Schwarmwissen gefragt: Schreibwerkzeuge, die den Schreibprozess beeinflussen

  • Hallo,

    zwischendurch etwas ganz anderes: Ich suche konkrete Vorgänge, bei denen das Schreibwerkzeug den Schreibprozess beeinflusst (hat). Wie zum Beispiel, dass sich Johannes M. Simmel 20 Triumph Gabriele auf Lager gelegt hat oder Jack Kerouac Endlospapier genutzt hat. Dazu kann aber auch gehören, dass man bei Aufzählungen auf das Leerzeichen nach dem Spiegelstrich verzichtet, weil sonst das Programm die Listenfunktion starten würde.

    Kennt Ihr Autoren oder Autorinnen, bei denen das Papier, der Stift, das Textprogramm das Ergebnis beeinflusst hat?

  • Mich. Ich habe seit jeher eine Abneigung gegen das handschriftliche Schreiben. Das hat sich erst verbessert, als ich in meiner jetzigen Schule den Schneider Xpress Fineliner entdeckt habe. Seitdem füge ich meinen Korrekturen viel mehr erklärende/ergänzende Worte hinzu.

    Zählt das? ;)

  • Sehr spannendes Thema, Ich bin gespannt, was hier noch so kommt. Kerouac ist mir natürlich auch sofort eingefallen.

    Es gibt ja mehrere Autoren, die Loblieder auf ihre mechanischen Schreibmaschinen singen. Von Paul Auster gibt es ein Buch "The Story of my Typewriter", illustriert von Sam Messer. Seine "Olympia" wird auch in mehreren seiner Romane erwähnt, da er eine Alter Ego Persona von sich selbst ja gern mal in die Handlung einschreibt. Ich glaube, von Max Frisch gibt es auch Äußerungen zu seiner Schreibmaschine.

    Evtl. schreibt Stephen King in "On Writing" etwas darüber, wie die Wahl des Schreibwerkzeugs seinen Prozess beeinflusst, oder Juli Zeh in ihrem "Treideln". Da könntest du mal nachsehen. Benedikt Wells hat ja jüngst seine eigene Version von Kings "Werkzeugkasten" herausgebracht, kann natürlich sein, dass er sich darin auch äußert.

    Ein wenig abseitiger: Von einer Führung durch die Ausstellung zum "20. Jhdt." im Literaturarchiv Marbach kann ich mich vage erinnern, dass der Fokus auf Kurzgeschichten nach 1945 (Böll, Borchert, Lenz, Aichinger und wie sie alle heißen) sehr viel mit der Papierknappheit nach dem 2. WK zu tun hatte. Wie gesagt, sehr vage Erinnerung, vielleicht bringe ich da etwas durcheinander, die Führung ist auch schon 30 Jahre her, aber in die Richtung könnte man mal recherchieren.

    Ich habe so das Gefühl, man müsste noch viel mehr Beispiele finden können, aber ich komme einfach nicht drauf. Vielleicht "Zettels Traum" von Arno Schmidt, das ja wohl aus Notizzetteln entstanden ist und erst im Nachgang die Shakespeare Referenz als Titel bekommen hat?

    Darf ich fragen, wofür du diese Beispiele sammelst? Wie gesagt, ich finde das sehr spannend.

  • Über Agatha Christie heißt es, dass sie viele ihrer Entwürfe auf einfache Notizblöcke geschrieben habe, nicht auf hochwertigeres Papier, weil der geringe Wert sie hemmungsloser experimentieren ließ.

    Nicht Schreibwerkzeug, aber Schreibart: Hemingway soll stehend an der Schreibmaschine geschrieben haben, wenn er sich zu klarem, kraftvollem Ausdruck zwingen wollte.

    Douglas Adams nutzte einen Apple Computer. Das soll teils zu Verzögerungen beim Schreiben geführt haben, weil er sich davon ablenken ließ, mit der Software zu experimentieren.

  • Noch zwei Ergänzungen:

    Sowohl Jennifer Eagan als auch David Mitchell haben mit dem Format von "Twitter", damals noch mit der extremen Zeichenbegrenzung, als Formatvorlage expermimentiert:

    https://www.newyorker.com/magazine/2012/06/04/black-box

    https://www.theguardian.com/books/2014/jul…ter-short-story

    Daniel Kehlmann ist während der Pandemie einer Einladung ins Silicon Valley gefolgt, wo er gemeinsam mit einer K.I. eine Kurzgeschichte schreiben sollte. Das war vor der großen KI Zeitenwende mit ChatGPT und in dem Büchlein "Mein Algorithmus und ich" beschreibt er das Erlebnis und warum das Experiment gescheitert ist. Eine Fortsetzung wäre jetzt, nach den Entwicklungen der letzten zwei Jahre, sehr spannend,

  • Noch eine Ergänzung, so langsam fallen mir die Beispiele ein - obwohl das vielleicht auch nicht ganz das ist, was du mit "Schreibwerkzeug" meinst.

    Ingeborch-Bachmann-Preis-Gewinner und Ehemann von Marianna Leky Tilman Rammstedt hat vor ein paar Jahren auf Einladung eines Verlages (Hanser?) einen Fortsetzungsroman in Form eines Blogs geschrieben. Zahlende User konnten jeden Tag ein Kapitel lesen und, wenn ich mich richtig erinnere, in den Kommentaren Vorschläge machen, wie es weiter geht. Er hat die dann wohl auch in die weitere Handlung eingebaut.

    Ergebnis war der völlig absurde aber extrem komische Roman "Morgen mehr".

  • Interessant in diesem Zusammenhang vielleicht auch die Frage nach Tagebüchern und ihrem Verwendungszweck:

    Anne Frank, die nur für sich geschrieben hat, u.a. auch aus der Isolation im Annex heraus.

    Kafka, der auch für sich geschrieben hat, dabei aber irgendwie schon deutlich bewusst "literarischer" geworden ist.

    Max Frisch, der seine Tagebücher deutlich mit dem Ziel der Veröffentlichung geschrieben hat.
    Viktor Klemperer ???

  • Ingeborch-Bachmann-Preis-Gewinner und Ehemann von Marianna Leky Tilman Rammstedt hat vor ein paar Jahren auf Einladung eines Verlages (Hanser?) einen Fortsetzungsroman in Form eines Blogs geschrieben. Zahlende User konnten jeden Tag ein Kapitel lesen und, wenn ich mich richtig erinnere, in den Kommentaren Vorschläge machen, wie es weiter geht. Er hat die dann wohl auch in die weitere Handlung eingebaut.

    Ergebnis war der völlig absurde aber extrem komische Roman "Morgen mehr".

    Das geht zwar mehr in die Richtung „Kollektives Schreiben“, das interessiert mich aber auch.

  • Darf ich fragen, wofür du diese Beispiele sammelst? Wie gesagt, ich finde das sehr spannend.

    Es geht um eine Art Komponisten-Kollektiv, bei denen die Schreibwerkzeuge großen Einfluss auf das Ergebnis haben. Da das in der Musik aber noch so gut wie gar nicht erforscht ist, nähere ich mich über die literarische Seite.

  • Vielleicht das noch:

    Bei Shakespeare wurden die Textzeilen der einzelnen Rollen auf zusammengerollte Papierstreifen (daher der Begriff "Rolle" im Theater) geschrieben, um Papier zu sparen. Jeder Schauspieler hat nur seine eigenen Textzeilen und die entsprechenden Stichwörter bekommen.

    In der Folge hat das dazu geführt, dass die ersten, inoffiziellen Shakespeare Publikationen, die sog. Quartos, oftmals massiv verfälscht waren, da den "illegalen" Herausgebern bspw. nur die Textrolle einer Nebenfigur vorlag (- die der Herausgeber oft selbst gespielt hat -) und die anderen Textzeilen zumindest zum Teil aus dem Gedächtnis ergänzt wurden.

    Ich meine, das habe ich in Bill Brysons phänomenaler Shakespeare Bio gelesen oder in Ben Crystals hervorragendem "Shakespeare in Toast".

  • Es geht um eine Art Komponisten-Kollektiv, bei denen die Schreibwerkzeuge großen Einfluss auf das Ergebnis haben. Da das in der Musik aber noch so gut wie gar nicht erforscht ist, nähere ich mich über die literarische Seite.

    Ah, ok. Ich sehe schon, da sind meine Beispiele so gar nicht zielführend. Sorry :engel:

  • Bei Shakespeare wurden die Textzeilen der einzelnen Rollen auf zusammengerollte Papierstreifen (daher der Begriff "Rolle" im Theater) geschrieben, um Papier zu sparen. Jeder Schauspieler hat nur seine eigenen Textzeilen und die entsprechenden Stichwörter bekommen.

    Das kenne ich auch noch von manchen Bühnenwerken zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

  • Goethe hat sein Wanderers Nachtlied "Über allen Gipfeln ist Ruh'" an die Wand einer Wanderhütte geschrieben.

    Ich meine, es gab eine Geschichte über eine Gaststätte in Würzburg, der "Stachel", wo er auf der Durchreise ein Gedicht auf ein Tischtuch geschrieben habe, aber da bin ich mir nicht mehr ganz sicher.

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