Sind viele Seminarleiter inkompetent oder "Idioten"?

  • selbst GLEICHZEITIG "Fachleiter" und "Azubi" zu sein. Man unterrichtet, benotet, bewertet, maßregelt und weist die Schüler an - und man wird bewertet, angewiesen, (hoffentlich nicht gemaßregelt) und benotet. Man hat Macht und ist gleichzeitig machtlos.


    Schön auf den Punkt gebracht.


    Deinen Eindruck von der Referendars-Seite teile ich ebenfalls. Stellenweise guter Austausch, aber mehrheitlich genau dieser Unterton, der keine andere Sichtweise zulässt. Habe mich schnell von dort verabschiedet.

  • Ich habe diese Erfahrung nicht gemacht. Meine Seminarleiter waren vor zehn Jahren kompetent und umgänglich. Und was die Showstunden betrifft: Es ist wichtig, im Ref auch gerade solche Stunden zu zeigen. Man will ja zeigen, was man drauf hat. Ein Tischlerlehrling fertigt für seine Abschlussprüfung auch ein besonders exklusives Möbelstück her, wozu er im Arbeitsalltag vermutlich niemals mehr die Zeit haben wird. Ähnlich ist das mit den besonderen Unterrichtsstunden im Ref, die man nicht nur, aber immer mal wieder zeigen sollte.

    • Offizieller Beitrag

    Ich meine es wirklich so. Man lernt nur theoretisches Zeug, das in der Realität meistens nicht anzuwenden ist. Die meisten Seminarleiter sind arrogant, fachspezifisch totale Nieten (!), laden ihren Frust an den Referendaren ab. In anderen Ländern gibt es keinen Ref-Zirkus, das erste halbe Jahr in der Schule wird man betreut durch schulinterne Ausbilder und das war's. Keine Lehrproben, keine Stundenverlaufspläne, keine blöden Prüfungen mehr.


    Und wird gefeuert, wenn man Murks macht oder wenn der Boss der Meinung ist, dass man Murks macht oder wenn zu viele Eltern oder Schüler denken, dass du Murks machst. Man tauscht hier halt die Abhängigkeit von der Fachleitermeinung 2 Jahre lang gegen lebenslange Sicherheit. Darüber, ob DAS Sinn macht, könnte man allerdings in der Tat diskutieren. Ich würde eine ziemliche Summe darauf wetten, dass die allermeisten Referendare das deutsche System präferieren... :) ...

  • Sehr viele Seminarleiter haben keine Ahnung von der wissenschaftlichen Basis ihrer pädagogischen Theorien, und wurden auch nicht aufgrund ihrer entsprechenden empirisch-wissenschaftlichen Fachkompetenz befördert; respektive es fehlt ihnen die Reflexionsfähigkeit ihr Gebiet objektiv zu evaluieren.


    Meine Seminarlehrer waren sowohl fachlich fit, als auch pädagogisch-didaktisch voll auf der Höhe. Natürlich ist jemand, der sich u.U. seit 20 Jahren vorwiegend auf Schulniveau mit seinem Fachgebiet befasst, fachlich nicht mit jemandem zu vergleichen, der an der Uni arbeitet und immer auf der Höhe der fachwissenschaftlichen Diskussion ist. Wenn man ehrlich ist, spielt das aber für den Schulstoff der allermeisten Schularten, Jahrgangsstufen und Fächer nur eine untergeordnete Rolle.


    Zitat

    Die Bewertungskriterien bei Unterrichtsbesuchen und Lehrproben sind entsprechend schwammig


    Es mag bisweilen so sein (v.a. bei Unterrichtsbesuchen durch Fremdkommissionen), dass es auch ein wenig vom persönlichen Geschmack des Beurteilenden abhängt, ob ihm gefällt, was er da gesehen hat oder nicht. Unabhängig davon lassen sich sehr wohl valide, auch empirisch abgesicherte Kriterin guten Unterrichts beschreiben, auf deren Basis eine objektive Beurteilung von Unterricht möglich ist.


    Zitat

    hinzu kommt, dass auch unter Seminarleitern die charakterlich-emotionale Reife nicht immer auf hohem Niveau ist (nach welchen Kriterien werden diese dann bitte noch ausgesucht?). Klar, Idioten gibt es überall - auch unter Physikern - aber was man hier zum Teil liest ist ja hanebüchen.


    Richtig, Idioten gibt es überall. Und dann tritt der bekannte Effekt auf, dass sich eher derjenige beschwert, der negative Erfahrungen gemacht hat, als derjenige, der positive gemacht hat. Welche Motivation hätte denn jemand, bei referendar.de ins Forum zu schreiben, dass bei ihm alles super läuft, die Seminarlehrer professionell arbeiten und das Ref unterm Strich kein Problem ist/war? In Foren schreiben doch immer die, bei denen es Probleme gibt; deswegen sollte aber nicht der verzerrte Eindruck entstehen, dass ein Referendariat immer und überall ganz ganz schrecklich und furchtbar ist.


    Zitat

    seltsame "Feuerwerksstunden" bei den Lehrproben


    Das empfinde ich in der Tat auch als problematisch. Es gibt da die Argumentation, dass es um ein "Meisterstück" gehe, bei dem der Referendar alles zeigen soll, was er so draufhat. Wenn's nach mir ginge, würde ich mindestens eine der Lehrproben in der Art halten, dass das Thema erst zwei Stunden vor der Stunde bekannt gegeben wird und zur Vorbereitung ein PC mit Internetanschluss, ein Drucker, ein Schulbuch und das passende Lehrerhandbuch zur Verfügung steht. Dann sieht man, ob jemand sein Alltagsgeschäft beherrscht ;)


    Zitat

    offene Diskussionskultur


    ... war in meinem Ref überhaupt kein Problem, so lange sich jemand auch aufgeschlossen für die Hinweise der Seminarlehrer zeigte. Beratungsresistenz ist immer schlecht.

  • Betreff "Showstunden":
    Ich verstehe das Referendariat so, dass man viel ausprobieren soll - also eben auch Methoden, um mal die Fallstricke und wirklich passenden Anwendungsmöglichkeiten kennenzulernen. Und m.M. nach geht es weniger um das Gesellenstück, sondern mehr darum, dass ich mich wirklich intensiv (!) mit einer Stunden- (und idealerweise auch Reihen-)Planung auseinandersetze und die einzelnen Phasen, was jetzt wirklich ein Lernziel ist usw. durchdringe.
    Denn (und gleich schlagen mich die Referendare ;) ) im Referendariat habe ich dafür Zeit.
    Deswegen macht man ja weniger Stunden als mit voller Stelle.


    Und nur, wenn ich das Grundprinzip durchdrungen und verinnerlicht hab, kann ich später im Alltag auch vernünftige Stunden in deutlich kürzerer Zeit planen und somit wirklich alltagstauglich werden. Und nein, die Alltagsstunden sind natürlich nicht alle von a bis z automatisch und bei jedem sofort perfekt auf ein Lernziel abgestimmt, quasi automatisch. Aber eine bestimmte Fokussierung und auch Reduzierung wird natürlicher, welche Methode wirklich passt, welcher Anspruch für welche Lerngruppe etc pp. (Sage ich jetzt mal so als Vollzeitlehrer im fast 5. Jahr - da kommt bei mir natürlich auch noch einiges an Lernfortschritt auf mich zu - hoffe ich ;) )

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Zitat

    seltsame "Feuerwerksstunden" bei den Lehrproben


    Das empfinde ich in der Tat auch als problematisch. Es gibt da die Argumentation, dass es um ein "Meisterstück" gehe, bei dem der Referendar alles zeigen soll, was er so draufhat. Wenn's nach mir ginge, würde ich mindestens eine der Lehrproben in der Art halten, dass das Thema erst zwei Stunden vor der Stunde bekannt gegeben wird und zur Vorbereitung ein PC mit Internetanschluss, ein Drucker, ein Schulbuch und das passende Lehrerhandbuch zur Verfügung steht. Dann sieht man, ob jemand sein Alltagsgeschäft beherrscht ;)



    Ich habe unseren neuen Refs auch gesagt, dass sie das (gegen Ende/ Mitte des Refs) definitiv ausprobieren sollen, mit möglichst wenig Vorbereitung in eine Stunde zu gehen (also z.B. nur mit einer Buchseite oder so und einem Ziel), damit sie auch lernen, nicht nur an ihrer Vorbereitung zu kleben, sondern eben auch flexibel auf Situation und Schüler zu reagieren und dabei trotzdem das Ziel im Blick zu behalten. Aber damit kann nicht anfangen. ;)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Zu dieser Thematik habe ich auch gerade folgenden Blogpost gefunden (hey, es gibt eine bloggende Lehrercommunity):


    http://www.jochenenglish.de/?p=3851
    (zur Anmerkung: ich möchte mit dieser Verlinkung nicht dem Frontalunterricht das Wort reden)


    der mir das ganze etwas einleuchtender erscheinen lässt und den ich bei Zeit zur Lektüre empfehle... Ich denke es ist für (angehende) Referendare wichtig zu wissen, dass man unter Umständen in ein Seminar gerät, in dem sich ein Impetus für eine unpraktische Lehrmethodik etabliert hat; und das man selbst nicht unreflektiert Lehrmethoden bei seinem künftigen Lehrerdasein einsetzt - selbst falls sie als Standardmethoden im Seminar präsentiert werden.


    Aus der Sicht eines Noch-Nicht-Lehrers (und noch viel mehr Quereinsteigers) ist das natürlich alles andere als befriedigend. Man hat selbst nicht die Kompetenz und Erfahrung um die Sinnhaftigkeit - und dazu gehört eben die praktische Umsetzung an 27 Stunden ebenso wie die Effektivität - einer Methode abschließend einschätzen zu können. Und je nach Lehrer-Typ/Persönlichkeit können auch verschiedene Methoden bei verschiedenen Lehrern unterschiedlich gut funktionieren (jetzt einmal unabhängig von der didaktisch korrekten Implementierung). Aber ich gehe einmal davon aus, dass man sich ggf. an einem Stil orientieren kann, den auch die Fachkollegen an der Schule an den Tag legen...




    Gibt es eigentlich eine Art empfehlenswertes "Handbuch" für Lehrer, dass eine Zusammenfassung dessen liefert, was scheinbar oft *nicht* oder kaum im Seminar thematisiert wird? Also ganz praktische Dinge wie "Führen eines Klassenbuches", "Elterngespräche", "Klausurkorrekturen" etc. die man im Eifer der ersten Jahre vielleicht nicht auf dem Radar hat? Lehrer stellen schließlich ca. 1% der Gesamtbevölkerung...

  • Ich denke dieses Zitat vom Ende fasst es gut zusammen (ich empfehle übrigens auch die Kommentare nach dem post):


    " [...] ein Teufelskreis: Die Schüler erwecken bei den “Lehrproben” gegenüber den Ausbildern den Eindruck, sie würden die besagten Arbeitsformen bereitwillig akzeptieren, und die Ausbilder sind dann umso mehr von der Effizienz ihrer methodischen Ansätze überzeugt. So entsteht eine Lehrerausbildung, in der Referendare für das Bestehen ihrer “Lehrproben” ausgebildet werden. Danach aber sind sie oft schutzlos dem Unterrichtsalltag ausgeliefert. Denn jetzt nehmen die Schüler nicht mehr solche Rücksicht, die sie ihnen als Referendaren noch entgegengebracht haben."


    was uns wieder vor das Problem stellt, wie der angehende Lehrer über seine Methodik entscheiden soll. Die Seminare sollen eben bestenfalls basierend auf Empirie und Erfahrung ausbilden. Falls diese Empirie aber systematisch verfälscht ist (und der Seminarleiter das nicht erkennt), steht der Junglehrer erstmal dumm da - im Extremfall ist er mit seiner Unterrichtsvorbereitung völlig überlastet, während die Schüler gleichzeitig weit hinter dem Lehrplan zurück liegen.



    (wie Meike dargestellt hat gilt das nicht für alle Seminare, aber der Junglehrer kann nun einmal "gute" von "schlechten" Unterrichtskonzepten noch nicht aus eigener langjähriger Erfahrung unterscheiden - hier wäre ein einheitlicher Konsens zwischen allen Lehrerseminaren hilfreich. Zumindest würde das die Anhänger der einen oder anderen Methodik zwingen bei der Erarbeitung eines einheitlichen Lehrerausbildungslehrplanes mit wissenschaftlich-empirischer Basis zu argumentieren).

    • Offizieller Beitrag

    :grins: Sachmal, Nettmensch, hast du neben der Facheiter- noch ne Methodenphobie? Jetzt lass doch mal gut sein und sträub dich nicht schon im Vorneherein gegen alles/vieles. Sieh's doch einfach mal positiv und geh offen ran und begegne den Menschen und den Methoden erstmal offen und im Vertrauen, dass einige davon dir nützlich sein werden - und find nicht, bevor du überhaupt angefangen hast, so lange so viele Probleme, von denen nocht gar nicht klar ist, dass es für dich überhaupt welche werden, bis du schon mit säuerlicher Miene in den Job reingehst.


    Probier dich aus.
    Und urteile NACH und nicht vor dem Probieren.

    • Offizieller Beitrag

    Ich kann Meike nur zustimmen: Mach dich doch nicht im Vorfeld verrückt.


    Das, was im Ref sehr stressig ist, ist v.a. das Zusammenspiel der verschiedensten Faktoren und Menschen, auf die man mehr oder weniger Rücksicht nehmen muss (Kollegen, Ausbildungslehrer, Ako, Fachleiter, Schüler, Schulleitung, Eltern...) und den ganzen Anforderungen (gleichzeitig guten Unterricht machen, auf die Belange und Termine der Schule Rücksicht nehmen, Referate fürs Seminar halten, Unterrichtsbesuche vorbereiten, Klassenarbeiten korrigieren und und und). Schule an sich ist schon ein unheimlich komplexs System mit vielen Menschen, in dem man mit verschiedenen Eindrücken bombardiert wird. Und dazu kommt eben im Ref noch das Seminar.


    Dass bei der Vielzahl an Menschen, mit denen man zu tun hat, im Normalfall alles von supertollen Menschen bis hin zu schwierigen Charakteren dabei ist, liegt v.a. auch an der Anzahl der Menschen, mit denen man zu tun hat - allerdings ist das doch an der Uni, in der eigenen Schulzeit und auch in anderen Berufen nicht anders.


    Die andere Schwierigkeit des Systems (gleichzeitig Ausbilder und Azubi zu sein) hat Meike ja schon treffend geschildert.


    Bei mir gab es damals total nette und kompetente Menschen, aber auch einzelne Menschen, bei denen ich nicht viel gelernt habe (einer meiner Fachleiter). Aber es war eben nur einer. Und wir sind damals im Seminar gut zusammengewachsen und haben uns gegenseitig gut unterstützt.


    Was den Methodenschnickschnack betrifft: Einerseits sind die Fachleiter sehr unterschiedlich, manche wollen Alltagspädagogik, manche besonders viele laminierte Folien und Co. Allerdings habe ich irgendwo mal den Spruch gelesen, dass sinngemäß (ich weiß es nicht mehr genauer) nur der Koch im Alltag gut bestehen kann, der in der Lage ist, auch ein 5-Gänge-Menü zu erstellen. Dies ist doch in anderen Bereichen auch so, auch Handwerker machen doch zum Beispiel ein Gesellenstück. Und dadurch, dass man mal für die Schaustunden perfekt und aufwändig durchdachten Unterricht konzipiert hat, lernt man schon eine ganze Menge. Neben den Schaustunden muss man dann auch viel die Augen aufhaben und das Alltagsgeschäft (das ist v.a. das Drumherum wie zum Beispiel Umgang mit schwierigen Schülern, Elterngespräche, Verwaltungskram ohne Ende) lernen. Dies lernt man meiner Einschätzung nach v.a. durch den Alltag und durch erfahrene Kollegen und nicht aus Büchern.


    Mein Ref ist jetzt knapp 10 Jahre her und es war sehr stressig, weil es einfach viel Arbeit war und die dauerhafte Prüfungssituation doch sehr anstrengend war, manche Sachen waren überflüssig, andere gut, aber im Nachhinein denke ich schon, dass viele Sachen, die ich dort gelernt habe, mich ausreichend auf den Schulalltag vorbereitet haben. Die anderen Sachen habe ich dann in der Praxis oder eben durch erfahrene Kollegen gelernt.


    Schaustunden wie damals kann ich natürlich im Alltag nicht halten, aber ich habe dadurch gelernt, wie ich eine Stunde gut planen und durchdenken kann und nutze im Alltag eben nur einzelne Elemente der damaligen Stunden.


    Mach dich doch nicht im Vorfeld verrückt und lies doch nicht die Horrorberichte im Netz.


    Bei uns ist damals nur eine Person durchgefallen (oder war sehr schlecht, so genau weiß ich das nicht mehr), die anderen 50-60 Leute haben es alle geschafft.


    Und ich habe mal an einer Schule eine Person erlebt, die es nicht geschafft hat (kam gar nicht bis zur Prüfung): Das war ein Seiteneinsteiger, der in der Schule wirklich völlig falsch war und überhaupt nicht vor einer Klasse stehen konnte.

  • Probier dich aus.
    Und urteile NACH und nicht vor dem Probieren.


    So isses.
    Oder wie Kretsch sagte / bzw, ihm ergänzend in den Mund gelegt wurde:
    "Nun schaun wir mal, was klappt. Was wir machen, wenn's nicht klappt, überlegen wir uns dann, wenn's nicht klappt. Das klappt immer..."


    http://www.stuttgarter-zeitung…be-84ba-7ce16028de35.html

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • - sehr viele Seminarleiter haben keine Ahnung von der wissenschaftlichen Basis ihrer pädagogischen Theorien, und wurden auch nicht aufgrund ihrer entsprechenden empirisch-wissenschaftlichen Fachkompetenz befördert; respektive es fehlt ihnen die Reflexionsfähigkeit ihr Gebiet objektiv zu evaluieren. Ideologie zählt mehr als Empirie.

    "Wissenschaftliche Basis" alleine ist schon ein Witz für Naturwissenschaftler. Mir ist in der gesamten vom Studienseminar geforderten sog. "Fachliteratur" (die zudem durchgängig deutsch war und nur deutsche Quellen zitiert hat, also ob es außerhalb Deutschlands keine pädagogische Forschung gäbe) kein einziger auch nur im geringsten empirisch abgesicherter Artikel untergekommen. Die Veröffentlichungen bestehen praktisch durchweg aus "A fordert", "nach B gibt es ... Lerntypen", "C nennt..." usw.


    Auch das restliche Niveau der sog. Fachartikel ist z.T. unterirdisch. Triviale Tatsachen lang erläutert, mehrfache Wiederholungen identischer Aussagen im selben Artikel usw. sind an der Tagesordnung.


    Die wenigen Empiriker haben in Dtld. kaum Chancen, Helmke, einer der wenigen von ihnen, stellt dann auch treffend fest:
    "Im deutschen Sprachraum ist - vor allem bedingt durch die inder Pädagogik vorherrschende geisteswissenschaftliche Orientierung - empirischeUnterrichtsforschung Mangelware . Es gibtzahlreiche Praxisberichte, theoretische Werke, Modellversuchsberichte, Ratgeberund erbauliche Schriften über Unterricht,aber nur wenige empirische Untersuchungen, deren Stichprobenplan , Design und statistische Auswertung methodischen Standardsentspricht."



    - die Bewertungskriterien bei Unterrichtsbesuchen und Lehrproben sind entsprechend schwammig (bei einer Diplomprüfung in Physik dagegen weiß man woran man ist - es gibt einigermaßen objektive Bewertungsmaßstäbe die nur sehr beschränkt im Ermessen der Prüfer liegen und es muss ohnehin alles genau protokolliert werden)

    Genau so ist es meiner Erfahrung nach. Ich habe Prüfungsstunden gesehen, in denen kaum ein Schüler etwas verstanden hat, die aber wegen des tollen Arrangements und der schönen selbstgebastelten Materialien mit "sehr gut" bewertet wurden und umgekehrt.


    Gut benotet wird in der Regel ein bestimmter "kinderlieber" und "folgsamer" Referendarstypus, der extrem hohen Material-, Kopien- und Vorbereitungsaufwand treibt.
    Die Kompetenz, einen physikalischen Zusammenhang gut zu erklären, wurde während meines Referendariats nicht einmal besprochen, geübt oder geprüft. Dies war schlicht irrelevant.


    - hinzu kommt, dass auch unter Seminarleitern die charakterlich-emotionale Reife nicht immer auf hohem Niveau ist (nach welchen Kriterien werden diese dann bitte noch ausgesucht?). Klar, Idioten gibt es überall - auch unter Physikern - aber was man hier zum Teil liest ist ja hanebüchen.

    Auch dies entspricht voll und ganz meinen Erfahrungen. Da dafür nicht nachweislich erfolgreiche Kollegen abgeordnet werden, sondern sich die Kollegen selber bewerben (Die Frage sei erlaubt, warum man sich von der Schule weg bewirbt...), finden sich, vorsichtig gesagt, nicht die Besten. Neurotiker, Alkoholiker, entrückte Gutmenschen, alles geht...

    - das führt zu einer Lage, bei der ein Seminarleiter völlig realitätsferne Unterrichtskonzepte fordert und/oder einzelne Seminarteilnehmer aufgrund rein emotionaler Unliebsamkeit schlecht bewertet

    Besonders krass ist es, wenn Kollegen, die schon einige Zeit als angestellte Lehrer gearbeitet haben, verbeamtet werden wollen und dafür im Studienseminar mit den Fachseminarleitern konfrontiert werden. Basses Erstaunen, Entsetzen, Fassungslosigkeit beschreibt, was diese Kollegen nach den ersten "Fachseminaren" hinter vorgehaltener Hand äußern.

    - die Folge sind Duckmäusertum im Seminar und seltsame "Feuerwerksstunden" bei den Lehrproben

    Natürlich. Da ja jeder schnell begreift, dass die Kriterien wachsweich sind und ein Fachseminarleiter jeden nach Gutdünken durchfallen oder bestehen lassen kann, ist das Einzige, was den Referendaren bleibt, eine breite Schleimspur hinter sich her zu ziehen. Angst beherrscht die Atmosphäre, weil die Fachseminarleiter ja letztlich über die Zukunft der Referendare entscheiden.




    PS: Ich rede nicht so, weil ich durchgefallen wäre, sondern habe im Gegenteil mit sehr guter Note bestanden. Dennoch war das Referendariat die besch... Zeit meines Lebens. Aber: Es lohnt sich, der Beruf ist schön :)
    Man sollte sich aber als Naturwisschenschaftler darauf einstellen, mit einer Welt konfrontiert zu werden, die man möglicherweise vorher nicht kannte und deren Geist mich oft an mittelalterliche voraufklärerische Zeiten erinnerte.

  • "Wissenschaftliche Basis" alleine ist schon ein Witz für Naturwissenschaftler. Mir ist in der gesamten vom Studienseminar geforderten sog. "Fachliteratur" (die zudem durchgängig deutsch war und nur deutsche Quellen zitiert hat, also ob es außerhalb Deutschlands keine pädagogische Forschung gäbe) kein einziger auch nur im geringsten empirisch abgesicherter Artikel untergekommen. Die Veröffentlichungen bestehen praktisch durchweg aus "A fordert", "nach B gibt es ... Lerntypen", "C nennt..." usw.


    Auch das restliche Niveau der sog. Fachartikel ist z.T. unterirdisch. Triviale Tatsachen lang erläutert, mehrfache Wiederholungen identischer Aussagen im selben Artikel usw. sind an der Tagesordnung.

    Ich habs an anderer Stelle schon mal gesagt: Es gibt wohl keine Fachrichtung, die so dermaßen selbstreferentiell ist wie die universitäre Pädagogik/Didaktik - drei, vier Verlage und so fünfzehn bis zwanzig "große" Namen, und das war's. Und dann wird fröhlich hin- und herzitiert, schwall ins All, bis die Schwarte kracht... aber was solls. Die Leute wollen ja auch von was leben, und wenn man nichts anderes gelernt und vor allem keine praktische Erfahrung in der Schule hat, muss man in der Didaktik schlau daher reden.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Das Drama ist nur, dass auf der Basis dieser unbewiesenen "Erkenntnisse" Lehrer in ganz Deutschland ausgebildet und bewertet werden. Eigentlich auch rechtlich ein fragwürdiger Zustand: Darf man Menschen auf der Basis letzlich beliebiger Behauptungen fachlich / dienstlich beurteilen?


    Gerettet wird der Unterricht nur dadurch, dass Lehrer in der Praxis dann diese Dinge i.A. schnell über Bord werfen und das tun, was erfahrungsgemäß funktioniert. Eine unsägliche Verschwendung von Ressourcen und Fehlsteuerung an einer so zentralen Stelle der Gesellschaft, dass sogar eigene Ministerien dafür eingerichtet sind...


    Dabei gibt es im Ausland durchaus eine lange Tradition empirischer Didaktik, aber die wurde zumindest von meinen Ausbildern in keinem Falle zur Kenntnis genommen. Ein wenig Unruhe hat nur die Hattie-Studie verursacht, aber auch dies ist schnell wieder von der Übermacht der sog. geisteswissenschaftlichen Pädagogik überrollt worden.


    Um die Lächerlichkeit auf die Spitze zu treiben, wurden wir angewiesen, keine Artikel zu zitieren, die älter als fünf Jahre sind, weil die Erkenntnisse darin schon überholt seien. Ein Natur- Geschichts- oder Sprachwissenschaftler würde sich in Grund und Boden schämen, wenn seine veröffentlichten Ergebnisse regelmäßig nach wenigen Jahren als falsch erkannt würden. Darauf angesprochen wird dies von Pädagogen aber als Beweis für die schnelle Entwicklung in ihrem Fach dargestellt - no comment...


    (Nebenbei waren die Seminare bei den Pädagogen selber schon immer der beste Beweis: Gähnend langweilig und am Ende wusste man nicht, was man eigentlich gelernt hatte...)

  • Mein Referendariat ist wahrscheinlich zu lange her, aber möglichst viel Methodenzauber etc. war eigentlich zu meiner Zeit schon nicht mehr so sehr angesagt und bei den Nachbesprechungen, bei denen ich heute dabei bin, erkenne ich eigentlich auch primär zwei Aspekte als die Wichtigsten, die ich selber auch ansehe und den Referendaren so vermittle: Gab es eine (der Lerngruppe angemessene) Lernprogression und führten alle Schritte dieser Stunde auf diese Lernprogression hin (der berühmte "rote Faden" in der Stunde). Das scheint auch der Fokus der Fachleiter zu sein, die ich inzwischen so mitbekommen habe. Und im Wesentlichen waren das auch die Forderungen meiner Fachleiter (auch wenn ich das teilweise erst in der Rückschau erkannt habe).


    Ok, ob das so in irgendwelcher didaktischen Literatur steht, weiß ich nicht, lese ich eigentlich nicht mehr bzw. wenn, eher Texte in Richtung Förderung sozialen Lernens/ Klassenklima, so was in der Art ;)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Mein Referendariat ist wahrscheinlich zu lange her, aber möglichst viel Methodenzauber etc. war eigentlich zu meiner Zeit schon nicht mehr so sehr angesagt und bei den Nachbesprechungen, bei denen ich heute dabei bin, erkenne ich eigentlich auch primär zwei Aspekte als die Wichtigsten, die ich selber auch ansehe und den Referendaren so vermittle: Gab es eine (der Lerngruppe angemessene) Lernprogression und führten alle Schritte dieser Stunde auf diese Lernprogression hin (der berühmte "rote Faden" in der Stunde). Das scheint auch der Fokus der Fachleiter zu sein, die ich inzwischen so mitbekommen habe. Und im Wesentlichen waren das auch die Forderungen meiner Fachleiter (auch wenn ich das teilweise erst in der Rückschau erkannt habe).


    Ok, ob das so in irgendwelcher didaktischen Literatur steht, weiß ich nicht, lese ich eigentlich nicht mehr bzw. wenn, eher Texte in Richtung Förderung sozialen Lernens/ Klassenklima, so was in der Art ;)

    Dankedankedanke.... könnte von mir sein!
    Grüße aus Berlin und guten Start ins neue Schuljahr, sofern bereits vorhanden;-)
    Traumjob-teacher (Gesamtschullehrerin und Fachseminarleiterin aus Leidenschaft;-)

  • Referendare sind in der Regel mindestens Mitte 20, wenn sie starten. Sie haben ein Studium hinter sich, sind erwachsen, hatten eventuell bisher wenig mit Schule zu tun und stehen nun wieder als Azubis da.


    Unterricht kann an vielen Stellen haken - eben auch an der Lehrerpersönlichkeit, am fehlenden roten Faden, an zu wenig Struktur, schlechter Gesprächsführung, unklaren Aufgaben oder gar an zu wenig Fachwissen (stelle ich in Geschichte öfter fest!). Sich Kritik zu diesen Punkten anhören zu müssen geht meist tief in den persönlichen Bereich hinein, quasi unter die Gürtellinie. Das tut weh, besonders, wenn man dachte, man sei schon ganz toll ausgebildet. Wenn man zur Ich bin o.k. du bist nicht o.k Fraktion gehört,ist dann natürlich der Seminarleiter schuld.


    Aber wie soll man diese Themen vermeiden? Sie müssen angesprochen werden. Übrigens gibt es das auch in der freien Wirtschaft - ich erinnere mich noch mit Schrecken an ein Korrekturgespräch mit einem Kollegen, der regelmäßig nach Alkohol und ungewaschenem Körper roch. Kollegen und Kunden hatten sich beklagt. Das ist mir damals nicht leichtgefallen und auch dem Kollegen nicht.


    Ich ertappe mich heute dabei, dass ich viele Methoden aus meiner Refzeit benutze, mir aber selten die Mühe mache, mal nachzusehen, was es Neues gibt. Insofern halte ich es für sinnvoll, neue Methoden einzuführen, denn Unterricht hat sich nun einmal verändert. Zu meiner Praktikantenzeit habe ich Dinge wie Advanced organizer & Co nicht kenengelernt, im Ref sehr wohl.


    Die geforderten Unterrichtsentwürfe habe auch ich als aufwändig empfunden - aber es war sinnvoll, sich bei jedem Schritt zu überlegen, wie und warum man ihn geht. Die Qualitätsunterschiede erkennt man leider erst nach der Ausbildung, wenn man selbst Unterricht beobachtet. Mit Willkür hat das wenig zu tun.

  • Die Qualitätsunterschiede erkennt man leider erst nach der Ausbildung, wenn man selbst Unterricht beobachtet. Mit Willkür hat das wenig zu tun.

    Zumal es Richtlinien mit vorgegebenen Kriterien für die Unterrichtsbeurtelung gibt.
    Verschiedene Vorgaben sind hier verlinkt:
    http://www.autenrieths.de/links/linkdiagnose.htm#schulleiter
    sowie
    http://www.autenrieths.de/link…richtsmethoden.htm#besuch

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Da zitiere ich mich doch mal gleich selbst (aus dem anderen "simple-Legenden-die-mir-das-Leben-erleichtern-thread"): Lehrer werden ohne Lehramtsstudium eingestellt



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