Arbeitsverweigerung im Kunstunterricht

  • Hallo,



    in meiner Klasse ist ein Junge, der
    relativ konsequent den Kunstunterricht verweigert. Er begründet das mit „Ich
    kann das sowieso nicht!“ Eigentlich fehlt es ihm aber m.E. nur an
    Anstrengungsbereitschaft. Wenn ich nichts sage malt er z.B. nur „Kopffüßler“
    (im dritten Schulbesuchsjahr!). Setze ich ihn unter Druck kann er es deutlich
    besser. Allerdings wiederstrebt es mir irgendwie in Kunst Druck zu machen. Im nächsten
    Jahr gibt aber dann auch da Noten und dann wird es haarig. Zufrieden ist
    er nur, wenn er ausmalen oder Fensterbilder machen darf aber damit kommt er ja
    nicht voran...



    Diese mangelnde Anstrengungsbereitschaft
    ist natürlich auch in anderen Fächern da, so dass er z.B. in Deutsch relativ
    schlechte Ergebnisse abliefert, wenn man keine klaren Vorgaben macht (z.B. : zu
    viele Fehler = noch einmal von vorne!).
    In Kunst treibt er mich damit allerdings in den Wahnsinn, zumal ich zurzeit nur
    die länger erkrankte Fachlehrerin vertrete (die aber das gleiche Problem
    hatte).

  • Zitat cyanscott :

    Zitat

    Setze ich ihn unter Druck kann er es deutlich besser.

    Dann mach das doch weiter ! Viele Menschen, auch Schüler, brauchen eben Druck, damit sie in Quark kommen. Hauptsache, es kommt Leistung rüber. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Na, da ist doch das Bildungsziel der musisch künstlerischen Fächer erreicht, wenn die Blagen unter Druck endlich Anstrengungsbereitschaft und quantifizierbare Leistung zeigen... :( Manchmal frage ich wirklich, was der arme Lehrerberuf getan hat, mit solchen Kollegen gestraft zu sein.


    Vielleicht wäre es einfach mal eine gute Idee, den Knaben beim Wort zu nehmen und nachzuforschen, ob das "Ich kann das sowieso nicht" vielleicht ernstzunehmend und da pädagogisch gegenzuarbeiten ist?


    Nele

  • Ich habe von Kunst keine Ahnung, aber bei Kopffüßern denke ich an Tintenfische. ;)
    Du meinst vermutlich Kopf direkt an Füße montiert, oder?
    Ne Ahnung, warum der Junge das nicht kann? Ich würde ja vermuten, da haben die Eltern irgendwo geschlampert, aber so ins Blaue hinein...?
    Aber man sollte mal die Eltern ansprechen, dass es da einfach "Motivationsprobleme" (oder wie auch immer du es ihnen verständlich machen kannst) gibt und das auf der weiterführenden Schule Schwierigkeiten geben wird.

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

    • Offizieller Beitrag

    Vielleicht nimmt er das Fach Kunst nicht ernst?
    Sieht es als "Mädchenfach" an, wenn darin hauptsächlich gemalt wird? Ich weiß, dass es das nicht ist, doch mein einer Sohn war da ähnlicher Meinung X(


    Kopffüßler gehören zur normalen zeichnerischenEntwicklung von (kleineren) Kindern, meist im Kindergartenalter. Wenn dein Kandidat, ohne besonders jung zu sein, sie absichtlich und häufig malt, will er damit vermutlich irgendwelchen Leistungsanforderungen und befürchteten Misserfolgen zuvorkommen. Nach dem Motto: "Schau her, ich kann es wirklich nicht, Hab ich doch gleich gesagt"
    Wie äußert sich denn seine Leistungsangst in den anderen Fächern?

  • Leistung durch Psychoterror im Kunstunterricht? Klasse Idee, lieber Elternschreck. Muss ich mal ausprobieren. (Oder meintest du das etwa ironisch?)

    Vielleicht wäre es einfach mal eine gute Idee, den Knaben beim Wort zu nehmen und nachzuforschen, ob das "Ich kann das sowieso nicht" vielleicht ernstzunehmend und da pädagogisch gegenzuarbeiten ist?

    So sollte es sein.


    Leider wird im Kunstunterricht (aus alter Gewohnheit) immer noch sehr ergebnisorientiert gearbeitet und bewertet. Ich vermute, der Junge hat die Erfahrung gemacht, dass seine Produkte nie "schön" genug waren, um Gnade vor Augen der Eltern und Lehrern zu finden. Mache eine Weile mal experimentelle Techniken, Zufallsverfahren wie z.B. Materialdruck, Malen nach Musik... Beobachte ihn dabei, lass ihn "auftauen". Zwang und Druck bringt hier gar nichts. Ein anderer Weg wäre, ihn mit einem Partner oder in einer Gruppe zu fordern, Gemeinschaftsarbeiten wirken manchmal Wunder. Sage ihm mal ganz offen, dass es wichtig ist, dass er sich auf die Aufgaben einlässt, und nicht, dass da am Ende ein tolles Werk entstanden ist, was Mama ans Fenster kleben oder an die Wand hängen kann.

  • Ich unterrichte auch erst seit diesem Jahr Kunst und habe mir angewöhnt, immer mit zu malen (natürlich nicht die ganze Zeit). Die Kinder können jederzeit zu mir kommen und erhalten praktische Tipps. Das wird von den Schülern sehr gut angenommen. Sehr häufig zeige ich bestimmte Techniken oder Tricks an der Tafel. Ganz simples Beispiel: Die Kinder haben immer diese Rechteck-Hosen gemalt (Also nen Balken anstatt nem Dreieck im Schritt... im 4. Schuljahr...). Ich zeige also deutlich, wie es aussehen sollte. Schließlich zeige ich noch, dass die Stoffe fließender gestaltet werden und nicht steif und gerade herunter hängen.


    Den Kindern fehlt häufig das Vorstellungsvermögen, die Dinge so zu malen, wie sie aussehen. Es scheitert an der Umsetzung. Auch wird teilweise nicht auf Details geachtet. Deswegen führte ich das Spiel "Wer ist es ein?". Ein Kind durfte an der Tafel ein anderes Kind aus der Klasse malen und alle mussten raten, wer es ist. Dann wurde endlich auf Details wie Haarlänge, Frisur, T-Shirt oder Pullover, Aufschrift etc... geachtet. Diese Genauigkeit lässt sich dann auf andere Werke übertragen.


    Besonders gut gelungene Details zeige ich ebenfalls sofort in der Stunde. So können die SuS sich Tipps von dem betreffenden Kind holen.


    Ich würde dem Schüler helfen, in dem ich ihn frage, was er malen möchte und ihm dann zeigen, wie er es zeichnen könnte. Ein weißes Blatt kann auch sehr angsteinflößend sein. Weiterhin biete ich den Schülern meist an, das Bild auch als eine Art Collage gestalten zu können. Häufig ist der Hintergrund technisch gut gelungen und z.B. der Baum im Vordergrund ist plötzlich ein Graus. Dadurch wäre das Bild, in den Augen des Kindes, hinüber. Wenn es möglich ist, können sie die einzelnen Elemente getrennt gestalten und später gekonnt auf dem Bild platzieren. Auch das nimmt den Schülern die Angst. Sonst kann ich nur noch den Tipp geben, die SuS dazu anzuregen, Schmierblätter zu benutzen.

  • Zitat Friesin :

    Zitat

    Vielleicht nimmt er das Fach Kunst nicht ernst?

    Und dann muss man sich fragen, wie es dazu kommt, dass Schüler, auch und gerade in weiterführenden Schulen das Fach Kunst als ein Fach sehen, in dem es nicht so darauf ankommt und nicht ganz ernst zu nehmen ist.-Das Fach Musik ist in ähnlicher Weise davon betroffen.


    Kunst und Musik sind die anspruchsvollsten Fächer, die es an der Schule gibt ! Desto weniger ist für mich nachvollziehbar, wenn die Kunst- und Musikkollegen von vornherein weniger leistungsbezogen und fordernd auftreten wie z.B. der Mathelehrer, der seinen Druck damit legitimiert, dass sein Fach das angeblich Wichtigste im Schul-Kosmos sei.


    Gerade Kunst und Musik sind Fächer, in denen Schüler die größte Disziplin und Anstrengungsbereitschaft zeigen müssen, um tragfähige Ergebnisse zu erzielen. Das Klischee des begnadeten Künstlers, dem alles (!) zufliegt, stimmt so nicht, wenn man die Biographien von Malern und Musikern verfolgt. Äußerste Strenge gegen sich selbst, Entsagung, stetiges Arbeiten, der hohe Anspruch an das eigene Werk sowie ein Stück künstlerische Begabung haben erst die großen Meister der Kunst und Musik hervorgebracht.


    Nun dürfen wir Lehrer nicht von uns erwarten, dass wir in der Schulstube ständig großartige Künstler heranziehen können, aber mit gebieterischem Ernst eines Meisters der Kunst/Musik sollten wir von den Schülern das fordern, was in ihnen steckt, und warum nicht manchmal mit Druck, wenn die Persönlichkeitsstruktur eines Schülers es manchmal erfordert. Wenn dann der (höchst unbegabte) Schüler sein Letztes gegeben hat und der Schweiß ihm von der Stirn fließt, kann man ihm noch eine 4 gewähren, auch wenn die geforderten Bilder sehr anspruchslos gehalten sind.-Der Schüler hat, was wichtiger als die Note ist, gelernt seine Anstrengungsbereitschaft zu trainieren, und in ihm ist eine Hochachtung vor den Künsten erwachsen, weil sie halt anspruchsvoll ist.


    Ein Beispiel aus der Musik : Ein mir bekannter Musiklehrer eines Orchesters an einem Gymnasiums leitet mit Toscanini-Attitüden sein Orchester. Unsere hiesigen Kuschelpädagogen wären über das für sie autoritäre Auftreten des Gymnasial-Schulstuben-Maestros sicherlich ensetzt. Auf der anderen Seiten kann er sich vor Anfragen der mitspielenwollenden Schüler nicht retten. Der Erfolg seines Könnens und (!)seiner Methode geben ihm Recht. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Ich hatte so einen Kunstverweigerer in meiner Klasse.
    bei ihm lag es an großen feinmotorioschen Problemen und dass er selbst merkte, dass nichts so wurde, wie er es sich vorgestellt hat... und wie es andere Kinder mühelos hinbekamen.
    Also hat er nichts gemacht... oder das Bild großflächig mit Borstenpinsel schwarz ausgemalt... oder seine Schere genommen und alles zu Konfetti zerschnitten.
    Ich hatte Gespräche mit dem Kind, Gespräche mit der Mutter... und habe klar gemacht, dass ich das nicht dulde. Ich lasse nicht locker, bis ich nicht eine Leistung von ihm habe. Er muss kein Picasso werden... aber ich erwarte und verlange, dass er es wenigstens versucht und nicht aufgibt, bis er mir ein Ergebnis vorweisen kann.
    Ich habe ihn in jede meiner Förderstunden eingeladen. Die anderen Kinder haben Mathe gemacht... er musste die Bilder erstellen oder die Dinge basteln, die die anderen Kinder schon längst fertig hatten. Kunstförder... habe ich das für ihn genannt.
    Und diese zusätzliche Stunde... die hat ihn geärgert. Er wollte nach Hause und nicht Kunst machen. Also hat er beschlossen, im Unterricht Ergebnisse abzuliefern. Immer noch nicht gut... aber da kommt jetzt was.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Hallo,
    Danke erst einmal für die Antworten. Der Junge ist durchaus nicht ungeschickt, feinmotorisch "normal" begabt. Es ist eben die Unlust sich anzustrengen. Es wird nahezu alles in Rekordzeit aber fehlerhaft abgegeben, obwohl er zu den kognitiv stärkeren Kindern der Klasse gehört. Jede Aufforderung es ordentlicher zu machen gipfelt oft in einen kleinen Machtkampf zwischen seinem Dickkopf und meinem. In Kunst wird soweit ich das beurteilen kann nicht ausschließlich ergebnisorientiert gearbeitet, sondern auch durchaus experimentell (wie gesagt bin nur die Vertretung). Aber irgendwie erwarte ich von einem inzwischen Neunjährigen, dass seine Menschen halbwegs vernünftige Körperproportionen haben. Wie gesagt, wenn ich mich daneben setze kann er es. Aber er will nicht! Am liebsten wäre ihm der Kunstunterricht würde aus Anmalen, Prickeln und Fensterbildern mit vorgezeichneten Schablonen bestehen, dann hätte ich keine Probleme. (Das Anmalen wäre aber auch dann nicht ordentlich, warum auch!). Mir macht eben die Arbeitshaltung Probleme, nicht ein künstlerisches Unvermögen. Im nächsten Schuljahr werden ja auch öfter Plakate angefertigt und im SU muss auch mal etwas gezeichnet werden...
    Die Idee mit dem Förderunterricht finde ich ganz gut. Vielleicht sollte ich ihm das mal anbieten.

  • Zitat caliope :

    Zitat

    aber ich erwarte und verlange, dass er es wenigstens versucht und nicht aufgibt, bis er mir ein Ergebnis vorweisen kann.

    Finde ich gut ! Und das meine ich ja auch mit Druck. Aber für die Kuschelpädagogen grenzt das ja schon wieder an Psychoterror. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Haben eigentlich alle Schüler das gleiche Anforderungsniveau bei den Aufgaben zu erfüllen? Möglicherweise braucht der Junge eine Aufgabe, die er meint auch erfüllen zu können. Demnach könnte er eine differenziertere Aufgabenstellung bekommen, die er kann - aber auch erfüllen muss (Notfalls, indem er mal eine Stunde länger in der Schule bleibt). So etwas könnte Erfolgserlebnisse und mehr Zuvertrauen schaffen und zugleich wird verdeutlicht, dass auch in Kunst etwas erledigt werden muss.

  • Juhu,


    ich habe so ein Kind nicht im Unterricht, aber, ich möchte auch gerne etwas dazusagen,
    ich kann und konnte auch nie gut zeichnen und ich mag einfach lieblose Kinderzeichnungen nicht,
    daher suche ich speziell nach Themen, die ALLEN Kindern gut gelingen.
    Anregungen habe ich mir aus den Mappen Gestaltungsstunden, welche an unserer Schule aufliegen und
    von dieser Internetseite http://www.artprojectsforkids.org/


    Außerdem bringe ich Zeichnungen von Künstlern mit, die wir dann nachmalen.
    Ich bespreche mit den Kindern sehr genau die Technik und gehe dabei schrittweise vor.
    Ist mal eine Sache nicht so gut gelungen, oder das Kind ist verzweifelt helfe ich schon mal ein wenig mit.
    Ich lasse die Kinder auch jederzeit ihr Bild neu beginnen wenn sie es brauchen.


    Vielleicht kannst du ja mit dem einen oder anderen Tipp etwas anfangen ;)


    LG MM

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