegen sofort einigen können... Aber ich halte ihn für falsch. Man muss zumindest bestimmte Dinge zur Kenntnis nehmen und damit umzugehen versuchen, und zwar schulisch. Was ja in der Praxis auch von allen Beteiligten versucht wird.


    Wenn ich von Eltern höre, die ich kenne, sind sie vom Konzept "Schreiben durch Lesen" beispielsweise oft nicht begeistert. Dass dieses Konzept genutzt wird, ist eine schulische (!) Entscheidung, keine Elternentscheidung. Genauso an den Gymnasien: Was dort wie unterrichtet sind, sind Schulentscheidungen. Über diese Entscheidungen muss man vielleicht nachdenken, bevor man die Eltern allein verantwortlich macht.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ein Satz, auf den sich Grundschul- und Gymnasialkollegen sofort einigen können... Aber ich halte ihn für falsch. Man muss zumindest bestimmte Dinge zur Kenntnis nehmen und damit umzugehen versuchen, und zwar schulisch. Was ja in der Praxis auch von allen Beteiligten versucht wird.


    Das sehe ich insofern auch so, als wir die Situation in dem Elternhaus, wo es nicht so gut klappt - aus diversen Gründen von Arbeitsüberlastung, Zeitmangel, Mangel an Interesse, Krankheit oder was auch immer - schlicht nicht ändern können werden. Oder nur sehr marginal. Darauf zu hoffen, dass Kinder aus "bildungsfernen" Schichten oder Familien, wo die Dinge halt nunmal grad aus dem Ruder laufen, zu Hause besser gefördert werden, nur weil das wünchenswert wäre, wird nicht helfen, denn es wird nicht passieren. Aber irgendjemand muss es dann ja machen, wenn wir eine Gesellschaft wünschen, wo Kinder noch eine Rolle spielen. Also doch die Schule und die Erziehungseinrichtungen. Wie, ohne Ressourcen und in einem völlig zerfledderten föderalen System und mit so vielen auseinanderklaffenden Meinungen wie es Schulen und Eltern gibt - keine Ahnung. Die Kristallkugel hab ich auch nicht. Auf jedenfalls weiß ich wie es nicht geht: mit immer weiteren Kürzungen und temporären Billiglösungen, gegenseitigem Misstrauen von Eltern und Lehrern und am besten noch schwarzem-Peter-Hinundherschieben zwischen den Schulformen...

  • ich stimme meike zu: es hat keinen sinn, sich gegenseitig zu zerfleischen. im ersten post ging es auch gar nicht um anschuldigungen wenn ich mich recht erinnere....


    wie weiter oben gefordert den lehrplan einfach über bord zu schmeißen, die fachübergreifenden kompetenzen außer acht zu lassen und uns "auf das wesentliche" zu konzentrieren ist bei uns genauso wenig drin wie den g8-lehrplan abzuspecken. ist vorgabe, muss mehr oder weniger so gemacht werden.
    wir tun alle unser bestes und sind der situation heillos ausgeliefert.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Tut mir leid, Melosine, aber ich erkenne in Deinem Beitrag den Thread nicht wieder.

    ?( Tut mir leid, aber das verstehe ich jetzt nicht.
    Meine Antwort hat unmittelbar mit dem Thread zu tun und enthält meine Meinung zu dem Thema.

    Zitat


    Du meinst, es ist die Heterogenität der Lerngruppe, die dazu führt, dass
    die Grundschulen PC-Kenntnisse, Englisch, Buchvorstellungen in Klasse 2
    etc. anbieten?

    Nein, ich spreche nicht von Buchvorstellungen und PC-Kenntnissen - wenn du die Kompentenzen, die Kinder im Grundschulunterricht erwerben darauf reduzierst, wundert mich deine Einstellung wenig. Die großen Unterschiede im Leistungsstand, in der motorischen, sozialen, physischen und psychischen Entwicklung der Kinder kann ich nicht durch Englischunterricht o.ä. ausgleichen. - Vielleicht ist das Thema ein bisschen emotional besetzt, weil, um mal nur von mir zu sprechen, ich mir jeden Tag ein Bein ausreiße um allem und allen gerecht zu werden und um an schlechten Tagen Unterricht überhaupt erst einmal möglich zu machen (ok, ich bin an einer Brennpunktschule, aber das ist auch in "normalen" Grundschulen mittlerweile Alltag). Es ist schlicht nicht möglich, Sprachunterricht wie zu unserer Grundschulzeit abzuhalten! Die Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens sei mal dahingestellt.


    Zitat

    Wenn ich von Eltern höre, die ich kenne, sind sie vom Konzept "Schreiben
    durch Lesen" beispielsweise oft nicht begeistert. Dass dieses Konzept
    genutzt wird, ist eine schulische (!) Entscheidung, keine
    Elternentscheidung

    Ja, ganz recht. Und warum entscheiden wir über unsere Unterrichtskonzepte? Weil wir die Experten sind.
    Und auch wenn es immer wieder schwer zu verstehen ist: es heißt "Lesen durch Schreiben" und nicht umgekehrt und dient in erster Linie dem Lesenlernen! Schlimm genug (wenn auch verständlich), dass Eltern immer wieder dieses Konzept negieren, indem sie von Anfang an jedes Wort in den Texten der Kinder verbessern (konnte ich gerade wieder bei Schulthemen lesen). Von Kollegen erwarte ich aber, dass sie, wenn sie ein solches Konzept kritisieren, es wenigstens kennen und verstanden haben.


    Zitat

    Ein Satz, auf den sich Grundschul- und Gymnasialkollegen sofort einigen
    können... Aber ich halte ihn für falsch. Man muss zumindest bestimmte
    Dinge zur Kenntnis nehmen und damit umzugehen versuchen, und zwar
    schulisch. Was ja in der Praxis auch von allen Beteiligten versucht
    wird.

    Genau darum geht es doch! Wir versuchen die Lebenswirklichkeit der Kinder nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch bei der Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen. Dabei verhält sich die Grundschule leider innnovativer - wahrscheinlich aus der Not heraus, da wir eben mit allen Schwierigkeiten der Kinder unmittelbar konfrontiert sind, während auf dem Gymnasium doch eher die leistungsstärkeren Kinder landen. Wobei ich weiß, dass es auch bei euch heutzutage viele auffällige Kinder gibt. Aber die Notwenigkeit, sich damit auseinanderzusetzen, besteht vielleicht nicht so stark, weil das Schulsystem es zulässt, dass man das Kind notfalls auch nach unten weiterreichen kann.

  • Zitat

    Tut mir leid, aber das verstehe ich jetzt nicht.

    Es ist ganz leicht zu verstehen: Es beschlich mich einfach der Eindruck, dass Du größere Teile des Threads nicht gelesen hast.


    Am Anfang stand die Frage, wie bestimmte RS-Defizite bei Kindern in Klasse 5 zu erklären sind - am Gymnasium, aber sicherlich noch wesentlich dramatischer an Real- und Hauptschule. Und die Vermutung, dass diese Defizite früher nicht existiert haben. Und die Frage, wie man jetzt mit dieser Situation umgeht. Und die - nicht von mir stammende - Vermutung, es könnte auch etwas mit GS-Unterrichtsmethoden zu tun haben, dass dieses Problem existiert. Und die Vermutung, dass diese Methoden gerade schwache Kinder zusätzlich (!) benachteiligen - und zwar, obwohl (!) die GS-Lehrer - wie offensichtlich auch Du - glauben, mit diesen Methoden gerade den Schwachen zu helfen.


    Mich hat einfach interessiert, was die Kolleginnen dazu sagen. Und die Antworten waren ja auch sehr aufschlussreich. Z. B. die Antwort, dass die Klassen so extrem heterogen sind und die Defizite von zuhause schon so groß sind, dass es einfach kein Wunder ist, dass das Niveau in Klasse vier anders ist als in den 1970er Jahren. Aber eben auch die Antwort, man müsste so viele Dinge (Kompetenzen) schulen. (Übrigens glaube ich natürlich nicht, dass man etwa grundlegenden motorischen Defiziten mit Englischunterricht begegnen kann - die Frage ist aber, weshalb man die Stunden nicht in diese Defizite investiert, wenn sie da sind. Dass die einzelne Lehrerin dieses Problem nicht lösen kann, ist mir klar.)


    Ob es bei einem emotional besetzten Thema hilfreich ist, den Kollegen Ignoranz und Inkompetenz zu unterstellen? Keine Ahnung. Es tut mir jedenfalls leid, dass ich die Begriffe "Lesen" und "Schreiben" vertauscht habe, aber dass Du daraus - erneut - den Schluss ziehst, ich wüsste überhaupt nicht, was in Grundschulen passiert, scheint mir ziemlich gewagt.


    Aber vielen Dank noch mal für die ganzen Antworten bei einem - verminten - Thema, ich werde mein neues Wissen weitergeben und in meinem Kollegium weiter um Verständnis für die schwierige Situation an den Grundschulen werben. Wenn ich darf natürlich :-).

  • "vermint" ist da wohl richtig.
    man hat wirklich das gefühl, täglich gegen windmühlen anzukämpfen und fühlt sich schneller harsch und zu unrecht kritisiert, als andere das vielleicht möchten mit ihren aussagen.
    ist richtig, dass du diese frage gestellt hast, unter uns! irgendwie müssen wir ja ins gespräch kommen und wenn es im echten leben in unseren städten schon nicht klappt, dann doch zumindest hier.

  • Schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrzehnts überprüften zwei junge Wissenschaftlerinnen der Universität Heidelberg, Claudia Zerahn-Hartung und Ute Pfüller,den Wahrheitsgehalt der Klagen über die sinkenden Leistungen in Rechtschreiben. In 1995 ließen sie 592 junge Erwachsene (16-30-jährig) aus verschiedenen Berufsgruppen einen Rechtschreibtest absolvieren, wie er unter denselben Bedingungen schon 1968 mit einer Testgruppe durchgeführt worden war, bekannt geworden ist das Testdiktat unter dem Namen " 'Moselfahrt'-Diktat". Ergebnis: Die Probanden schrieben doppelt so viele Wörter falsch wie damals. Während seinerzeit 5 % der Arbeiten mit „ungenügend“ bewertet werden mussten, waren es jetzt 39,1 %. Zählt man die 9,1 % der mit „mangelhaft“ zu bewertenden Arbeiten hinzu, ergeben sich, an dem damaligen Berechnungsmodus gemessen, 48,2 % nicht ausreichender Rechtschreibleistungen: Nahezu die Hälfte aller Probanden erzielte also nicht einmal ausreichende Ergebnisse.


    Zu ähnlichen Ergebnissen, beschrieben von Prof. Dr. Wolfgang Schneider, kam die LOGIK-Studie, eine Longitudinalstudie zur Genese individueller Kompetenzen, die im Jahre 1984 begonnen und 2004 abgeschlossen wurde. In seinem Aufsatz heißt es u. a. : "..... . Dies impliziert, dass mehr als 60% der LOGIK-Probanden mit ihrer heutigen Testleistung vor 35 Jahren als relativ rechtschreibschwach eingestuft worden wären. Die Befunde entsprechen denen von Zerahn-Hartung et al. (2002), die für ihre Stichproben einen mittleren Fehlerwert von 19.8 Fehlern berichtet hatten."


    In 2001 führte der Schulpsychologe Alexander Geist eine ähnliche Untersuchung durch. Diesmal waren die Probanden ausschließlich Gymnasiasten der 5. Klasse. Sein Befund: Während die Ergebnisse in den 60er Jahren der Normalverteilung (nach Gauß) entsprachen, müssten heute, etwa 40 Jahre später, etwa 40 % der Gymnasiasten aus der 5. Klasse als rechtschreibschwache Schüler oder Legastheniker eingestuft werden. Hinzurechnen müsste man eigentlich noch die Zahl der rechtschreibschwachen Realschüler und Hauptschüler. Real- und Hauptschullehrer hatten Alexander Geist von einer Untersuchung dieser Schülergruppen abgeraten, um eine Katastrophe zu vermeiden: Schüler dieser Schulformen wären unsagbar überfordert gewesen. Sind unsere Kinder also dümmer geworden? Das Gegenteil ist der Fall! Die oben genannten Forscherinnen Claudia Zerahn-Hartung und Ute Pfüller betonten in diesem Zusammenhang, dass die sprachfreie Intelligenz seit 1977 von 100 auf 111 IQ-Punkte angewachsen ist.


    Unmittelbar nach dem Fall der Mauer wurden vergleichende Studien zur Rechtschreibung in Ost und West (im Stadtstaat Hamburg) durchgeführt. Ergebnis: Die Rechtschreibung im Osten war deutlich besser als im Westen (im Stadtstaat Hamburg). Peter May bilanzierte:"Bezüglich der Rechtschreibsicherheit bei vorgegebenen Wörtern und Sätzen zeigen die ostdeutschen Kinder in allen Klassen deutliche Vorteile, wobei die Unterschiede zu den Hamburger Kindern im Laufe der Grundschulzeit wachsen. Die Unterschiede bleiben auch dann enorm, wenn die - in Hamburg wesentlich häufigeren - Ausländerkinder aus dem Vergleich ausgeklammert werden. Der Anteil von Schülern mit Rechtschreibleistungen, die nach Hamburger Kriterien als überdurchschnittlich einzustufen sind, ist schon gegen Ende der ersten Klasse höher und steigt bis gegen Ende der Grundschulzeit auf etwa 60 Prozent. Gleichzeitig ist die Gruppe der schwachen Rechtschreiber in der DDR zahlenmäßig gering, und extrem schwache Rechtschreiber finden sich dort äußerst selten." "Bezüglich der Rechtschreibung in Aufsätzen zeigen sich die DDR-Kinder am Ende der vierten Klasse den Hamburger Kindern im Mittel deutlich überlegen: 95,4 % aller Wörter der DDR-Kinder enthalten keine Rechtschreibfehler (in Hamburg: 86,3 %). Noch deutlicher werden die Unterschiede, wenn man nur die verschiedenen Wörter (ohne Eigennamen) betrachtet: 92,4 % (DDR) vs. 77,8 % (im Westen) der verschiedenen Wörter enthalten weder Rechtschreib- noch Grammatikfehler." Eine Studie 15 Jahre später ergab: Mittlerweile war die Rechtschreibung im Osten genau so schlecht wie im Westen.


    In 2009 veröffentlichten Prof. Dr. Wolfgang Steinig et al. eine "Studie zur Diachronie schulischen Schreibens". Dabei ging es um einen Vergleich von Texten, die 1972 und 2002 in vierten Grundschulklassen geschrieben wurden: nach den gleichen Verfahren, sogar auf dem gleichen Schreibpapier, an den gleichen Schulen in Dortmund und Recklinghausen - nur lagen eben dreißig Jahre dazwischen. Die Ergebnisse aus dieser Studie sprechen eine eindeutige Sprache (Zitat W. Steinig et al., ebd.): "Die Fehlerzahl ist im Untersuchungszeitraum um 77% gestiegen: 1972 kamen auf 100 Wortformen 6,94 orthographische Fehler, 2002 waren es 12,26 Fehler. Mithin ist der Anstieg wesentlich höher ausgefallen als wir vermutet hatten. Auch dann, wenn man 2002 nur einsprachige Schüler berücksichtigt, fällt der Anstieg nicht wesentlich geringer aus. Mit der erwartungsgemäß höheren Fehleranzahl bei zweisprachigen Kindern lässt sich demnach der Fehleranstieg für die gesamte Gruppe nur zu einem geringen Teil erklären." Auch ihre Vermutung, dass die Fehlerzahlen damals in 1972 weniger stark streuten als 2002, fanden W. Steinig et al. bestätigt.


    In FOCUS-SCHULE-online ließ kürzlich die FOCUS-SCHULE-Redakteurin Simone Scheufler den Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Günther Thomé von der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der die Rechtschreibmisere an unseren Schulen gründlich untersucht hat, zu Wort kommen. Nach seinen Befunden ist die Rechtschreibung von Kindern und Jugendlichen schlecht wie nie. "Die Hälfte der Schüler ist heute rechtschreibschwach, wenn sie aus der Schule kommen", sagte Günther Thomé. "Sie haben so große Probleme, dass man ihre Orthografie mit der Note 5 bewerten müsste."


    Nach den Hauptursachen für diese Entwicklung in die Rechtschreibkatastrophe wird gesucht: Es gibt zahlreiche Vermutungen, die zu nennen könnte weitere Diskussionen auslösen .














    • Offizieller Beitrag

    Unter uns: Dein Gefühl in Ehren, aber ich weiß immer noch nicht, wie du darauf kommst, ich hätte den Thread nicht gelesen, denn meine Antwort hat unmittelbar mit dem Thema zu tun ... aber ist jetzt auch egal.


    Endine, von dir wüsste ich gerne, ob du Lehrer bist? Mich beschleicht hier nämlich so ein Gefühl, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr scheint es so, dass du mit dem sog. Grundschulservice zu tun hast. Bitte teile einem Mod oder dem Administratror etwas zu deinen Fächern, Schulform, etc. mit.
    Solltest du kein Lehrer sein, bist du hier nicht schreibberechtigt (siehe Forenregeln).

  • Hallo, Melosine,


    in den Forenregeln lese ich:

    „Schreibberechtigt sind Lehrer, die Aufgrund ihrer Ausbildung hauptberuflich den Unterricht für Schüler auf staatlich anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden (Hoch)Schulen leiten dürfen (bzw. durften - (bei Pensionären). Ebenso schreibberechtigt sind Personen, die sich zur Zeit in einer Ausbildung befinden, welche oben genanntes Ausbildungsziel anstrebt.“


    Ich versichere, dass ich, "endine", diesem oben genannten Personenkreis angehöre.


    Daher bitte ich um eine solide Begründung, weshalb Du mir ganz offensichtlich die Schreibberechtigung entziehen möchtest. Ich sehe auch nicht, dass meine ohne jegliche Polemik vorgetragenen Zitate aus dem „Grundschulservice“ - in diesem Thread wurde übrigens auf diese Seite verwiesen! - gegen Recht und gute Sitte verstoßen.


    Ich bitte daher um einen sachlichen Umgang mit meinen Zitaten, wohlwissend, dass ich als einfacher Foren-Teilnehmer demokratische Spielregeln nicht einfordern kann.



    endine

    • Offizieller Beitrag

    Ich hab dich lediglich gefragt, ob du zu diesem schreibberechtigten Personenkreis gehörst.
    Vom Entzug der Schreibberechtigung war noch gar keine Rede.


    Die Inhalte des Grundschulservices lese ich als sehr polemisch und vermutete deshalb keinen Kollegen als Verantwortlichen. Aber wenn du ein (pensionierter) Lehrer bist, hast du natürlich auch das Recht hier zu schreiben.

  • Hallo, Melosine,


    lieben Dank für Deine Rückmeldung. Ich verstehe sie auch als ein Plazet dazu, noch einmal etwas aus dem „Grundschulservice“ zitieren zu dürfen – wenn es denn nicht polemisch ist: Es geht um die vermuteten Hauptursachen für die Entwicklung der Rechtschreibkatastrophe und versteht sich als Fortsetzung des bereits oben Gesagten.


    Bei Claudia Zerahn-Hartung et al. finden wir: "Über mögliche Ursachen für den Rückgang der Rechtschreibleistung im Diktat 'Moselfahrt' können ebenfalls nur Vermutungen geäußert werden. [.....] Weitere Ursachen könnten neben Lese- und Fernsehgewohnheiten auch in schulischen Faktoren liegen – wie Didaktik, Rückgang der tatsächlich zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit für Orthographie aufgrund von veränderten Lehrplänen, erhöhter Unruhe in den Klassen oder Stundenausfall. Auch führt die im Vergleich zu 1968 insgesamt deutlich höhere Zahl an Abiturienten im Jahr 1995 nicht zu einer Verbesserung der Rechtschreibleistung im R-T Diktat 'Moselfahrt'. Auf motivationaler Seite ist denkbar, dass 'üben, üben, üben' der korrekten Schreibweise von Schülern, Lehrern und Eltern als langweilig oder unkreativ geringgeschätzt wird. Dies könnte einhergehen mit der Überzeugung, daß der Inhalt eines Textes wichtiger sei als die Form und die Rechtschreibkontrolle eines Textverarbeitungsprogramms ohnehin das Korrigieren übernimmt."


    Prof. Dr. Wolfgang Schneider [Hrsg.] "Über die möglichen Ursachen für den Leistungsrückgang während der letzten vier Jahrzehnte lässt sich nur spekulieren. [.....] Es dürfte allerdings sicherlich eine Rolle spielen, dass es den früher häufiger erlebten 'Drill' und den Fokus auf konzentriertes Üben beim Rechtschreiberwerb heute so nicht mehr gibt. [.....] Diese und andere Umstände haben insgesamt dazu beigetragen, dass sich das durchschnittliche Niveau der Rechtschreibkompetenz im Vergleich mit den späten sechziger Jahren deutlich verschlechterte. Gerade im unteren Leistungsbereich hat dies inzwischen zu problematischen und von beruflichen Ausbildungsinstitutionen wohl zu Recht beklagten Verhältnissen geführt."


    Alexander Geist nannte als Hauptursache für die Entwicklung in die Rechtschreibkatastrophe: die didaktischen und methodischen Fehlentwicklungen, u. a. fehlende Systematik, unreflektierter Einsatz der Spielmethodik, der übermäßige Einsatz von Arbeitsblättern, kurzum: der Unterricht.


    Auch Prof. Dr. Wolfgang Steinig et al.stellen in ihrer "Studie zur Diachronie schulischen Schreibens" Vermutungen zu den Ursachen für den Niedergang des Rechtschreibunterrichts in der Schule an:


    1. Die Leistungsanforderungen sind seit den 70er Jahren erheblich abgesenkt worden (Beispiel Lehrpläne Grundschule NRW): Das Fazit Prof. Dr. Wolfgang Steinigs: "Die Anzahl richtig zu schreibender Wörter wurde für Viertklässler um 60 bis 67 Prozent gesenkt und im Gegenzug nahmen die Fehlerzahlen um 77 Prozent zu."


    2."Als wesentlichen Grund für diesen außergewöhnlich hohen (Fehler-)Anstieg sehen wir den Rückgang von Instruktions-, Lern- und Übungszeit, die im Deutschunterricht auf die Rechtschreibung verwandt wird."


    3. "In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen, die vor diesem konstruktivistischen Wunderland des Schreibens warnen. In empirischen Untersuchungen wird zunehmend deutlicher, dass 'Risikokinder' des Schriftspracherwerbs mit offenen, schülerorientierten, an Selbststeuerung, Eigenaktivität und Erfahrung mit Schriftlichkeit orientierten Konzepten zu wenig gefördert werden können, so dass sich der Abstand zwischen guten und schlechten Schreibern vergrößert." [.....] Der Unterricht in den 1970er Jahren war noch durch intensive Instruktion und systematisches Üben gekennzeichnet, so dass es bei 'Risikokindern' nicht zu den Defiziten kam, wie wir sie 30 Jahre später in den Texten von Kindern aus der Unterschicht beobachten konnten. Die Öffnung des Unterrichts, Selbststeuerung und kreative Schreibphasen kommen dagegen vor allem Kindern aus der Mittelschicht zugute. Sie sind die Gewinner der konstruktivistischen Didaktik."


    4. "In den 1990er Jahren kam die Konzeption prozesshaften Schreibens mit integrierten Phasen der Überarbeitung hinzu. Der Schreibprozess mit seinen unfertigen und fehlerhaften Zwischenstadien wurde aufgewertet. Formale Aspekte wie Rechtschreibung oder eine 'schöne' Schrift traten gegenüber Schreibzielen und -inhalten zurück. Insbesondere für das kreative Schreiben wurde gefordert, dass die Entwicklung von Gedanken und Formulierungen nicht durch Probleme bei der Suche nach der korrekten Schreibung von Wörtern gestört werden sollte."

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