Die Kunst meiner Mitmenschen nachzufragen

  • Nun ist es also so, dass ich an meinen sprachlichen Fähigkeiten zu zweifeln beginne. Nein, was schreibe ich, man füge den zweifeln ein „ver“ vorne an und es trifft die Sachlage besser.
    Seit ich Mutter bin, habe ich mir ja nun angewöhnt, mich äußerst präzise auszudrücken.
    Statt die Frage: „Wo ist mein Becher?“ einsilbig mit „Auf dem Tisch!“ zu beantworten, mache ich mir durchaus die Mühe und füge hinzu: „Auf dem Glastisch vor dem Fernseher!“


    Sicher, normalerweise müsste jeder dann wissen, wo der Becher zu finden ist, da sich in unserem Haushalt nur ein einziger solcher Tisch befindet, dennoch kommt – mindestens zwei bis vierzigmal – die Nachfrage: „Auf dem Glastisch?“ oder gar „Auf welchen Glastisch?“ so als sei es durchaus sehr abwegig, dass wir einen solchen besitzen.


    Den Wunsch nach einem Erdbeeryoghurt unserer Jüngsten wird entsprochen. Ihre Frage, ob denn auch Erdbeeren im Erdbeeryoghurt seien sofort umgehend und ausführlich mit:
    „Ja, in dem Erdbeeryoghurt sind Erdbeeren, darum heißt er Erdbeeryoghurt!“ beantwortet.
    Dies hindert unsere Jüngste nicht, sich noch ein dutzend Mal zu vergewissern:
    „Mama, sind da in echt Erdbeeren drin?“ „Mama, da sind doch Erdbeeren drin, oder?“ „Mama, hat der Erdbeeryoghurt Erdbeeren drin?“.


    Nun ist die Fähigkeit gezielt und konsequent nachzufragen aber nicht auf unsere Kinder allein beschränkt. Auch andere Mitmenschen qualifizieren sich zunehmend in dieser Kunst.


    „Wo ist denn die Fliegenklatsche?“
    „In der obersten Küchenschublade?“
    „In welcher denn?“
    „In der obersten, ganz oben eben.“
    „In der ganz oben meinst du?“


    [Nein, natürlich meine ich die unterste und behaupte nur irreführenderweise, dass ich die oberste meine.]


    Selbst mir fremde, also gänzlich wildfremde Menschen, scheinen mich schlecht zu verstehen.


    „Wie war Ihr Name?“
    „Schäfer, mit ä.“
    „Schäfer? Wie schreibt man das?“
    „Wie der Schäfer, also mit ä!“
    „Mit ä?“
    „Ja, mit ä!“
    „Also kein e?“
    „S _C_H_Ä_F_E_R!“
    „A E also?
    „Nein, nur ein ä, wie der Schäfer eben!“
    „Welcher Schäfer?“


    Es muss also eindeutig an mir liegen. Irgendetwas scheint mit meiner Sprache nicht zu stimmen. Vielleicht nuschle ich ja? Vielleicht ist präzise auch immer noch nicht präzise genug?


    „Mama, wie spät ist es?“
    „Es ist genau fünf Uhr!“
    „Sechs Uhr, Mama?“
    „Nein, fünf Uhr!“
    „Mama, ist es jetzt fünf Uhr?
    „Ja, es ist fünf Uhr.“
    „Mama, wie spät ist es noch mal?“
    „Fünf Uhr!“
    „Fünf Uhr, Mama, ist es jetzt fünf Uhr?“
    „Ja, es ist fünf Uhr.“
    „Wie spät, Mama?“


    Selbstverständlich setzt sich das in der Schule fort.
    Nachdem ich äußerst präzise erklärt habe, dass das Blatt in die blaue Rechenmappe geheftet werden soll, überfallen mich die Erstklässler mit Fragen:


    „In die blaue Mappe, Frau Schäfer?“
    „Meinst du die blaue Mappe, Frau Schäfer?“
    „Die rote Mappe, Frau Schäfer?“
    „Welche blaue Mappe denn?“
    „Soll das Blatt in die blaue Mappe, Frau Schäfer?“


    Warum ich das hier schreibe?
    Keine Ahnung, ich habe vergessen nachzufragen.


    Dafür schicke ich einen lieben Wochenendgruß in die Runde
    strubbelsuse


  • Ich glaube das Thema hatten wir hier schon öfters, ist immer recht lustig :) Und dass dieser Dialog auch mit einem Viertklässer stattfinden kann, wissen wir auch...*nervenbehalt*


    Was ich ja auch liebe: Tafelabschriften!!


    S: Sollen wir alles abschreiben?
    L: Ja, alles, was an der Tafel steht!
    S: Auch was links steht?
    L: Ja, auch was links steht"
    S: Also alles?


    L, denkend: Rede ich eigentlich chinesisch oder so??? - darf man sowas eigentlich unbeschadet auch mal sagen? :D



    Zitat

    Wie war Ihr Name?“
    „Schäfer, mit ä.“
    „Schäfer? Wie schreibt man das?“
    „Wie der Schäfer, also mit ä!“
    „Mit ä?“


    Auch mit einem Umlaut im Nachnamen gesegnet, ist mir das allerdings noch nie passiert. :)


    Zitat

    Dafür schicke ich einen lieben Wochenendgruß in die Runde


    Danke, ebenso


    Petra


    [IMG]http://www.spreadshirt.net/ima…huge&bgcolor_images=white]

  • Sehr schöner Beitrag, Strubbelsuse! :D


    Deine Tochter hat gar nicht so unrecht, wenn sie fragt, ob im Erdbeerjoghurt auch wirklich Erdberen sind! ;) Meist ist es ja bloß ein Erdbeeraroma...


    Schlaues Töchterchen.


    Grüßle
    Salati

    Man kann im Leben auf vieles verzichten, aber nicht auf Katzen und Literatur! <img src="http://www.lehrerforen.de/smilies/smile5.gif" border="0">

  • Danke Strubbelsuse!
    Du hast meinen Samstag verschönert!!!


    Petra: Das T-Shirt hatte ich nach meiner ersten Elfer-Klausur an -- sehr zum Gefallen der Schüler! :)))


    Ich werde es beim nächsten Durchgang auch nochmal anziehen, da ich die folgende Woche noch einen UB, Elternsprechtag und mein PEG habe -- da müssen die Klausuren warten! ;)


    Liebe Grüße,


    Tina

    • Offizieller Beitrag

    Köstlich! :):):)
    Die Frage nach dem richtigen Hefter beantworte ich bei meinen Erstis mit einer Gegenfrage: "Wo kommen denn die Matheblätter/Deutschblätter/... rein?" Die wissen das ganz genau, die kleinen Halunken! ;)
    Bei meinen Zweitklässlern setze ich nur noch eine bestimmte Mimik ein - die ist bei mir seeeeeeeehr ausgeprägt ...
    Eine weitere Beobachtung: Die Kinder, die nie fragen, haben die Blätter oft falsch abgeheftet.


    Schönen Samstagsabend
    Talida

    • Offizieller Beitrag

    Das mit dem Nachnamen kommt mir irgendwie bekannt vor. Deshalb buchstabiere ich ihn scho naus Gwohnheit. Und soll ich Dir was sagen? Mein Masseur versteht es immer noch nicht, daß in der Mitte ein t und kein b ist, obwohl ich ihm den Namen noch 5x buchstabiert habe. Dananch hab ich aufgehört, weil ich dachte, ich würde mich nur immer verhören. Als er mir dann aber die nächsten Termine in die Hand drückte und da mein Naqme mit b in der Mitte stand war mir klar, daß ich kein Hörproblem hab, sondern höchstens ein Sprachproblem
    Ich laß ihm jetzt das Vergnügen, bis er sein Geld will und in der Überweisung dann endlich mal der richtige Name erscheint ;)


    Liebe Grüße,


    Dalyna

  • Bei meinen „Großen“ hört sich das ungefähr so an:


    Lehrer: „Macht Euch bitte stichwortartige Notizen ...“


    Schüler A (nach etwa 3 Minuten): „Müssen wir das alles ausformulieren?“


    Lehrer: „Nein, stichwortartig hab’ ich gesagt.“


    Schüler A: „Ach so! Okay.“


    Schüler B (2 Minuten später): „Reicht es, wenn ich nur Stichwörter aufschreibe?“


    Lehrer: „Jaaaaa!“


    Schüler B: „Also nicht ausformulieren?“


    Lehrer: „Nein.“


    Schüler C (nach weiteren 2 Minuten): „In ganzen Sätzen müssen wir das aber nicht machen – oder?“


    Lehrer (leicht genervt): „Was denn ‚machen’?“


    Schüler C: „Na, die Aufgabe ...“


    Lehrer: „Sie sollen stichwortartige Notizen anfertigen – vortragen müssen Sie Ihren Standpunkt dann natürlich in ganzen Sätzen.“


    Schüler D (ganz empört): „Ich denk’, wir sollen bloß Stichworte aufschreiben!?“


    Lehrer: „Richtig!“


    Schüler D: „Aber Sie haben doch jetzt gerade gesagt ...“


    Schüler E: „Mensch! Bist du taub oder bekloppt?“



    Gruß


    Animagus

    • Offizieller Beitrag

    Animagus:


    BRÜLLLLLLLL!!!! Wie gut ich das kenne! Das geht auch auf Englisch, da sogar noch besser, weil die Lieben ja immer nur keywords hören (wollen) - und ich könnte manchmal in die Tischkante beißen (die Hausverwalter wundern sich schon über die Nagespuren an meinem Lehrertisch)!


    H: "Please copy the topics off the board, and start the discussion task right away!"


    (alles kritzelt)


    S: "Mrs X, are we supposed to answer the questions?"


    H: "No you are supposed to copy them, choose one, and discuss them in your group!"


    S: "Mrs X, should we form groups then?"


    H: "Well, I personally don't know how you could work in groups otherwise!"


    S: "And then we should answer the questions in our group?"


    H: "NO! You PICK one, then you discuss ONE of the questions!"


    S: "Should we copy the questions we won't answer, too?"


    H: "YEheheheess, and you are not supposed to ANSWER them, but to choose ONE and DISCUSS it!"


    S: "But you said that we should copy all of them!"


    H: "Yes, I did!! Copy ALL, discuss ONE!"


    S: "In a group?"


    H: "Heavens!! COPY them alone, DISCUSS ONE in a group!"


    S: "And how should we answer the rest?? Alone or in our group?"


    H: (despairing) "For Gods sake, NOT at all - just copy them!!!!"


    S (in despair, too): "BUT YOU SAID we should discuss them!"


    H: "No, I didn't!"


    S: "Yes, you did!!"


    H: (gnaws the table's edge...)



    Manchmal weißte echt nicht, wofür du ihnen das Abiturzeugnis in die Hand drückst...

  • Zitat

    Heike schrieb am 05.11.2005 23:52:


    H: (gnaws the table's edge...)


    Ich hoffe, du hast eine Haftpflichtversicherung, die das mutwillige Zerstören von Schulmöbeln abdeckt!


    ;)


    Gruß


    Animagus

  • Zitat

    koritsi schrieb am 06.11.2005 17:40:


    In diesem Fall frage ich oft:
    Bist du schwerHÖRIG oder schwerDENKIG? ?(


    Und was bekommst du da so an Antworten?


    Gruß


    Animagus

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