was genau ist politische Betätigung in der Schule?

  • Ich habe mal irgendwann gelernt, dass ich als Lehrer in der Schule mich nicht politisch betätigen darf, also z.B. keine Werbung für eine Partei machen. Das finde ich logisch und richtig.
    Aber wenn ich mich privat für den Umweltschutz engagiere oder an einer Demo z. B. gegen Globalisierung teilnehme, ist das auch eine Form von politischer Aktivität. Wenn ich dann in der Schule von Schülern darauf angesprochen werde, möchte ich meine Meinung dazu äußern. Wo sind da jetzt die Grenzen? Was ist noch als freie Meinungsäußerung erlaubt, was ist wegen "Manipulation von Schutzbefohlenen" verboten? Falls sich das in den Bundesländern unterscheidet: Bayern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    mal nacheinander:


    Die Demo findet doch, wenn ich das richtig sehe, nicht in der Schule statt - also sehe ich da kein Problem. Problematisch dürfte es an der Stelle werden, wo die Inhalte der Demonstration mit deiner Loyalität deinem Dienstherrn gegenüber in Konflikt stehen. Also: Keine NPD-Kundgebung besuchen, also höchstens mit Trillerpfeife bewaffnet, auf der anderen Seite der Absperrung.


    Zur Meinungsäußerung Schülern gegenüber


    In der politischen Bildung gibt es den sogenannten "Beutelsbacher Konsens". Darin heißt es u.a.


    Zitat


    Überwältigungsverbot.


    Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu hindern . Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der - rundum akzeptierten - Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.


    Quellen dazu:


    http://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens


    http://homepage.univie.ac.at/h…/texte/001beutelsbach.pdf (dazu S. 173f)



    Das heißt, dass du durchaus deine eigene Meinung den Schülern gegenüber mitteilen darfst, nur sollte das am Ende eines Meinungsbildungsprozess des Schülers stehen und nicht an seinem Anfang, bzw.sollte diesen nicht ersetzen. Einen meinungslosen Lehrer halte ich im Unterricht mit Schülern für fast genau so gefährlich wie einen, der, bewusst oder unbewusst, seine Schüler indoktriniert.


    Am Ende: Ich weiß jetzt die Stelle nicht mehr, aber ich meine mal irgendwie ungefähr die Formulierung gehört zu haben, dass die Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Staat nicht gleichbedeutend ist mit dem Aufgeben einer eigenen Meinung. Dies dürfte ja auch deinem demokratischen Erziehungsauftrag, der ja auch staatlich motiviert ist, entgegenstehen. Dennoch müssen sie sich einer bestimmten Mäßigung unterwerfen - was auch immer das zu heißen hat.


    Also: Und hier: http://www.endriss-kollegen.de/pdf/13-24.pdf (ab S. 21)


    Grüße

  • Das ganze ist in der Praxis ziemlich einfach: als Lehrer im Unterrichtsraum bist du neutral, ausgenommen natürlich davon, dass du entschlossen und überzeugend für den Pluralismus auf der Basis der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintrittst! Das heißt, wenn im Unterricht strittige politische oder weltanschauliche Themen zur Sprache kommen, sorgst du dafür, dass beide Seiten mit ihren Argumenten präsent sind und hältst dich mit deinen eigenen Überzeugungen zurück. Didaktisch ideal ist, wenn die Schüler die Komplexität und Vieldeutigkeit solcher öffentlichen Diskussionen kennen und damit umgehen lernen.


    Nele

  • Also: Keine NPD-Kundgebung besuchen,...


    Echt? Solange die NPD nicht verboten ist gehört sie zum politischen Parteienspektrum in Deutschland, gilt also als Partei, die an demokratischen Prozessen
    beteiligt ist.
    Wieso sollte ich denn deren Kundgebungen nicht besuchen dürfen, wenn ich wollte?


    Anderrum: Was gilt als Kriterium, wenn eine Partei nicht verboten ist? Nasenfaktor ? Oder wenn deren politische Position nicht mit der der gerade gewählten Regierung übereinstimmt? Oder wenns den Medien nicht recht ist? Oder dem Schulamt?
    Oder, oder...


    Wo fängt es an, wo hört es auf?


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • @ steffen


    so einfach ist das nicht...nicht alles, was den bürgern erlaubt ist, darf auch ein beamter....siehe dazu z.b. folgendes urteil des VG darmstadt....



    oder hier: entlassung von npd-mitgliedern aus dem schuldienst:


    http://www.zeit.de/2007/28/NPD-Lehrer


    es geht hierbei auch nicht um einen "nasenfaktor", sondern um einschätzungen durch den verfassungsschutz......dieser stuft die npd beispielsweise als "rechtsextremistisch" ein....


    die teilnahme an einer kundgebung ist natürlich ein weites feld....aber wenn durch entsprechende plakate, redebeiträge oder ähnliches sichtbar wird, dass sich ein lehrer mit den zielen einer partei wie z.b. der npd identifiziert, wird das den dienstherren mit sicherheit interessieren und mögliche konsequenzen nach sich ziehen.....


    krabat

  • Interessant...

    a) Dazu gehört herausragendes Engagement für die "Republikaner" ebenso wie Mitgliedschaft und Kandidatur für ein Bürgerbündnis, dem nachweislich Neonazis und Rechtsextreme angehören.


    D.h. wenn ich mich z.B. in einem Bürgerbündnis gegen Fluglärm engagiere und dort auch Neonazis mitmachen, dann komme ich auf die Schwarze Liste (mit entsprechenden Folgen)?


    ...nicht alles, was den bürgern erlaubt ist, darf auch ein beamter...


    Da ich als hessischer Beamter auch und insbesondere dem Grundgesetz verpflichtet bin darf ich entsprechende Grundrechte u.U. nicht wahrnehmen?


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Deswegen sollte man sich gut überlegen, ob man Beamter wird, wenn man mit der Meinung des Staates konform ist. Schließlich wird man vom Staat als Beamter "alimentiert" für den Rest seines Lebens (volle Beamtenbesoldung auch dann, wenn man länger als 6 Wochen krank ist und bei Berufsunfähigkeit Versetzung in den Ruhestand mit Pension), während der Angestellte für seine Arbeitsleistung bezahlt wird (keine Lohnfortzahlung durch den Staat, sondern durch die Krankenkasse, maximal 1.5 Jahre, bei Berufsunfähigkeit hoffentlich eine private Berufsunfähigkeitsversicherung).


    Ich habe von Fällen gehört, da wurden früher Beamte aus dem Staatsdienst entlassen, die sich bei Gorleben Demonstrationen wohl zu radikal verhalten haben. Damit hatten sie wohl gegen den Staat Position eingenommen und dies rechtfertigte wohl eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe von Fällen gehört, da wurden früher Beamte aus dem Staatsdienst entlassen, die sich bei Gorleben Demonstrationen wohl zu radikal verhalten haben. Damit hatten sie wohl gegen den Staat Position eingenommen und dies rechtfertigte wohl eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.


    Quelle würde mich interessieren, falls du was hast. (also Zeitungsbericht oder so)


    Chili

    • Offizieller Beitrag



    Ich beziehe mich natürlich nur auf Bayern. Das Ausgangsposting bezog sich ja auch darauf. Hier steht vor der Verbeamtung eine "Fragebogen zur Überprüfung der Verfassungstreue". Daran ist man gebunden, unabhängig von jeder Maulerei über das Beamtentum, das Bayerntum oder sonstwas.


    Entsprechend nachzulesen: http://www.zv.uni-augsburg.de/…streue_Neueinstellung.pdf


    Weiterhin halte ich mitnichten die NPD für eine "normale Partei" des Parteienspektrums - ein bisher nicht erfolgreich durchgeführtes Parteiverbotsverfahren widerspricht dieser Auffassung m.E. nicht. Jeder, der behauptet, sie sei "normal" verharmlost sie meiner Meinung nach. Und das hat nichts mit Nasen zu tun oder Willkür, sondern mit einem Blick in Programm und Vernetzung der NPD.

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