• Ohne jetzt in eine weitere Grundsatzdiskussion über die Aufgabe einsteigen zu wollen ist Modellierung, auch mit abschnittsweise definierten Funktionen, grundsätzlich schon Thema bei mir und auch händelbar. Im Neue Wege gibt es zum Beispiel einen ganz brauchbaren Einstieg (zu Modellierung mit quadratischen Funktionen, glaube ich) bei dem ein Fallschirmsprung modelliert werden soll mit drei Abschnitten, die auch physikalisch unterschiedlich zu erklären sind - Freier Fall / Fall mit Grenzgeschwindigkeit / Fall nach Öffnen des Fallschirmes.

    Der Unterschied liegt daran, dass in der von mir genannten Aufgabe die Abschnitte sicher vereinfacht aber grundsätzlich physikalisch sinnvoll sind und man bei einem echten Experiment vermutlich wirklich vergleichbare Messwerte bekommen soll, während sich Verkaufszahlen von irgendetwas zwar im Nachhinein vielleicht abschnittsweise mit bestimmten Funktionstypen modellieren kann, hinter diesen Funktionstypen verbirg sich aber keine innere Logik des Sachkontextes und sie hätten in der Realität wohl keinen Prognosewert.

    Es ist genau das von mir am Anfang beschriebene Prinzip: man hat einen bestimmten gewünschten mathematischen Inhalt und bastelt einen künstlichen (und wenig glaubhaften) Sachkontext nachträglich drum herum.

  • Es ist genau das von mir am Anfang beschriebene Prinzip: man hat einen bestimmten gewünschten mathematischen Inhalt und bastelt einen künstlichen (und wenig glaubhaften) Sachkontext nachträglich drum herum.

    Der Fallschirmsprung ist natürlich eine gute Aufgabe.


    Die Pisa-Aufgabe hat dagegen einen Sachkontext, der falsche oder zumindest sehr fragwürdige Modellierungs- und Prognose-Praktiken verankert. Auch bei Prognosen in der Industrie ist Best-Practice, dass man sobald ein deutlicher Bruch in historischen Daten zu sehen ist, Expertengespräche zu führen hat, was diesen Bruch hervorgerufen haben könnte, BEVOR man irgendetwas rummodelliert.


    Was du zur Modellierung in der Schule sagst, ist interessant. Meine Töchter haben es auf dem Gymnasium nicht gemacht. Machst du die Modellierung wirklich in der Sek I - oder erst nachdem es für den Pisa-Test relevant ist. In der Realschule in Sachsen macht man es jedenfalls nicht. Eine lineare Funktion durch Punkte zu legen, die nicht genau auf einer Linie liegen, wäre da falsch.


    In Bezug auf die Aufgabe ist meine Meinung: wenn der Schüler es nicht gelernt hat, braucht er es auch nicht zu wissen. Hat er es gelernt, sollte er gelernt haben, dass man es so nicht macht.

  • Was du zur Modellierung in der Schule sagst, ist interessant. Meine Töchter haben es auf dem Gymnasium nicht gemacht. Machst du die Modellierung wirklich in der Sek I - oder erst nachdem es für den Pisa-Test relevant ist. In der Realschule in Sachsen macht man es jedenfalls nicht. Eine lineare Funktion durch Punkte zu legen, die nicht genau auf einer Linie liegen, wäre da falsch.

    Ich bin auch Physiker, da arbeiten wir permanent mit Ausgleichsgeraden bei Auswertung von Messreihen und der entsprechenden Mathematisierung. In Mathe mache ich das aber auch in Klasse 8 bei den linearen Funktionen. Wir waren lange Jahre eine GTR-Schule mit dem TI-83, Regressionen gehen da sehr unkompliziert und bei älteren SuS thematisiere ich auch die Methode der minimalen quadratischen Abweichung, die dabei verwendet wird (zumindest qualitativ). In der Kursstufe Physik quäle ich meine SuS konsequent mit der Linearisierung. Das macht alles nur Sinn, wenn die Punkte nicht auf einer exakten Gerade liegen.

    Weil irgendwas für den Pisa-Test relevant ist lache ich vielleicht mal kurz in der Pause, aber ich richte ganz sicher nicht meinen Unterricht danach aus.

    Ich mache mich aber nicht davon frei, dass ich auch mal etwas überkandidelten Quatsch mache. Für eine Lehrprobe habe ich mal die Formel zum Pyramidenvolumen erarbeitet, indem ich unterschiedlich große Modelle mit Sand füllen lassen haben und dann über das Gewicht per Regression die Funktion zum Volumen habe ermitteln lassen. Ist auch alles Modellierung.

  • In Physik passt das Thema besser. Messwerte sind immer ungenau und das Fitten von Funktionen an Messwerte zum Finden von funktionalen Zusammenhängen ist natürlich.


    Im Mathematik-Unterricht finde ich es besser - besonders für schwache Schüler natürlich - die Mathematik clean zu halten. Eine Funktion ist eine eindeutige Zuordnung. Zu jedem x gibt es ein y und das ist durch die Funktionsgleichung gegeben. - Auch wenn sie dann den Pisa-Test nicht können.


    In Informatik könnte man so etwas mal versuchen, z.B. mit Excel und Solve. Meine Schüler wären aber wohl nicht begeistert ...

  • Ohne jetzt auf die konkrete Aufgabe Bezug nehmen zu wollen, ist mathematisch modellieren jedenfalls schon sehr lange eine der mathematischen Kernkompetenzen (der prozessbezogenen). Bildungsstandards Sek 1 i.d.F. von 2022 hierzu:

  • Im Mathematik-Unterricht finde ich es besser - besonders für schwache Schüler natürlich - die Mathematik clean zu halten. Eine Funktion ist eine eindeutige Zuordnung. Zu jedem x gibt es ein y und das ist durch die Funktionsgleichung gegeben. - Auch wenn sie dann den Pisa-Test nicht können.

    Inwiefern steht diese technisch korrekte Definition im Widerspruch zur Verwendung von Regressionen im Rahmen der Modellbildung, die natürlich auch Bestandteil des Mathematikunterrichts sind?

  • Im Mathematik-Unterricht finde ich es besser - besonders für schwache Schüler natürlich - die Mathematik clean zu halten. Eine Funktion ist eine eindeutige Zuordnung. Zu jedem x gibt es ein y und das ist durch die Funktionsgleichung gegeben. - Auch wenn sie dann den Pisa-Test nicht können.

    Die Funktion beschreibt die Ausgleichsgerade, nicht die Messwerte, das mache ich in der Kommunikation natürlich von Anfang an klar.

    Ich stimme dir in so weit zu, als das die Grundlagen sitzen müssen, bevor die Anwendung in Form einer Modellierung kommt, die Beschreibung realer Werte durch Ausgleichsleichsfunktionen ist nach meiner Erfahrung aber auch keine Sollbruchstelle im Verständnis, für fast alle SuS am Gymnasium ist das relativ schnell klar.

    Und ja, es ist bei uns auch verpflichtend, nicht nur nach den KMK Bildungsstandards, die prozessbezogenen Kompetenzen stehen bei uns auch im Kerncurriculum.

  • Joker13 Was du da als Modellierung zitierst, ist bei uns natürlich auch Bestandteil des Lehrplans. Das heißt ja zu deutsch nur, dass du eine komplexere Textaufgabe lösen können sollst und dich über den Lösungsprozess und seine Mängel äußern kannst, wie wir das gerade bei den Planeten getan haben. Es ist dort nirgends erwähnt, dass du eine Funktion in Messwerte fitten können sollst.


    Bei der zitierten Pisa-Aufgabe geht es aber darum. In Sachsen im Mathematikunterricht ist das in der Realschule nicht Bestandteil des Lehrplans (wir nutzen auch nur einen ganz einfachen Taschenrechner ohne Grafik) und meine Töchter haben das auf dem Gymnasium meines Erachtens auch nicht gemacht. Um das richtig zu machen, müssten ja Funktionenscharen betrachtet und Methoden wie kleinste-Quadrate gelehrt werden.


    Für die Pisa-Aufgabe reicht es natürlich, dass man das mal gesehen hat, und mit geeigneter IT-Unterstützung auf den Knopf gedrückt hat. Diese Erfahrung oder Nicht-Erfahrung testet aber auch nicht ernsthaft Mathe-Kompetenzen. Natürlich könnte ich auch den Hauptschülern antrainieren, solche Aufgaben richtig zu lösen. Statt zu rechnen spielen wir dann Kahoot: Kreuze das richtige an.


    Hier die entsprechende Aufgabe:


  • Um das richtig zu machen, müssten ja Funktionenscharen betrachtet und Methoden wie kleinste-Quadrate gelehrt werden

    Wird bei uns in den naturwissenschaftlichen Profilen genacht. Allerdings erst nach der 9. Klasse, also nach PISA. Modellieren können unsere Neuntklässler*innen ganz sicher gar nichts. Die gucken mich in der 10. Klasse alle sehr zuverlässig sehr dumm an, wenn ich in der Physik anfange, Ausgleichsgeraden zu zeichnen.

Werbung