Na, die Hand schon mal im Unterricht ausgerutscht ?

  • Einen wunderschönen guten Abend !
    Man hat''s ja schon immer gewusst, der Elternschreck ist ein dermaßen altmodischer und autoritärer Knochen, der jetzt die Prügelstrafe in den Schulen wieder einführen will.
    -Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Kuschelpädagogen jetzt so in diese Richtung denken und entsetzt aufkreischen. Aber so bin ich ja nicht ! Bin zwar ein großer Freund der Ordnung und Disziplin, aber auf der anderen Seite absolut kein Befürworter der Prügelstrafe, weder für die Disziplinierung in der Schule, noch für die private Erziehung.


    Meine Frage soll in eine andere Richtung gehen. Ich denke, wir brauchen nicht allzuviel Phantasie dafür entwickeln, dass es schon mal Grenzsituationen geben kann, in denen es einem noch so besonnenen Lehrer wider die Natur überkommen kann, dass ihm die Hand ausrutscht und einem Schüler eine schallert, wenn die Umstände äußerst ungünstig liegen und vieles zusammenkommt.


    Jetzt werden natürlich einige Kuschelpädagogen darüber sehr ungehalten sein und so etwas ähnliches äußern, dass es sehr unprofessionell sein würde. Solche Menschen, denen so etwas passiert, niemals hätten Lehrer werden dürfen, sich immer im Griff haben muss und, und, und....


    Ich bin vor kurzem ins Grübeln gekommen, als mir ein sehr liberaler und besonnener Kollege neulich erzählt hat, dass er ganz kurz davor war, einem Schüler ganz feste ein paar hinter den Löffeln zu verabreichen.
    An einem Wandertag unternahm er mit seiner Klasse eine Radtour. Ein Schüler hat in bewusster Weise und provozierend kackfrecher Art einen älteren Herren vom Radfahrweg abgedrängt. Der alte Herr hatte ein paar bedenkliche Blessuren davongetragen. Ein paar Tage später gab es eine Klassenkonferenz.


    Ich frage mich, welches Nachspiel es für meinen Kollegen gehabt hätte, wenn ihm wirklich die Hand ausgerutscht wäre.


    Nun möchte ich Euch fragen : Gab es bei Euch oder bei einem Eurer Kollegen oder Bekannten schon mal eine extreme Situation, in der die Hand ausgerutscht ist ? Wenn ja, was ist danach erfolgt ? 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Nein, ich habe im Unterricht noch keine Handlung durchgeführt, die den Straftatsbestand der Körperverletzung erfüllt.


    Wieso die Frage, brauchst du eine Absolution?


    Nele

  • Nein, ist mir noch nie und wird mir wohl auch niemals passieren.
    Und ich bezweifel auch ehrlich gesagt, dass sich dann nicht der ein oder andere wehren würde, und das auch nicht zu knapp.
    Nein, sowas geht gar nicht !

  • Also ich ziehe gern mal prügelnd durch unsere Schule. Bei 1400 Schülern kommt es auch nicht so drauf an, wen man trifft. Der Richtige wird schon dabei sein. Und um die versehentlich verletzten Seelchen kümmern sich sofort unsere Kuschelpädagogen. Das wird dann schon wieder. Wir sind ein sehr engagiertes Team und für jeden Anlass gut ausgestattet.




    Aber mal ehrlich, Schülerschreck: Glaubst du wirklich, dass sich hier jemand outet, dem "das" schon mal passiert ist?


    TMFKAW

    Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird, zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten. (Salman Rushdie)

  • TMFKAW: Vermutlich niemand.


    Ich plädiere für eine Titaländerung. Hand ausrutschen ist ein fürchterlicher Euphemismus. Wenn mir mal die Hand ausrutscht, muss ich an der Tafel neu zum Schreiben ansetzen oder die Kreide aufheben. Man sollte das Kind doch beim Namen nennen und von Schlagen sprechen. Und ich denke auch nicht daran, meine SuS zu schlagen. Zum Glück! Sonst müsste ich mir echt Sorgen wegen meiner Aggressionen machen.

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

    • Offizieller Beitrag

    Ja, meinem Kollegen- aber nicht aus "ich gehe jetzt in die Luft"-Gründen, sondern weil sich zwei volljährige Schüler in einer Prügelei regelrecht "verbissen" hatten. Meinem Kollegen fiel als letzte Notlösung nur die Ohrfeige ein-Folgen für ihn gab es keine. Aber er will in so eine Situation nie wieder kommen müssen- und ich verstehe ihn sehr gut.


    Ich widerspreche MSS hier mal: Für mich ist eine Ohrfeige ,die aus dem Affekt herauskommt, nicht "Schlagen"- der Anfang davon schon. Aber ich habe mal einen Jungen betreut, der geschlagen wurde- da konnte man die blauen Flecken und Gürtelschnallenspuren sehen.

  • Hermine
    Das kann ich jetzt nicht verstehen - eine Ohrfeige ist ein Schlag mit der offenen Hand gegen den Kopf. Macht man die Finger zu und beschleunigt das ganze, hat man einen Kinnhaken. Dass man jemandem auch die Knochen brechen kann, ändert ja nichts an der Tatsache, dass ein Leberhaken ohne bleibende Schäden ein körperlicher Angriff ist.


    Natürlich ist eine Ohrfeige aus dem Affekt heraus Schlagen. Wer aus der Situation heraus unwillkürlich zur Gewalt greift, hat meiner Meinung nach ganz klar ein Problem mit der Selbstkontrolle.


    Den Euphemismus "die Hand ist ausgerutscht" finde ich übrigens ziemlich widerlich.


    Nele

  • Ich oute mich mal als jemand, dem die Hand schon "ausgerutscht" ist. Ich hab es bitter bereut - und kann das niemandem raten.
    Falls ihr mal auf den Tisch hauen wollt - nehmt ein Buch oder sonstwas. Wenn man das mit der flachen Hand tut, schmerzt das übelst.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • An diesem Tag war mein Nervenkostüm verrutscht und ich musste es glätten. Die Hand an sich wollte eigentlich Kontakt mit einem Schüler aufnehmen. :wacko:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll


  • Für mich ist eine Ohrfeige ,die aus dem Affekt herauskommt, nicht "Schlagen"- der Anfang davon schon.


    ?( Du meinst, eine Ohrfeige aus dem Affekt heraus ist der Beginn von Schlagen, oder wie kann ich deine Formulierung verstehen? Ich komme gerade nicht drauf.


    Naja, für mich ist ein Schlag ein Schlag. In deinem Beispiel mit dem Gürtel ist natürlich die extreme Seite, aber sprachlich mache ich da keinen Unterschied. Das eine kann man eher verzeihen als das andere, aber ansonsten ist es für mich Schlagen. Gut, extreme Misshandlung würde ich es im letzeren Fall ehernennen...


    alias: Der arme Tisch! Sei froh, dass du dir nix getan hast. Das wäre ein netter Bericht für die Unfallkasse gewesen... "Und dann habe ich aus Versehen meine Hand gegen den Tisch geschlagen..." Das Schlimme ist, mir könnte sowas tatsächlich aus Versehen passieren. :whistling:
    Nee, Glück gehabt, dass es nur der Tisch war.

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

  • ich habe eine bekannte (berufskolleglehrerin), deren kollegen so eine erfahrung mal gemacht hat.


    schüler kippelt mit dem stuhl, lehrer sagt, "hör auf"; schüler fällt hin, lehrer geht hin, hebt ihn auf und ohrfeigt ihn; lehrer hat sich sofort beim schüler entschuldigt, ist dann sofort zum direktor, eltern einbestellt, und jetzt kommts: der vater hat das ganze begrüßt ;)


    der lehrer hat nix bekommen.

  • Dass sich hier niemand outen möchte, kann ich sehr wohl nachvollziehen, auf der anderen Seite finde ich es sehr schade, dass man über so ein (Tabu-) Thema nicht in der offenen Weise sprechen kann, wie es in einer freien und offenen Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein müsste.


    Zitat neleabels :

    Zitat

    Wer aus der Situation heraus unwillkürlich zur Gewalt greift, hat meiner
    Meinung nach ganz klar ein Problem mit der Selbstkontrolle.

    Ich stelle mir gerade folgende Situation und Hintergründe vor, die mit dazu beitragen können, dass z.B. einer Lehrerin die Hand ausrutscht : Eine Lehrerin seit ca. 30 Jahren an einer Brennpunktschule. Immer engagiert gewesen und sämtliche Kräfte für ihre Schüler gelassen. Als Dank seitens der Schüler und Eltern jahrzehnterlanger Nervenkrieg und persönliche Angriffe. Mit der Zeit immer weiter schwindende mentale Kräfte, die niemandem in der Schulmaschinerie interessieren. Dafür auf der anderen Seite selbstverständlich Mehrbelastung und immer schwierigere Schüler. Am Tag X (Kollegin fühlt sich ausgelaugt und unausgeglichen) extreme Provokation durch einen Schüler, der auf Anweisungen der Lehrerin nicht reagiert und die Provokationen verstärkt. Zum ersten mal nach vielen Dienstjahren der Kollegin, Backpfeife !


    Mit der Selbstkontrolle, geehrter neleabels, ist es so eine Sache ! Ich behaupte mal, dass es keine gibt. Was Du meinst, ist eine gezielte Umlenkung der seelischen Affekte, die die Backpfeife verhindert. Die Affekte (Gefühle) selbst lassen sich nicht kontrollieren oder gar ausschalten (Sonst hätte der Mensch ja auch keine Seele)! Ob die jahrzehntelange Selbstkontrolle bei Lehrern zum berüchtigten Burn-Out führen muss, möge bitte jeder nochmal selbst, ohne Schere im Kopf, darüber noch mal aus der Distanz nachdenken. Ich habe den Verdacht, dass der Lehrer-Burnout fast ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass man sich im Schulalltag zu wenig über psychische Entlastungsfunktionen/Lehrergesundheit Gedanken macht.


    Daher, finde ich Deine o.g. Formulierungen zu selbstkontrolliert und etwas abgehoben, geehrter neleabels !
    Dass auch eine "nur" Backpfeife juristisch den Straftatbestand einer Körperverletzung darstellt und im Unterricht per se nichts zu suchen hat, stimme ich mit Dir als rechtsstaatlich empfindener Mensch überein. Aber ich würde mich hüten, den Stab über die o.g. fiktive Kollegin zu brechen und den Moralhammer zu schwingen, wenn es in der Realität doch mal passiert.


    Ich behaupte mal, dass so eine o.g. Backpfeife in der Schulstube, wenn mir auch persönlich kein Fall bekannt ist, durchaus schon mal passieren wird.
    Statt über nur über die mangelnde Selbstkontrolle des betreffenden Lehrers zu beklagen, würde ich mir dann auch eine kritische Diskussion in die andere Richtung wünschen, welche Zustände/Umstände das Handeln des Lehrers erklären. Und über das Verändern von unhaltbaren Zuständen an vielen Schulen müsste dann doch bei den bildungspolitisch Verantwortlichen offensiver und fordernder gesprochen werden.


    Aber zurück zu meiner Ausgangsfrage : Was passiert mit einem Lehrer, wenn ihm doch mal die Hand ausrutscht ? 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • übrigens das ganze mit der prügelei; kann mir gut vorstellen, dass das sogar rechtlich im rahmen war, die polizei darf bei demonstrationen ja auch nicht zimperlich sein, die haben ja einen bestimmten verfügungsrahmen... ich meine, klar, lehrer sind keine polizisten, aber was es alles an notwehrparagraphen gibt, und wie differenziert das recht da ist mit "motiven" usw (ehrenwerte zwecke werden ja bei solchen urteilen durchaus gewürdigt oder wirken exkulpierend).... würde mich mal interessieren...

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Aber zurück zu meiner Ausgangsfrage : Was passiert mit einem Lehrer, wenn ihm doch mal die Hand ausrutscht ?


    Je nach Qualität der Schulleitung mal mehr mal weniger, wobei ich die Qualität der Schulleitung nicht dann bestätigt sehe, wenn nichts passiert. Schlagen ist Zeichen von Hilflosigkeit und löst kein einziges Problem. Es schafft nur welche.

    • Offizieller Beitrag

    An einer Schule vor vielen Jahren hörte ich eine Geschichte, die darauf hinaus lief. Ein Kollege erzählte, dass er einen älteren Schüler beobachtete wie dieser kleinere Schüler immer wieder in den Hintern trat. Er stellte ihn zur Rede, der Schüler versprach, damit aufzuhören. Am nächsten Tag wurde er vom selben Lehrer wieder erwischt und dieser war darüber so sauer, dass er dem Schüler eine langte. Danach meinte er, wäre die Sache erledigt gewesen. Der Schüler hätte zwar gemault - aber es wäre weiter nichts passiert.


    Der Kollege war älter und kam mir in dem Jahr, wo wir zusammen arbeiteten, nicht als jemand vor, der sich nicht unter Kontrolle hatte.


    Aber was passiert normalerweise? Ich denke eine Dienstaufsichtsbeschwerde, Vermerk in der Akte. Vielleicht Strafversetzung, um von dem entsprechenden Schüler wegzukommen.



    Ansonsten, ja, ich hatte auch schon Schüler, denen ich gern eine geditscht hätte. Aber meine Gedanken sind in den Jahren ruhiger geworden.



    Meiner Frau wurde übrigens von einem türkischen Vater auch schon mal die Erlaubnis gegeben, dem Sohn eine zu drücken, wenn er nicht gehorcht.

  • Zitat

    Gab es bei Euch oder bei einem Eurer Kollegen oder Bekannten schon mal eine extreme Situation, in der die Hand ausgerutscht ist ?


    In meinem zweiten Praktikum schlug eine Lehrerin einem Schüler, der zwar unaufmerksam war und gegen Regeln verstieß, aber nicht frech war oder für irgendwen bedrohlich, mit der flachen Hand auf die Wange. Und dass, obwohl ich hinten in der Klasse saß. AN die Kommentare hinterher zu mir erinnere ich mich nicht mehr. Außer, dass ich meiner Praktikumslehrerin dies erzählte und diese meinte, das haben die Kinder (oder andere Kinder) schon ab und an erzählt und sie selbst wollte es immer nicht glauben. Sie werde es mal dem Chef stecken.

    Zitat

    Wenn ja, was ist danach erfolgt ?[/

    Ich bekam meinen Praktikumsbericht von der Uni-Betreuerin wieder zurück und musste ihn überarbeiten, um den Schein zu bekommen, weil ich es reingeschrieben hatte. :-O

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