Lehrprobenwahnsinn?

  • Hallo ihr,
    Melli schreibt in ihrem Thread zur Liedeinführung, dass alle ihre Ideen für ihren ersten Lehrversuch "zu alltäglich" seien. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Natürlich habe ich auch in allen meinen Lehrproben (und vorher in den Lehrversuchen) versucht, besonders ausgefallen und originell zu sein. Alle anderen in meinem Semiar haben das natürlich auch getan. Das Resultat war, dass wir uns gegenseitig die Messlatte immer höher gehängt haben ("Das kann ich in meiner LP nicht machen, weil XY so etwas Ähnliches schon gemacht hat").
    Jetzt im Nachhinein frage ich mich aber, ob das wirklich nötig war. Die Seminarlehrer, die schon seit hunderten von Jahren im Amt sind, haben doch wahrscheinlich sowieso schon alles gesehen. Wirklich originell und ausgefallen kann man also wohl doch nicht sein. Wäre es denn nicht auch möglich, mit einer solide aber nicht gewollt originell geplanten Stunde eine 1 oder 2 zu bekommen, also ohne jeden ÜBERTRIEBENEN Aufwand? Ich weiß von einer Referendarin, deren LP-Entwürfe im Verhältnis zu unserem Seminar zu "schlicht" waren, was nichts anderes bedeutet, als dass sie eben nicht nochmal zwei Medien und drei Methoden mehr eingebaut hatte, als unbedingt nötig. Als "normale", eben nicht LP-Stunde sind die Stunden klasse und sie hat dafür auch 1er und 2er bekommen. Ich dachte aber zu dem Zeitpunkt, dass das in unserem Seminar nicht so gut ausgefallen wäre. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.
    Wie sind eure Erfahrungen? Müssen es immer extreme Schaustunden sein?
    Ich freue mich auf Antworten!
    Eliah


    PS: Ich spreche übrigens über solche Ausbildungssysteme wie in Bayern, wo eben drei benotete Stunden über die Examensnote entscheiden. Dass es in anderen Bundesländern, wo man 12 oder mehr benotete UBs hat, anders ist, kann ich mir gut vorstellen. Oder ist es da etwa genau so?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Eliah!


    Also ich habe sowohl Show-Stunden als auch "solide" Stunden gehalten, die aber allesamt weniger nach dem Show-Effekt als nach dem, was wirklich dahinter steckte und noch viel mehr, was wirklich dabei herum kam, bewertet wurden.


    Das mit der Messlatte ist in der Tat ein Problem der Referendare untereinander, wenn man sich selbst diesen Druck macht. Manche FL fallen leider auf den Show-Effekt rein, andere sehen sehr gut hinter die Kulissen. Insofern kann man wohl nur sagen, dass das vom jeweiligen FL abhängt.


    Solide Stunden sind per se nicht schlechter - wieso auch? Wenn sie tiefgründig geplant sind und das Ergebnis am Ende stimmt, dann kann auch das wenigstens eine 2, wenn nicht eine 1 sein.


    Gruß
    Bolzbold

  • Meine Lehrproben-Stunden werden auch keine übermäßig tollen Show-Stunden, aber man versucht schon in die Richtung zu kommen.
    Aber in meinem Thema in HuS bietet es sich z.B. gar nicht an, was außergewöhnliches zu machen.
    Uns hat man gesagt, dass man nicht von der Methode ausgehen soll. Also ich will aber unbedingt Stationen machen oder so. Denn dann kann sein, dass das gar nicht zu dem Thema passt.
    Bei meiner HuS-Stunde gibt es einfach nicht viele Möglichkeiten es anders zu machen und es kann schon sein, dass die Prüfer so eine Stunde schon mal gesehen haben. Aber man kann sich ja nicht immer was völlig Neues ausdenken. Irgendwas war immer schon mal da.


    Tiggy

    Verstehen kann man das Leben nur rückwärts,
    leben muss man es vorwärts. (Sören Kierkegaard)

  • Hallo Eliah,


    bei uns muss die Stunde definitiv handlungsorientiert sein und es sollte auf jeden Fall irgendeine Gruppenarbeitsphase dabei sein.
    In einem Unterrichtsbesuch habe ich mit Absicht "nur" Partnerarbeit gemacht und das wurde natürlich gleich in der Nachbesprechung angesprochen.


    Am Montag habe ich meine letzte Lehrprobe und ich sitze gerade am Erstellen der Materialien.
    Wenn ich diesen Zeitaufwand rechne, ist klar, dass sie nur für "Show-Stunden" machbar ist.


    Ich habe damit aber kein Problem. Wenn's sein muss, mach' ich auch einen Handstand. Die paar Mal, die man sich da verbiegen muss... Wenn's die FL glücklich macht.


    Ansonsten denke ich nämlich auch, dass klassische Stunden mit Lehrervortrag, Tafelanschrieb etc. auch ihren Sinn haben und am Ende bei dieser Form wahrscheinlich sogar mehr bei den Schülern hängenbleibt.
    Kann man auch mal ganz leicht nachprüfen, indem man in Parallelklassen unterschiedlich Unterrichtet und anschließende einen kleinen Wiederholungstest schreibt. (natürlich unter Berücksichtigung der verschiedenen Voraussetzungen, aber trotzdem Unterschiede erkennbar).


    Gruß
    Super-Lion

  • Hallo,
    da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich die Ansprüche sind. Uns wurde gesagt, dass Gruppenarbeit im UB zumindest sehr heikel sei und wir uns das gut überlegen sollten (Grund: Problemstellung erarbeiten, Gruppen einteilen, in Ruhe arbeiten lassen und dann noch anständig auswerten und sichern funktioniere in einer Stunde selten).
    Bei mir am Seminar hatte ich bis jetzt das Gefühl, dass die Leiter mit einer anständigen Stunde mit einer netten Idee zufrieden sind, auch wenn man sich Handstand, Tanzeinlage und 46 Medienwechsel spart...
    Vielleicht blöde Frage, aber könnt Ihr das Problem nicht mal im Seminar thematisieren? Bei uns ginge das, aber es scheint ja auch immer Seminarleiter zu geben, die bei solchen Ideen einen Wutanfall kriegen...

  • Ich glaube auch, dass die Ansprüche und Erwartungen der Fachleiter varriieren. Ich hatte für meine Examensstunden Stunden vorbereitet ohne riesige Handstände, zwar sorgfältig und auch mit Materialaufwand vorbereitet, aber eben nicht jetzt die Neu-Erfindung der Dinge. Diese Stunden kamen bei der Kommission sehr gut an, auch weil ich sie bzw. Dinge, die man hätte anders machen können, gut reflektiert habe. Das hat mich sehr gefreut.
    Letztlich wird man aber wohl sich doch danach richten müssen, wie man den eigenen FL einschätzt bzw. was er erwartet, so läuft das Referendariat wohl leider:-(

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    DoroNRW schrieb am 25.03.2006 13:39:
    Hallo,
    da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich die Ansprüche sind. Uns wurde gesagt, dass Gruppenarbeit im UB zumindest sehr heikel sei und wir uns das gut überlegen sollten (Grund: Problemstellung erarbeiten, Gruppen einteilen, in Ruhe arbeiten lassen und dann noch anständig auswerten und sichern funktioniere in einer Stunde selten).


    Interessant.
    Also im Sinne eines schülerorientierten Unterrichts, bei dem möglichst viele Schüler aktiviert werden sollen, ist zumindest phasenweise Gruppenarbeit ein Muss.
    Für den UB gibt es da ganz einfache Mittel:


    a) Gruppen VOR dem UB festlegen oder aber Gruppenaufteilung auf die Folie und per OHP an die Wand.


    b) Funktionsstellen in Gruppen einteilen (Zeitmanager, Protokollant, Disziplinierer, Motivator)


    c) Keine Präsentation aller Gruppen sondern idealerweise arbeitsteilige GA, um dann im folgenden Gruppenpuzzle bzw. in der Expertenrunde die Ergebnisse von den Schülern sichern zu lassen. (Farbige Arbeitsblätter sind hier ein Muss, damit sich die Expertenrunden schneller zusammenfinden).


    d) Kurze Diskussion der Ergebnisse im Plenum


    e) eventuell Evaluation oder Problematisierung im Anschluss.


    Klar, hört sich einfach an, ist es aber natürlich nicht immer. Ich habe das aber auch mehrmals außerhalb von Lehrproben eingesetzt und es funktioniert.
    Vermutlich erzähle ich Dir hier aber ohnehin nichts Neues


    Gruß
    Bolzbold

  • Nach meiner Erfahrung tun sich Refs mit dem Schielen auf möglichst "originelle" Stunden keinen Gefallen. Eher im Gegenteil.
    Was in der Prüfung gezeigt werden soll, ist, ob man das "Handwerk" beherrscht.


    Zentraler Beurteilungspunkte sind: Wie geht der LA auf die Schüler zu, wie geht er mit ihnen um, gelingt es ihm, die Schüler zu aktivieren.
    Ist das Unterrichtsthema für die Schüler relevant? Erfolgt ein Lerneffekt, der die Schüler weiter bringt? Passt es zu den Lehrplanvorgaben? Ist ein Kompetenzgewinn der Schüler erfolgt?


    Wer z.B. in Musik besondern originell sein will und deshalb einen tibetanischen Tempeltanz einstudiert, stolpert eventuell über die eigenen Füße und die eigene "Originalität".


    Eine Orientierungshilfe bietet diese Seite, auf der Kriterien für das Schulleitergutachten aufgelistet sind:
    http://seminar-loerrach.stepne…extdata/Schulleit_Gut.htm
    (Handreichung des KuMi Ba-Wü, Landeslehrerprüfungsamt)


    Stammt zwar aus dem Jahr 1994, ist jedoch noch nicht völlig "out of order" ;)

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Hi,
    ich persönlich halte GA auch für wichtig. Hab hier nur meinen Mentor und meinen Geschi-Fachleiter zitiert und wollte darauf hinaus, dass es in UBs wohl auch Menschen gibt, für die das kein Muss ist bzw. sogar problematisch...
    Da ich noch ziemlich neu im Ref bin, bin ich aber für solche Herangehensweisen in jedem Fall dankbar. Das Methodische kommt bei uns zur Zeit reichlich kurz, finde ich!
    LG
    Doro

  • Erstmal danke für all die Antworten. Es ist doch recht interessant, wie sich die Seminare unterscheiden.
    Ein Gespräch mit meinen Seminarlehrern wäre wohl recht unergiebig ausgefallen. Sie hätten wahrscheinlich abgestritten, Show-/Schaustunden sehen zu wollen, aber ich unterstelle ihnen, dass "normale" Stunden trotzdem 1-2 Noten schlechter ausgefallen wären. Nachholen lässt sich das Gespräch leider nicht, da ich (Gott sei Dank) schon aus dem Ref raus bin.


    Von Gruppenarbeit in einer Einzelstunde hat mir mein SL übrigens nach dem ersten Lehrversuch explizit aus den schon genannten Gründen abgeraten. Ich habe dann auch in den LPs keine gemacht, was mir nie angekreidet wurde. Generell wollten die SL sowieso lieber den Referendar agieren sehen, allzu viel Schüleraktivierung war deshalb gar nicht so gewünscht...

  • Bei uns am Seminar wird laut Aussagen der Lehrbeauftragten eher Wert auf das "Alltägliche" gelegt. Keine Materialschlachten und soviel Lehrer-Aktion wie möglich ohne Schüleraktivitäten zu unterdrücken.
    Nicht zuviel reinpacken: weder inhaltlich noch methodisch, sondern ein klares Ziel, das am Ende erreicht werden soll.


    Hört sich zwar auch ziemlich schwammig an, aber ich find's ganz ok.
    Es ist ja klar, dass die etwas von dir sehen wollen und nicht nur, wie toll die Schüler in Gruppen arbeiten.
    Aber das scheint ja sehr unterschiedlich zu sein und variiert auch ziemlich schnell.
    Bei uns heißt es z. B. auch, dass wir auf keinen Fall eine Stationenarbeit machen sollen! Viel zu wenig Lehrerpersönlichkeit erkennbar...


    Im Endeffekt muss jeder auch selber entscheiden, was zum Unterrichtsinhalt und zu einem selber passt.
    Wenn man sich sicher fühlt und gute Impulse setzen kann, ist ein Unterrichtsgespräch, das dann zielsicher zu einer Erarbeitung führt wahrscheinlich besser oder zumindest eben so gut, wie eine gut angeleierte Gruppenarbeit.


    Manche schlagen ihre Schlachten über das Material, andere über ihre Persönlichkeit. Wobei letzteres meines Erachtens schwieriger ist.
    Der Showeffekt bleibt weg, man kann sich nicht verstecken und wenn's dann nicht läuft, dann steht man ziemlich nackt da und die Kritik kommt dann auf ein persönliches Niveau.
    Während beim Material eine Art Schutzmantel gewahrt bleibt!

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