Herleiten im Matheunterricht

  • Ich mache mal ein Beispiel am Satz des Thales: Setzt man in der bekannten Beweisfigur (Thaleskreis, Dreieck, zusätzliche Linie von C zu M) einen konkreten Winkel für alpha ein (etwa 33°), so sollten alle Schüler in der Lage sein, durch anwenden bekannter Sätze (Winkelsumme, Basiswinkel in Gleichschenkligen Dreiecken) die übrigen Winkel zu berechnen.


    Beim Hauptlehrstoff sollte der Lehrer den Beweis an der Tafel vorführen und die Schüler nur gelegentlich ergänzen lassen. Es geht sonst zuviel Zeit verloren. Hier gibt es ein Beispiel dazu. Üben können die Schüler an geeigneten Übungsaufgaben.


    Zitat

    Die starken Schüler nehmen nicht 33°, sondern rechnen allgemein mit Alpha.


    Ein Einzelbeispiel ist kein Beweis, das muß der Lehrer immer wieder deutlich machen. Es muß immer allgemein gerechnet werden.

  • Ein Einzelbeispiel ist kein Beweis, das muß der Lehrer immer wieder deutlich machen. Es muß immer allgemein gerechnet werden.

    Da spielt sicher auch die Schulform eine Rolle. Im Gymnasium würde ich eine allgemeine Betrachtung des mathematischen Sachverhalts erwarten, in der Haupt- und je nach Schwere des Stoffes auch in der Realschule würde ich mich mit exemplarischen plastischen Beispielen bereits zufrieden geben. Im Falle des Satz des Thales ist es in meinem Bundesland so, dass der schon gar nicht mehr in der Hauptschule dran kommt. Laut Curriculum wird die Behandlungsweise des Satz des Thales für die Realschule und das Gymnasium nicht näher spezifiziert, wobei klar sein dürfte, dass es in der Realschule eher um Anschaulichkeit und im Gymnasium entsprechend um tiefergehendes mathematisches Verständnis geht.

  • Einige Schüler bekommen es heute nicht einmal mehr auf die Reihe "Rezepte" nachzurechnen... D.h. man rechnet an der Tafel vor und die Schüler sollen das exakt gleiche Vorgehen bei einer neuen Aufgabe anwenden... Klappt in den wenigsten Fällen... Und dann soll ich mit denen Beweise durchrechnen? Da steigen doch 95% der Klasse nach den ersten zwei Minuten aus!


    Das ist doch für ein mathematisches Verständnis nicht zielführend!


    Bei uns gilt das Credo, den Stoff an Alltagsproblemen verständlich zu machen und den Schülern quasi einen "Werkzeugkasten" zu Verfügung zustellen mithilfe dessen sie diese Probleme lösen können.

  • Bei uns gilt das Credo, den Stoff an Alltagsproblemen verständlich zu machen und den Schülern quasi einen "Werkzeugkasten" zu Verfügung zustellen mithilfe dessen sie diese Probleme lösen können.

    Jupp, dito. Ich bleibe dabei: Ein mathematischer Beweis wird von vermutlich keinem Kollegen hier wirklich geführt (wenn ich schon sehe, dass Kollegen "beweisen", indem sie ein oder zwei Beispiele rechnen lassen). Er ist auch absolut nicht notwendig. Wenn Schulmathematik schon so bei vielen den Eindruck hinterlässt, nichts fürs Leben zu bringen, dann erreicht man mit echten mathematischen Beweisen, die außer der minimalen Anzahl an Mathematikstudenten später kein Mensch benötigt, sicherlich nicht viel.


    Ehrlich gesagt hoffe ich, dass die Kollegen genauso viel Hirnschmalz in anwendungsbezogene, schülerspezifische Aufgabenstellungen stecken. Meiner Erfahrung erreicht man mit einer Kombination aus diesen Aufgaben und der Möglichkeit, durch Anwenden von Kochrezepten zu rechnen bei den Schülern das Meiste. Im Übrigen zeigen meiner Meinung nach gerade Kochrezepte die Systematisierbarkeit der Mathematik besser als jeder abgehobene Beweis.

  • Einige Schüler bekommen es heute nicht einmal mehr auf die Reihe "Rezepte" nachzurechnen...

    ... weil sie zu faul sind. Ist jedenfalls meine Erfahrung am Gymnasium. Eine Mehrheit meiner SuS lässt schlicht und ergreifend an Leistungsbereitschaft zu wünschen übrig.

  • Dazu denke ich häufig an meine eigene Schulzeit zurück:
    Als Schüler: Das kapiere ich nicht. Hoffentlich komme ich nicht dran.
    Erst später als Student: Das kapiere ich nicht. Was muss ich tun, um es zu kapieren?


    Sarek

  • ... weil sie zu faul sind. Ist jedenfalls meine Erfahrung am Gymnasium. Eine Mehrheit meiner SuS lässt schlicht und ergreifend an Leistungsbereitschaft zu wünschen übrig.

    Bei uns am BG liegt es leider oft gerade NICHT an der Leistungsbereitschaft... Ich habe Schüler in jeder Klasse, die reißen sich buchstäblich den A**** auf... Da reicht es aber leider intellektuell nicht. Ist immer sehr schade, das zu sehen, aber bei Manchen reicht es einfach nur zum MBA.

  • Ist doch auch nicht schlimm - gerade dafür gibt es ja das mehrgliedrige Schulsystem. Es muss (und soll) ja nicht jeder Abitur machen.

  • Da spielt sicher auch die Schulform eine Rolle. Im Gymnasium würde ich eine allgemeine Betrachtung des mathematischen Sachverhalts erwarten, in der Haupt- und je nach Schwere des Stoffes auch in der Realschule würde ich mich mit exemplarischen plastischen Beispielen bereits zufrieden geben. Im Falle des Satz des Thales ist es in meinem Bundesland so, dass der schon gar nicht mehr in der Hauptschule dran kommt. Laut Curriculum wird die Behandlungsweise des Satz des Thales für die Realschule und das Gymnasium nicht näher spezifiziert, wobei klar sein dürfte, dass es in der Realschule eher um Anschaulichkeit und im Gymnasium entsprechend um tiefergehendes mathematisches Verständnis geht.

    Du hast Grundschullehramt studiert, weil du keinen einzigen fachlichen Schein im Gymstudium Mathe hinbekommen hast. Wenn einer keine Ahnung von formalen Beweisen hat, dann du.

  • Meiner Erfahrung nach kann man echte formale Beweise auch im Mathe-Lk komplett vergessen. Interessieren praktisch niemanden, verstehen will es auch kaum jemand. Beweise sind zwar etwas Schönes, aber wirklich brauchen tut man sie nicht, auch nicht als Abiturient.


    Ich habe neulich versucht, mit meinen Mathe-Gklern die Gleichheit der Mengen der natürlichen und rationalen Zahlen zu beweisen - Ging ordentlich in die Hose. Dabei ist das so eine schöne Mathe-Spielerei!

  • Ist doch auch nicht schlimm - gerade dafür gibt es ja das mehrgliedrige Schulsystem. Es muss (und soll) ja nicht jeder Abitur machen.

    Plattitüde Nr. 269b. Herleiten heißt verstehen. Und selbstverständlich gibt es auch an Haupt- und Realschulen Kinder, die verstehen, was sie da machen. Im Idealfall strebt man das im Unterricht zumindest an, egal welcher Abschluss das Ziel ist.

  • Meiner Erfahrung nach kann man echte formale Beweise auch im Mathe-Lk komplett vergessen. Interessieren praktisch niemanden, verstehen will es auch kaum jemand. Beweise sind zwar etwas Schönes, aber wirklich brauchen tut man sie nicht, auch nicht als Abiturient.


    Ich habe neulich versucht, mit meinen Mathe-Gklern die Gleichheit der Mengen der natürlichen und rationalen Zahlen zu beweisen - Ging ordentlich in die Hose. Dabei ist das so eine schöne Mathe-Spielerei!

    Ist leicht OT aber aus Neugierde - mit Cantors Diagonalargument?

  • Plattitüde Nr. 269b. Herleiten heißt verstehen. Und selbstverständlich gibt es auch an Haupt- und Realschulen Kinder, die verstehen, was sie da machen. Im Idealfall strebt man das im Unterricht zumindest an, egal welcher Abschluss das Ziel ist.

    Sorry, aber das stimmt (für Mathematik) einfach nicht:
    1.) Wenn das so wäre hätte ich (und Voldemort schreibt ja ähnliches) nicht auch im Mathe LK Schüler die Probleme mit formal anständigen Beweisen haben (die haben übrigens sehr, sehr viele Studenten an der Uni immer noch), die Schüler können aber trotzdem die Sätze anwenden und damit Aufgaben lösen.
    2.) Das Ganze dann an Haupt- und Realschulen zu verlangen, wenn's am Gymnasium im LK nur für eine (recht gute) Teilgruppe der Schüler verständlich ist, scheint mir dann einfach unnötige Überforderung der Schüler...ich hab in Grundkursen vielleicht 2-5 Leute die da noch mitkommen und ich behaupte mal ganz vermessen: An der Realschule hast du vielleicht 2, an der Hauptschule - falls überhaupt - einen der da irgendwas versteht. Dafür den Rest der Klasse mit einem "HÄ?" sitzen zu lassen und die Zeit nicht für Übung und Anwendung zu nutzen scheint mir Verschwendung wertvoller Zeit zu sein. Es gibt ein paar Ausnahmen bei sehr anschaulichen geometrischen Beweisen und viele algebraische Beweise (pq-Formel, etc.) kann man auch machen, aber bei denen gilt: zügig und nur eine Handvoll oder ausführlich und vielleicht die Hälfte der Klasse...und für das zweite hab ich echt nicht genug Stunden.
    3.) Mein alter Prof in Analysis hat irgendwann mal (es ging um die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in Übungsgruppen) gesagt: "Ob sie etwas verstanden haben sehen sie nicht daran, dass sie die Beweisführung der Sätze nachvollziehen oder dass sie die Aufgaben auf den Übungszetteln rechnen können. Aber wenn sie sich mit jemandem zusammen hinsetzen, der die Übungsaufgaben wirklich verstehen will und ihm es so erklären können, dass er sie lösen kann, dann haben sie es wirklich verstanden."

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • 3.) Mein alter Prof in Analysis hat irgendwann mal (es ging um die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in Übungsgruppen) gesagt: "Ob sie etwas verstanden haben sehen sie nicht daran, dass sie die Beweisführung der Sätze nachvollziehen oder dass sie die Aufgaben auf den Übungszetteln rechnen können. Aber wenn sie sich mit jemandem zusammen hinsetzen, der die Übungsaufgaben wirklich verstehen will und ihm es so erklären können, dass er sie lösen kann, dann haben sie es wirklich verstanden."

    Das möchte ich mal so unterstreichen.

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