Anschläge in Paris und ähnliches: thematisiert Ihr das in der GS?

  • Hallo,


    angesichts der schrecklichen Ereignisse in Paris würde ich gerne von Euch wissen, ob Ihr solche Ereignisse in der GS mit den Kindern thematisiert.


    Ich unterrichte im Moment Erstklässler (zwar an einer FS, aber es sind sehr pfiffige Kinder). Im Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge habe ich schon festgestellt, dass die Kinder viel mehr mitbekommen, als einigen Eltern wohl bewusst ist und sie das durchaus beschäftigt. Über dieses Thema haben wir auch schon gesprochen.


    Nun frage ich mich, wie es mit solch schlimmen Ereignissen wie den Attentaten ist.
    Einerseits will ich den Kindern ganz gewiss keine Angst machen und am liebsten wäre mir, sie hätten es nicht mitbekommen. Andererseits befürchte ich, dass manche Eltern vielleicht ganz unbedarft Nachrichten im Beisein ihrer Kinder gucken oder hören, ohne mit den Kindern dann wirklich darüber zu sprechen. Ich gehe davon aus, dass das ziemlich verstörend für so kleine Kinder ist und sie vielleicht Ängste (und ggf. Vorurteile) entwickeln, wenn man ihnen nicht die Gelegenheit gibt, darüber zu sprechen.


    Wie schätzt Ihr das ein? Werdet Ihr das Thema morgen aufgreifen und wenn ja in welcher Form?
    Ich hab jetzt überlegt, die Kinder erstmal zu fragen, ob sie etwas bestimmtes beschäftigt und dann ggf darauf einzugehen, wenn es von den Kindern kommt. Oder sollte man das einfach ganz sein lassen?
    Gibt es hier vielleicht erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche schlimme Großereignisse schon mit Grundschülern besprochen haben (oder eben auch nicht)?
    Wie war das zum Beispiel am 11. September?


    Mich würde das übrigens auch in Bezug auf ältere Grundschüler interessieren, wie seht ihr das zum Beispiel bei Viertklässlern?


    LG,
    Roswitha

  • Andererseits befürchte ich, dass manche Eltern vielleicht ganz unbedarft Nachrichten im Beisein ihrer Kinder gucken oder hören, ohne mit den Kindern dann wirklich darüber zu sprechen. Ich gehe davon aus, dass das ziemlich verstörend für so kleine Kinder ist und sie vielleicht Ängste (und ggf. Vorurteile) entwickeln, wenn man ihnen nicht die Gelegenheit gibt, darüber zu sprechen.

    An deiner Stelle würde ich es den Eltern schon zutrauen, ihren Erziehungsauftrag auszuführen. Thematisieren würde ich es nur, wenn die Kinder dich darauf ansprechen.

  • Danke für Deine Antwort!


    Nach dem 11. September 2001 wurde bei uns in der Schule viel darüber gesprochen, ich war damals in der 12. Klasse.
    Das ist ja aber nochmal was ganz anderes als in der Grundschule.


    Ich habe halt im Zuge des Themas Flüchtlinge bei einzelnen Kindern gemerkt, dass sie immer wieder mal was darüber gehört hatten, aber eben nicht wirklich wussten, was da los ist. Da kamen zum Teil erschreckende Stammtischparolen ("Der Papa sagt, die Schiffe soll man abschießen!"). :staun:
    Insofern bin ich mir nicht sicher, dass alle Eltern da so ihrem Erziehungsauftrag nachkommen...


  • Wie war das zum Beispiel am 11. September?

    Während meines Praktikums in der Vorschule miterlebt:
    Während der Ankommphase bauten einige Kinder mit Bauklötzen einen Turm auf und diskutierten wild, was denn da in die Türme geflogen war (Flugzeug, Hubschrauber o.ä.). Danach gab es einen Stuhlkreis, in dem jedes Kind freiwillig erzählen konnte, was es davon mitbekommen hatte. Die Lehrerin hatte dies damit begründet, dass die Kinder schließlich merken, dass da was Wichtiges passiert ist, wenn ihre Eltern aufmerksamer als sonst die Berichte im Fernsehen oder Radio verfolgen. Viel schlimmer wäre es da für die Kinder, wenn niemand mit ihnen darüber redet, um das Geschehene irgendwie einzuordnen. Fand ich sehr schlüssig!


    À+

  • Ja, das finde ich auch schlüssig.


    Ich glaube, es ist bei einigen Eltern noch nicht mal unbedingt so, dass sie nicht mit ihren Kindern über solche Ereignisse sprechen wollen, sondern einfach nicht wissen, wie. Mir geht es da ehrlich gesagt auch nicht viel anders. Wie können wir Kindern irgendwie erklären, warum Menschen sowas tun? Das ist ja schon für uns unfassbar.
    Ich denke mal, ich werd morgen einfach sehen, ob das Thema bei den Kindern aufkommt und dann spontan darauf eingehen, wenn denn der Bedarf besteht.

  • Man muss dazu sagen, dass der 11. September "Terror in progress" war. Stundenlang haben die Türme gebrannt und jeder wusste, als der erste dann einstürzte, dass der zweite irgendwann hinterher fallen wird. Solange haben die Kameras drauf gehalten und in alle Welt übertragen. Die laufenden Bilder haben die Wirkung multipliziert. Das da die Kinder am nächsten Tag von sich aus drüber sprechen werden war unvermeidbar.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Meine Fünftklässler wollten heute darüber sprechen bzw. wissen, warum man schweigt usw. Sie hatten ganz viel aufgeschnappt mit "Jungfrauen und Paradies". Wir haben dann ein wenig zusammengetragen, was passiert ist und was es bedeutet und was man mit dem Schweigen ausdrückt. Dann war es auch gut.

  • Bei mir kamen auch so Fragen, was dieser IS eigentlich ist, was die wollen, warum die das gemacht haben, ob uns das hier auch passieren kann.....da haben die Schüler aber auch untereinander viel gesprochen dann, denn einige hatten da doch schon einiges Hintergrundwissen.

  • angesichts der schrecklichen Ereignisse in Paris würde ich gerne von Euch wissen, ob Ihr solche Ereignisse in der GS mit den Kindern thematisiert.

    Was meinst du mit "solche Ereignisse" oder "Anschläge ... und ähnliches"? 2014 sind weltweit in über 30 Ländern 180.000 Menschen in bewaffneten Konflikten oder Kriegen gestorben.



    Wenn du einen Terrorakt von dir aus ansprechen willst, würde ich mir genau überlegen, warum gerade diesen. Also welche Inhalte und Ziele du damit verfolgst. Ich zumindest bin weder in Politik noch in Geschichte gut bewandert und würde mir nicht zutrauen, dafür eine Unterrichtssequenz aus dem Boden zu stampfen.


    Wenn Kinder von sich aus Fragen stellen, würde ich die immer beantworten, so gut ich das als ihre Gesprächspartnerin, die sie jeden Tag sehen, kann. Wenn ich über die Beweggründe von bspw. Selbstmordattentätern selber nichts weiß und die Kinder fragen mich dazu, dann sage ich, dass ich es nicht weiß und mir vorstelle, dass jemand eine Sache so doll wichtig ist, dass er dafür sogar in Kauf nimmt, zu sterben. Oder wenn die Frage kommt, ob in Deutschland auch so etwas passieren könnte, antworte ich in etwa, dass das natürlich niemand hofft, Deutschland sehr sicher ist und die Polizei gut aufpasst, dass sich alle an die Gesetze halten. Dass es aber überall auf der Welt gewalttätige Menschen gibt, natürlich auch hier. (Förderschule, 11-12 Jahre, Lernniveau 3-7 Jahre).

  • Wir hatten heute eine Schweigeminute, über die Auswüchse derselbigen habe ich hier ein extra Thread aufgemacht.


    Ich habe es in meiner 7. heute auch thematisiert im Geschichtsunterricht. Interessante Frage der sonst sehr begeisterungslosen Klasse: Warum müssen wir für Paris eine Schweigeminute einlegen und für die toten in Beirut oder für die Toten in Bagdad (Anschlag auf eine Hochzeit) oder für die Toten Russen des Flugzeugabsturzes nicht?


    Ich wusste keine (für mich zufriedenstellende) Antwort darauf, weil ich den Schülern im Grunde zustimme. Meine Erklärung haben Sie jedoch dankend angenommen.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • Vielleicht wäre eine Erklärung, dass es nun auch für die westliche Gesellschaft real ist? Ich finde auch keine Antwort darauf. Ich habe mir die Frage nach Charlie Hebdo und der Entführung der Mädchen von Bodo Haram gestellt. Vielleicht hat es auch was mit der Möglichkeit der medialen Ausschlachtung zu tun?

  • Vielleicht hats auch einfach etwas mit der Scheinheiligkeit zu tun oder mit der Tatsache, dass vielen Menschen das Elend anderer Völker (es sei denn, es sind die Schwester- und Brüdervölker des Westens) schlichtweg am Hintern vorbei gehen.


    Durfte schon mehrmals, auch mit Kollegen, vor allem aber im Studium, mit Menschen diskutieren, die die verschiedensten Anschläge im Westen aufs Übelste verteufelt haben. Angepsrochen auf das unsägliche Leid, dass die Menschen im Nahen Osten und Afrika durchleben wurden abgebloggt und negiert. Hinzu kam, dass der Versuch, Entstehung von Terrorismus zu erklären (im Nahen Osten hat das leider meist Gründe, die viele im Westen nicht wirklich hören wollen) und ein Verständnis für die Problematik zu entwickeln oftmals einfach mit "aber die haben doch angefangen" Argumenten abgebügelt wurden.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
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  • Das mit der Scheinheiligkeit finde ich passend, denn man kann sich so ja auch wunderbar selbst darstellen/erhöhen, indem man das Profilbild vom letzten Paristrip einstellt usw. "Ich war schon da! Ich weiß wie es da aussieht! Ich bin Experte (für meinen Freundeskreis)!" (ist den wenigsten bewusst und würden die meisten verleugnen)


    Allerdings hinkt das Argument ab folgendem Punkt, wenn ich mal von mir ausgehe: ich war an 9/11 wahnsinnig geschockt (ich war 9. Klasse und wusste bis dato gar nicht, was ein Terroranschlag ist und wie die das meinen, dass mit nem normalen Flugzeug ein Anschlag verübt wurde) und habe dieses linke Antifamädchen in unserer Klasse gehasst, weil sie meinte "Da sind die Amis doch selbst dran schuld!!!!". Da erinnere ich mich heute noch dran. :) Hätte es damals schon social media in diesem Ausmaß gegeben, hätte ich mein ganzes Profil damit zugespammt. Jedenfalls war ich in der Theorie ehrlich geschockt und als ich dann das erste mal am Ground Zero war und das Ausmaß begriffen hatte...dazu noch eine entsprechend stark von 9/11 betroffene Gastfamilie hatte...man kann das Leid einfach mehr fassen. Und zurück zu Paris: vielleicht ist das Leid einfach fassbarer und die Beweggründe umso unfassbarer als wenn in das in Beirut oder sonst wo im Nahen Osten geschieht?

  • vielleicht ist das Leid einfach fassbarer und die Beweggründe umso unfassbarer als wenn in das in Beirut oder sonst wo im Nahen Osten geschieht?

    Halte ich für naheliegender als die Problematik auf Scheinheiligkeit zu reduzieren. Hinzu kommt, dass es nicht nur geographisch und emotional naheliegender ist, sondern dass die Situation auch eine ist, die man im Alltag erlebt:
    Mit dem Passagierflugzeug sind fast alle schon geflogen, auf Konzerte geht fast jeder mal, ebenso ins Fußballstadion. Von den betroffenen Cafes und Restaurants gar nicht zu reden. Da ist der Terror deutlich näher an der eigenen Erfahrungswelt. Das finde ich nicht scheinheilig, sondern nur menschlich. Auch wenn diese Form der Egozentrik natürlich nicht schön ist.

  • Haben wir nicht eh ein Eurozentrisches Weltbild? :P


    Der Anschlag auf die russiche Maschine war: auch Lebenswelt nahe.
    Der Anschlag in Beirut: Ebenso, weil in einer alltäglichen Situation.
    Der Anschlag in Bagdad: Ebenso, weil Hochzeit.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
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