Springen oder nicht? Das ist hier díe Frage!

  • Ich werde morgen ein interessantes Elterngespräch führen, indem es darum geht, ob eine Schülerin in die nächsthöhere Jahrgangsstufe springt oder eben nicht.


    Zur Ausgangslage: Ich unterrichte ein zweites Schuljahr und eben dieses Mädchen gehört zu den Leistungsstärksten, in manchen Bereichen ist sie die Beste. Sie ist sozial absolut kompetent, fühlt sich aber auch in der Rolle der "Führerin" sichtlich wohl. Sie langweilt sich im Unterricht nicht offensichtlich, bekommt aber auch einiges an Zusatzangeboten. Sie ist was die Leistungsstärke angeht jedoch nicht der einsame Leuchtturm, ich habe einige Kandidaten, die ich ähnlich einschätzen würde.


    Grundsätzlich denke ich, dass sie ins nächste Schuljahr springen könnte, leistungsmäßig würde sie das schaffen, keine Frage. Nach einiger Zeit würde sie bestimmt auch wieder in den oberen Bereichen mitschwimmen, soweit man das aus der Ferne sagen kann. Allerdings wäre natürlich ihr besonderer Status gerade auch unter den Freundinnen weg. Ich kann auch nur schwer einschätzen, wie schnell sie sich in die neue Gruppe integrieren würde, wobei ihr Freundschaften schon sehr wichtig sind.


    Wie man sieht, bin ich keine große Beratungshilfe. Ich kann der Mutter sagen, dass ich beides guten Gewissens vertreten kann, sowohl den Sprung als auch den Verbleib in der bisherigen Gruppe. Allerdings werde ich im nächsten Schuljahr die Klasse abgeben und die nächste Klassenlehrerin ist noch nicht bekannt/benannt.


    Nun zu meiner Frage: Wie schätzt ihr den Erfolg/Misserfolg von Kindern ein, die einen Klassensprung hinter sich haben. Mir geht es insbesondere um die späteren Jahrgänge. Es bringt m.E. nämlich nichts, jemanden springen zu lassen, um ihn dann später wieder zurückzusetzen. Gerade in der Pubertät soll es da schon mal Schwierigkeiten geben (so wird uns jedenfalls zurückgemeldet). Ich kenne auch eher Beispiele, die in den neuen Klassen kaum noch Anschluss gefunden haben.


    Ich möchte diesem Kind nicht im Wege stehen (mit meinen grundschultypbedingten Sorgenfalten) sondern erbitte hier um mehr Input und Rückmeldungen anderer Beispiele, die erfolgreich oder auch nicht so erfolgreich gelaufen sind, denn ich bin noch sehr unentschlossen.

  • Möchten die Eltern, dass ihr Kind die Klasse "überspringt" oder du?


    Folgende Sätze von dir, würde mich vielleicht eher zum Verbleib in der bisherigen Klasse (um)stimmen:


    "Sie langweilt sich im Unterricht nicht offensichtlich, bekommt aber auch einiges an Zusatzangeboten."
    "Sie ist was die Leistungsstärke angeht jedoch nicht der einsame Leuchtturm, ich habe einige Kandidaten, die ich ähnlich einschätzen würde"

    am ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das ende (oscar wilde)

  • Haben sich die Eltern dafür entschlossen, dass ihr Kind "springen" soll? Was erhoffen sie sich davon?


    Was denkt die Schülerin darüber?


    Ich finde das sind auch immer wichtige Argumente die man in die Entscheidung mit einbeziehen sollte.


    LG Line

    • Offizieller Beitrag

    Lohnen sich Sprünge nicht eher nur, wenn das Kind in der unteren Klasse todunglücklich ist? Normalerweise hält der motivierende Effekt ja auch nicht lange an, dann ist es wieder wie immer: man kann den Stoff halt. Problematisch wird es dann aber oft später, wenn man die Allerjüngste ist und Dinge nicht darf/kann/hat, die die anderen haben, nicht so entwickelt ist etc. Mit einem jungen Mann, der mit 14 zu mir in die 11. Klasse kam, hab ich darüber letztens erst ausführlich geredet, der meinte, er würde das jetzt am Liebsten rückgängig machen: nicht, weil er den Oberstufenstoff nicht kann, den kann er locker - sondern weil sein Alter dauernd Thema ist: er kann da nicht mit ins Kino (ab 16), er kann hier nicht mit in den Club/die Disco, dies geht nicht und bei jenem wird er komisch angeguckt. Bei der Kursfahrt in der 13 wird er auch eine ziemliche Sonderrolle haben, da grauts ihm schon vor. Er fühlt sich ziemlich unwohl. Das mag ein Einzelfall sein - oder vielleicht auch nicht. Wenn das Mädchen nicht unbedingt, unbedingt springen will und ansonsten todunglücklich ist, würd ichs mir sehr genau überlegen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Die Eltern überlegen schon länger, sind sich aber auch nicht schlüssig. Ich bin eigentlich kein Freund von dem Überspringen einer Klasse ohne Not. Allerdings versuche ich möglichst differenziert zu arbeiten, da ich wie schon geschrieben, mehrere sehr leistungsstarke Kinder habe, die ich entsprechend fördern möchte.
    Das Problem liegt wahrscheinlich eher darin, dass ich die Klasse auf jeden Fall abgebe und die Schule wechseln werde. Die weitere Arbeit in dieser Klasse hängt also sehr von einer unbekannten Person ab, was auch die Eltern noch nicht einschätzen können.
    Andererseits möchte ich dem Kind auch keine Steine in den Weg legen, da ich denke, sie könnte auch in der höheren Klasse gut mitarbeiten. Mich interessiert besonders die Einschätzung aus dem Sek I/II Bereich, inwieweit die Kinder dort ankommen.

  • Mich interessiert besonders die Einschätzung aus dem Sek I/II Bereich, inwieweit die Kinder dort ankommen.

    Wenn man noch weiter denkt, bedeutet das Springen ein Jahr länger arbeiten bis zur Pensionierung. :evil:

    • Offizieller Beitrag

    Die Erfahrungen, die Meike schildert, kann ich bestätigen, auch wenn die Fälle, die ich kenne, nicht sooo eklatant sind.
    Aber ich kenne es so, dass die Schüler, weil sie die Jüngsten sind, immer ein Stück weit außen vor sind. Das beginnt bei meinem 6.Klässler, der körperlich weniger weit ist als die anderen Jungen, und hörte nicht bei der Tochter einer Bekannten auf, die erst 17 war, während die anderen aus den Kursen bereits volljährig waren (Stichwort Kursfahrt, abdenliches weggehen usw.).
    Wenn sich deine Schülerin wohlfühlt, warum sollte sie dann wechseln? Traust du deiner Nachfolgerin nicht zu, sie ausreichend zu fördern?
    Sorry für die direkte Frage, aber zartfühlender konnte ich es nicht formulieren -- bin schon ein wenig schlapp :rotwerd:

  • Es geht für mich nicht um die Nachfolgerin und wie sie arbeitet. Es wird wahrscheinlich eine neue Kollegin an die Schule kommen und diese Klasse übernehmen. Wenn das Kind die Klasse nun wechseln würde, gäbe es für die Eltern diese unbekannte Größe nicht, was ihnen die Entscheidung nicht unbedingt leichter macht. Wie ich schon geschrieben habe, tragen sich die Eltern schon länger mit diesem Gedanken.


    Ich selber bin etwas zwiegespalten. Ich kann der Springerei eher weniger abgewinnen, möchte andererseits aber möglichst in beide Richtungen offen beraten. Ich hoffe, man versteht, was ich meine. Mich stört es immer etwas, wenn Eltern-Lehrer-Gespräche nur in eine (vom Lehrer bevorzugte) Richtung laufen bzw. in diese Richtung hin geführt wird.

  • Hallo,
    ich hatte vor einem Jahr einen Springer in die Klasse bekommen (von 2 nach 4 gesprungen), der ständig bei mir auf dem Schoß sitzen wollte und von den anderen nicht für voll genommen wurde. Seine Leistungen waren nicht schlecht, aber er fand kaum Akzeptanz in der Klasse.
    Er war einfach zu jung. Von daher bin ich kein Freund von übersprungenen Klassen - vor allem, wenn differenziert gearbeitet wird.
    Viele Grüße
    venti :)

    • Offizieller Beitrag

    Mich stört es immer etwas, wenn Eltern-Lehrer-Gespräche nur in eine (vom Lehrer bevorzugte) Richtung laufen bzw. in diese Richtung hin geführt wird.


    Ich verstehe was du meinst. Andererseits kommen Eltern ja zu dir um eine Meinung zu erfahren - wenn sie dann immer nur das diplomatische "Es gibt Fürs und es gibt Widers ..." zu hören bekommen, können sie sich den Weg auch sparen. Ich finde schon, dass man den Eltern klar anzeigen kann, was die eigene Meinung ist inklusive Begründung dafür, auch, was die Gründe sind, die für das Springen sprechen könnten und man kann ihnen signalisieren, dass man sie/das Kind unterstützt, ganz gleich, was sie entscheiden, eigene Meinung hin oder her. Die Eltern müssen die Entscheidung schlussendlich als Experten für ihr Kind treffen, aber es sollte eine informierte Entscheidung sein.

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  • Dieses Kind ist wohl eine Kandidatin für's Gymnasium. Ist in Deinem Bundesland schon das "achtjährige Abitur" eingeführt oder wird es in den nächsten Jahren eingeführt? Dadurch sind die Jugendlichen bei einem potentiellen Studienbeginn sowieso schon ein Jahr jünger und unreifer - ist es dann wirklich sinnvoll, nur aus "Prestigegründen" noch ein weiteres Jahr einzusparen? Ich würde das nur befürworten, wenn das Mädchen das unbedingt selbst will und sich in der alten Klasse absolut unwohl fühlt. Für besonders begabte Kinder gibt es genügend Bereiche außerhalb der Schule, in denen sie sich zusätzlich betätigen können.

  • Hier ein kleines Update:


    Das Gespräch war wirklich sehr entspannt, wir sind so verblieben, dass die Schülerin in der Klasse verbleibt und die entsprechende Klassenlehrerin mit der zuständigen Hochbegabtenförderung zusammenarbeiten wird. Insgesamt werden sowohl von Eltern- als auch von meiner Seite die sehr gut funktionierenden sozialen Kontakte höher gewertet als die stärkeren Anforderungen der höheren Klassenstufe.


    Ich bedanke mich für die vielen Anregungen und Gedanken, die ich hier erhalten habe.


    Schönes Wochenende

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