Kann ich verweigern, ökumenischen Religionsunterricht zu erteilen?

  • Man kann über die katholische Kirche gerne geteilter (oder auch einer) Meinung sein, aber ich empfinde die Diskussionskultur hier z.T. eines (Lehrer-)Forums, das von Akademikern frequentiert wird, als unwürdig (insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass viele von uns Beamte sind, die auf das GG vereidigt wurden).


    Ich vermute, dass sich die allermeisten Späßle-Macher im Alltag sehr bedeckt halten und niemals nicht auf die Idee kämen, offene Kritik gegenüber KuK zu äußern. Unter anderem eben weil es Beamte sind. ;)


    Da lockt eben die Anonymität des Forums/Internets, diese Fesseln abzustreifen.


    Obwohl das zugegebenermaßen auch nicht das Gelbe vom Ei ist, kann ichs schon auch z.T. verstehen. Ich habe zwar nicht (mehr) das Bedürfnis, offen gegen Religiosität zu rebellieren (das habe ich in meiner Jugend getan) und mich mit Gläubigen zu streiten; im Gegenteil: Ich respektiere jeden Glauben, solange er auf Toleranz fußt.


    Kleines Aber: Atheistische Menschen müssen vielerorts ihre Haltung zurückstellen und sich mehr oder weniger stark verbiegen, um niemandes Gefühle zu verletzen. Ich z.B. finde mich regelmäßig in Gottesdiensten wieder, obwohl ich mich natürlich auch weigern könnte. Ich mache das aber, da ich kollegial bin und meine persönlichen Bedürfnisse in diesen Fällen zurückstelle.


    Es ist nun allerdings auch nicht so, dass man von den überwiegend konfessionellen KuK vor eine echte Wahl gestellt wird. Für sie ist das eben selbstverständlich und vielleicht bringt es dem Atheisten am Ende doch den Glauben etwas näher...


    Lange Rede kurzer Sinn: Hier wird nur etwas gespaßelt und gewitzelt; ich denke nicht, dass jemand persönlich angegriffen wurde und wer seinem Glauben mit Überzeugung frönt, braucht sich von ein paar vereinzelten Atheisten ja nicht in die Suppe spucken lassen. Von "Gott ist tot!"-Parolen sind wir hier schließlich ein gutes Stück weit entfernt. :saint:

  • Und was wäre bei „Gott ist tot!“ das Problem?

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Und was wäre bei „Gott ist tot!“ das Problem?


    Es wurde ja von DeadPoet darauf hingewiesen (wofür er unlängst auch einigen Zuspruch erhielt), dass Kritik und Polemik an religiösem Gedankengut/Brauchtum mit kultureller Diskriminierung gleichzusetzen ist und insofern wäre es demnach zu unterlassen. Vor allem auch als Beamter.


    Das ist jedenfalls meine Interpretation der Sachlage.

  • Um zu präzisieren: Ich denke, dass Respekt (vor Kultur, Religion etc) eine Grundbedingung des Umgangs miteinander ist. Mich stört weniger (bis gar nicht), wenn jemand nicht an Gott glaubt (das ist sein/ihr gutes Recht und wiederum meine Aufgabe, dafür Respekt zu zeigen). Ein "Gott ist tot" stört mich persönlich wenig, das ist halt auch der "Glaube" bestimmter Mitmenschen, den ich akzeptiere. Aber anderen Menschen, die eben an einen Gott glauben, ständig unter die Nase zu reiben, dass man an (diesen) Gott nicht glaubt und ihnen - mehr oder weniger deutlich - zu verstehen zu geben, dass man sich deswegen für überlegen (oder auch nur besonders witzig/gewitzt) hält, indem man ihren Glauben ins Lächerliche zieht - das entspricht nicht der Vorstellung, die ich von einem respektvollen Umgang habe.

  • Meiner Ansicht nach wäre es eine freie Meinungsäußerung, da ja kein anderer Mensch damit diskriminiert oder beleidigt wird. Ob eine Religionsgemeinschaft sich beleidigt „fühlt“, ist ja ein echt problematisches Kriterium. In unserm Land haben einige keine Probleme mit Karikaturen oder Satire, die den Islam betrifft, aber evtl. mit solchen, die das Christentum betreffen.
    Obwohl, wenn ich so an „Das Leben des Brian“ denke... Der Film ist ja hier nicht verboten-zum Glück!
    Leider gibt es woanders teilweise erhebliche Schwierigkeiten z. B. Bei Mohammedkarikaturen - auch das finde ich schlimm. Als gläubiger Mensch sollte man da doch heutzutage drüber stehen.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Da warst du schneller, Buntflieger.
    Dürfte ich mich auch beleidigt bzw. nicht respektiert fühlen, wenn mir ständig irgendwelche religiösen Dinge unter die Nase gerieben werden? Dann wäre von der religiösen Seite auch eine sehr viel zurückhaltendere Art notwendig.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist aber kein uneingeschränktes Recht. Es endet dort, wo andere Menschen wiederum in einem ihrer Grundrechte verletzt werden (im Einzelfall durch Gerichtsbeschluss festzustellen wie z.B. bzgl. Renate Künast). Aber da wären wir wieder bei einem mir wichtigen Punkt (den ich schon in der Diskussion über das "Zigeunerschnitzel" versucht habe, deutlich zu machen):


    Ich muss nicht alles tun, was ich kann/darf. Wenn ich merke, dass meine Meinungsäußerung andere verletzt - kann ich dann aus Rücksicht nicht auch mal die Klappe halten oder wenigstens weniger verletzend formulieren? So aus ... Höflichkeit und Respekt ... aus Rücksicht? Oder sind das inzwischen Fremdwörter?


    Es geht bei Beiträgen hier im Forum auch erst einmal nicht um Karikaturen oder Satire - und auch da habe ich z.T. eher das umgekehrt Gefühl: einige hier hätten kein Problem mit Satire, die das Christentum betrifft (ich in vielerlei Hinsicht übrigens auch nicht), aber definitiv mit Satire, die sich über andere Kulturen lustig macht.
    Und während ich "Das Leben des Brian" genial finde, habe ich z.B. über Böhmermanns "Schmähgedicht" (betrifft keine Religion, aber als Beispiel dafür, dass das, was man lustig bzw. als gelungene Satire empfindet durchaus individuell ist) überhaupt nicht schmunzeln können.


    Mein Eindruck ist ... dass die "religiöse" Fraktion eher reagiert als agiert. Hier wurde eine Frage gestellt auf die man nicht zwingend antworten müsste, wenn man mit Religion gar nichts am Hut hat (und nein, das heißt jetzt nicht, dass man nicht antworten soll/darf, sondern es geht darum, wer agiert und wer reagiert).


    Falls Du nicht das Forum meinst, mit "religiöse Dinge unter die Nase reiben" ... da bräuchte ich dann ein Beispiel, um darauf antworten zu können.

  • Da warst du schneller, Buntflieger.
    Dürfte ich mich auch beleidigt bzw. nicht respektiert fühlen, wenn mir ständig irgendwelche religiösen Dinge unter die Nase gerieben werden? Dann wäre von der religiösen Seite auch eine sehr viel zurückhaltendere Art notwendig.


    Ich denke, dass es eher um polemische Äußerungen geht, die hier in der Diskussion getätigt wurden und weniger um die Frage, ob man generell inhaltlich über Themen wie Religiosität oder Glauben kontrovers diskutieren können sollte. Das steht denke ich nicht zur Debatte.

  • Manchmal muss man sich aber schon fragen, wie sinnvoll ein in katholische und evangelische Religion überhaupt ist. An meiner Schule sind beispielsweise etwa 35 Kinder christlich getauft. Ungefähr 40 nehmen am Religionsunterricht teil. Wir haben 6 (!) Religionslehrer (insgesamt sind wir etwa 20), die je eine Religruppe unterrichten (weil sie alle Religion unterrichten möchten). Da fragt man sich schon, ob das sein muss, ob das nicht eine Verschwendung von Ressourcen ist. Zumal wir 90% Kinder mit Migrationshintergrund haben und dringend DaZ-Förderung bräuchten, die dann in fast Klassengröße stattfindet. Noch besser sind die alle 2 Monate stattfindenden Schulgottesdienste. Da marschieren dann die Klassenlehrer mit den paar Kindern in die Kirche, der große (!) Rest wird von 2 Kollegen auf dem Schulhof beaufsichtigt. Da kann man als Ungläubiger schon am Verstand der religiösen Planer zweifeln...

  • @DeadPoet Ich bezog mich lediglich auf den Post von Buntflieger, wir seien von „Gott ist tot“ weit entfernt und seine Antwort auf meine Frage dazu.
    Ansonsten gehe stimme ich mit dir in den meisten Punkten überein. Natürlich hat freie Meinungsäußerung sowie auch Satire eine Grenze, aber doch nicht bei „Gott ist tot“. Ich finde auch viele Witze blöd, das Schmähgedicht gehörte auch dazu. Dennoch dürfen viele Dinge davon gesagt werden und dafür würde ich mich immer stark machen, bei manchen rassistischen oder diskriminierenden Witzen bleibt mir das Lachen oft im Halse stecken (dennoch fängst bisweilen an, hochzusteigen, das macht ja den Witz aus).
    „Unter die Nase gerieben“ werden mir im Alltag natürlich viele christliche Bräuche und Symbole - ich habe damit überhaupt kein Problem. Auch da bezog ich mich auf Buntfliegers Äußerung, der es für unangebracht hielt, religiösen Menschen antireligiöse Äußerungen „unter die Nase zu reiben“.
    Und: es ist für mich nicht diskriminierend, wenn man die derzeitige Art des Religionsunterrichts für nicht zeitgemäß/angemessen bzw. richtig hält, selbst wenn diese Ansicht sich gegen geltendes Recht richtet.


    Das ist alles total und komplett unabhängig von meiner eigenen religiösen Orientierung.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Da warst du schneller, Buntflieger.
    Dürfte ich mich auch beleidigt bzw. nicht respektiert fühlen, wenn mir ständig irgendwelche religiösen Dinge unter die Nase gerieben werden? Dann wäre von der religiösen Seite auch eine sehr viel zurückhaltendere Art notwendig.

    In unserer Nachbarschaft hat sich ein mir nicht persönlich bekannter Anlieger kürzlich bemüßigt gefühlt, seinen Vorgarten mit einem ca. zwei Meter hohen überdachten Kruzifix zu verzieren. So mit allen Details, ein richtiger Lattengustl eben.
    Ich finde das massiv belästigend. Ich sehe auch keinen Sinn in dieser ostentativen Zurschaustellung des eigenen Glaubens.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Die TE fragte "muss ich?" die Antwort lautete "nein". Kommentarfunktion könnte ebensogut geschlossen werden.


    Religionsunterrichtsdebatten gibts hier doch Zuhauf, wenn man trotzdem nochmal eine anleiern will, könnte dies im Extrathread geschehen und dann müsste auch keiner mitlesen, der/die "grüß Gott ... darfs ein bestimmter sein?" für zu blasphemisch hält.

  • Hier muss sowieso niemand mitlesen. Und wem "blasphemisch" überhaupt eine relevante Kategorie ist, der muss das schon gar nicht.
    Dass sich Diskussionen in Foren oft in nicht vorhersehbare Weise entwickeln, liegt in der Natur der Sache. Dass das in Dir den Wunsch erweckt, den Thread zu schließen, ist bezeichnend.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Ilse2: Organisatorisch ist das sicher eine Herausforderung. Ich vermute, dass dein Schulstandort früher (sehr) christlich geprägt war, oder? Dann kam ja die Migration aus den unterschiedlichsten Gründen dazu. Normalerweise gilt die Position: "Neue müssen sich an etablierte Konventionen anpassen." in vielen Lebensbereichen. Dein beschriebener Fall deutet auf ein häufig unterschätztes Problem: Wie groß muss der Anteil der Neuen sein, dass man sich eher nach deren Bedürfnissen richtet?
    Wann war der Punkt, an dem ihr überlegtet, ob die Organisation eures Schulalltags noch zur Zielgruppe passt?

  • Dass das in Dir den Wunsch erweckt, den Thread zu schließen, ist bezeichnend.

    wenn du fertig bist mit Püschologisieren wirst du feststellen, dass ich es für gute Diskussionskultur hielte, wenn man in einem Forum jeweils bei einem Thema bleibt. Da man problemlos unendlich viele neue Themen eröffnen kann, ist das auch nicht wirklich viel verlangt. Du darfst meinen Vorschlag aber ebenso gern überlesen, wir können immer alle irgendwas extra nicht lesen, darum ging es hier aber eigentlich nicht vorrangig, oder?

  • Gläubiger Religionslehrer hier:


    A) Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn Kollegen nicht zum Gottesdienst kommen, weil sie mit christlichem Gottesglauben nichts anfangen können. Die haben mein vollstes Verständnis. Bleibt daheim und fühlt euch wohl dabei (ohne Ironie und Beleidigtsein, meine ich ernst).


    B) Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn jemand ernsthaft sagt "Gott ist tot". Eigentlich greift das Zitat ja eine philosophische Debatte auf. Wenn jemand an echtem Austausch interessiert ist, dann bin ich sogar happy. Ich habe auch deshalb Theologie studiert, weil mir der Austausch über solche Themen (mit Meinungen aller Couleur) sehr viel Freude bereitet.


    C) Kritisch sehe ich allerdings, wenn jemand "Gott ist tot" sagt und damit meint "Ich bin viel klüger, weil ich mich nicht von Rattenfängern hinters Licht führen lasse". Diese Haltung begegnet einem in jeder Schulklasse, in jedem Kollegium, auf jeder Party. Diese Haltung wird einem auch allzu gerne unter die Nase gerieben. Gleichzeitig: Das ist für ernsthaft, christlich religiöse Menschen in einem akademisch/intellektuellem Umfeld gang und gäbe. So bin ich groß geworden, so habe ich studiert. Ich würde sagen, dass man in diesem Umfeld (das sonst ja sehr tolerant sein will) regelmäßig Diskriminierung erfährt, teilweise üble. Gleichzeitig: Wenn man selbst einigermaßen akademisch gebildet ist, merkt man, dass wirklich sehr viele mit extrem flachen Argumenten daher kommen. Das macht es mir persönlich leicht, sowas einfach abzuschütteln und mich nicht drum zu kümmern.

  • In unserer Nachbarschaft hat sich ein mir nicht persönlich bekannter Anlieger kürzlich bemüßigt gefühlt, seinen Vorgarten mit einem ca. zwei Meter hohen überdachten Kruzifix zu verzieren. So mit allen Details, ein richtiger Lattengustl eben.Ich finde das massiv belästigend. Ich sehe auch keinen Sinn in dieser ostentativen Zurschaustellung des eigenen Glaubens

    Aber wenn er das auf eigenem Grund und Boden auf eigene Kosten macht, dann ist das sein gutes Recht. Ich würde darauf keine emotionale Energie verschwenden.

  • Tu ich prinzipiell auch nicht.

    Ich auch nicht. Ich habe sehr permissive Prinzipien, auch was anstößige Äußerungen in der Öffentlichkeit angeht. In dem Augenblick allerdings, in dem der partikularideologische Ausdruck entweder Privilegien erhält oder beansprucht oder die Rechte anderer beschneidet, werde ich giftig. Und das wird dann mirakulöserweise seinerseits als "Intoleranz" ausgelegt...

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