Die allererste Mathestunde

  • Hallo ihr Lieben,


    in wenigen Wochen beginnt für mich das Referendariat. Ich bin Quereinsteigerin und werde unter anderem eine 6. Klasse in Mathe bekommen, eigenverantwortlich. Ich freue mich sehr darauf, aber ich habe noch nie eine Mathestunde auch nur als Beobachter angesehen, geschweige denn gehalten. (Mit Schülern hatte ich schon zu tun, allerdings in freiwilligen Ferienangeboten und Ähnlichem). Ich wäre euch total dankbar, wenn ihr mir zu ein paar Gedanken eure Meinung oder weitere Ideen geben würdet.


    Vermutlich wird die erste Stunde gleich eine Doppelstunde, wobei ich die ersten 10 Minuten gern locker mit gegenseitigem Kennenlernen beginnen würde, auch für mich zum Auftauen (wie genau weiß ich noch nicht). Danach würde ich gern herausfinden, was die Schüler schon in der 5. Klasse gemacht haben, um einen Eindruck zu bekommen. Das Kerncurriculum und der schulinterne Arbeitsplan sind mir bekannt. Nun hatte ich folgende Idee:


    Ich würde gern Stationen aufbauen, die den verschiedenen Themenbereichen der 5. Klasse entsprechen. Dort sollen sie Aufgaben in Gruppen oder allein in einem vorgegebenen Zeitrahmen und mit etwas Unterstützung meinerseits bearbeiten - ganz klar mit dem Hinweis, nicht deprimiert zu sein, wenn etwas unbekannt ist, da ich ja sehen möchte, was sie schon können und was nicht. Nun befürchte ich

    • dass das für eine mir völlig unbekannte und ja auch recht junge Klasse
    • direkt nach den Ferien
    • und für mich als völlig unerfahrene Referendarin

    vielleicht viel zu unübersichtlich und trubelig werden könnte. Was meint ihr? Ist Stationenarbeit eher was für Erfahrene?


    Darüberhinaus frage ich mich, ob ein Abgrasen des gesamten Themenspektrums der 5. für zwei Unterrichtsstunden zu viel des Guten sind. Die Aufgaben sollen überwiegend eher einfach sein und Basics abfragen, sodass ich weiß, ob ich diese Basics weitestgehend voraussetzen kann oder ob ich da, sobald die Basics gebraucht werden, aufwändigere Wiederholungsstunden benötige (Können sie Winkel zeichnen? Wissen sie, wie man 3/4 im Tortendiagramm darstellen kann? Können sie bekannte Brüche schon in Dezimalschreibweise aufschreiben? Wissen sie, was ein Durchmesser ist?). Was meint ihr? Überfordert allein die Fülle an Themen die SuS? Ich möchte ja beim ersten Kennenlernen nicht gleich abschreckend wirken, aber eben auch einen Eindruck bekommen, wo die Klasse eigentlich steht.
    Eine Alternative wäre natürlich, dass ich einfach mit dem ersten Thema beginne und dann immer nur bei konkretem Bedarf Wiederholungen einbaue? Ist das besser?
    Für eure Gedanken wäre ich sehr dankbar :) Wie gestaltet ihr denn die erste(n) Unterrichtsstunden in einer für euch neuen Klasse?
    Viele Grüße!

  • Ich kläre zunächst einmal organisatorische Sachen:
    - Sitzplan machen lassen
    - Welche Hefte sollen die Schüler verwenden? (Schulheft, Hausheft, Klassenarbeitsheft, Merkregelheft, ...) ---> Am besten sagen, welchen Rand die Hefte haben sollen
    - Wie setzt sich die Endnote zusammen? Werden z.B. zusätzliche schriftl. Überprüfungen geschrieben? Können die Schüler kleine Referate halten? Was fällt bei dir alles unter "sonstige Mitarbeit? Wie viele Arbeiten werden geschrieben? Wie ist die Gewichtung Arbeit : mdl. Leistung
    - Umgang mit nicht gemachten Hausaufgaben: z.B. SuS sollen sie freiwillig melden, wenn sie Hausaufgaben nicht haben. Wenn du es merkst und sie sich nicht gemeldet haben, gibt es nur noch mehr Ärger. Hausaufgaben müssen i.d. nächsten Stunde unaufgefordert vorgezeigt werden. 3 mal nicht gemachte Hausaufgaben = Elternbrief
    - Umgang mit vergessenem Material: siehe Punkt oben


    Dann ggf. mit kleinen Wiederholungen anfangen. In unserem Schulbuch gibt es zu Beginn eine Seite "Bist du noch fit?"

  • Ohja, an so sehr viele zu klärende Fragen habe ich jetzt gar nicht gedacht, vor allem, wie viele Arbeiten geschrieben werden, ist mir gar nicht klar. (Ich hoffe, das kann ich vorher noch in Erfahrung bringen, nicht dass ich dann total aus der Reihe tanze :rotwerd: ) Aber nehmen diese Fragen mehr als 15-20 Minuten in Anspruch?


    Die "Bist du noch fit?"-Aufgaben gibt es bei uns auch. Verwendet ihr auch "Elemente der Mathematik"? Da wäre nur ein einziges Thema zum Einstieg vorgesehen (Brüche). Hm, vermutlich werde ich dann doch eher einiges zu Brüchen machen statt die Themen abzugrasen. Ich kann ja Kreise und Winkel vielleicht moderat mit einbauen, wenn sie selbst Tortendiagramme anfertigen sollen ^^

  • Stationenarbeit würde bestimmt Trubel auslösen. Damit würde ich noch warten.


    Ich würde in der allerersten Stunde aber auch nicht so viele organisatorische Sachen machen. Nicht weil es die erste Stunde der Schüler ist, sondern weil *du* am Anfang bist und vieles noch erfragen musst, und das dauert seine Zeit. Speziell solltest du mit der Klassenlehrerin sprechen, denn vieles wird vielleicht einheitlich geregelt (etwa in Sachen vergessene Hausaufgaben). Und es ist ungeschickt, wenn du dann dauernd zurückrudern musst, weil du dir schon etwas Eigenes überlegt und angekündigt hattest. Sicher gibt es auch Klassenregeln und dergleichen.


    Ich glaube, an deiner Stelle würde ich auch mit einer Wiederholung zur Bruchrechnung anfangen, am besten wirklich anhand des Buchs, in der Hoffnung, dass die Kinder damit auch gearbeitet haben. Du kannst die Kinder auch einfach fragen, was sie gemacht haben und daraus eine Übersicht an der Tafel machen, und wenn das nicht funktioniert, fängst du mit der Aufgabe an.


    Das mit den Winkeln kannst du in Reserve halten, aber das würde ich nicht mit den Tortendiagrammen machen.


    Ich lasse die Schüler manchmal einen Brief schreiben, in dem sie sich mir kurz vorstellen mit dem, was sie mir gern mitteilen wollen, auch Wünsche an den Unterricht. Das hat eigentlich immer ganz gut funktioniert, und in der Zeit, in der sie schreiben, kannst du einen Sitzplan anlegen.


    Ich nutze auch die erhöhte Aufmerksamkeit, die ich am Anfang des Schuljahres habe, um noch einmal klarzumachen, was zum Gelingen des Matheunterrichts beiträgt und was nicht, und ich verspreche auch, meinen Teil beizusteuern.


    Und nicht zu viel erwarten - vor allem nicht von dir selbst. Das ist am Anfang viel auf einmal, und du kennst die Kinder noch nicht. Da braucht's ein bisschen Geduld.


    Viel Erfolg!

  • ganz klar mit dem Hinweis, nicht deprimiert zu sein, wenn etwas unbekannt ist,


    Sei nicht deprimiert, falls die erste Stunde nix wird.... 8)


    Wie kommt eine solche Bemerkung bei dir an? Vermeide derartige Bemerkungen im Unterricht. Sie sind nicht motivationsfördernd.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Super, eure Anregungen und Gedankengänge helfen mir sehr! :) Auch die Idee mit den Briefen finde ich toll. Allerdings wollte ich auch Namenskärtchen machen lassen, sodass ich da noch überlege, ob und wie ich das vereinen könnte. Die organisatorischen Fragen habe ich mir jetzt für eine Art Laufzettel notiert, damit ich sie schnellstmöglich klären kann. Was ich bis zur ersten Unterrichtsstunde weiß, bringe ich an, den Rest halte ich erstmal offen.


    Ich habe mir jetzt überlegt, das Thema Brüche zu machen und statt des Buches ein in Partnerarbeit ausfüllbares Quartett zu machen (https://nebenrechnung.files.wo…-quartett_ausfuellen1.png , https://nebenrechnung.files.wo…-quartett_ausfuellen2.png ). Ich habe das schon vor einigen Tagen vorbereitet und es für später vorgesehen, aber ich werde es wohl etwas vereinfachen (Tortendiagramme bekommen vorgezeichnete Linien, teilweise einfachere Brüche). Dann ist die erste Stunde nicht ganz so trocken wie Arbeit im Buch und auch nicht so stressig wie Stationenarbeit.

  • Ich hab jetzt keine konkreten Tipps, aber ich möchte dir Mut zusprechen: vieles wird schief gehen, deine Erwartungen werden nicht (voll) erfüllt und das ist völlig normal! Mit jeder eigenverantwortlich gehaltenen Stunde wirst du ein Gespür bekommen. Ganz viel erfolg! Ich bin vor einigen Jahren auch ins kalte Wasser geschmissen worden und erinnere mich noch gut daran!


  • Vermeide derartige Bemerkungen im Unterricht. Sie sind nicht motivationsfördernd.


    Ich muss gestehen, ich mache "solche" Bemerkungen im Unterricht und sie demotivieren meine Schueler normalerweise nicht. Mag drauf ankommen, wie man mit "Nichtkoennen" umgeht und wie der eigene Unterricht aufgebaut ist. "There might be stuff you can't do, YET. No need to stress about it. That's probably because I haven't taught you, yet,..or you've just forgotten. We'll have a look at what we need to do this week, so show me what you remember, what we might need to revise and how we can move you forward. Have a go, try your best and then we'll work from there."
    (Mag auch daran liegen, dass ich normalerweise Stoff aus drei/vier verschiedenen Schuljahren innerhalb meiner Klasse unterrichte und abfrage. Da ist das eigentlich normal, wenn einige etwas nicht koennen.)
    Ich wuerde es eher traurig finden, wenn Kinder wirklich "deprimiert" waeren, weil sie etwas eben noch nicht koennen.

  • Da sollte man die Kinder nicht unterschätzen. Im Zweifel sind sie nicht deprimiert - weil, sie haben das ja noch niiieee gemacht! Einer neuen Lehrerin kann man doch alles erzählen.


    "Was habt ihr denn beim Herrn Y" gemacht?" - "Ach, eigentlich nichts."

  • Da sollte man die Kinder nicht unterschätzen. Im Zweifel sind sie nicht deprimiert - weil, sie haben das ja noch niiieee gemacht! Einer neuen Lehrerin kann man doch alles erzählen.
    "Was habt ihr denn beim Herrn Y" gemacht?" - "Ach, eigentlich nichts."


    :grins: Das bringt bei uns wenig, da Hefte von einem Schuljahr zum naechsten weiter gegeben werden. Ich kann also sehen, was sie gemacht haben. Gibt's doch in Deutschland bestimmt auch, dass man sich anschauen kann, was eine Klasse im vorigen Schuljahr getan hat. Ansonsten einfach Unterhaltungen mit dem vorigen Lehrer?


    Ich benutz das allerdings auch meist, wenn wir einen Themenbereich bereits zum 2. oder 3. Mal machen und weiss dann sehr genau, was die einzelnen Gruppen eigentlich koennen muessten. Zu Beginn des Schuljahres fange ich allerdings mit Zahlenwerten (?) und Rechenwegen an. Brueche wiederholen/erweitern wir erst in Woche 8.


    Allerdings muss ich gestehen, dass meine da inzwischen sehr ehrlich sind. Ihnen wird langweilig, wenn sie die gleichen Sachen staendig wiederholen und sie in meiner "support group" landen. :schlafen:

  • There might be stuff you can't do, YET. No need to stress about it. That's probably because I haven't taught you, yet,..or you've just forgotten.


    Nun - es besteht schon ein ziemlicher Unterschied darin, ob ich den Kindern sage: "Seid nicht deprimiert, wenn ihr das nicht kapiert" (und eben zu blöd seid)
    oder: "Macht euch keinen Stress, wenn ihr das heute noch nicht schafft - das wird schon.."

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Ansonsten einfach Unterhaltungen mit dem vorigen Lehrer?


    Dafür muss man erst mal wissen, wer das ist und wie man den/die im Wirrwarr der neuen Gesichter findet.


    Vielleicht ist der ja auch gerade in den Ruhestand gegangen. Es soll sogar Kollegen geben, die nicht sonderlich kooperativ oder einfach schlampig sind.


    Natürlich findet man das alles raus. Aber nicht am ersten Tag.

  • Dafür muss man erst mal wissen, wer das ist und wie man den/die im Wirrwarr der neuen Gesichter findet.


    Vielleicht ist der ja auch gerade in den Ruhestand gegangen. Es soll sogar Kollegen geben, die nicht sonderlich kooperativ oder einfach schlampig sind.


    Natürlich findet man das alles raus. Aber nicht am ersten Tag.


    Ich muss gestehen, ich finde diesen anscheinenden Mangel an Kooperation und Informationsuebergabe bei euch recht erstaunlich (und auch ziemlich unorganisiert). Als ich an meiner derzeitigen Schule anfing, hatte ich saemtliche Daten fuer meine Klasse, Planungsuebersicht fuer das vorige Schuljahr und detaillierte Notizen ueber jeden Schueler bereits vor den Sommerferien. Genauso hab ich mich auch mit unserem neuen Kollegen hingesetzt und wir haben die Klasse, die er von mir uebernahm, besprochen. Nach den Ferien bekommen wir eine neue Kollegin. Sie hat ebenfalls bereits alle Infos und sogar 2 Tage vor den Ferien mit ihrer neuen Klasse verbracht um sie kennenzulernen.
    Meine Tante arbeitet an einer dt. Schule und sagt, sie haetten in der letzten Ferienwoche Besprechungen und sowas. Waere das nicht die Gelegenheit dafuer? Alternativ kann man doch auch emailen...Ich versteh nicht, warum sowas in Deutschland immer so schwierig zu sein scheint. :ohh:

  • Zitat

    "Ich muss gestehen, ich finde diesen anscheinenden Mangel an Kooperation und Informationsuebergabe bei euch recht erstaunlich (und auch ziemlich unorganisiert). Als ich an meiner derzeitigen Schule anfing, hatte ich saemtliche Daten fuer meine Klasse, Planungsuebersicht fuer das vorige Schuljahr und detaillierte Notizen ueber jeden Schueler bereits vor den Sommerferien. Genauso hab ich mich auch mit unserem neuen Kollegen hingesetzt und wir haben die Klasse, die er von mir uebernahm, besprochen. Nach den Ferien bekommen wir eine neue Kollegin. Sie hat ebenfalls bereits alle Infos und sogar 2 Tage vor den Ferien mit ihrer neuen Klasse verbracht um sie kennenzulernen."


    Toll! An unserem BK leider Wunschdenken. :(

  • Ich kann mich diesem obigen desillusionierten Kommentar "Bei-uns-völlig-Wunschdenken" nur aus ganzem Herzen anschließen.


    Aufgrund meiner zweijährigen "Berufs"erfahrung als Aushilfslehrerin während der vier letzten Semester meines Lehramtsstudiums, wo eigentlich rein gar niemand weiterhelfen wollte, sondern eifrigst Fallgruben gegraben wurden, wappne ich mich für mein Referendariatsjahr ab 1.9.2014 mit stoischer Ruhe bezüglich zu erwartender "enttäuschter" Erwartungen...


    Meine Betreuungslehrer in Deutsch und Kath. Religion haben eigentlich meine Versuche, an Infos VOR den Schulferien heranzukommen total abgeblockt. Die eine Ausbildungslehrerin (Deutsch) war damals nicht einmal in ihrer eigenen Sprechstunde anzutreffen und hat dann per Mail sehr dubios geantwortet "Alles-steht-noch-in-den-Sternen"... :( )


    Kann mir viell. jemand Tipps bzgl. Portfolioarbeit geben? Ich bin neu hier im Forum, ich nehme an, dass ich hier sowieso einen fremden, andersthematischen Thread okkupiere ?!!! Sorry ! Aber ich bin schon total in der Pole-Position, besonders auch deswegen, weil ich nun nach fünf Wochen Intensivkursleitung "Nachhilfe-Deutsch-Sek.1" eigentlich eh schon die ganzen Jahresplanungen rauf- und runterbeten kann.

  • @madeleine:
    Leider kenne ich mich in Österreich nicht aus mit dem Ref. bei uns war Portfolioarbeit konkret folgendes: Ausarbeitung von drei selbstgewählten Themen, die aus der Praxis kommen können und dann theoretisch aufgearbeitet werden. Dazu kam noch das ein oder andere aus der Personenorientierten Fallberatung (Coaching), Lerntagebuch und alles, was so an Formularen während des Refs angefallen sind + natürlich die Entwürfe der Unterrichtsbesuche.


    Das kann bei Euch aber anders aussehen.


    Zu der Unterstützung aus dem Kollegium: Ich würde nicht sagen, dass es keine Unterstützung gibt, aber ich hab viele "ältere" Kollegen, die eben unterrichten, wie vor 30 Jahren. Und da wars so, dass man frontal den Schülern alles dahingeschmissen hat und allein in seinem Klassenzimmer umhergewurschtelt hat. Die Kollegen haben ihren Unterricht ausgearbeitet und weichen davon nicht ab. Wenn man fragt, bekommt man sicher Hilfe, aber die oben beschriebenen Rahmenbedingungen

    Zitat

    Planungsuebersicht fuer das vorige Schuljahr und detaillierte Notizen ueber jeden Schueler


    gibts bei uns nicht. Wer wissen will, was vorher unterrichtet wurde, schaut ins Klassenbuch oder in den Lehrplan. Und Notizen über jeden Schüler gibts nur in Notenform.
    Ist eben so.


    Ich sehe aber auch grad einen Umbruch, da viele Kollegen in den Ruhestand gehen und die jüngeren schon eher als Team zusammenarbeiten.


    Das spiegelt aber nur mein Umfeld ab, nicht, dass jemand meint, ich wolle pauschalisieren ;)

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