Bilinguale Erziehung - Erfahrungen und Tipps?

  • Hallo zusammen,

    mein Mann und ich freuen uns sehr, dass in ein paar Monaten voraussichtlich unser erstes Kind auf die Welt kommen wird und möchten es gerne von Anfang an zweisprachig erziehen (Deutsch und die Erstsprache meines Partners).

    Aus meiner DaF-Weiterbildung und dem Studium kenne ich ein paar theoretische Ansätze zu dem Thema, aber die Praxis (gerade beim eigenen Kind 😅) ist ja doch noch mal etwas Anderes. Daher würde ich mich über Erfahrungsberichte oder Tipps der Eltern unter euch in ähnlicher Situation freuen, gerne aber auch von Personen, die selbst bilingual aufgewachsen sind oder von erfahrenen Sprachlehrkräften!

    Was mich z.B. interessieren würde:

    - Seid ihr nach dem Prinzip "One Person, one language" vorgegangen? Falls ja, wie waren eure Erfahrungen und wie geht man bei Gesprächen zu dritt anfangs damit um, wenn man selbst als Elternteil die Erstsprache des anderen Elternteils leider nicht/kaum spricht?


    - Wie habt ihr im Alltag dafür gesorgt, dass euer Kind die zweite Sprache auch außerhalb der Familie (spielerisch) ausprobieren kann? Was kam gut an?

    - Würdet ihr sagen, euer Kind spricht beide Sprachen in etwa gleich gut? Hat es sich irgendwann mal überfordert gefühlt oder genervt gezeigt vom bilingualen Aufwachsen oder war es eher etwas Normales?

    Lieben Gruß

    Winterblume

  • Ich bin nach dem System "one person, one language" aufgewachsen.

    Außerhalb des Elternhauses gab es leider keine Möglichkeit zur Verwendung meiner "Vatersprache".

    Ich spreche die "Muttersprache" wie meine Muttersprache, die "Vatersprache" daher nur so gut, dass native speakers nach etwas Zeit merken, dass es nicht meine Muttersprache ist.

  • ich kann nur von meinem Patenkind berichten, dass zu Hause „chinesisch“ aufwächst, aber eben in Deutschland. deswegen kann ich deine Fragen nicht wirklich beantworten, aber zumindest meine Erfahrung als Patentante berichten.

    Die Eltern sprechen sehr konsequent innerhalb der Familie nur in ihrer Muttersprache untereinander und mit den Kindern, so ist es wahrscheinlich am natürlichsten fürsie. Die Kinder sind mit einem Jahr dann ganztags in den Kindergarten gekommen, und so blieb es bis zur Einschulung.Dort wurde natürlich nur deutsch gesprochen. Das größere der Kinder hat eine Zeit lang eine chinesisch Schule besucht, um Schriftzeichen und so weiter zu erlernen. Es ist aber hochbegabt, so dass man das vielleicht nicht als Vergleich heranziehen kann. Mein Eindruck ist, dass vor allem der intensive Sprach Kontakt tagsüber, das Vorlesen durch deutsche Muttersprachler und viel Übung dafür gesorgt hat, dass die beiden Kinder altersentsprechend beide Sprachen sehr gut sprechen. Natürlich gibt es im deutschen manchmal Probleme mit Dativ und Akkusativ und so weiter, aber beim großen Kind sieht man, dass es sich relativ „gut auswächst“. - Bezüglich des Chinesischen muss man aber dazu sagen, dass die Eltern keinerlei Zugeständnisse gemacht haben, wenn die Kinder sich geweigert haben, Chinesisch zu sprechen. Ich glaube, das fällt manchen Eltern sehr schwer, wenn sich das Kind plötzlich verweigert und nicht mehr antwortet… und dann wechseln sie in die Sprache, die dem Kind gerade lieber ist. Dies ist zumindest meine Beobachtung.

    • Offizieller Beitrag

    Eine Freundin von mir kommt aus Ungarn und hat ihre Kinder bilingual erzogen.
    One person one language.
    Kompromisslos.
    Und Kontakt zu anderen Ungarn, auch außerhalb der Familie / Großeltern, gesucht.
    Die Kids sind tatsächlich ziemlich perfekt zweisprachig, aber es war schwer für den Vater, der kein Wort Ungarisch sprach (und es ist halt keine Sprache, die man nebenbei aufschnappt) und weiterhin nur rudimentäre Grundlagen hat.

    Ein Freund wiederum ist in Bulgarien mit einer deutschen Mutter aufgewachsen. Er hat ab ca. 4-5 Jahren kaum noch auf Deutsch geantwortet, sie hat es ziemlich konsequent durchgezogen. Mit 16 kam er (zum ersten Mal) nach Deutschland und nach drei Monaten war sein passiver Wortschatz aktiviert.

    Ich vermute, dass es für "die Mutter hat die Fremdsprache" (was häufiger der Fall ist) einfacher ist. Und leider ist der mir bekannte umgekehrte Fall tatsächlich nicht sehr erfolgreich, obwohl der Vater zuhause ist und also einen Großteil des Alltags meistert. Papa Japaner, aber sehr schweigsam. Oft spricht er (sehr schlechtes) Deutsch mit dem Kind. Das Kind hat japanische Impulse durch Animes, Anrufen/Sprachnachrichten zu den Großeltern, ... alles bisher rein oral.
    Das Kind (4 Jahre alt) spricht perfekt Deutsch in der Kita und mit Deutschen, einigermaßen passendes Japanisch für sein Alter und mit dem Papa spricht er schlechtes Deutsch. Was ich sagen will: er hat schon verstanden, dass der Papa eine andere Sprache spricht und antwortet ihm in seiner Sprache. Nicht Japanisch sondern Deutsch mit falscher Aussprache und komischer Grammatik ...

    Eure Zweitsprache ist eine kleine und hauptsächlich orale Sprache oder? Zusätzlich zu "one person one language" gibt es ja auch "Örtliche Verankerungen"... Also in diesem Zimmer oder bei einigen Ritualen, usw.. Während der Kindheit würde ich alles an Kindersendungen / Kinderbüchern in der Sprache suchen, die ich kann. Im Kindergarten kommt es auch auf Deutsch...
    Wenn es Englisch sein sollte, ist es einfacher, weil es mehr Sachen gibt.

  • Guten Morgen,

    danke für eure Antworten; ich fand es sehr spannend zu lesen, wie unterschiedlich die (persönlichen oder im Umfeld mitbekommenen) Erfahrungswerte sind!

    Ragnar Danneskjoeld:

    Das empinde ich schon als ein prima Niveau in Bezug auf deine "Vatersprache", vor allem, wenn du sie damals nur daheim sprechen konntest.

    Würdest du dir wünschen, dass native speakers keinen Unterschied mehr bemerken oder bist du zufrieden so, wie es ist?

    mutterfellbach:

    Regelmäßiges Vorlesen, Vorsingen etc. in beiden Sprachen haben wir uns auch fest vorgenommen.

    Chinesisch und Deutsch parallel zu lernen ist sicher eine besondere Herausforderung wegen der großen Unterschiedlichkeit der Sprachen, beeindruckend, dass es so gut klappt!

    chilipaprika:

    Genau, wenn man "one person, one language" konsequent umsetzen will, stelle ich mir die Kommunikation unter uns dreien eben sehr schwierig vor, weil ich leider nicht fit genug bin in der Erstsprache meines Mannes (trotz diverser Versuche und eigentlich Freude am Sprachenlernen) 😶 Vielleicht sollte ich noch mal einen intensiveren Versuch starten bis zur Geburt ...

    Mein Partner ist Arabisch-Muttersprachler. Diesbezüglich haben wir noch das "Problem" in puncto Sprachenlernen, dass es ja einmal das moderne Hocharabisch gibt, welches im normalen Alltag für Gespräche aber nicht verwendet wird, sondern nur in formellen Kontexten und in gedruckter Form, und dann eben die jeweilige landestypische Variante ...

    Wir möchten unserer Tochter auf jeden Fall die landestypische Variante beibringen, damit sie mit Oma, Opa, Cousinen und Co. via WhatsApp gut kommunizieren und bei Besuchen im Heimatland meines Mannes auch diesen Teil seiner und ihrer Kultur und Identität kennenlernen kann.

    Mein Partner würde der Kleinen auch gerne Hocharabisch beibringe. Ich fände das prinzipiell auch schön, weiß nur nicht, ob das nicht insgesamt doch ein bisschen zu viel wäre (zumindest im sehr jungen Alter).

    Ich empfinde es schon als anspruchsvoll, die Landesvariante zu lernen, da sie ja fast ausschließlich nur mündlich vermittelt wird und es keine oder kaum Kinderbücher, Grammatikübungen usw. dazu gibt.

    (Mag aber auch nur mein persönliches Empfinden sein, weil ich einfach kein auditiver Lerntyp bin und immer Visuelles brauche.)

    Sollte man Hocharabisch beibringen wollen, stellt sich dann noch die Frage, ob auch das Schreiben ...

    Kinderlieder, Kinderserien etc. gibt es aber zum Glück und wir hätten auch ein paar Kinder befreundeter Paare in der Umgebung, sodass die Kids zusammen spielen und die Sprache dabei ausprobieren könnten 😊

    Das mit den Verankerungen im Raum finde ich eine tolle Idee, danke für den Impuls.

  • Das Kind (4 Jahre alt) spricht perfekt Deutsch in der Kita und mit Deutschen, einigermaßen passendes Japanisch für sein Alter und mit dem Papa spricht er schlechtes Deutsch. Was ich sagen will: er hat schon verstanden, dass der Papa eine andere Sprache spricht und antwortet ihm in seiner Sprache. Nicht Japanisch sondern Deutsch mit falscher Aussprache und komischer Grammatik ...

    Darüber musste ich gerade echt lachen. :D

Werbung