wundersame Leistungsverbesserung Berliner Abiturienten

  • Nach den erstaunlichen Leistungssprüngen beim diesjährigen MSA/Realschulabschluß gibt es auch ein rekordverdächtiges Abitur in Berlin:



    http://www.tagesspiegel.de/ber…aumnote-1-0/10181054.html



    Trotz seit Jahren rückläufiger Schülerzahlen konnte die Zahl der Spitzennoten nach der Umstellung auf das Zentralabitur noch einmal gesteigert werden. Auch die Zahl der Durchfaller ist innerhalb von 2 Jahren von 5,1% auf 2,9% gesunken.


    Angesichts des prozentualen Rekordanteils von Schülern, die nach dem MSA (muss am Ende der 10. an allen Schulen abgelegt werden) das Abitur ablegen, ist es auch erstaunlich, dass der Notendurchschnitt nicht sinkt. Da haben die alten Kollegen in den Vorjahren ganze Arbeit geleistet.



    Und das ganze wird noch besser. Der Notenschnitt im MSA, der für die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe erforderlich ist, wurde dieses Jahr von 2,5 auf 3,5 gesenkt. In Verbindung mit den weltrekordverdächtigen Leistungen der Berliner Lehrerschaft (hey, das bin mittlerweile auch ich :victory: ) werden damit in 2-3 Jahren 50% eines Jahrgangs Abitur bekommen. Und das ohne, dass sich die Notenschnitte verschlechtern. Rechnet man noch die Fachhochschulreife dazu, sind dass dann 70%-75% die eine (allgemeine) Hochschulreife zuerkannt bekommen.





    Jetzt weiß ich auch, warum die KMK davon ausgeht, dass die Zahl der Studienanfänger für das Lehramt Gymnasium trotz schlechter Aussichten nicht zurück geht. Auch wenn der Anteil der Studenten, die auf Lehramt studieren zurück gegangen ist, ist die absolute Zahl aller Studenten so sehr gestiegen, das auch ein geringerer Anteil der Lehramtsstudenten deren absolute Zahl konstant lässt.


    Da hilft dann auch keine zusätzliche Aufklärung mehr (sie wirkt ja schon, andernfalls gäbe es noch viel mehr Deutsch/Geschichte-Lehrämter).

  • Und hier sind nun die konkreten Zahlen für den MSA:


    http://www.tagesspiegel.de/ber…aufs-abitur/10624452.html



    Demnach haben von allen Berliner 10.-Klässlern, über alle Schultypen hinweg, ca. 2/3 am Ende der 10. Klasse die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe erhalten. Darunter ca. 40% an den Sekundarschulen (= die zusammen gelegten Haupt-/Realschulen) und nahe 100% an Gymnasien.


    Sie haben also einen MSA-Schnitt von mindestens 3,5 und mindestens eine 5 in Mathe. Und da fließen auch (mündliche) Nachprüfungen und Präsenstationsprüfungen ein, deren Notenschnitte i.d.R. erstaunlich gut sind (selbiges gilt für Nachprüfungen und 5. Prüfungskomponente im Berliner Abitur).


    Es sei hinzugefügt, dass auch jene, die diese anspruchsvollen Noten nicht geschafft haben noch nahtlos die Fachhochschulreife an Berufsschulen bekommen könnten.

  • Da gratuliere ich doch den Berliner Kolleginnen und Kollegen zu dieser hervorragenden Leistung!


    Insbesondere angesichts der nicht einfachen schulischen Verhältnisse in einer Großstadt, verdient diese Leistung besondere Bewunderung!


    Weiter so! Seid stolz auf euren guten Unterricht!


    Da können sich andere Bundesländer eine dicke Scheibe von abschneiden, insbesondere im Süden der Republik mit ihren (zu) geringen Abiturientenquoten!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Aus dem Artikel:

    Zitat

    Zudem wurde die Notenskala verändert: Es ist leichter geworden, eine
    Eins zu bekommen, und es gibt für eine geringere Leistung als früher
    noch eine Vier. Hinzu kommen neue Prüfungskomponenten.

    Ich hatte Nettmenschs Beitrag eher ironisch verstanden als schulterklopfend. Aber egal, wie es letztendlich gemeint war: Einerseits natürlich herzlichen Glückwunsch an die Schüler mit tollen Noten, andererseits sorry an alle anderen Schüler anderer Bundesländer, deren Notenskala nicht zugunsten guter Noten verändert wurde. Sie werden es dann schwerer haben, an ihrer Wunschuni angenommen zu werden.


    Schade, dass man zwar vom Zentralabitur spricht, aber unser Föderalismus bzw. die Entscheidung, Bildung sei Ländersache, dieses auf die Bundesländer beschränkt. Die Unis dagegen messen mit deutschlandweitem Maßstab. Dann sollte es auch ein deutschlandweit vereinheitlichtes Zentralabitur geben. Oder eben Eignungstests an Unis. Das wäre eh viel sinnvoller. Dann würden vielleicht auch eher die ausgesiebt werden, die die Voraussetzungen für das gewünschte Studium auch tatsächlich nicht mitbringen.

  • Ich hatte Nettmenschs Beitrag eher ironisch verstanden als schulterklopfend.

    Ja, ich denke, so hat Mikael das auch verstanden und seinen Beitrag vor Ironie tropfen lassen...



    Ich habe übrigens schon Angst und Bange vor einer Hüft-OP mit 70, etc. wenn diese ganzen Musterschüler den Weg in die Medizinstudiengänge geschafft haben und munter drauf los praktizieren.
    Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich mich in der Grundschule verrückt mache und versuche, die Kinder auf Leistungsbereitschaft zu trimmen.

  • Oder eben Eignungstests an Unis.

    Früher war das Abitur DER Eingnungstest für die Uni.


    Dieser neue Quatsch macht doch allen das Leben schwer.
    Den Gymnasiallehrern, die ihre Zeit verplempern geistigen Dünpfiff zu korrigieren und den Unis, die nun unter den Blinden die Einäugigen und sonstig gebrechlichen rausfiltern müssen.


    Komischerweise frage ich mich immer häufiger, wieso man sich dieses Irrenhaus "Lehrerberuf" eigentlich noch antut.
    Leid tut es mir für die Kinder, die noch auf "echten" Schulen sind, die müssen sich doch veräppelt vorkommen.

  • Zitat

    Oder eben Eignungstests an Unis. Das wäre eh viel sinnvoller.


    Es wäre nicht (!) sinnvoller. Das Gerede von Eignungstests ist zwar populär, aber schlicht großer Unsinn. Die Abiturnote ist nach wie vor der beste Prädikator für den Studienerfolg quer durch die Fächer, Eignungstests eignen sich hier vor allem als Ergänzung, wenn man für eine solche Ergänzung (viel) Geld ausgeben möchte.


    https://kops.ub.uni-konstanz.d…denauswahl.pdf?sequence=1


    Das ist ja auch kein Wunder, denn ein "Eignungstest" umfasst die Beobachtung von Menschen über einen Zeitraum von 30 Minuten bis zwei Tagen durch zwei bis vier Leute, das Abitur dagegen eine zweijährige Beobachtungs- und Bewertungsphase durch eine hohe Zahl von Fachkollegen.


    Was die Politik nicht schafft, schafft eben das mangelnde Selbstvertrauen an den Schulen. Wenn schon Gymnasiallehrer nicht wissen, was sie mit ihrer Arbeit eigentlich leisten, haben die Politiker eben leichtes Spiel. Es ist für mich schon interessant, dass etwa die prognostische Kraft des Abiturs auch unter Kollegen nicht bekannt ist, während das Gerede von der "fehlenden Aussagekraft der Noten" usw. usf. selbst von den Leuten nachgebetet wird, die Noten geben (und die am Ende dann noch ihre ureigensten Aufgaben bereitwillig abgeben und sich selbst entmachten wollen.)

  • Also, jetzt mal ernst:


    ich habe eigentlich nichts prinzipielles dagegen, dass die Zahl der Abiturienten steigt, gerne auch so deutlich wie in letzter Zeit. Auch wenn die Leistungsanforderungen sinken, werden viele Schüler nun zumindest mit Ideen und Stoff konfrontiert, mit dem sie sonst nie in Kontakt gekommen wären. Das erweitert nicht nur den geistigen Horizont, sondern festigt im Idealfall auch die Zivilgesellschaft (gerade in Berlin lautet die Alternative nach dem MSA eben nicht unbedingt "Ausbildungsplatz" sondern "Straße").



    Nach dem was man von den Sekundarschulen über die Notenvergabe in den bis zu 2 maligen Nachprüfungen und der 5. Prüfungskomponente mitbekommt (das liegt nicht nur an den Kollegen dort; da wurde am Benotungssystem insbesondere seitens der Bildungsverwaltung rumgeschraubt) bin ich eigentlich erstaunt, dass es nur 40% an den ehemaligen Hauptschulen+Realschulen sind, die in die Abiturstufe versetzt wurden.


    Was mich aber echt ank**** ist, dass man mit einer 5 in Mathematik, in die Abiturstufe kommt. Man muss das lediglich mit einer(!) 3 (keine 1 oder2) z.B. in Deutsch ausgleichen. Und mit den mehrfachen Nachprüfungen - das geht auch mündlich und hier gelten andere Standards als in der richtigen Prüfung - ist diese 3 in Deutsch im Grunde ein Klacks. Auch der Schnitt von 3,5 ist nur durch absolute Faulheit und Arbeitsverweigerung zu unterbieten, da man sich prinzipiell einfach überall mehrfach nachprüfen lassen kann, bis die Noten stimmen.


    Unser technisches OSZ - mit technischer Abiturstufe in der v.a. Leute von Sekundarschulen landen - durfte sich offenbar bereits in den letzten Jahren von der Schulaufsicht anhören, wie hoch doch die Abbrecherquoten sind (bei uns sind Physik + Mathe + technischer LK für alle Pflicht).



    Also noch mal: die Leute kommen in die Abiturstufe um die ALLGEMEINE Hochschulreife zu erwerben - und das mit einer 5 in Mathe? In einem so zentralen Fach? Wo man den neuen Stoff nur verstehen kann, wenn der alte Stoff aus den Vorjahren ordentlich verstanden wurde! (man versteht "die Sprache" sonst eben nicht) Das macht nur Sinn, falls man alle technisch-naturwissenschaftlichen Fächer (und auch Wirtschaft und alles wo man mit Statistik zu tun hat) als nebensächlich ansieht nach dem Motto "Das zählt ja nicht, zentral sind heutzutage nur Sportwissenschaft und Gangster-Rappologie".



    Und ja: wir brauchen ein nationales Zentralabitur, das auch gegenüber den Vornoten eine zentrale Rolle bei der Uni-Zulassung spielen sollte. Das senkt zwar den Leistungsstandard in der Spitze noch weiter, setzt aber ebenfalls einen unteren Mindeststandard, den die Länder in ihrem Wettlauf nach unten nicht unterbieten können um statistisch gut auszusehen und die nationalen Medizinstudiengänge mit ihren eigenen Abiturienten zu füllen.

  • Die Zeit wird zeigen, ob das, was auf dem Etikett steht auch drin ist, d.h. die Leistungen, die den Schülern attestiert werden auch an den Unis und Fachhochschulen abgerufen werden können.
    Oder ob man die Schüler betrogen hat, indem man Leistungen attestiert, die nicht für einen Uni- oder FH-Zugang ausreichen.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat Annie111 :

    Zitat

    Komischerweise frage ich mich immer häufiger, wieso man sich dieses Irrenhaus "Lehrerberuf" eigentlich noch antut.

    Das musst Du so betrachten wie dazumal der brave Soldat Schwejk !


    Über seinen Aufenthalt im Irrenhaus hat er sehr viel Positives und Schönes berichtet. Er schien dort glücklich zu sein. Wo kann man sonst ohne Scham und ungestraft nach Herzenslust Quatsch erzählen, Unsinn machen, quiken, grunzen, furzen, blöken, rülpsen, auf dem Boden krabbeln, jaulen..., wenn es einem überkommt ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Wo kann man sonst ohne Scham und ungestraft nach Herzenslust Quatsch erzählen, Unsinn machen, quiken, grunzen, furzen, blöken, rülpsen, auf dem Boden krabbeln, jaulen..., wenn es einem überkommt ?

    Magst Du uns verraten, was Dein Schulleiter dazu sagt, wenn Du Dich in der Schule so aufführst?




    Viele Grüße
    Fossi

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Wieso, was soll er dazu sagen, geehrter fossi74 ? 8_o_)

    Nun, die meisten - ich möchte beinahe sagen: alle - mir bekannten Schulleiter würden recht humolos reagieren, furzten, quiekten, grunzten, rülpsten oder jaulten die ihnen unterstellten Lehrkräfte im Unterricht. Daher meine Verwunderung, geehrter Kollege.



    Viele Grüße
    Fossi

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • @uni/fh: sicher ist das eine Option - sie also im Studium scheitern zu lassen. Und klar gibt es auch Schüler, die trotz sehr schlechter Mathekenntnissen ein Studium schaffen (in einem nicht mathebezogenen Feld).


    Dann soll man die Bildungspolitische Diskussion aber auch genau so führen: "Wir wollen, dass jeder die Hochschulzugangsberechtigung bekommt." Praktisch das amerikanische System.


    Jeder darf dann automatisch nach 12/13 Jahren Schule studieren. Um in zulassungsbeschränkte Studiengängen zu kommen muss er dann noch die nationale Abiprüfungen/SAT schreiben. Das ist per se nicht "schlechter", sofern diese nationalen Abiturprüfungen für alle verbindlich sind und eine ausreichende Leistungsdifferenzierung ermöglichen (damit nicht 10% die Höchstpunktzahl erreichen).



    Im Augenblick wird dieses System mittels Niveausenkung durch die Hintertür eingeführt, ohne einheitlichen Bildungsstandard, um der Diskussion auszuweichen und sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen was für einen tollen Bildungserfolg man produziert (wohlgemerkt in Berlin, wo die 9. Klässler in Vergleichstest national immer hinten sind, dann aber wundersam zu 2/3 in die Oberstufe kommen).

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