Unmotivierte Erstklässler

  • Hallo,
    nun habe ich zum 3. Mal ein 1. Schuljahr übernommen.
    Zum ersten Mal habe ich aber mit dem Problem zu kämpfen, dass viele der Jungen überhaupt keine Lust zum Schreiben und Rechnenlernen haben. Egal, wie viel Mühe ich mir gebe, sie zu motivieren. Sie hängen immer nur lustlos an ihren Tischen, haben große Probleme mit der Feinmotorik und auf nichts Lust.
    Bereits von Beginn an hatten sie keine Lust in die Schule zu gehen.
    Was mache ich mit diesen Kindern?
    Alema

  • Sie haben auf nichts Lust?
    Das glaub ich nicht.
    Sie wollen sich nicht motivieren und manipulieren lassen. Sie wollen selber etwas tun.
    Fürs selbstständige schreiben und lesen lernen und für den Einstieg in Mathematik hab ich schon vor über 20 Jahren Material hergestellt.
    Das funktioniert immer noch bei Kindern die "Unterricht" verweigern.
    Stell ihnen einfach Material und Lerngelegenheiten zur Verfügung, lass sie reden und sich ihren Platz und die Arbeitspartner selber aussuchen.
    Zeig ihnen nur noch, von wann bis wann Zeit ist und schreib Mitteilungen an sie an die tafeln.
    Selbstständig lernen lassen ist viel leichter und erfolgreicher als Unterricht verabreichen.
    Viel Erfolg

    • Offizieller Beitrag

    Das glaube ich nicht!
    Sie wollen sich nicht motivieren und manipulieren lassen. Sie wollen selber etwas tun.

    Bei allem Respekt (den ich wirklich vor deiner Arbeit habe!), glaube ich das schon! Unsere Kinder gingen in der Grundschulzeit alle auf freie bzw. Reformschulen. Da ist es leicht, die Kinder lernen zu lassen. Das Klientel ist anders!


    Ich wollte das auch nicht glauben, aber auch an meiner Schule gibt es solche Erstklässler, die auf nichts Lust haben, die kaum zu motivieren sind, wie die Kollegen erzählen.
    Dazu kommen massive soziale Defizite und auch offensichtliche Verhaltensstörungen. Da wünsche ich viel Spaß beim einfach mal Lernen lassen...
    Meine Nerven würden das nicht durchhalten und der Erfolg für die Kinder wär fraglich, denn es gibt tatsächlich Kinder, die nicht mal einen Stift richtig führen können. Oder sich in irgendeiner Form organisieren.
    Das lernen sie m.E. auch nicht dadurch, dass ich sie einfach laufen lasse. Die muss ich an die Hand nehmen!


    Alem, du hast mein Mitgefühl!
    Viel raten kann ich dir nicht, außer vielleicht gute Nerven. Ich würde versuchen, die Kinder immer wieder einzubeziehen, aber ggf. auch mal "links liegen lassen" im Sinne von nicht immer um sie rumtanzen und versuchen sie zum Arbeiten zu bewegen. Schaffen sie halt mal nix. Wird auch irgendwann langweilig. Sie dürfen in der Zeit aber auch keinen Unsinn machen und stören.


    Viel Erfolg!


    Melo

  • Sie haben auf nichts Lust?
    Das glaub ich nicht.
    Sie wollen sich nicht motivieren und manipulieren lassen.


    Ach ja, der Lehrer ist Schuld, wenn die Kinderlein nichts lernen wollen... Fast hätt ich's vergessen...

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Stell ihnen einfach Material und Lerngelegenheiten zur Verfügung, lass sie reden und sich ihren Platz und die Arbeitspartner selber aussuchen.


    Wir haben dieses Jahr ein Geschwisterpaar in der 3. und 4. Klasse, die so unterrichtet (wollte ich sagen "bespaßt"...?) worden sind. Beide können definitiv NICHT lesen. Mathe ist ebenso grausam. Immerin wissen sie, wann die Pausen sind und haben recht schnell nach den Spielen gefragt. Ich wage zu bezweifeln, dass diese Methode bei lernunwilligen Schülern klappt.

  • Hallo,
    ich mische immer im Unterricht offene und angeleitete Phasen. EIns ist definitiv sicher: Das Arbeiten in den offenen Phasen klappt bei diesen Jungen noch weniger als angeleitet. Sie arbeiten nur, wenn ich daneben sitze und sonst gar nicht. Ich überlege ernsthaft, ob ich diese Kinder von den offenen Arbeitsphasen ausschließe und ihnen immer konkret sage, was sie tun sollen bzw. nur drei Aufgaben zum Abarbeiten gebe.
    Oder ist das gemein?
    Alema

  • Oder ist das gemein?


    Nein. Vielleicht haben diese Kinder einfach ein Problem sich in freien Arbeitsphasen zu organisieren. Somit würdest du ihnen einen Rahmen vorgeben, in dem sie sich bewegen können.

  • schließe mich siobhan an. die brauchen den festen rahmen, um anzukommen oder die chance aufs ankommen zu haben. das ist gar nicht gemein.


    habe eine erste klasse in mathe und dort ein paar kinder, die machen grundsätzlich, was sie wollen. sobald ich versuche, zu öffnen, fliegen gegenstände durch die luft oder es wird geschlagen. reden kann man dann mit denen nicht mehr, die sind dann ganz woanders.
    robischon, so gut und konsequent ich deine aussagen sonst finde: wenn ich denen gelegenheit zum lernen biete besteht gefahr für das lernen der anderen kinder - denn 21motivierte kinder können nicht lernen, wenn 7 kinder andere schlagen, anderen gegenstände wegnehmen, kreischen, quietschen und versuchen auf die tische zu klettern. die brauchen eine ganz klare, kleinschrittig gegliederte handlungsanweisung, damit sie erfolgserlebnisse haben und selbstvertrauen als lerner aufbauen, von da aus kann man dann öffnen.

    • Offizieller Beitrag

    Finde die Idee auch gut, Alem!
    Überschaubare Aufgaben, die sie auch schaffen können. Sie machen ja in der Freiarbeit sicher eh nichts - darum ist der Ausschluss auch nicht "gemein".

  • Bei der Lehrerin kommt an, dass viele der Jungs keine Lust haben zum Lernen.
    Natürlich wollen sie lernen. Sie wollen nur nicht unterrichtet werden, weil sie oft nicht verstehen, was sie tun sollen und warum.
    Wenn sie Material vorfinden das sie verstehen und mit dem sie von selber umgehen können, arbeiten sie garantiert und reden miteinander drüber.
    Was finden sie vor im Schulzimmer?
    Sobald es etwas ist was ihnen erklärt werden muss, weichen sie ihm aus und machen "Blödsinn".
    Ich hab Kindern Schreiblernmaterial entwickelt das ich ihnen einfach hinlegen konnte.
    Erst kürzlich hat mir eine Lehrerin geschrieben, dass ein merkwürdiger Junge, der andere Arbeitsblätter auffrisst, die von mir sehr gerne genommen und bearbeitet hat und tatsächlich damit lesen und schreiben gelernt hat. Er lässt sich nicht belehren. Er will selber lernen.
    Sind im Schulzimmer Sachbücher, Steckwürfel, geometrisches Material, Experimentierkoffer, weiße Blätter und Stifte?

  • Ich denke, die Eltern sollten dringend mit einbezogen werden (in dem Sinne, dass sie auf ihre Kinder einwirken), es sollte ihnen klargemacht werden, was das für ihre Kinder bedeutet.
    Wenn schon jetzt allgemeine Unlust das (Lern-)Klima bestimmt, wird das die nächste Generation funktionaler Analphabeten werden, mit allen Konsequenzen für das folgende Leben (Schul- u. Arbeitsleben, allg. Lebensgestaltung etc.)


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich denke, die Eltern sollten dringend mit einbezogen werden (in dem Sinne, dass sie auf ihre Kinder einwirken), es sollte ihnen klargemacht werden, was das für ihre Kinder bedeutet.

    Und was sollen die eltern machen?! sich mit ihren sprösslingen hinsetzen und ihnen erklären, was das für deren leben bedeutet? zuhause strafen einführen, damit die kinder schule von anfang an hassen? über die feinmotorik würde ich mit den eltern reden, aber alles andere sehr behutsam ansprechen.


    Ich finde die idee, sie von den offenen arbeitsphasen auszuschließen nicht gemein. es ist das einzige, was bei mir immer funktioniert hat. solche kinder brauchen feste strukturen, für freiarbeit fehlt ihnen nicht selten neben dem äußeren auch der innere halt.

  • Also ganz ehrlich: "Macht doch einfach was ihr wollt" funktioniert vielleicht an Modellschulen, bei entsprechendem Klientel, in ordentlichen Wohnorten mit bildungsnahen Familien (meine Meinung).... ich erlebe auch immer wieder Erstklässler die nicht wirklich motiviert sind. Egal was ich tue und sage, anbiete....ich kombiniere auch gelenkte und freie Phasen miteinander....... Erst einmal solltest du dich von diesem Gedanken befreien, dass jeder Schüler motiviert sein sollte (intrinsisch, versteht sich......) . Nicht jedes Kind geht gerne zur Schule. Auch nicht in der ersten Klasse. Nach über 10 Jahren Berufserfahrung bin ich dazu übergegangen, öfter mal ganz freundlich einem Schüler klar zu machen, dass wir hier nicht auf einem Ponyhof sind. Das mache ich immer dann wenn ich merke, dass wirklich nichts fruchtet, der Schüler schlicht und ergreifend keinen Bock hat.


    Dann muss er/sie eben schnell lernen, dass das Leben auch aus Pflichten besteht, und wir fangen da gleich mal in der Schule damit an. Und wenn eine (anfangs) kleine Pflicht erledigt ist, DANN wird gefragt, was er/sie denn jetzt gerne tun möchte???? Malen, Basteln, Bauklötze bauen, Bücher anschauen etc....etc....???? Solche Kinder habe ich immer besonders im Blick. Wenn ich die echt machen und tun lasse, was sie wollen, dann bauen sie mir monatelang NUR Türme aus Klötzchen..... nur gelernt wird eben....NIX! Und das geht nicht. Fertig....


    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Materialien in der Klasse sind auch kein Allheilmittel. Der Lehrer ist immer Bindeglied zwischen Kind und "Welt". Ich würde mir die besagten Kinder mal zum Gespräch aus der Klasse rausnehmen und authentisch sagen: "Ich muss jetzt mal mit euch reden. Mir ist aufgefallen, dass ihr irgendwie zu nichts (wirklich nichts? oder zu was nicht) Lust habt. Egal, was ich versuche, euch anzubieten, ihr wollt es nicht. Und das macht mich traurig. Ich möchte gern mit euch allen zusammen arbeiten, was Neues lernen. Dass ich nichts finde, was euch interessiert, darüber denke ich auch nach der Schule nach. Und ich würde doch so gerne was finden, um mit euch was zu machen, was ihr gerne macht. Vielleicht könnt ihr mir helfen? Dass ihr mir Ideen sagen könnt, was wir zusammen machen können? Muss jetzt nicht direkt sein, vielleicht fällt euch auch in den nächsten Tagen was ein... Sagt's mir. Bitte. Mir geht es nicht gut so. Ich würde euch viel lieber fröhlich sehen und mit was spannendem beschäftigt." Lächeln. Und abwarten.


    Kinder haben ein ganz feines Gespür für authentische Gespräche. Und nicht sofort eine Reaktion erwarten. Inspirieren, einladen und ermutigen. Und das immer wieder. Dass 6jährige auf nichts Lust haben ist nicht normal. Was haben sie vorher erlebt? Was hat ihre eigene Motivation genommen? Verweigern ist ein Machtmittel, wenn man anders nicht weiter kommt. Es ist auffällig wie "nicht essen". Jetzt iss endlich. Willst du was anderes? Was willst du denn?... das bringt nicht weiter. Ich glaube, der Weg vom "du" zum "ich", also wie oben z.B., dass du sagst, wie es dir dabei geht, kann ein erster Schritt sein, Kontakt aufzubauen.

  • Dann muss er/sie eben schnell lernen, dass das Leben auch aus Pflichten besteht, und wir fangen da gleich mal in der Schule damit an. Und wenn eine (anfangs) kleine Pflicht erledigt ist, DANN wird gefragt, was er/sie denn jetzt gerne tun möchte???? Malen, Basteln, Bauklötze bauen, Bücher anschauen etc....etc....???? Solche Kinder habe ich immer besonders im Blick. Wenn ich die echt machen und tun lasse, was sie wollen, dann bauen sie mir monatelang NUR Türme aus Klötzchen..... nur gelernt wird eben....NIX! Und das geht nicht. Fertig....


    uhhghh. sie lernen vielleicht nicht das, was du willst, aber sie lernen. man muss das gehirn schon ins koma versetzen, damit es aufhört zu lernen. soso, pflichtbewusstsein bitte schon mit sechs, schön gehorsam sein. die schul(anwesenheits)pflicht ist ein relikt aus der nazizeit, wo wir schon viel zu viel gehorsam hatten... bildungsexperten sind für die abschaffung dieser fast nur noch in deutschland bestehenden zwangsverordnung.


    es sollte eher heißen: danke, liebe kinder, dass ihr jeden tag den weg in die schule findet! ihr könntet auch zu hause bleiben. aber dann hätte ich bald keinen job mehr. ich danke euch wirklich.


    es gibt kinder, die aufm papier zwar sechs sind, aber irgendwo im alter von zwei/drei stehen geblieben sind. die muss man da abholen. und wenns mit türmchen bauen ist.


    übrigens: türmchen bauen = schulung von feinmotorik, konzentration, gleichgewicht, ausdauer und frustrationstoleranz, mathematischem verständnis, statik, in der gruppe social skills, selbstwirksamkeit, selbstwertgefühl, selbstvertrauen,...

  • Materialien in der Klasse sind auch kein Allheilmittel. Der Lehrer ist immer Bindeglied zwischen Kind und "Welt". Ich würde mir die besagten Kinder mal zum Gespräch aus der Klasse rausnehmen und authentisch sagen: "Ich muss jetzt mal mit euch reden. Mir ist aufgefallen, dass ihr irgendwie zu nichts (wirklich nichts? oder zu was nicht) Lust habt. Egal, was ich versuche, euch anzubieten, ihr wollt es nicht. Und das macht mich traurig. Ich möchte gern mit euch allen zusammen arbeiten, was Neues lernen. (...)


    Kinder haben ein ganz feines Gespür für authentische Gespräche. Und nicht sofort eine Reaktion erwarten. Inspirieren, einladen und ermutigen. Und das immer wieder. Dass 6jährige auf nichts Lust haben ist nicht normal. Was haben sie vorher erlebt? Was hat ihre eigene Motivation genommen? Verweigern ist ein Machtmittel, wenn man anders nicht weiter kommt.


    Das klingt für mich weniger nach Authentizität als vielmehr nach emotionaler Erpressung. Emotionale Erpressung ist auch ein Machtmittel.

  • Arabella zur historischen Nachilfe: flächendeckende Schulpflicht ist kein Relikt der NS-Zeit, sondern wurde 1919 in der Weimarer Republik eingeführt. Vielleicht erst mal informieren, bevor man mit deplatzierten und unsachlichen Nazivergleichen um sich wirft...

  • Und was sollen die eltern machen?!


    Was sollen die Lehrer machen? Ich erwarte von Eltern, dass sie sich um ihre Kinder kümmern. Und damit meine ich nicht, die Kinder früh zur Schule schaffen und Nachmittags mit voll durchorganisierter "Freizeit" stressen oder vor dem Fernseher/Computer abzustellen.

    sich mit ihren sprösslingen hinsetzen und ihnen erklären, was das für deren leben bedeutet?


    Nein, den Eltern sollte klar gemacht werden was das für ihre Kinder bedeutet, damit sie reagieren können.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Eugenia
    Erstmals wurde im Gesetz über die Schulpflicht im Deutschen Reich
    (Reichsschulpflichtgesetz) vom 6.7.1938 (geändert am 16.5.1941) festgelegt, daß Schüler mit
    der Polizei in den Unterricht gezwungen werden dürfen und daß Erziehungsberechtigte mit
    Geld- und Gefängnisstrafen bestraft werden können, wenn sie die Schulpflicht bei ihren
    Kindern nicht durchsetzen.


    @ alem
    Am einfachsten ist es, Kinder tun zu lassen was sie können und verstehen. Kindern können von selber Zusammenhänge finden und mit selber gewonnenen Erkenntnissen experimentieren.
    So lernen sie am leichtesten schreiben und lesen (in dieser Reihenfolge). Es gibt durchaus geeignetes Lernmaterial dazu.
    Wenn ein Kind etwas verstanden hat und sich daran festarbeitet, muss man es einfach daran arbeiten lassen, bis es von selber etwas anderes und weiteres dazu aufnimmt.
    Kinder lernen nicht in kleinen Schrittchen, nicht der Reihe nach, nicht gleichzeitig und schon gar nicht das Gleiche.
    Gleichzeitiger Unterricht hindert sie daran, selbstandig und mit anderen zu lernen.
    Gleichzeitiger Unterricht wird immer gestört, unterbrochen, aufgehalten, hat jede Menge Misserfolge und Leerlauf.
    Es ist erheblich einfacher herauszufinden warum das so ist, als den gleichzeitigen Unterricht durchsetzen zu wollen und sich mit den Misserfolgen und Leerläufen abzufinden oder, wie es häufiger vorkommt, darüber zu ärgern und womöglich daran zu verzweifeln.

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