Geeignet für den Schuldienst?

  • Hier eine kleine Pressemitteilung die ich grade bekam - offen zur Diskussion!



    Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
    Universität Kassel, Ingrid Hildebrand, 24.01.2008 13:44


    Geeignet für den Schuldienst? - Uni Kassel entwickelt Beratungsangebot
    für alle Lehramtsstudenten


    Ab dem Wintersemester 2008/09 setzt die Universität Kassel bei ihren
    Lehramtsstudierenden das um, was die Arbeitsgruppe "Eignung für den
    Lehrerberuf" unter Daubers Leitung erarbeitet hat: Das Seminar
    "Psychosoziale Grundkompetenzen im Lehrerberuf", das alle 600 bis 700
    Studierenden im ersten oder zweiten Semester belegen müssen. Hier
    bewegen sich die Anforderungen ganz Uni-untypisch nicht im kognitiven
    Bereich, sondern die Lehramts-Aspiranten müssen nach einer
    Selbstreflexion, in der sie sich schriftlich über die Motive für ihre
    Studienwahl äußern, Übungen durchlaufen, die vier Grundkompetenzen des
    Lehrerberufs zugeordnet sind: Selbstkompetenz, Handlungskompetenz,
    Sozialkompetenz und Systemkompetenz.


    Kassel. Burnout, hoher Krankenstand, Frühpensionierung - die Vermutung
    liegt nahe, dass über den Lehrerberuf gesprochen wird, wenn diese
    Stichworte fallen. Der Kasseler Erziehungswissenschaftler Heinrich
    Dauber wollte es im Jahr 2003 genau wissen und hat Lehrerinnen und
    Lehrer befragt, die aus Krankheitsgründen frühpensioniert worden
    waren. Eines der wichtigen Ergebnisse der Untersuchung war eine Frage:
    Was eigentlich kann getan werden, um solche Studierenden frühzeitig
    identifizieren und beraten zu können, die nicht über die für den
    Lehrerberuf grundlegenden sozialen und personalen Kompetenzen
    verfügen? "Eine frühzeitige Überprüfung und Beratung erscheint nicht
    nur im Interesse der Betroffenen notwendig zu sein", sagt Dauber,
    "sondern auch im Blick auf die Gruppe, die wiederum unter psychosozial
    belasteten Lehrern selbst am stärksten zu leiden hat, die Schüler."


    Ab dem Wintersemester 2008/09 setzt die Universität Kassel bei ihren
    Lehramtsstudierenden das um, was die Arbeitsgruppe "Eignung für den
    Lehrerberuf" unter Daubers Leitung erarbeitet hat: Das Seminar
    "Psychosoziale Grundkompetenzen im Lehrerberuf", das alle 600 bis 700
    Studierenden im ersten oder zweiten Semester belegen müssen. Hier
    bewegen sich die Anforderungen ganz Uni-untypisch nicht im kognitiven
    Bereich, sondern die Lehramts-Aspiranten müssen nach einer
    Selbstreflexion, in der sie sich schriftlich über die Motive für ihre
    Studienwahl äußern, Übungen durchlaufen, die vier Grundkompetenzen des
    Lehrerberufs zugeordnet sind: Selbstkompetenz, Handlungskompetenz,
    Sozialkompetenz und Systemkompetenz.


    Solche Übungen sind:


    Nach bestimmten Regeln kooperativ ein gemeinsames Produkt herstellen;
    die ersten zwei Minuten des Auftritts vor einer Gruppe gestalten;
    biografische Schlüsselsituationen in pädagogischen Kontexten mit Hilfe
    von Holzbausteinen darstellen und erläutern;
    einen pädagogischen Fall in einer Gruppe vorstellen bzw. im
    Rollentausch gemeinsam beraten.


    Übungen dieser Art zählen eher zum Standardinstrumentarium
    psychosozialen Arbeitens. In Kassel werden sie an eineinhalb Tagen in
    Gruppen von 12 Studierenden absolviert, die von zwei Teamern
    beobachtet werden und die jedem Studenten am Ende eine persönliche
    Rückmeldung über Auffälligkeiten geben, und gegebenenfalls weitere
    professionelle Beratung empfehlen. Dieses Modell wird gegenwärtig in
    einigen Seminaren erprobt und die Teamer - Absolventen
    erziehungswissenschaftlicher Studiengänge - werden unter der Regie des
    Doktoranden Timo Nolle ausgebildet.


    Für Nolle erwächst aus dieser Aufgabe der Stoff für seine
    Dissertation. Denn es gilt die Frage zu klären: Welche
    Beratungsangebote muss die Universität bereitstellen, wenn sich
    Auffälligkeiten bei den Studierenden zeigen? Die Sorge mancher
    Doktoranden, dass ihr Thema möglicherweise schon andernorts bearbeitet
    und damit hinfällig wird, muss Nolle dabei nicht teilen. "Es gibt kein
    flächendeckendes Beratungstool in Deutschland", sagt er und verweist
    auf andere Ansätze, die mit Selbsteinschätzung oder Interviews
    Prognosen über den Berufserfolg erzielen wollen. "Wir entwickeln ein
    differenziertes Beratungsprogramm", sagt Professor Dauber und setzt
    sich damit von diesen Methoden eindeutig ab.


    Was aber passiert mit Lehramtsstudierenden, die als auffällig-
    problematisch eingeschätzt werden? Sollten ihnen Auflagen gemacht
    werden, wird ihnen - zum Beispiel in der später folgenden Phase der
    Schulpraktika - eine besondere Beobachtung zuteil, können sie ganz vom
    weiteren Studium ausgeschlossen werden? Diese Fragen sind noch nicht
    geklärt. Zunächst wird an der Universität Kassel erstmals in
    Deutschland der Frage der Berufseignung von Lehrern sehr praktisch und
    "flächendeckend" bei allen Lehramtsstudierenden nachgegangen werden.
    Weitere Schritte muss unter anderem die Doktorarbeit von Timo Nolle
    aufzeigen.


    Jens Brömer
    3.819 Zeichen


    Info
    Universität Kassel
    Prof. Dr. Heinrich Dauber
    Fachbereich Erziehungswissenschaft, Humanwissenschaften
    tel (0561) 804 3545
    e-mail hdauber@uni-kassel.de


    Arten der Pressemitteilung:
    Forschungsprojekte
    Studium und Lehre


    Sachgebiete:
    Pädagogik

  • Ich finde diesen Ansatz sehr interessant - solange solche Tests wirklich als Beratungsangebot angeboten werden und nicht zur Auslese dienen. Ich denke, dass bei möglichen Defiziten die Studenten frühzeitig die Chance bekommen an ihre "Schwachstellen" zu arbeiten.
    Wobei ich gleichzeitig denke, dass ein Einordnen nach "gute Lehrerpersönlichkeit" "schlechte Lehrerpersönlichkeit" nicht möglich ist.

  • Jetzt wird also der Seelenstriptease schon zu Beginn des Studiums abverlangt und nicht erst im Referndariat...
    Hier haben die Hobbypsychologen mit ihren Werkzeugköfferchen mal wieder Konjunktur!


    Das herumbiegen an Persönlichkeiten erzeugt doch keine besseren Menschen und schon gar keine besseren Lehrerpersönlichkeiten. Hier wird Leuten Tür und Tor geöffnet, die ihre Machtgelüßte, Arroganz und Borniertheit ausleben wollen.
    Haben diejenigen, die diese Beratungen verordnen und durchführen auch nachweisen müssen, das sie dafür geeignet sind?!?


    Zitat

    Original von Schmeili
    Ich finde diesen Ansatz sehr interessant - solange solche Tests wirklich als Beratungsangebot angeboten werden und nicht zur Auslese dienen.


    Wenn Beratung von außen verordnet wird, dann meiner Meinung nach auch immer eine Auslese daran gekoppelt.


    Also ich halte von derartigen Maßnahmen nicht sonderlich viel. Vielmehr sollten zukünftige Lehrer sich ausprobieren und eigene Erfahrungen sammeln können um für sich selbst zu entscheiden. Und das ganze zunächst mal bewertungsfrei.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Original von SteffdA
    Jetzt wird also der Seelenstriptease schon zu Beginn des Studiums abverlangt und nicht erst im Referndariat...


    Genau das war auch mein erster Gedanke!


    Was ich an der ganzen Sache mal wieder problematisch finde, ist, dass gerade die Dozenten an der Uni so wenig Ahnung von Schule heutzutage haben. Die wissen doch gar nicht, was dort passiert. Sofern sie überhaupt jemals an der Schule gearbeitet haben, ist es meist jahrzehntelang her.


    Gegen Ende meines Studiums hatte ich es mir z.B. mit einem Prof ziemlich verscherzt und mir wurde seinerseits bei einer Erweiterungsprüfung totale Unfähigkeit zum Lehrersein attestiert (und hat mich durchfallen lassen). Komisch nur, dass mein Referendariat gar nicht so schlecht lief und ich notenmäßig meist konstant zwischen 1,7 und 2,0 lag- also kann ich so unfähig dann wohl doch nicht sein.


    Wenn die Diagnose "fähig" und "unfähig" für den Lehrerberuf dann womöglich demnächst von dem Urteil eines Dozenten und der "Leistung" in einem einzelnen Psycho-Rollenspiel-Seelenstriptease-Seminar abhängt, na dann Prost Mahlzeit!


    VG

  • .... ich habe deinen Artikel mit großem Interesse gelesen und bin bezüglich der getroffenen Aussagen sehr zwiegespalten.


    Einerseits finde ich eine gewissen "Selektion" schon während des Studiums unerlässlich, vor allem zum Schutz der Studierenden und deren Geldbörse. Während meines Studiums haben zahlreiche Studenten gerade in den letzten Semestern das Studium hingeschmissen. Gründe: Es wurde ihnen von den Projektbetreuern (LehrerInnen) geraten, oder sie waren dem Prüfungsstress nicht gewachsen. Im Refrendariat haben wir mit 72 Leuten angefangen, die zweite Staatsprüfung haben jedoch nur 53 gemacht/geschafft. In dieser Zeit ist von so vielen Leute die Zukunft wie eine Luftblase geplatzt. All dies zeigt, dass es eine Selektion geben muss, vielleicht nicht mit einem psychologisch Rundumschlag, sondern mit wesentlich mehr Praxis.


    Auf der anderen Seite denke ich, dass viele LehrerInnen im Laufe ihrer Berufstätigkeit an ihre persönlichen Grenzen kommen und das vor allem, weil sie viel zu wenig Unterstützung erfahren. Bei uns im Kollegium befinden sich zur Zeit 5 Personen in psychologischer Betreuung, zwei weitere sind momentan in stationärer Langzeittherapie. Ich glaube wir schauen viel zu lange weg. Ist dies nur an unsere Schule so? Und von wem erhalten meine KollegInnen Hilfen?


    Ich würde mir wünschen, dass es im Studium, im Refrendariat und vor allem in den sich anschließenden zahlreichen Dienstjahren Hilfen (und nicht nur Selektion) gibt.


    Mit lieben Grüßen
    teufelinchen

  • Mir geht es da ähnlich wie meiner Vorrednerin.
    Ich habe gerade im Ref einige Mitreferendare gesehen, die diesem Job beileibe nicht gewachsen waren, es aber durchgezogen haben, da sie ja schon so viel Zeit und natürlich auch Geld investiert hatten. Im Studium, aber auch im Ref hat sich eigentlich niemand getraut zu sagen, dass man nicht geeignet ist...
    Wobei es natürlich auch ganz schön schwer ist, dies zu sagen. Woran macht man das fest? Schließlich haben ja mehr oder weniger erwachsene Menschen sich für dieses Studium entschieden, man sollte sich ja schon gut einschätzen können?!
    Mein Rektor verfährt mit Praktikanten so, dass er gleich im ersten Gespräch vor dem Praktikum klar sagt, dass die wenigen Stunden, die sie leisten müssen, beileibe nicht dem Schulalltag entsprechen, der sie später erwartet, er aber die Verantwortung hat, sie genau auf den Alltag vorzubereiten und sie jeden Tag volle Stundenzahl antanzen lässt. Das vermittelt zumindest schon mal ein realistischeres Bild als das normale Praktikumsbild.
    Theoretisch braucht das System bereits im Studienumfeld etwas, um auf den Alltag vorzubereiten und ggf. auch seinen Berufswunsch zu überdenken. Allerdings habe ich noch nichts gefunden, was dies auch wirklich leisten könnte.
    Für den Schulalltag wird es auf Dauer darauf hinauslaufen, dass jedem Lehrer Supervisionsmöglichkeiten geboten werden, um der Frühpensionierung, dem Burnout entgegenzuwirken.

    Anstatt darüber zu klagen, dass wir nicht alles bekommen, was wir wollen, sollten wir lieber dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen.
    D. Hildebrandt

  • Vielleicht sollte in den Hochschulen bw. Seminaren mal was dazu gesagt werden wozu man geeignet ist und nicht immer nur wozu man angeblich alles ungeeignet ist...
    Also mal etwas über die beruflichen Perspektiven mit dem 2. Staatsexamen zu sagen. Aber meiner Erfahrung nach fehlen dazu die Kenntnisse in den Seminaren bzw. an den Hochschulen.
    Man muß nicht zwingend Lehrer an einer Schule damit werden. Ich z.B. bin (eher zufällig) an der Landesstelle für gewerbliche Berufsförderung in Entwicklungsländern gelandet. Und es gibt auch sowas wie betriebliche Aus- und Weiterbildung sowie Trainigszentren der Industrie. Dort kann man auch ohne 2. Staatsexamen arbeiten, aber es bringt u.U. Vorteile.


    Ein anderes Problem sind die Vorurteile die oft an den Seminaren gepflegt und gehegt werden... In meiner Seminargruppe waren fast alle Quereinsteiger (mit und ohne Aufbaustudium) aus der Industrie. Und man hat uns dann versucht zu erzählen wie in der Industrie gearbeitet wird und wie die Welt funktioniert (ich weiß, ich bin mal wieder böse... ;)
    Und wenn man nicht alles widerspruchsfrei hingenommen hat war man halt beratungsresistent und ungeeignet....
    Meine Schüler haben mich übrigens jedes Halbjahr gefragt ob sie im nächsten bei mir wieder Unterricht haben dürfen... (und das sicher nicht, weil sie bei mir im Unterricht die Füße hochlegen konnten)


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    • Offizieller Beitrag

    Ist es also so weit... Die Idee, Studenten sich schon frühzeitig mit ihrer Eignung für den Lehrberuf auseinandersetzen zu lassen, stand schon vor Jahren in Kassel zur Diskussion.
    Ich habe u.a. bei Dauber mein Examen gemacht und mehrere Seminare besucht und bin der Meinung, dass es hier nicht darum geht, Studenten auszusortieren, sondern sie eben wirklich zur Selbstrefelxion anzuhalten.
    Ich halte das für einen guten Ansatz. Warum sich nicht zu Studiumsbeginn damit auseinandersetzen, ob man für den richtigen Beruf studiert?
    Ich muss immer an eine Studentin denken, die schon in den Praktika übelste Probleme hatte und sich absolut unwohl in der Schule fühlte. Trotzdem hat sie weiter studiert, weil sie ja schon einige Semester absolviert hatte. Vielleicht hätte ihr mit diesem Eingangstest gleich zu Beginn des Studiums klar werden können, dass der Beruf nichts für sie ist?


    Gruß
    Melo

    Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule.


    (Mark Twain)


    Auf dem Weg zur Weltherrschaft! :teufel:

  • Hallöchen,
    bei uns an der Uni werden auch in verschiedenen Disziplinen solche Themen angeschnitten. Die Psychologen beziehen sich fast immer nur auf Kriterien einer guten oder eher ungeeigneten Lehrerpersönlichkeit. Die Erziehungswissenschaftler stellen immer die Praxistauglichkeit und Intervetionsansätze in den Mittelpunkt. Beide Ansätze sind berechtigt, aber jeder glaubt eben, dass er weiß wie es geht, obwohl sie so gut wie keinen Praxisbezug haben.


    Am Ende weiß man dann, ob mal Lehrerpersönlichkeit A, B oder C ist bzw. soll durch dumme Kommunikationsspielchen teamfähiger werden. Eine Beratung findet kaum statt und wenn ist sie meistens sehr subjektiv. Da ist man bei Dozent Meier kontaktfreudig und engagiert und beim Schulze als unreif bis unsicher eingestuft. Bei uns werden die ganz unfähigen im Schulpraktikum "rausgekachelt". Da liegt meiner Meinung nach auch der Mittelweg.


    Lasst die Studenten 8 Wochen die Schule aus Lehrersicht (mit allem Drum und Dran) erleben und selber eine Entscheidung fällen, bevor sie das Studium beginnen. Was sie dann nach dem Studium bzw. im Ref machen, sollte dann ihr Problem sein - sie sind ja mündige Bürger.Es gibt ja nicht nur einen Weg nach dem Examen.


    Ciau Elli

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