Neuer Arbeitsalltag

  • Mich interessiert, ob es mehreren so geht. Ich bin eigentlich gerne Lehrerin, empfinde den Job aber zunehmend als nicht mehr leistbar. Auch vor Corona gab es in unserem Berufsalltag schon viele nervige Baustellen, die den eigentlichen Schulalltag durcheinander gebracht haben. Aber das waren immer einzelne nervige Dinge und nachdem man die gewuppt hatte, konnte man auch mal durchatmen. Dieses "durchatmen" fehlt mir mittlerweile völlig. Ich habe das Gefühl, alle hangeln von Baustelle zu Baustelle. Ich weiß nicht, wann das sowieso unterbesetzte Kollegium das letzte Mal vollständig war. Ständig muss man für weitere Klassen mitdenken, hat auch außerhalb von Förderplänen und Co wahnsinnig viel Schreibkram, auch weil seit Corona alles doppelt und dreifach dokumentiert werden muss. Man zerreißt sich zwischendrin noch zwischen den Schülern, die die letzten drei Jahre nicht so gut weggesteckt haben und hat genervte Eltern, die das Danke sagen irgendwie verlernt haben, dafür aber alles besser wissen. Macht man mal ein schönes Event wie Wandertage und Klassenfahrten kommt die Hälfte mit der neusten Variante heim und die Vertretungshomeschoolundwasweißichnochallesmühle geht wieder los. Auf die Frage, was ich im Studium noch hätte lernen müssen, um zufrieden aus dem Unterricht zu gehen, müsste die Antwort mittlerweile "mich verdoppeln oder verdreifachen" können lauten. Ich finde das frustrierend. Mir kann da sicher keiner helfen, ist ja zum Teil auch Einstellungssache. Aber wie eingangs erwähnt, würden mich einfach eure Gedanken dazu interessieren.

  • Mein Tipp: Mit den Umständen leben lernen und seine Arbeit an diese Umstände anpassen. An Stellen kürzen, die gehen, wenn die Verwaltung überhand nimmt. Das heißt dann eben: Keine Wandertag oder sowas. Erst Recht nicht in Zeiten von Corona.

    Und: professionalisieren. Eltern müssen Dir nicht danken, nur weil Du Deinen Job machst. Löse Dich davon, dass Dir überhaupt jemand dankt. Du bist Lehrerin und wirst dafür bezahlt. Nicht mehr und nicht weniger. Es hilft ungemein, sich das klar zu machen.

    Meinem Mann als Ingenieur dankt auch keiner. Würde er wohl auch nicht erwarten.

  • Ich stimme dir vollkommen zu, Tritratrulala und auch dir größteneils, Sissymaus.


    Da ich schon ein bisschen länger Lehrerin bin, kann ich mit bestimmten Dingen souveräner umgehen und sage auch viel


    öfter "Nein" als früher. ABER: Als Grundschullehrerin finde ich es unglaublich, wie manche Kinder heutzutage mit Erwachsenen reden


    und ihren Eltern "auf der Nase" herumtanzen. Hinzu kommt, dass viele meiner Erstklässler, durch die Corona-Jahre bedingt, extrem anhänglich sind.


    Sie weinen viel und sind schnell erschöpft. Und dann die Eltern, die ihren Kindern nicht zutrauen, das Schulgelände alleine zu betreten oder wegen


    jedem Pups bei mir intervenieren.


    Aber Mehraufwand wegen Corona haben wir nicht. Wir müssen nichts mehr dokumentieren. Corona ist doch längst endemisch.

  • Meinem Mann als Ingenieur dankt auch keiner. Würde er wohl auch nicht erwarten.

    Und da ist das Lustige: Von meinem Job als Ingenieur habe ich eine ganze Kiste von Geschenken, die mir Gäste/Kunden der Firma mitgebracht haben. Also keine typischen Firmen-Gimicks sondern alles irgendwie "Kunst" und derlei Krempel aus deren Heimatländern. Aus den Emiraten habe ich 5 Farben Sand zwischen Glasscheiben, aus Indien eine beleuchtete Taj Mahal, Porzellanfiguren aus China...


    Als Lehrer habe ich noch nie Geschenke bekommen ;) :D

  • Als Grundschullehrerin finde ich es unglaublich, wie manche Kinder heutzutage mit Erwachsenen reden


    und ihren Eltern "auf der Nase" herumtanzen.

    Büschen (sic) pauschalisierend, näch...(nomml sic)

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Dieses "durchatmen" fehlt mir mittlerweile völlig. Ich habe das Gefühl, alle hangeln von Baustelle zu Baustelle. Ich weiß nicht, wann das sowieso unterbesetzte Kollegium das letzte Mal vollständig war. Ständig muss man für weitere Klassen mitdenken, hat auch außerhalb von Förderplänen und Co wahnsinnig viel Schreibkram, auch weil seit Corona alles doppelt und dreifach dokumentiert werden muss. Man zerreißt sich zwischendrin noch zwischen den Schülern, ...

    Dieses Gefühl, sich im Alltag und Job immer gerade so über Wasser halten zu können, nehme ich auch im Freundeskreis massiv wahr. Die Pandemie, der psychische Druck durch den Ukraine-Krieg, jetzt Gedanken ums Geld, Kinder, die in den letzten fast drei Jahren in der Schule und mit Freunden so viel verpasst haben... Das alles zehrt extrem. Lösung derzeit? Strenge Prüfung im Privaten und im Job: Extrem wichtig, wichtig, Lametta oder kann weg? Lametta und "kann weg" wird jetzt öfter und konsequenter weggelassen.

  • Und da ist das Lustige: Von meinem Job als Ingenieur habe ich eine ganze Kiste von Geschenken, die mir Gäste/Kunden der Firma mitgebracht haben. Also keine typischen Firmen-Gimicks sondern alles irgendwie "Kunst" und derlei Krempel aus deren Heimatländern. Aus den Emiraten habe ich 5 Farben Sand zwischen Glasscheiben, aus Indien eine beleuchtete Taj Mahal, Porzellanfiguren aus China...


    Als Lehrer habe ich noch nie Geschenke bekommen ;) :D

    Ich gestern noch. Die Firma möchte, dass wir (der Schulträger) 1,2 mio bei ihnen ausgeben.


    Diese Geschenke in Betrieben sind aber doch kein Dankeschön, sondern ein kleines bisschen Bestechung.

  • Ich gestern noch. Die Firma möchte, dass wir (der Schulträger) 1,2 mio bei ihnen ausgeben.


    Diese Geschenke in Betrieben sind aber doch kein Dankeschön, sondern ein kleines bisschen Bestechung.

    Dann dreh die Situation um, damit sie auf meine passt: Hat die Schule den Betrieb bestochen, dass sie 1,2 Mio bei dem Betrieb ausgeben darf? Nee.

    So war eben die Situation in meiner Firma. In der Branche gibt es weltweit nur wenige Spezialisten. Wir haben an die Kunden verkauft, also wäre eher Bestechung durch unsere Firma sinnvoll gewesen als umgekehrt. Unsere Preise wurden von der Konzernmutter abgesegnet. Außerdem saß ich an einer Stelle ohne Einfluss, habe da an einer Schnittstelle zum Kunden tolle Arbeit gemacht. Und an dieser Stelle waren die Geschenke tatsächlich ein Dankeschön, das ich im direkten Kundenkontakt nämlich auch verbal immer wieder vernommen habe.

  • Als Lehrer/Beamter darfst du praktisch gar kein Geschenke annehmen.

    Das stört mich persönlich auch nicht.


    Wertschätzung der Beschäftigten sollte auch nicht in erster Linie von den "Kunden" kommen, sondern vom Arbeitgeber.

  • Dieses Defakto-Verbot finde ich persönlich sogar recht entlastend.

    Allerdings ist es manchmal schwierig das meiner Elternklientel zu erklären. Da gab es schon ein paar kulturbedingt problematische Situationen, weil die Ablehnung als Beleidigung gesehen wurde.

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