Unmotivierte Erstklässler

  • Liebe Arabella, danke für die Nachhilfe in Sachen Türmchen bauen. Ist mir durchaus bekannt. Mein Beitrag klingt vielleicht etwas "grob". Aber ich habe ja auch ganz deutlich geschrieben, dass meine Schüler durchaus freie Phasen zur Verfügung haben. Sie müssen aber eben auch lernen, dass es Pflichten gibt. Fragst du etwa deine Schüler ganz ernsthaft: "Möchtest du dieses Arbeitsblatt heute machen, damit auch DU das "M" lernst" ??????
    Und deine Schüler dürfen tatsächlich monatelang NUR Türme bauen, während die anderen dann bereits lesen und schreiben und rechnen?


    Wenn ich mich mal eben zitieren darf:


    ........Dann muss er/sie eben schnell lernen, dass das Leben auch aus Pflichten besteht, und wir fangen da gleich mal in der Schule damit an. Und wenn eine (anfangs) kleine Pflicht erledigt ist, DANN wird gefragt, was er/sie denn jetzt gerne tun möchte???? Malen, Basteln, Bauklötze bauen, Bücher anschauen etc....etc....???? Solche Kinder habe ich immer besonders im Blick......


    Vielleicht stellst du deine Art zu unterrichten mal vor, würde mich sehr interessieren. Selbstverständlich habe ich Respekt vor anderen Unterrichtsideen, wie die von robischon. Aber wie ich bereits geschrieben haben glaube ich nicht, dass diese an einer "normalen" Schule (Brennpunkt??) durchführbar sind.


    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Kindern Gelegenheiten zum Lernen und arbeiten zur Verfügung zu stellen, sie erreichbar zu machen, ist kein Unterricht.
    Ich frage Kinder nicht ob sie dies oder das möchten. Es genügt, zuzuschauen und abzuwarten. Sie nehmen sich ganz sicher das, womit sie etwas anfangen können.
    Und dann erleben sie, dass sie etwas können und fangen an, Fragen zu stellen.
    Bei Unterricht stellt der Lehrer, die Lehrerin die fragen.
    Kinder in Brennpunktschulen sind ganz bestimmt besonders empfindlich gegenüber Bewertung und gegenüber Misserfolgen.
    Mit meinem Schreib- und Lese-Anfang hält man keinen Unterricht. Ein Kind fängt nach kurzer Zeit (darf auch länger dauern) an, mit schrift zu experimentieren. Ohne Erklärungen und Arbeitsanweisungen.
    Schnelle Kinder fangen an zu schreiben wie die Weltmeister, langsame Kinder brauchen länger, schwierige Kinder fühlen sich bei so einem Umgang mit ihrem Lernen wohl. Was will man mehr?

    • Offizieller Beitrag

    Ja, und manche hören dann nie wieder auf, beim Schreiben zu experimentieren... :rolleyes:


    Gerade Kinder in Brennpunktschulen haben es verdient, eine möglichst gute "Bildungskarriere" machen zu können. Dazu gehört, dass sie richtig lesen, schreiben und rechnen lernen. Leider ist dafür nur ein Zeitrahmen von 4 Jahren vorgesehen, bis wir die Kinder auf eine weiterführende Schule schicken müssen. Wer dann am Ende der 4. Klasse immer noch lieber Türmchen baut oder experimentelles Schreiben betreibt, wird leider kein Gymnasium und nicht mal die Realschule besuchen.


    Mich macht es langsam doch sehr ungeduldig, wie an Konzepten des freien Lernens festgehalten wird, ohne auch diese mal an der Wirklichkeit zu überprüfen. Bin mir auch nicht sicher, ob du, Robischon, dich wirklich mit Brennpunktschulen auskennst.

  • Ich rede nicht von "freiem" Lernen, sondern von ganz normalem natürlichem Lernen. So wie Kinder von selber lernen.
    Wenn Kinder mit Schrift experimentieren dürfen, wollen sie wissen wie man richtig damit umgeht. Kinder die experimentieren durften, waren in der zweiten oder dritten Klasse sichere Rechtschreiber.
    Ungeduldige Lehrer lassen sowas nicht gern zu, machen sich lustig über sogenanntes freies Lernen und verstehen nicht was tatsächlich abläuft.


    Belehrung und Unterricht geht nicht schneller und ist nicht erfolgreicher. Sonst bestünde ja kein Bedarf an Veränderung. Der besteht allerdings.
    Ich hab an einer ganz normalen Grundschule und verschiedenen Sonderschulen gearbeitet und hab über 40 Jahre Erfahrung im Umgang mit dem Lernen.

  • Hallo erstmal,
    meiner Meinung nach gibt es eigentlich keine Kinder, die nicht lernen wollen. Ich arbeite seit einigen Jahren ohne Frontalunterricht und versuche, Kinder dort abzuholen wo sie stehen und sie dann zu motivieren. Sie bekommen auf sie zugeschnittenes Material und lernen sehr früh eigenverantwortlich zu arbeiten. Ich bemühe mich Belehrungen zu vermeiden. Gerade heute habe ich in einer ersten Klasse hospitiert. Die Kinder haben in einer Schulstunde die Ziffer 5 gelernt...wie langweilig, habe ich gedacht. Ich habe dann für meine Klasse (3. Schuljahr) Lösungsblätter für die Selbstkontrolle (Mathematik) ausgefüllt. Das fanden die Erstklässler sehr interessant. Es stellte sich dann heraus, dass zwei Schüler bereits alle Ziffern kannten und ebenso bereits im Zahlenraum bis 100 und sogar bis 1000 recht sicher waren. Also, wenn ich solche Fähigkeiten hätte, dann wäre es auch für mich äußerst demotivierend die Ziffer 5 schreiben zu müssen. Ich habe dann mit einigen Kindern zusammen die Lösungen für das 3, Schuljahr aufgeschrieben, die Schüler waren plötzlich motiviert und sehr sehr willig zu arbeiten. Die Klassenlehrerin der ersten Klasse ließ es dann zu, dass zwei Kinder mit in mein drittes Schuljahr kamen. Sie haben in 1!!! Schulstunde sämtliche Ziffernübungen geschrieben und danach noch im Zahlenraum bis 10 gerechnet. Sogar Ergänzungsaufgaben! Das war ein tolles Erlebnis und für mich, eine Bestätigung, dass der leider immer noch bei uns übliche kleinschrittige, begrenzte, oft frontale Unterricht Kinder in ihrer Motivation zumindest hemmt. Wann denken wir Lehrer endlich um? Kinder sind wissbegierig, davon bin ich überzeugt. Wir Lehrer müssen sie motivieren und ihnen die Möglichkeiten bieten,soviel zu lernen wie sie wollen. Das heißt natürlich, dass man flexibel sein muss und auch, sich von alten Traditionen zu lösen. robischon Ich stimme Ihnen voll und ganz zu und finde es schade, dass so wenig Lehrer, leider auch Junglehrer, den Mut haben, sich vom traditionellen Unterricht zu lösen. Schade, dass es so wenig Lehrer wie Sie gibt, die junge Lehrer ermutigen. Ich habe zur Zeit eine Referendarin und bin froh, dass sie den Mut hat, neue Wege zu gehen. Es müsste sich so viel ändern in unserem verstaubtem Schulsystem, doch habe ich wenig Hoffnung, dass sich wirklich in naher Zukunft etwas ändert. Ich kann nur jedem Mut machen, doch einmal zu versuchen, gewohnte Wege zu verlassen. Ein Unterricht, der geprägt ist von Flexibilität,macht auch dem Lehrer viel mehr Spaß. Was kann mehr Freude machen, als Kinder, die mit Freude lernen und gerne in die Schule gehen?

  • Zitat sehrratlos :

    Zitat

    Wann denken wir Lehrer endlich um?

    Und gerade der kaputtgeredeten traditionellen Pädagogik haben wir es zu verdanken, dass wir in Deutschland wirtschaftlich, kulturell und sozialstaatmäßig viel erreicht haben.
    Daher denke ich nicht dran, für irgendwelche utopische Pädagogiken und Spinnereien umzudenken.


    "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen !" (Zitat Altbundeskanzler Helmut Schmidt)8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    3 Mal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Wer hätte von Kinderschreck etwas anderes erwartet.
    Traditionelle P#ädagogik hat mit Burnout, Sitzenbleiben, Unterrichtsstörungen, Misserfolgen, schlechten Noten, Schulangst, Schulphobie, Schulverweigerung, Notendruck, Hausaufgaben als Hausfriedensbruch und Schlimmerem zu tun.
    Sowas hab ich nicht erfunden. Kaputtreden ist etwas anderes.
    Hilfeschreie in diesen Foren haben immer mit der von Elternschreck hochgelobten traditionellen Pädagogik zu tun.


    So zu arbeiten, dass Kinder und Jugendliche selbstständig, also gerne und erfolgreich, effektiv lernen und arbeiten ist ohne weiteres erlaubt.
    Viele Lehrer trauen sich nicht weil sie erleben, wie andere Lehrer darüber sauer sind, beleidigt sind, nicht glauben, dass "Lernen lassen" tatsächlich in Wirklichkeit ganz einfach ist.
    Meine Kolleginnen an der gleichen Schule hielten meinen Umgang mit dem Lernen für Vorwürfe gegenüber ihrer traditionellen Arbeitsweise. Und wenn bei ihnen Kinder durchdrehten, ausrasteten und massiv störten, brachten sie sie zu mir ins Schulzimmer.


    Zum Thema traditionelle Pädagogik gibts im Moment hier das Forum "Unterrichtsgestaltung in einer schwierigen Hauptschulklasse".
    Auch kein Grund zum Umdenken?
    Die bisherigen Vorschläge sind: lauter schreien, Druck erhöhen, drohen.
    Tolle Pädagogik.

  • Ich lese hier sehr interessiert mit.
    Während meines Refs durfte ich für einige Zeit an einer Reform(grund)schule hospitieren, in der fast ausschließlich freien "Unterricht" gab. Ich wünsche mir, mit einigen meiner Klassen auch genau so arbeiten zu können, denn ich habe erlebt, wie großartig es funktionieren kann und wie begeistert die Kinder lernen. Das kannte ich bis dahin nicht und wenn man es mir vorher erzählt hätte, hätte ich es ganz sicher nicht geglaubt. Aber es gibt zwei ganz große Probleme: an unserer Schule sind weder die räumlichen Gegebenheiten noch die Ausstattung mit entsprechenden Materialien so, dass dies möglich wäre. Ich sitze mit bis zu 32 Kindern in winzigen Klassenräumen und Geld für Materialien (und entsprechende Aufbewahrungsorte) sind auch nicht da. Keine Chance - dann müsste ich meine eigene Schule eröffnen... Man muss also erstmal die äußeren Gegebenheiten vorfinden, um so arbeiten zu können.
    Außerdem muss ich sagen, dass die Schule, an der ich hospitiert habe, ein Schülerklientel hat, von dem ich nur träumen kann - gut bürgerlich in einer Kleinstadt mit überdurchschnittlich vielen Kindern aus Akademikerfamilien. Da klappt die Umsetzung solcher Lernkonzepte sicher viel besser und einfacher als mit Kindern, die in sozialen Brennpunkten aufwachsen.

  • Erst einmal möchte ich Finchen ermuntern, den Unterricht, den sie doch als so schön im Referendariat empfunden hat, ruhig umzusetzen. Äußere Gegebenheiten werden sich so schnell nicht ändern, und die Schüler können wir uns eben auch nicht aussuchen. Doch die Methode, Kinder zum Lernen zu motivieren, die können wir wählen. Diese Freiheit sollten wir doch auch nutzen. Was z.B. räumlich nicht passend scheint, wird halt passend gemacht. Ich nutze oft noch einen zweiten Raum, oder wähle Sitzordnungen, die individuelles Arbeiten ermöglichen. Ebenso können meine Schüler auf den Teppich ausweichen.
    Elternschreck solche Argumente, wie du sie hier anbringst kenne ich zur Genüge. Warum haben eigentlich Lehrer nicht die Verpflichtung nach den neueren Methoden zu arbeiten? In der freien Wirtschaft kann ich doch auch nicht sagen, dass ich neue Entwicklungen nicht mitmache. Außerdem sind die finanziellen Voraussetzungen für Lehrer doch nicht schlecht. Es ist doch ein Unding, dass es Lehrer gibt, die immer noch mit den Unterlagen vor 20 Jahren arbeiten. Wir werden schließlich nicht nur für die reine Unterrichtszeit bezahlt.Ich rede jetzt vorwiegend von meinen Erfahrungen mit Kollegen der Grunschule. Natürlich arbeite ich auch zu Hause am Material für die Schüler und mache mir Gedanken. Meine häusliche Arbeit ist nicht beschränkt auf Korrekturen und Ausfüllen von Karteikarten. Das sieht bei Lehrern der Sekundarstufe natürlich anders aus, aber da sehen die Schwerpunkte der Arbeit auch anders aus. In der Grundschule ist es meine Aufgabe Kindern Grundlagen zu vermitteln. Da ist es meine Pflicht zu indivdualisieren und eine gute, anregende Lernatmosphäre zu schaffen. Es kann nicht sein, dass meine Aufgabe darin besteht, Buchseiten abzuarbeiten, zu belehren und meinen Stoff abzuspulen. So schaffen wir Schulversager, Verweigerer und Demotivation. Aber es ist ja immer einfacher auf die Eltern und die Gegebenheiten zu schimpfen, anstatt sich mal zu fragen, was ich als Lehrer anders machen könnte.
    Zum Glück gibt es Lehrer wie Robischon , die auch mir Mut machen meinen Weg weiterzugehen, gegen alle Widerstände. Der Erfolg meiner Schüler gibt mir Recht.

  • Zitat robischon :

    Zitat

    Traditionelle P#ädagogik hat mit Burnout, Sitzenbleiben,
    Unterrichtsstörungen, Misserfolgen, schlechten Noten, Schulangst,
    Schulphobie, Schulverweigerung, Notendruck, Hausaufgaben als
    Hausfriedensbruch und Schlimmerem zu tun.

    Nicht die traditionelle Pädagogik hat damit was zu tun, sondern eher das schuldhafte Schulversagen individueller Schüler (Eltern), die generell erstmal keine richtige Einstellung zur Schule und zum Leistungsprinzip haben, geehrter robischon !


    Aber das verwundert mich auch nicht. In einem staatlichen Sozialsystem, in dem man die Perspektive hat, auch als Nichtarbeitswilliger und Laumeier automatisch versorgt zu werden, werden natürlich etliche Faulenzer produziert, die auch in einem reformpädagogischen Schulsystem nichts leisten würden.


    Nein, geehrter robischon, das Versagen einzelner Menschen lasse ich mir und der traditionellen Pädagogik nicht in die Schuhe schieben. Ist nichts mit Büßerhaltung und dem pädagogisch verbrämten Ich-hab-Schuld-Gesicht. Das können von mir aus andere machen.


    Es wird in Deutschland endlich Zeit, dass man in Zukunft wieder mehr auf die Eigenverantwortlichkeit der Individuen setzt als auf das Abschieben individueller Defizite in die Institutionen.


    In Deutschlands Schulen muss endlich wieder gepaukt und diszipliniert gearbeitet werden !

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Das ist es.
    Bei selbstbestimmtem Lernen wächst und gedeiht Eigenverantwortlichkeit. Ich habs lang genug erlebt und weiß ganz sicher, dass es so ist.
    Bei Unterricht, gleichzeitiger Belehrung und Anweisung, bei gleichzeitigen Arbeitsaufträgen an völlig unterschiedliche Menschen erreicht man nie auch nur die Hälfte der Lernenden und muss vor allem die Verantwortung für sie übernehmen. Danach wirds dann auch.
    Für Elternschreck-Unterricht muss die Klientel ausgesucht und vor allem abgehärtet sein und bereit, sich allerhand gefallen zu lassen.


    Wie soll nun der arme Hauptschullehrer verfahren?
    Die Lernenden eigenverantwortlich lernen und arbeiten lassen oder den Unterrichtsdruck massiv erhöhen und Maßnahmen ergreifen?


    Doch, traditionelle Pädagogik hat mit Burnout und Misserfolgen bis Schulverweigerung zu tun.
    Verweigert wird da immer der traditionelle alte übliche Umgang mit Zöglingen.
    Bei anderem Umgang fällt das einfach weg. Noch nie davon gehört?


    Hallo Finchen. so enge Schulzimmer hab ich auch schon gesehen, damals in einer uralten Schule in Erfurt. Die Lehrerin hat trotzdem mit Bewegung und Ideen Leben in den Raum gebracht und immer wieder Türen und Fenster geöffnet.
    Ich hab Lernmaterial selber hergestellt weil es fast nur Material gab, zu dem Erklärungen, Arbeitsanweisungen und "Lösungen" gehörten.
    Und ich hab die Räume nach draußen geöffnet.

  • Ich denke dass für deinen Unterricht lieber robischon das Klientel ausgesucht sein muss. Jede Methode funktioniert - in entsprechendem Umfeld. Hast du an einer Brennpunktschule im Zimmer gestanden mit 30 Schülern? Davon vielleicht noch die Hälte mit Migrationshintergrund und schlechtem Deutsch ??? Das ist so wie mit vielen Methoden..... Reichen funktioniert auch .... Jedenfalls im entsprechenden Wohnviertel. Und ebenda funktioniert ALLES. Ich bin nicht der Meinung, dass Frontalinterricht Allheilmittel ist. Aber ich wehre mich gegen diese "Pfui, wie kann man heutzutage noch vor der Klasse stehen" -Einstellung!!! Frontal kann durchaus gut sein. Genau wie Freies Arbeiten schlecht sein kann !!!
    Und um mal wieder auf Pisa zurückzugreifen ..... Stehen andere Länder nicht besser da, weil alle Lehrer frei unterrichten , sondern weil die Rahmenbedingungen und die gesellschaftlichen Hintergründe anders sind. Da funktioniert alles!

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Ich erinnere mich an die Diskussion mit robischon in dem Thread über Disziplin, da wurde auch schon die Frage gestellt, ob seine Schule mit handverlesenem Klientel arbeitet. Welch Wunder, sie blieb offen. Daher wundert es mich auch mal so gar nicht, dass er die Frage, ob "Brennpunktschulerfahrung" vorhanden ist, offen lässt.


    Elternschreck hat aber eine Frage aufgeworfen, die zwar hier OT ist, aber dennoch interessant erscheint:


    Deutschland war quasi mal der "Goldstandard" der Wissenschaft, inzwischen bei weitem nicht mehr. Nun wissen wir ja alle, dass Schulerfolg nichts mit der Elternhaus (wie feudal), dem eigenen Leistungswillen (bäh, welch kapitalistische Verwertungslogik), geschweige denn mit "natürlichen Anlagen (Pfui, das ist rechts!). Es liegt also alles allein am Lehrer, bzw. an der Methodik. Wieso hagelt es dann heutzutage keine Nobelpreise?


    Zum Thema "andere Länder" habe ich mal einen interessanten Artikel in der FAZ gelesen. Nach der ersten PISA-Studie pilgerten alle nach Finnland, um den Göttern bei der Arbeit zuzusehen. Zu sehen bekamen sie fast ausschließlich Unterricht, für den hierzulande jeder Referendar geteert und gefedert würde.

    Mit meinem Verhältnis zur Realität ist alles in Ordnung. Ich lasse es alle 14 Tage vorschriftsgemäß warten.

  • An staatlichen Schulen ist die Kundschaft nicht handverlesen.
    Ich war an verschiedenen staatlichen Schulen. Zuletzt, 31 Jahre, an einer Grundschule dicht bei einer größeren Stadt. Die Zusammensetzung war immer etwa wie in der Stadt, jahrgangsweise halt immer wieder mit geringeren Zahlen.
    Jede Methode funktioniert?
    Mein Umgang mit dem Lernen, also "Lernen lassen" ist keine Methode.
    Hungrige essen zu lassen ist auch keine Fütterungsmethode.
    Zwangsernährung kann jeden dazu bringen, Essen zu verweigern.
    Von Celestin Freinet gibt es die Geschichte vom Pferd das keinen Durst hatte.


    Kindern kann gleich zum Schulanfang die Schule sowas von verleidet werden, wenn man versucht sie zu motivieren und ihnen etwas beizubringen was sie längst können.
    Die Kinder die damit die größten probleme haben, kommen halt an die hauptschule und geben da einfach auf und blockieren.
    Was ist nun mit dem Lehrer und seiner Hauptschulklasse die ihn nicht belehren lässt?
    Ích wurde mal zu so einer Schulklasse eingeladen, an einer Brennpunktschule in Berlin und hab einen Vormittag mit den Jugendlichen einer achten Klasse gearbeitet.
    Ein junger Araber hat der Lehrerin erklärt was das ist was ich mache.
    An den schulklassen mit denen ich an der Grundschule gearbeitet habe waren auch Kinder mit erheblichen Beeinträchtigungen, die normalerweise nicht an der Grundschule genommen wurden.
    Bei einem Kind mit Trisomie wurde mir das vom schulamt ausdrücklich verboten, weil man die Beeinträchtigung sehen konnte.
    Bei den anderen haben sie es nicht gemerkt, bis sich Lehrerinnen beschwerten, dass das autistische Kind nicht auf sie hörte.
    Daraufhin wurde es mir verboten und ich musste einen Bericht schreiben, wie ich mit dem Kind zwei jahre gearbeitet hatte. heutzutage hat das Schulamt eine Stelle für den Umgang mit Autismus.
    Übringens hab ich zeitweise mit mehr als 30 Kindern zu tun gehabt. Mehr als 40 passten nicht in die Räume und Flure. Doch, auf dem Hof und der Schulwiese war noch Platz.
    Zu den letzten drei Jahren meiner Arbeit hab ich im Internet eine Dokumentation mit unzähligen Bildern, dazu immer wieder Berichten oder Kommentaren von Besuchern.
    Die größten Probleme waren beleidigte Kolleginnen, Frau Oberstudienrätin Elternschreck als Elternvertreterin und die Schulbehörden.
    Von den damaligen Kindern hab ich immer wieder Rückmeldungen, auch jetzt noch.

  • Der Schulanfang kann Kindern tatsächlich verleidet werden. Ohne mir auf die Schultern klopfen zu wollen muss ich sagen , dass ich (wie viele engagierte Kollegen/Innen hier ebenso) noch kein Schulkind hatte, das komplett verweigert hätte. Hat vielleicht mit Empathie , Spass am Job, Differenzierung ..... Etc . Zu tun. Das geht hier vielen so. Wer sagt dass bei mir immer alle das Gleiche machen ? Und ich bin überzeugt davon , dass vieles funktioniert. Und ich finde es nach wie vor unmöglich, den bööööösen Frontalunterricht anzuprangern. Was machen eigentlich deine Schüler ab Klasse 5....???? Kriegen die dann nen Kulturschock ? Meinst du im Ernst, ein Oberstufenkollege wird bei Klasse 12 das gleiche Prinzip anwenden ??? " Abitur ? Ach, macht doch was ihr wollt, ihr werdet dann einfach merken, ob's gereicht hat wenn die Punkte drunter stehen ..." ??? Korrigiert mich bitte, liebe Sek 2- Kollegen, wenn ich falsch liege .....
    Ich hatte i.Ü. Schon recht viele Schüler aus freien Schulen, Walldorf etc. Die konnten in Klasse 3 nicht mal die Satzanfänge groß schreiben. Aber egal. Dafür waren totale Dinosaurier - und Ritter- Experten drunter. Als zukünftiger Paläontologe muss man ja auch nicht schreiben, sondern nur buddeln können. Ich hätte sie zum Üben in unsere Sprunggrube schicken können ... Ach ne, das wäre ja wieder das Problem des "Aufzwingens" gewesen.
    Ich habe schon genug mit Kindern zu kämpfen, von denen zu Hause schon nichts abverlangt wird .... solch ein Umfeld nehme ich mir nicht als Vorbild. Sorry.

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Erst einmal möchte ich Finchen ermuntern, den Unterricht, den sie doch als so schön im Referendariat empfunden hat, ruhig umzusetzen. Äußere Gegebenheiten werden sich so schnell nicht ändern, und die Schüler können wir uns eben auch nicht aussuchen. Doch die Methode, Kinder zum Lernen zu motivieren, die können wir wählen. Diese Freiheit sollten wir doch auch nutzen. Was z.B. räumlich nicht passend scheint, wird halt passend gemacht. Ich nutze oft noch einen zweiten Raum, oder wähle Sitzordnungen, die individuelles Arbeiten ermöglichen. Ebenso können meine Schüler auf den Teppich ausweichen.

    Ich unterrichte in der Sek. 1 an einer Brennpunktschule. 90% der Kinder, die zu uns kommen, haben eine Hauptschulempfehlung, ca. 2/3 einen Migrationshintergrund...
    Mit meiner eigenen Klasse kann ich vielleicht einiges umsetzen aber die vielen Stunden Fachunterricht (in Wirtschaftslehre habe ich z.B. zwei Klassen, die ich nur eine Stunde die Woche sehe)ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe keinen zweiten Raum (und auch keine zweite Aufsichtsperson...) und habe manchmal das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen.


    Sorry, wir kommen vom Thema ab - hier geht es um Erstklässler. Die sind sicher auch noch anders zu motivieren als meine großen Schüler. Deshelb höre ich jetzt auch wieder auf zu schreiben, denn einen Lösungsvorschlag zur Ausgangsfrage kann ich auch nicht beisteuern.

  • Panama:

    Zitat

    Hast du an einer Brennpunktschule im Zimmer gestanden mit 30 Schülern? Davon vielleicht noch die Hälte mit Migrationshintergrund und schlechtem Deutsch ???

    Robischon:

    Zitat

    An staatlichen Schulen ist die Kundschaft nicht handverlesen.
    Ich war an verschiedenen staatlichen Schulen. Zuletzt, 31 Jahre, an einer Grundschule dicht bei einer größeren Stadt. Die Zusammensetzung war immer etwa wie in der Stadt,

    Übersetzung: Die Antwort auf die zwei Fragen lautet "nein". Aber das kann offenbar nicht geschrieben werden. Daher: Politikersprech. Man könnte auch sagen: Eine Debatte mit offenen Karten wird mit allen Mitteln vermieden (wie auch schon in anderen Threads). Extrem vertrauenserweckend eben.

  • Nein ich bin kein Politiker.
    Ja ich war schon in Brennpunktschulen. Die Klasse da in Berlin hatte nicht 30 Schüler, aber 100 Prozent Ausländer.
    Klar?

  • Panama Mit Interesse habe ich Deinen letzten Artikel gelesen. Ich kann Dir aus meinen Erfahrungen nur berichten(inzwischen habe ich 5 mal Klassen nach 4 Jahren ins 5. Schuljahr entlassen) dass die Kinder nach 4 Jahren individuellem Unterricht ganz prima den Übergang geschafft haben. Sie konnten sich gut auf jegliche Art Unterricht einstellen und fielen besonders durch ihre Selbständigkeit positiv auf (Rückmeldung von Lehrern der weiterführenden Schulen und Eltern). Es mag bestimmt auch, hoffentlich, viele Lehrer in der Grundschule geben, die nicht nur seit 20,30 Jahren immer dasselbe machen. Es geht mir auch nicht darum irgendeine These zu vertreten in welcher Form denn nun Kinder am besten lernen. Es geht mir darum, dass Kinder nicht mehr gelangweilt in einem Unterricht sitzen müssen, der in seinen Inhalten und seiner Form oft an den Kindern vorbeigeht. Ich wünsche mir, wie robischon es so schön nennt, Lernbegleiter für die Kinder. Ein schöner Begriff, der das ausdrückt, was Schule sein soll. Ein Ort an dem die Kinder mit Freude und ohne Angst, und rücksichtsvoll, die Bedürfniss des anderen achtend so viel wie möglich lernen.
    Warum ich Handlungsbedarf sehe? Weil ich tagtäglich erlebe, dass Kinder dauernd Dinge machen müssen oder nicht machen dürfen. Sie werden glattgebügelt und ihre Motivation wird nur allzuoft gebremst. In allen ersten Klassen, auch in Brennpunktschulen (dort war ich 10 Jahre tätig) gibt es Kinder, die zu Beginn des ersten Schuljahres z.B. in Mathematik alle Ziffern und die dazugehörigen Mengenbeziehung bereits erfasst haben. Ich habe sehr oft erlebt, dass darauf nicht Rücksicht genommen wird, sondern alle Kinder zum gleichen Zeitpunkt dieselbe Ziffer schreiben müssen. Als ich einmal in einem ersten Schuljahr hospitiert habe, hatte ich Lösungsblätter eines 3. Schuljahres vor mir liegen. Einige Erstklässler kamen zu mir und waren sehr interessiert an den großen Zahlen und es stellte sich schnell heraus, dass einige Kinder sich durchaus bereits im Zahlenraum bis 100 auskannten. Warum kann man als Lehrer darauf nicht eingehen? Es scheint zumindest in meinem Umfeld nicht möglich zu sein. Oft wird den Kindern viel zu wenig zugetraut. Ein offener Unterricht sollte jedem ermöglichen das zu lernen was er bereits erfassen kann. Das heißt ja nicht, das die Kinder nicht auch Regeln beachten müssen, nämlich die Regeln eines ruhigen Miteinanders.

  • und wenn es genau daran hapert, sehrratlos, an den regeln des ruhigen miteinander? in meiner mathe-eins sind mehrere kinder, die vollkommen "aus der bahn sind", z.t. nicht ansprechbar. ich habe einfach nicht die kapazitäten, fitte kinder direkt zu fördern, das material auch nicht - nur in begrenztem maße. wir arbeiten mit einstren, so dass man die fitten dann einfach in partnerarbeit von der leine lassen kann, dafür bin ich dankbar.
    aber mit allen könnte ich nicht so offen arbeiten, dann hätte ich das gefühl, nicht alle kinder im blick zu haben und zu wissen, wo sie gerade stehen und was sie von mir als "lernbegleiterin" brauchen.

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