Schülerin ritzt sich - Anlaufstellen

  • Hallo.


    Ich habe heute von besorgten Schülerinnen erfahren, dass eine Klassenkameradin sich ritzt und sie sich Sorgen machen, weil sie auch Gedichte mit klaren Todesgedanken u.ä. formuliert. Ich denke, dass man bei so einer Geschichte nie genau wissen kann, wie ernst das Ganze zu nehmen ist oder wie pubertärbedingt das problem ist(8. Klasse)....


    Die Vertrauenslehrerin meinte, ich solle zuerst mit dem Mädchen Kontakt suchen, "Deals" aushandeln ("Jetzt lässt du das mal drei Tage" ????) und die Eltern außen vor lassen. Ganz wohl fühle ich mich dabei nicht. Ich brauche selbst coaching, obwohl die Schüler von mir auch gerne Hilfe haben ("Frau X, was sollen wir jetzt machen??)


    Zu allem Übel habe ich jetzt gleich einen Elternabend in besagter Klasse und muss/will das Thema anschneiden (Die Elternvertreterin hat mich gerade deshalb angerufen). Ohne jetzt das Problem möglichst leicht loswerden zu wollen: An wen kann ich mich hilfesuchend wenden (um Tipps für mich zu bekommen)? Wen kann ich als Hilfe für das Mädchen empfehlen? Wen den Eltern? Wen den Mitschülern? Außer der "Nummer gegen Kummer"fällt mir absolut nix ein....


    A.

  • Hallo,


    ich bin der Meinung, an der Thematik hast Du als Lehrer überhaupt nichts zu suchen. Du kannst mit dieser Schülerin keinen "Deal" aushandeln (vielleicht ist das ihre Möglichkeit, Gefühle zu kanalisieren, um ihr das "wegzunehmen" braucht sie andere Ausgleichsmöglichkeiten, Alternativen zu diesem Verhalten) Du übernimmst Dich da. Die Ursachen können sehr vielfältig sein und das gehört in jedem Fall in die Hände von erfahrenen Psychotherapeuten. Sicher kannst Du mal vorsichtig mit der Schülerin reden, so sie denn Vertrauen zu Dir hat. Du kannst Dich auch nach professionellen Hilfestellen umsehen und der Schülerin Adressen anbieten (oder meinetwegen auch mit ihr dorthin gehen, wenn sie das möchte).


    Aber ich würde das auf keinen Fall auf einem Elternabend thematisieren. Damit lehnst Du Dich viel zu weit aus dem Fenster. Außerdem sehe ich das Vertrauen des Mädchens in Dich gefährdet, wenn Du das Thema so an die Öffentlichkeit zerrst. Das muss das Mädchen schon selbst wollen.


    Viele Grüße


    Birgit

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • Psychologen!


    Wir hatten auch solche Fälle (mehrere) in einer Klasse -- schien eine Mode zu sein, nachdem ein Mädel das angefangen hatte.
    Sie selber hat dann den Kontakt zu uns gesucht, und uns mit ihrer Therapeutin in Verbindung gesetzt. Die kam in die Klasse und hat die Klasse informiert.


    LG
    Tina


    Ich selber würde mich da auch soweit wie möglich raushalten, aber den S anbieten, zuzuhören!

  • Hallo Birgit.


    Danke für deine schnelle Antwort. Du sprichst mir aus der Seele...


    Auf keinen Fall will ich das Mädchen zum Thema des Elternabends machen, sondern nur sagen, dass es offensichtlich Probleme in der Klasse gibt und die Eltern bitte ein intensives Auge auf ihre Kinder werfen sollten. Im zweiten Schritt wollte ich gerne Anlaufadressen ausgeben bzw. Telefonnummern, an die man sich wenden kann... ich suche also konkret nach "professionellen Hilfestellungen".


    A.

  • Hallo,


    sehe ich genauso - du bist kein Therapeut und ein mal schnell eingeflochtenes Thema ist das auch nicht.


    Selbstverletzendes Verhalten kann z.B. auf einer Borderline-Störung beruhen und das ist nichts, was man neben dem Unterricht mal schnell heilt.


    Der sozialpsychiatrische Dienst der Caritas ist eine erste, anonyme und auch kostenlose Anlaufstelle.


    Die Eltern musst du eigentlich auch informieren. Die Eltern des Mädchens, andere nicht.


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • Ich würde an deiner Stelle erst mit dem Mädchen und dann sofort mit den Eltern sprechen. Denn es handelt sich hier ja nicht um etwas Harmloses, sondern um ein psychisches Problem, was durch einen Therapeuten behandelt werden muss. Eine öffentliche Besprechung oder auch nur Andeutung während eines Elternabends halte ich für falsch, da dies die anderen Eltern nichts angeht und die Privatsphäre des Mädchens verletzt (auch wenn ihr Name nicht erwähnt wird, denn die Mitschüler wissen ja anscheindend Bescheid).

  • Zitat

    Tina34 schrieb am 25.10.2006 18:02:
    ....
    Selbstverletzendes Verhalten kann z.B. auf einer Borderline-Störung beruhen und das ist nichts, was man neben dem Unterricht mal schnell heilt.


    Der sozialpsychiatrische Dienst der Caritas ist eine erste, anonyme und auch kostenlose Anlaufstelle.


    Die Eltern musst du eigentlich auch informieren. Die Eltern des Mädchens, andere nicht.
    ...


    Ich kann das, was Tina empfiehlt, nur unterstreichen.
    Bevor du mit dem Mädchen oder den Eltern redest, solltest du dich kundig machen, WIE du das am besten tust.


    Ritzen kann reine Show sein, der Versuch Aufmerksamkeit zu bekommen. Es kann jedoch auch auf eine psychische Störung hinweisen, die in Richtung Suizid gehen kann. Möglich ist auch sexueller Missbrauch als Auslöser und vieles mehr.
    Das ist ein zu heißes Eisen um das in die eigenen Hände zu nehmen. In jeder Kreisstadt gibt es eine Beratungsstelle für psychische Probleme - getragen von der Caritas, Maltesern, der Kirche oder dem Landratsamt. Frag dort nach, wie du dich verhalten sollst.


    Falls du keine Beratungsstelle findest, frag auf dem Jugendamt nach, wo die nächste beratungsstelle ist. Du musst ja keine Namen nennen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Hallo Ace,


    ich hatte vor kurzem einen gleichgelagerten Fall und kann Dir was zum Ablauf sagen.


    1. Du bist nicht als Psychologin ausgebildet und darfst deshalb nur die durchlaufende Instanz sein. D.h., Du bist dafür zuständig, das Problem an die richtigen Stellen weiterzureichen, aber es ist nicht Deine Aufgabe, das Problem zu lösen. Damit überforderst Du Dich.


    2. Das erste Erziehungsrecht steht den Eltern zu. Das heißt, sie MÜSSEN informiert werden. Du bringst Dich selbst in erhebliche Schwierigkeiten, wenn Du es nicht tust. Stell Dir vor, die Schülerin tut sich etwas an - und im Rahmen der dann stattfindenden Untersuchung erklären die Klassenkameradinnen in aller Unschuld: "Wir haben Frau Ace schon vor drei Wochen Bescheid gesagt, aber sie hat nichts unternommen!"
    - Es wird dann niemanden mehr interessieren, dass Du Dich vielleicht erst informieren wolltest oder Dir einfach unsicher warst, was Du tun sollst, bzw., dass Du erst mal nur mit der Schülerin selbst gesprochen und "Deals" ausgehandelt hast. Man wird Dir das als sehr unprofessionelles Verhalten auslegen, und Du bist damit auch juristisch gesehen ganz und gar nicht auf der sicheren Seite.


    3. Die Schulleitung muss ebenfalls informiert werden. Sie hat zudem die Möglichkeit, die entsprechenden Kontakte zum schulpsycholoischen Dienst und zum Jugendamt schneller zu legen.


    4. Dein Ablaufplan: Schulleitung informieren (sofort) -> gemeinsam mit der Schulleitung die Eltern informieren (am gleichen Tag/ einen Tag später) -> Elterngespräch führen (mit Protokoll und Ergebnissicherung, was weiter geschehen soll; hier sollte vor allem drinstehen, dass die Schülerin möglichst zeitnah eine psych. Beratungsstelle aufsucht und in absehbarer Zeit eine Therapie beginnt) -> Nach ca. ein bis zwei Wochen nachhaken, wie es mit der Therapie aussieht, welche Schritte schon unternommen wurden.


    5. Letzter Punkt: Auf dem Elternabend hat das Thema NICHTS verloren! Hier geht es um sehr persönliche Daten einer einzelnen Schülerin, das darf nicht vor den anderen Eltern durchgehechelt werden. Mach der Elternvertreterin diese Grenze unbedingt klar. Sicher darf allgemein gesagt werden, dass man auf die Kinder achten soll. Aber wenn irgendjemand versucht, das Gespräch auf diese eine Schülerin zu lenken, brich das sofort ab mit Hinweis auf den Datenschutz und der freundlichen Info, dass man sich um das Problem kümmert, es hier aber in der großen Runde nichts zu suchen hat.


    Viel Erfolg!


    LG
    Eva

    Nemo: "Ich habe aber eine kaputte Flosse!"
    Kahn: "Ich auch. Das hat mich niemals von irgendetwas abgehalten."

  • Vielen Dank für Eure hilfreichen Antworten.


    Ich wollte nur noch einmal klar stellen: Ich habe natürlich niemals daran gedacht, beim Elternabend zu sagen: "Meine Damen und Herren, die Schülerin XY ritzt sich. Frau XY nehmen sie doch mal Stellung, was bei Ihnen zu Hause falsch läuft".


    Ich habe nur allgemein darum gebeten, dass die Eltern aufgrund mehrerer Vorkommnisse in der Jahrgangsstufe ein sehr waches Auge auf Ihre Kinder werfen und sich bei Problemen nicht scheuen, auch außerhalb des Hauses Hilfe zu suchen. Ich habe ein offenes Ohr, die Nummer gegen Kummer, die des sozialpsychatrischen Dienstes und der Jugendberatung der Stadt angeboten. Die betreffende Mutter ist NACH dem Elternabend zu mir gekommen und hat um ein Gespräch gebeten, weil sie mit ihrer "Tochter gar nicht mehr klar kommt".


    In der Klasse haben wir das Thema auch nur sehr sehr sehr allgemein angesprochen, ich habe ebenfalls Gesprächsbereitschaft signalisiert und die Nummern auf einem Infoblatt zusammengestellt. Aus der Klasse kamen dann auch noch spontan Aussagen, dass es ja gar nicht schlimm ist, sich von jemandem, der das professionell macht, helfen zu lassen.


    Die Schulleitung ist informiert. Morgen ist das Gespräch mit der Mutter ...


    Lösen kann ich das Problem sicher nicht, überfordert fühl ich mich trotzdem
    8o


    Aber wie gesagt, danke für Eure Statements, die mir doch bestätigt haben, dass mein Unwohlsein ob der "Deals" nicht ganz an den Haaren herbei gezogen ist. Da kann ich noch so lebensbejahend sein und einen noch so guten Draht zu meinen Schülern haben....


    Viele Grüße
    A.

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