Referendariat abbrechen / Beruf wechseln

  • Absolut. Bei uns ist der Arbeitslatz in der Schule nur begrenzt vorhanden und wir haben 2 Rechner für gut 60 Kollegen. Da kann man nicht wirklich gut arbeiten. Es hat halt alles seine Vor- und Nachteile und jeder hat da bestimmt seine eigene Strategie entwickelt.

  • Hallo Economiys,


    ich befinde mich seit vorletztem Jahr November im Ref - ich bin Quereinsteigerin und daher schon länger in der "Mühle". Meinen Abschluss mache ich im September, wobei wir jetzt erfahren haben, dass unsere theoretischen Prüfungen bereits im Juni/ Juli sind.

    Ich bin aktuell auch wenig bis gar nicht mehr motiviert - und befinde mich da allseits in guter Gesellschaft. Die ganzen Restriktionen um und mit Corona erschweren unsere Situation erheblich. Ich bin einfach müde und mürbe. ABER: Ich komme aus der freien Wirtschaft und WEIß daher, dass da ganz gewiss nicht alles und besser ist. Einer der Hauptvorteile eines Lehrers ist meiner Meinung nach der, dass du - wenn du mit dem Ref denn mal fertig bist - ziemlich eigenverantwortlich "dein Ding" machen kannst. Davon träumst du in der freien Wirtschaft. Da war bei mir immer irgendwer, der extrem anstrengend war und mich ständig kontrollierte. Meistens der Kunde.;) Ich hasse es gerade auch, immer kontrolliert zu werden, zum Teil recht unfair beurteilt zu werden und nichts daran ändern zu können. Mitzubekommen, dass andere Referendare abgewertet werden, wenn sie mal "etwas systemkritisch" sind, etc. Und dieses "überall einen guten Eindruck hinterlassen, lachen, gut drauf sein ... weil du bekommst ja eine Note von der Schule" - das finde ich am Anstrengendsten. ABER: Ich weiß, es geht vorbei. Und die Leistung ist die, die Herausforderung zu bewältigen. Ich habe ein recht anstrengendes BWL-Diplom an der Uni gemacht. Und ich weiß noch, wie oft ich meine Karteikarten aus dem 2. Stock meiner Wohnung hinausschmiss und nicht mehr wollte. Und nicht mehr konnte. Und mir auch sicher war, es nicht zu schaffen. Und es unsinnig fand, tausende Definitionen zu lernen. Die sowieso nichts bringen. Mir ist indes schon damals gedämmert, was ich heute sicher weiß: Es geht nicht darum, die x-te unnötige Marketingformel auswendig zu lernen und zu beherrschen. Es geht darum, schwierige Situationen zu meistern. Indem man sie aushält. Um hinterher stolz darauf zu sein. Das bringt einem dann hinterher in schwierigen Situationen im Beruf das Selbstbewusstsein, auch da schwierige Situationen durchzustehen und nicht gleich alles hinzuschmeißen. Ich hatte in meiner BWL-ZEit einen super Mentor aus einer Unternehmensberatung, der mir an einem absoluten Tiefpunkt mal sagte: "Denk immer daran, es gibt wesentlich mehr Leute, die hinschmeißen, als Leute, die tatsächlich durchfallen." So hab ich einfach weitergemacht. Es ist schon ewig her. Aber ich erinnere mich heute noch gut daran. Auch daran, wie toll es dann war, als es geschafft war. Tja - und im Ref ist es genauso. Wir sind alle glaube ich nur sehr müde und abgearbeitet. So ist es jedenfalls bei mir ....

  • Es gibt Alternativen - ich arbeite z. B. als freiberufliche Lehrerin in meinem eigenen Nachhilfeinstitut mit mehreren Mitarbeitern.


    Vorteile: Ich unterrichte so viele Schüler, wie ich möchte. ;) Ich kann mich auf einen oder eine kleine Gruppe konzentrieren und ein wirkliches Verhältnis zu den Schülern aufbauen. Ich entscheide selbst, wann ich was erledige und was ich anschaffe. Ich suche mir meine Mitarbeiter und damit Kollegen selbst aus. Einen "Fehlgriff" habe ich selten getan. Der Bedarf ist riesig - wir kommen kaum nach - gerade jetzt. Und: Die Eltern und Schüler sind so dankbar, wenn die Noten dann besser werden, wenn sich jemand Zeit nimmt, die Sorgen anhört, ernst nimmt und aufmuntert. Das ist wirklich das Schönste. :)

    Nachhilfe geht auch ohne Referendariat. Wobei es natürlich marketingmäßig ein echter Pluspunkt ist.

    Nachteile: Viel Papierkram - kann man aber an eine Bürokraft auslagern. Die Mitarbeitersuche und das Marketing verschlingen viel Zeit. Arbeitszeit ist meistens nachmittags und daher eher familienunfreundlich. Eine relative Unsicherheit - aber eben auch die Möglichkeit, mehr zu verdienen als im Schuldienst. Und: wenig Urlaub, da man oft gerade in den Ferien (z. B. Ostern) Kurse anbieten kann.

  • Es gibt Alternativen - ich arbeite z. B. als freiberufliche Lehrerin in meinem eigenen Nachhilfeinstitut mit mehreren Mitarbeitern.


    Eine relative Unsicherheit - aber eben auch die Möglichkeit, mehr zu verdienen als im Schuldienst. Und: wenig Urlaub, da man oft gerade in den Ferien (z. B. Ostern) Kurse anbieten kann.

    Du vielleicht, aber deine Mitarbeiter? ;)

  • Du vielleicht, aber deine Mitarbeiter? ;)

    Es steht jedem frei, sich für das Unternehmertum und die damit verbundenen Risiken - aber eben auch Chancen - zu entscheiden. Und dass das Geld nicht mit der Schaufel auf der Baustelle verdient wird, sondern im Büro, das ist nun wirklich eine Binsenweisheit.


    Insofern ist Dein Beitrag tumbes Unternehmerbashing - und dass es dafür etliche Likes gibt, ist wohl irgendwie bezeichnend für unseren Berufsstand.

  • Insofern ist Dein Beitrag tumbes Unternehmerbashing - und dass es dafür etliche Likes gibt, ist wohl irgendwie bezeichnend für unseren Berufsstand.

    So war er gar nicht gemeint, ich verstand ihn eher als Bashing derjenigen, die sich dort anstellen lassen...

    • Offizieller Beitrag

    Also ich habe mal kurzzeitig während meines Studiums für eines der größeren Nachhilfeinstitute gearbeitet. Auch wenn meine Erfahrungen keinesfalls generalisiert werden können, so hatte ich den Eindruck, dass meine Chefin froh war, überhaupt jemanden zu haben, der fachlich ein bisschen was konnte. Ich habe damals Latein-Nachhilfe gegeben in einer Gruppe von vier SchülerInnen, die alle auf unterschiedlichem Lernstand waren, aber allesamt dasselbe Problem hatten - Übersetzen. (Eine Schülerin darunter hatte sogar bei meiner alten Lateinlehrerin Unterricht.)
    Dann sollte ich im Einzelunterricht einem jungen Mann aus Russland Englisch-Nachhilfe geben. Ich erinnere mich dunkel daran, dass die Arbeit mit ihm schwierig war und er auch nicht sonderlich motiviert war.

    Echtes Übungs- und Lernmaterial gab es für Latein dort übrigens fast gar nicht. Für Englisch sah es ein bisschen besser aus. Aber letztlich war es mir völlig selbst überlassen, was und wie ich mit den Kindern arbeite. Keine Kontrolle, keine pädagogisch-didaktischen Vorgaben - keine Qualitätskontrolle.
    Das Ganze erschien mir damals wie ein Markt, den es unternehmerisch abzuschöpfen galt. Da ich recht bald eine andere Beschäftigung aufgenommen hatte, war für mich nach ein paar Wochen auch wieder Schluss.

    Richtige und nachhaltige Nachhilfe hätte damals schon anders aussehen müssen. Analyse der Stärken und Schwächen, der Lernlücke und der Lernmethoden. Dann sukzessives Schließen der Lücken mit motivierenden Aufgaben, die den SchülerInnen nicht das Gefühl geben, defizitär zu sein sondern auch authentische Erfolge bescheren. In Verbindung damit kein Arbeiten an den aktuellen Hausaufgaben oder ähnliches. ("Ich habe meine HA mit der Nachhilfe gemacht", war für mich immer ein Zeichen von ineffizienter Nachhilfe.)

    Vermutlich könnte (!) ich, wenn ich denn mutig (oder wahlweise verzweifelt) genug wäre, mich selbstständig zu machen, mit meiner Frau ein entsprechend qualitativ hochwertiges Institut aufmachen und dann, sofern genug Nachfrage besteht, offenbar richtig Kohle scheffeln.

    (Es stellt sich nur die Frage, warum ich so gar keine Ambitionen habe, dies zu tun...)

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