Digitale Demenz?

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    Zitat Asfaloth :

    Ja, wie z.B. WOW ! 8)


    Dürfen denn deine Kinder den Herrn der Ringe lesen?

    • Offizieller Beitrag

    Das war auch nicht die Frage, schließlich redest du doch nicht von deinen Schülern als "deinen Kindern", oder? :P
    Ich meinte den oder die kleinen Elternschrecks.

  • Habe das Buch gelesen und es war verschwendete Zeit und Geld. Es ist einfach nur demagogischer Unsinn, wissenschaftlich gut verpackt, so dass es bei Vielen sehr seriös ankommt.
    Aber so viele logische Blödheiten und Verdrehungen der Argumente, bis sie zur Meinung des Herrn Spitzer passen, dass ich zum Schluss nur noch kopfschüttelnd das Buch weg legen musste.

  • Ich erzähle einfach mal von meiner eigenen "Technik-Demenz" - ich zähle mich zur älteren Generation der "digital natives"; den ersten intensiveren Kontakt mit Computern hatte ich Ende der 70er und bin seitdem dieser Technologie eng verbunden geblieben - natürlich als Arbeitsmittel, sicherlich jedoch sehr viel mehr als Unterhaltungs- und später auch als Kommunikationsmedium. Ich bin Zeitzeuge der gesamten Computerspielgeschichte vom Ende der 70er bis heute, soweit sie für Privathaushalte verfügbar war. Alle wesentlichen Betriebssysteme von Newdos, Apple-Dos, CP/M bis zu Linux und OS-X kenne ich aus eigener Anschauung. Ältere Computersysteme kann ich programmieren, auch auf Prozessorebene, habe da aber schon vor C++ und der Objektorientierung den Anschluss verloren. Die Zeit der Kommunikation über Modem und BBSs habe ich - wie wahrscheinlich viele Deutsche meiner Generation - aus Kostengründen verpasst, habe aber seit dem Beginn meines Studiums 1991 einen Internetzugang, nunmehr also seit 21 Jahren. Meinen ersten Account am universitären Unix-Server musste ich noch schriftlich mit professoraler Gegenzeichnung beantragen, die Kommunikation lief über ein Ascii-Terminal: Telnet, FTP, Email und Usenet, dem Lynx-Browser. Die Hardware- und Betriebssystementwicklung habe ich bis heute mitgemacht, inklusive der Multimedia-Zäsur Ende der 90er, dem Übergang zu schnellen DSL-Flatrates (endlich kein Gesuche nach günstigen Vorwahlnummern für das analoge 3,8kbit-Modem mehr!) und dem Web2.0, das wirklich alles ganz anders machte. Computerspiele? Ja, immer natürlich, inklusive der "perversen Killerspiele". Ein Smartphone? Alltagsgegenstand zur Entlastung (Termine, Einkaufszettel), ständiger Verfügbarkeit externen Wissens (Wörterbücher, Wikipedia), Unterhaltung (Kindle, MP3, Gameapps) und last but not least Kommunikation. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wieviel tausend Stunden ich bislang mit Computertechnik verbracht habe.


    Von Rechts wegen, wäre bei mir also genau die Pathologie zu diagnostizieren, die Spitzer so wortreich heraufbeschwört, allein schon durch den zeitlich fortgeschrittenen Krankheitsverlauf müsste ich mittlerweile chronisch dement sein. Bin ich aber nicht, weder in meinem intellektuellen Selbstempfinden noch in meiner rein äußerlich sichtbaren Lebensleistung mit Mitte 40. Im Gegenteil sehe ich mich durch die Technologie, die Spitzer in toto denunziert, geistig angeregt und glaube auch, dass sie mich insgesamt intellektuell beweglicher gemacht hat. Dazu nur einige konkrete Beispiele, die auch nur für mich persönlich gelten; denn leider wird die Diskussion über solche Fragen sehr oft von Personen dominiert, die über ein recht eingeschränktes Praxiswissen verfügen, und die gerne Konjunktive verwenden.

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  • Wenn ich gefragt würde, mit welchem Begriff ich ganz persönlich das Internet in seiner momentan dominierenden Form (Web 2.x) verbinde, fiele mir zunächst "kreativ Interessantes" ein - die Webseiten, auf denen ich mich regelmäßig bewege, kreisen zu einem großen Teil um kreativen Ausdruck in verschiedenster Form. Ich surfe jeden Tag über verschiedene Bildarchive, in denen nicht nur schlaglichtartige Beispiele vergangener und etablierter darstellender Kunst zu sehen sind, sondern auch neue Werke von professionellen Künstlern wie von Amateuren, die ich niemals zu Gesicht bekommen hätte, wenn ich nicht das Internet zur Verfügung hätte und mich stattdessen auf Bildbände in der Bibliothek oder (teure) Kunstmagazine beschränken müsste. Ich besuche regelmäßig die "Ikea-Hacker" Webseite, auf der Umbauten von Ikea-Möbeln gezeigt werden genau wie eine andere Webseite, die Anleitungen für alle möglichen Bauten zeigt. Ich habe einige Youtube- und andere Online-Stammvideoseiten, auf denen ich Film- und Videospielkritiken von Amateueren verfolge, bzw. Humor-Vlogs etc.


    Nun könnte man fragen, was denn daran kreativ ist, ist doch nur Konsum durch mich. Sicherlich - ich konsumiere mehr als ich produziere, was aber außerhalb der Computertechnologie für Otto-Normalbürger schon immer zutreffend war. Andererseits habe ich schon mehr als eine Inspiration erhalten - Anregungen für eigene Bildbearbeitungen oder Möbelumbauten. Andererseits dokumentiert die bloße Existenz zahlloser hobbyistischer Kreativer im Internet genau das, was Spitzer leugnet, nämlich einen produktiven Ansporn, den Computer- und Medientechnik liefern kann. (Übrigens auch von zumindest einer Stuttgarter Kollegin!)


    Aber gibt es da einen Unterschied zur Kreativität ohne Technik, irgendeinen "Mehrwert"? Ich meine, ja. Einerseits die nicht nur potenzielle sondern tatsächliche weltweite Verbreitung der eigenen Kreativität. Was wäre der Adressetenkreis eines daheim produzierten Videos in den 80ern gewesen, was ist er bei Youtube? Ich persönliche schreibe in meiner Freizeit - es gibt Webseiten, auf denen sich Hobbyautoren vernetzen und gegenseitig unterstützen. Andy Warhols "15 Minuten" sind da schon für mehr als einen Realität geworden. Der kreative Mehrwert von Computertechnik reicht aber noch weiter; noch niemals zuvor waren technische Werkzeuge zur kreativen Gestaltung so leicht zu bekommen und einzusetzen wie heute - ein Mehrspurtonbandgerät mit Effektabmischung, für das man noch vor 25 Jahren Jahren weit über 1000DM hätte bezahlen können, gibt es in digitaler Form gratis; Videoschnittsoftware wird mit vielen PC-Systemen mitgeliefert, bzw. ist relativ preiswert zu erhalten; Semiprofessionelle Bildbearbeitungssoftware gibt es für umsonst; Funktionen für das Layout von Druckseiten liefert heutzutage jedes beliebige Textprogramm, so dass schon weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dass der gedruckte Textsatz einmal eine recht mühselige Angelegenheit war. (Wer in der Steinzeit der Matrizenproduktion eine Schülerzeitung produziert hat, weiß, wovon ich rede.)Wer Lust hat, seine Gedanken in schriftlicher Form für die Öffentlichkeit bereitzustellen, kann es mit einem Blog einfach tun, wenn er Lust dazu hat. Dank Digitalfotografie und -film sind nicht nur die Geräte billiger in der Anschaffung geworden, sondern wegen der wegfallenden Entwicklungskosten ist es auch ein problemloses Hobby auch für Kinder und Jugendliche geworden.


    Und das soll alles die kulturelle Demenz fördern?

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  • Es ist ja nicht nur die Kreativität. Für mich ist Computer- und Smartphonetechnik zum unterstützenden Begleiter in jeder Form intellektueller Entwicklung geworden. Ich frische zur Zeit mein Französisch auf und weiß als Fremdsprachenlehrer natürlich, wie wichtig mehrkanaliger Input dafür ist. Auf Youtube finde ich ohne Schwierigkeiten französisches Filmmaterial, mein Internet-Radio liefert mir französische Programme, wenn ich zu französischer Musik die Texte brauche, sind die nur eine Google-Suche entfernt. Den "Nouvel Obs" lese ich jeden Tag online, für ein Wörterbuch oder eine Grammatikerläuterung muss ich nicht einmal die Tastatur aus der Hand legen. Mein Vokabelkarteikasten begleitet mich auf meinem Telefon überall hin - und jeder Sprachlehrer weiß, wieviel effektiver das wiederholte, nur einige Minuten dauernde Vokabellernen nebenbei gegenüber umfangreichen Lernsitzungen am Schreibtisch ist! Was hätte ich gegenüber all dem in den 80ern gehabt? Karteikarten in der Westentasche, ok., aber darüber hinaus nur eine ziemlich teure aber dafür eine Woche alte französische Tageszeitung am Bahnhof der nächstgrößeren Stadt. (Wenn ich Lust dazu habe, lese ich als Denksport zwischendurch übrigens auch Wochennachrichten auf Latein.)


    Zu Studentenzeiten Anfang der 90er habe ich viel Zeit im Usenet und in Diskussionsforen mit der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen und politischen Verschwörungstheoretikern (z.B. Holocaustleugnern und "Phantomzeit"-Anhängern verbracht.) Solche Auseinandersetzungen schärfen die rhetorischen Mittel, die man zur Verfügung hat ganz allgemein - als Nebeneffekt habe ich nebenbei unheimlich viel Wissen z.B. über die Geschichte der Shoah oder des Mittelalters inklusive der historischen Hilfswissenschaften angesammelt; das ist ein "Abfallprodukt", das ich bei vielen Teilnehmern von Diskussionsforen mit allgemeininteressierten Themen beobachtet habe. Wenn man sich in den richtigen Gegenden des Internet bewegt (Trolle gibt es natürlich überall), kann man an inhaltlich und argumentativ sehr anspruchsvollen Auseinandersetzungen teilnehmen. Die Lehrerforen hier sind dafür nicht unbedingt ein gutes Beispiel, sie waren vor ein paar Jahren noch anders. Dass heute eins der beliebtesten hiesigen Unterhaltungsspiele, nunja das hier ist, spricht vermutlich für sich selbst, ebenso wie der bei einigen Korrespondenten doch sehr unbeholfene und unausgereifte Duktus. Aber ich schweife ab - wesentlich für mich ist, dass das "das muss ich jetzt eben mal nachsehen" für mich in dieser Zeit selbstverständlich geworden ist, so wie in alten Zeiten der Griff zu Wörterbuch und Konversationslexikon, nur dass ich es eben dank ständiger Onlineverfügbarkeit zu Hause und unterwegs eben viel umfassender und bequemer tun kann. Nur ein Beispiel: ich lese gerade den letzen Schmöker von Dan Brown, "The Lost Symbol", natürlich als Ebook auf meinem Telefon. Es geht unter anderem um die Bildgestaltung der Kuppel im Washingtoner Capitol - das musste ich mir natürlich gleich im Internet anschauen und mit der Beschreibung vergleichen; und weil ich mich dabei festgeschmökert hatte, habe ich als Nebenprodukt eine ganze Menge über Bildsymbolik und Architektur des 18. und 19. Jh. gelernt. Ohne Computerzugang hätte ich das mit Sicherheit nicht getan. Natürlich wäre es mir mit entsprechendem Bibliothekszugang möglich gewesen, aber, mal im Ernst, das macht doch kaum jemand wirklich.


    Und das soll jetzt alles die intellektuelle Demenz fördern?

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  • Als hier im Thread das Stichwort "Sarrazin" gefallen ist, habe ich mich gefragt, ob das jetzt nicht doch zu weit ginge. Nach einigem Überlegen finde ich diesen Vergleich aber doch nicht unpassend, denn ich denke, dass hinter der Denunziation einer Technologie letztlich eine kulturelle Friktion steht. Wir haben seit den 90ern eine dritte nicht nur industrielle sondern technische Revolution erlebt, die alle Bereiche des Lebens umkrempelt, was in all seinen Implikationen erst jetzt wirklich sichtbar zu werden beginnt. Als Erwachsene erleben wir die erste Generation von Jugendlichen, für die all diese Medien- und Kommunikationstechnik nicht eine Neuerung ist, sondern vom Krabbelalter an eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Es ist gar nicht anders denkbar, als dass so eine Zäsur zu gesellschaftlichen Irritationen führen muss.


    Dass gerade in Deutschland die Pädagogik eine Speerspitze gegen mediale Neuerungen darstellt, hat lange Tradition und hängt wohl mit der dort immer noch vorherrschenden Ideologie einer rousseauistischen Kindheitsutopie zusammen, die aus welchen Gründen auch immer sehr attraktiv zu sein scheint. Andererseits hat sich etwas entwickelt, dem ich mich auch selbst zugehörig fühle, und was man wahrscheinlich als eine Art "internationale Nerdkultur" bezeichnen könnte, mit eigener Idiomatik, eigenen sozialen Codes, eigenen kulturellen Memen. In dieser Kultur gibt es Gemeinsamkeiten, die über traditionelle kulturelle Unterschiede hinwegreichen. Wenn ich einen türkischen Nerd, dem ich noch niemals zuvor begegnet bin, zu seiner Meinung über die Han-Greedo-Kontroverse frage, werde ich eine klare Aussage bekommen. Man kann darüber spekulieren, wie es zu einer kulturellen Erscheinung kommen konnte und ob eventuell ältere, ebenfalls international angelegte akademische und populärkulturelle Tendenzen, vor deren Hintergrund die Nerdkultur steht, vielleicht einen Beitrag leisten. Wesentlich ist meiner Meinung nach, dass es gegenüber dem größeren, weniger technikaffinen Teil der Gesellschaft zu Verständislosigkeit kommt; eine Verständnislosigkeit, die allerdings in beide Richtungen geht - nicht nur auf Seiten der "Emailausdrucker"; die Piratenpartei als politische Manifestation der Nerdkultur zeigt eine verblüffende Lebensuntüchtigkeit in der realen Parteipolitik, die nicht zuletzt auf Weltfremdheit beruht. Dazu kommen auch tatsächliche Defizite der Nerdkultur - noch ist sie ein "privileged white boys club" und hat ein erhebliches Sexismusproblem, was sich mit dem wachsenden Frauenanteil zu ändern beginnt und diskutiert wird, aber immer noch virulent ist.


    In diesen Zusammenhängen deute ich Spitzers Ausbrüche. Er zeigt letztendlich urmenschliche Verhaltensweisen, auf die Begegnung mit dem Fremden, Unverständlichen reagiert er ganz analog zu Sarrazin mit instinktiver Feindseligkeit, die sich in vorurteilsbeladenen Klischees entlädt. Man darf die Wirkmächtigkeit solcher emotionaler Mechanismen auf die Weltwahrnehmung auf keinen Fall unterschätzen, weil sie selbst in Diskussionen mit wissenschaftlichem Anspruch als ideologische Prämisse die Argumentation erheblich beeinflussen können. Ich will jetzt keine Killerspieldiskussion führen, aber wenn "Experten", die weder eine militärische Taktik- oder Schießausbildung haben, geschweige denn im Leben einmal eine scharfe Waffe abgefeuert haben, noch sich jemals in eigener Anschauung intensiv mit der Narrative von Shootern im Singleplayer-Modus oder mit dem Gruppenerleben und dem Spielverlauf von Multiplayermatches praktisch auseinandergesetzt haben, detaillert erläutern, wie solche Spiele das Totschießen "trainieren" (wahrscheinlich geht da in ihrem Kopf sowas vor sich), dann finde ich das gelinde gesagt erstaunlich.


    Summa summarum: es ging mir in diesem Text nicht darum, eine eitle Utopie des Computerparadieses zu zeichnen. Dass die gleichen Medien, die ein hohes Maß von Kreativität und Bildungsanstrengungen freisetzen können, genau so gut zur passiven geistigen und körperlichen Verfettung führen mögen, weiß ich selber. Deshalb habe ich von Potenzialen geredet, die mit dieser Technik freigesetzt werden können. Vom Fernsehen sagt man, es mache die Dummen dümmer und die Klugen klüger. Nichts anderes gilt für die Computertechnik. Nichts galt aber auch für den Buchdruck. Man konnte sich auch im 19. Jh. aussuchen, ob man Heine las oder grauenvoll schlechte Kolportageromane. Und im 18. Jh. konnte man jederzeit zwischen den Enzyklopädisten und erschütternd trivialer Pornographie wählen. Nichts neues unter der Sonne, die Mehrheit der Menschen war schon immer unkreativ und denkfaul, gleiches gilt sicherlich für die Nutzer neuer Medien.


    tl;dr Spitzers Thesen sind falsch, das Medium muss von den Menschen, die es nutzen, getrennt gesehen werden, für ein klares Urteil braucht man bessere Kenntnisse.

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  • Zitat jotto-mit-schaf :

    Zitat

    Ich meinte den oder die kleinen Elternschrecks.

    Ich habe keine Kinder, geehrte jotto-mit-schaf ! 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !


  • ich finden den Artikel des LMS erschreckend schlecht.


    Ja, das ging mir auch so. Insbesondere die Äußerungen von Prof. Jantke fand ich nichtssagend. "Bei Medienwirkung muss man immer zu allererst sagen, dass Medien von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich rezipiert werden. Das hängt von den Vorkenntnissen, Erfahrungen, aber auch Vorlieben ab, die diese Menschen haben,..."


    Welche Wirkungen wie auch immer geartete Einflüsse auf kleine Kinder haben, braucht man doch nicht zu betonen - und dass da von zu viel Bildschirm Gefahr droht, dass weiß man doch. Da kann man nicht sagen, das eine Kind reagiert so und das andere so ... das gilt auch für Schläge und falsche Ernährung und Vernachlässigung und und und. Das Argument ist also nichtig.


    Ich verstehe auch den gereizten Ton nicht so ganz. Als ich den Begriff "digitale Demenz" zum ersten Mal hörte, habe ich gelacht und gesagt: Ja, genau so ist es.


    Wie viele Leute kennen noch nicht mal ihre eigene Handynummer auswendig? Wie viele Schüler zücken für -4+10 den Taschenrechner?


    Und wer weiß noch, was gestern in der Zeitung stand? Man wird so überflutet mit überflüssigen Informationen: Ja, da fühle ich mich oft ziemlich blöd.Und nach zwei Stunden Bubbleshot bin ich auch leicht wirr im Kopf.


    Man wird Spitzers Empfehlungen nicht folgen (können), aber sind sie deshalb falsch? Sollten wir nicht auch weniger Auto fahren und Flugzeug fliegen? Wenn man süchtig nach Kartoffelchips ist, darf das dann niemand benennen? Gilt dann "Leute, esst mehr Kartoffelchips", weil, es führt ja doch kein Weg zurück?


    Wir haben die allzeit verkabelten bzw. verWLANten Jugendlichen vor Augen, ohne zu wissen, was das letztlich aus ihnen macht. Ich glaube nicht, dass die Teletubbies der Untergang des Abendlandes sind - aber sie sind sicher überflüssig und kleine Kinder sind ohne Fernseher besser dran. Und dass die ewige Handyfummelei eine Plage ist, müssen wir darüber streiten? Ich glaube nicht, dass ich den Spitzer unheimlich toll finde, aber wenn jemand so eine Diskussion in Gang bringt, finde ich das gut.


    Und ich verstehe nicht ganz, warum sich viele so angegriffen fühlen. Ich bin selbst auch Computer-Junkie, und das ist ja auch mein Job. Aber ich weiß auch sehr gut, was ein Spaziergang mit mir macht. Nämlich: Viel Gutes. Darauf hinzuweisen ist eine Banalität.

    • Offizieller Beitrag

    Zitat jotto-mit-schaf :

    Ich habe keine Kinder, geehrte jotto-mit-schaf ! 8)


    Na, dann muss ich dich doch glatt mit jemandem, vielleicht aus einem anderen Forum, verwechselt haben. :nixmitkrieg:
    Aber: Hättest du welche, dürften sie?

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • Zitat Piksieben :

    Zitat

    Wir haben die allzeit verkabelten bzw. verWLANten Jugendlichen vor Augen, ohne zu wissen, was das letztlich aus ihnen macht. Ich glaube nicht, dass die Teletubbies der Untergang des Abendlandes sind - aber sie sind sicher überflüssig und kleine Kinder sind ohne Fernseher besser dran. Und dass die ewige Handyfummelei eine Plage ist, müssen wir darüber streiten?

    Ich merke jeden Tag in der Schulstube, was das aus den Kindern und Jugendlichen bereits gemacht hat. Die Kinder kommen allesamt verstrahlt in die Schule, können sich nicht konzentrieren, hibbeln herum, und das Textverständnis sowie die Rechtschreibfähigkeit nehmen auch immer mehr ab, ebenso das sprachliche Ausdrucksvermögen und Phantasiefähigkeit.-Aber das wird hier im Forum gerne bagatellisiert. Dann ist natürlich Spitzer der Böse.

    Zitat

    Und ich verstehe nicht ganz, warum sich viele so angegriffen fühlen.

    Das ist hier sowieso manchmal üblich, wenn kluge Denker unbequeme Wahrheiten verkünden.


    @jotto-mit-schaf


    Ja, aber lesen ! 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Ich merke jeden Tag in der Schulstube, was das aus den Kindern und Jugendlichen bereits gemacht hat. Die Kinder kommen allesamt verstrahlt in die Schule, können sich nicht konzentrieren, hibbeln herum, und das Textverständnis sowie die Rechtschreibfähigkeit nehmen auch immer mehr ab, ebenso das sprachliche Ausdrucksvermögen und Phantasiefähigkeit.-Aber das wird hier im Forum gerne bagatellisiert. Dann ist natürlich Spitzer der Böse.


    Das ist genau der verengte Blick, den ich auch Spitzer vorwerfe. geehrter Elternschreck - als Hauptschulmeister hast du eine bereits "vorgeschädigtre Klientel" vor dir. Dass es da mit der Lese- und Schreibfähigkeit bergab ginge, kann ich nicht behaupten. Das ist ein recht konstantes Problem, das auch bereits bestand, als noch Wenige wussten, wie man Computer schreibt.
    Die Hippeligkeit ist kein Problem der Technik und der Computer - sondern ein Problem der Eltern, die ihren Kindern Computer und Fernsehgeräte ins Zimmer stellen und sich dann wundern, wenn die bis früh um 4 Uhr dran daddeln.


    Und Spitzers Hauptargument sind ja die bösen Killerspiele, die millionenfach in den Kinderzimmern der Kleinen gespielt werden. Hast du dir schon eine Schutzweste zugelegt, weil die Kids in letzter Zeit verstärkt mit Kalaschnikow und Uzzi in der Schule erscheinen? Hast du Sandsäcke ums Pult drapiert?

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Die Hippeligkeit ist kein Problem der Technik und der Computer - sondern ein Problem der Eltern, die ihren Kindern Computer und Fernsehgeräte ins Zimmer stellen und sich dann wundern, wenn die bis früh um 4 Uhr dran daddeln.


    Das ist immer so schön einfach. Baller die Kinder aus allen Kanälen mit Werbung und Mist zu und schieb den Eltern dann den schwarzen Peter hin, weil sie zu viel erlauben.Lege Zentner von Süßkram in die Regale, häng noch ein Schild "gesund" dran und sage dann den Eltern, dass sie für die gesunde Ernährung zuständig sind und ihre Aufgabe ist, der Quengelei Herr zu werden und ständig den Buhmann zu geben. Verbaue die Städte und den Spielraum und wirf den Eltern vor, dass ihre Kinder nicht genug draußen spielen und motorisch unterentwickelt sind. Fordere, dass auch Eltern allzeit berufstätig sein sollen und wirf ihnen dann vor, dass sie ihre Kinder vernachlässigen.


    To be continued ...


    Eltern und Lehrer sind immer nur Teil einer Gesellschaft, die sich entwickelt und verändert und mit der wir irgendwie fertig werden müssen. Die Fernseher, die Computer, die Dickmacher, die Eurokrise und die viel zu vielen SUVs sind nun mal da. Einfach Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu verteilen wird dem Problem nicht gerecht. Eltern haben einen Anteil. Pädagogen. Politiker. Und eben auch Wissenschaftler wie Spitzer. Der legt den Finger in eine Wunde, über vieles lässt sich sicher streiten, aber dieses Beleidigtsein und Probleme nicht sehen wollen, das geht halt nicht. Mit den Problemen müssen sich alle auseinandersetzen.

  • Baller die Kinder aus allen Kanälen mit Werbung und Mist zu und schieb den Eltern dann den schwarzen Peter hin, weil sie zu viel erlauben


    Doch. Diesen Schwarzen Peter ziehen viele Eltern selbst - gerade bei uns in der HS. Da muss ich gar nichts schieben. Wenn ich meine Kids müde sehe und frage, was am Tag vorher los war, sind die so ehrlich und sagen; "Bis 4 gedaddelt" - und oft genug mit den Klassenkameraden.


    Darauf habe ich als Lehrer keinen Einfluss. Da gilt dann §6 Grundgesetz:

    Zitat

    Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Darauf habe ich als Lehrer keinen Einfluss. Da gilt dann §6 Grundgesetz:


    Wenn die tatsächliche gesellschaftliche Praxis nicht mehr mit dem Recht übereinstimmt, dann sollte sich das Recht ändern. Das ist einfacher als die Menschen zu ändern (was sowieso noch nie funktioniert hat). Man sollte das mit der "Pflicht" einfach streichen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich bitte dich .. wenn mehr Leute andere umbringen, muss das Recht geändert werden und es darf nicht mehr gefordert werden, dass Tötung ein zu sanktionierendes Delikt ist?
    Wenn Menschen sich nicht mehr an Rechtśverordnungen halten, die als sinnvoll und allgemein verbindlich erachtet wurden, müssen diese Regelungen - auch mit Sanktionen - eingefordert werden. Dafür ist das Recht da. Oder es gibt eine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung.


    Als Lehrer können wir Eltern bei Leistungsproblemen der Schüler, die auf exzessive Computernutzung zurückzuführen sind, auf §6 des Grundgesetzes vehement hinweisen.
    Das entlastet.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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