Schulbücher und politische/ethische Einflussnahme

  • Mich beschäftigt das Thema Schulbücher und Indoktrination bzw. Heute mögliche politische/ethische Einflussnahme. Ich sammle relativ unstrukturiert alte Lehrbücher, bislang vor allem Mathe Primarstufe/ Sonderschule aus DDR-Zeiten und dem Nationalsozialismus, z.T. auch ältere Bücher, z.B. weil ich meinen SuS Sütterlin zeigen will.


    Im anderen Thread hat eine Kollegin darauf hingewiesen, dass es durchaus auch heute noch Einflussnahme durch die Wahl der Aufgaben und Themen gibt. Beispielsweise wenn es um Nachhaltigkeit und Konsum geht. Ich frage mich, wie bewusst das den Autor*innen war und heute ist? Vor 20 oder 30 Jahren hat man vermutlich relativ unreflektiert Flugtickets in Aufgaben eingebaut oder hatten alle Kinder im Buch weiße Haut und die Mütter machten den Einkauf, bevor jemand darauf aufmerksam machte, dass die Gesellschaft ein bisschen diverser ist?


    Und bis vor kurzem waren in Sachsen nur ganz bestimmte Schulbücher zugelassen, inzwischen ist die Liste länger bzw. man hat freie Wahl.


    Wisst ihr Genaueres zum Thema Zulassung von Schulbüchern heute? Und habt ihr interessante Beispiele aus den letzten Jahren seit den 90ern, inwieweit SuS in (Mathe-) Schulbüchern ein bestimmtes Weltbild vermittelt wird?


    Als Einstieg ein Beispiel von vor der Wende als stummer Impuls sozusagen ;)

    (DDR, Heft für SuS, Schwimmunterricht 1988)

  • Quittengelee

    Hat den Titel des Themas von „Schulbücher und Politik“ zu „Schulbücher und politische/ethische Einflussnahme“ geändert.
  • Da ich kein Mathematik unterrichte sind mir Beispiele aus diesem Bereich spontan nicht geläufig. Im Bereich Politikwissenschaften ist mir das aber durchaus bekannt, dass beispielsweise bestimmte Klassenvorstellungen durch entsprechende Schulbuchaufgaben und - konzeptionen transportiert wurden. Gymnasialbücher waren so lange Zeit in Teilbereichen geradezu exklusiv ausgelegt auf eine Erziehung hin zu echter Mündigkeit, während die Mehrheit der Bücher für die Realschule, sowie fast ausnahmslos alle Bücher für andere Sek.1- Formen SuS eher dazu erziehen wollten, sich bei wissenden Obrigkeiten Rat zu holen und diesem dann einfach zu folgen analog zur gesellschaftlichen Position in die sie hinerzogen werden sollten als künftige Handwerker:innen, wohingegen Gymnasiasten als angehende Akademiker:rinnen selbstredend eigenständiger zu denken vermochten (Achtung, Sarkasmus!) und darin auch geschult werden sollten. Vor etwa fünf Jahren ist auch ein Buch zur aktuellen Forschungslage dazu herausgekommen.

    Auch aktuelle Bücher für den sozialwissenschaftlichen Unterricht zeigen noch manche dieser Probleme auf, auch wenn sich zumindest bei den in BW für die SEK.I zugelassenen Lehrwerken das Problem erheblich reduziert hat. Vor allem angebotene Differenzierungsaufgaben zum Umgang mit leistungsschwächeren SuS sind aber immer noch an manchen Stellen ein Problem, weil sie verschiedene Vorstellungen von Mündigkeit als Ziel zu haben scheinen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Mehrere doofe Autofillpannen und doofe Tippfehler gesammelt nunmehr hoffentlich ausgemerzt.

  • Danke, CDL , sehr interessant. Wenn dir ein Beispiel über den Weg läuft, das du teilen magst, wäre das sehr freundlich.

    Wenn ich daran denke frage ich am kommenden WE mal die Mathelehrkräfte in der Familie, ob ihnen spontan ein Beispiel einfällt.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Als der oben kopierte Text hätte in jedem autoritär-totalitären System vorkommen können.

    Was die Mündigkeit und die Obrigkeitshörigkeit betrifft, so hat jeder Staat das ureigene Interesse daran, seine BürgerInnen zu staatstragenden (im Sinne von unterstützenden) BürgerInnen zu erziehen. Daran ist per se erst einmal nichts Verwerfliches zu sehen.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Gerne, ich meinte aber auch das, was du geschrieben hast, also in welcher Aufgabe sich das manifestiert hat (Mündigkeit vs. Obrigkeitshörigkeit).

    Ah, du meinst aktuelle Aufgaben aus meinem Fachbereich? Interessiert dich auch die Veröffentlichung von vor 5 Jahren in dem Kontext? Falls ja kann ich die schnell aus dem Bücherregal raussuchen und Autor und Titel nennen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL ()

  • An, du meinst aktuelle Aufgaben aus meinem Fachbereich? Interessiert dich auch die Veröffentlichung von vor 5 Jahren in dem Kontext? Falls ja kann ich die schnell aus dem Bücherregal raussuchen und Autor und Titel nennen.

    Ich dachte an die beiden Aufgabenstellungen im Vergleich, ich wollte keine Facharbeit schreiben. Aber wenn du nicht zitieren magst, ist okay.

  • Ich dachte an die beiden Aufgabenstellungen im Vergleich, ich wollte keine Facharbeit schreiben. Aber wenn du nicht zitieren magst, ist okay.

    Um ehrlich zu sein, weiß ich spontan nicht mehr bei welchem Thema ich über die Aufgaben gestolpert bin, auch wenn ich eine Ahnung habe, welches Lehrwerk es war, weil ich mich an das Aufgabendesign erinnere. Wenn ich wieder darüber stolpere kann ich aber natürlich die Aufgabenstellung zitieren. Ich versuche auf jeden Fall mich genauer zu erinnern an den Kontext, um den es ging, um die Aufgabenstellungen wiederfinden zu können. (Da ich ebenfalls keine Facharbeit schreibe, markiere ich mir solche Stellen nicht..)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Als der oben kopierte Text hätte in jedem autoritär-totalitären System vorkommen können.

    Ja, und? Das war nur ein Beispiel für Wehrerziehung im Schulalltag. Und es ist alles noch nicht so lang her, unsere Generation hat das noch brühwarm mitbekommen.


    Das Mündigkeitsthema wurde offenbar in den Büchern der verschiedenen Schularten unterschiedlich aufgegriffen, das ist das Bemerkenswerte daran, so wie ich CDL verstehe.

  • Zum Thema „politische/ethisch“ Einflussnahme in Mathebüchern:


    Es gibt den häufigen Aufgabentyp, dass sich zwei Kinder streiten, welcher Rechenweg richtig sei.


    In aktuellen Büchern hat, wenn Mädchen und Junge unterschiedlicher Meinung sind, eigentlich nie das Mädchen unrecht. Ebenso hat nie das Kind unrecht, dessen Name die CDU in Berlin nach Silvester gerne gewusst hätte.

  • Es gibt den häufigen Aufgabentyp, dass sich zwei Kinder streiten, welcher Rechenweg richtig sei.

    Bezogen auf Primarstufe: Hier kenne ich das so, dass meistens beide Wege richtig sind, und es genau darum geht, dass es verschiedene Wege zum Ziel gibt. :_o_) Man kann dann natürlich argumentieren, welcher Weg einfacher oder geschickter ist, aber auch das ist individuell.


    Bezüglich Politik bzw. Gemeinschaftskunde-Unterricht: Hier erinnere ich mich an ein Beispiel aus meiner Schulzeit aus einem Schulbuch, bei dem man von Fotos der Inneneinrichtung von Wohnungen darauf schließen sollte, welche Partei die dort Wohnenden wohl wählen. Ist jetzt nicht direkt Einflussnahme oder Indoktrination, aber diesen Aufgabentyp fand ich damals schon seltsam (vermutlich ist er mir deshalb in Erinnerung geblieben) und finde ihn rückblickend noch viel seltsamer. Oder sehen Politik-/Gemeinschaftskunde-/Sozialkundelehrkräfte einen Mehrwert darin? Außer dass man natürlich mit den SuS darüber ins Gespräch kommen kann, dass diese Stereotype nicht unbedingt zutreffen müssen.


    Hat auch nichts mit Einflussnahme zu tun, aber interessant finde ich, dass in vielen Erstlesebüchern/Fibeln heutzutage ein Ali vorkommt. Der Name ist kurz, lauttreu, ohne Schwierigkeiten wie Konsonantenverbindungen oder Diphthonge und die verwendeten Buchstaben gehören meist zu den ersten, die SuS in der ersten Klasse lernen. Und man hat gleich auch noch etwas Vielfalt hineingebracht ...

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