Vereidigung notwendig?

  • Aber wenn jemand schon in so einer Situation seine persönlichen religiösen Gefühle nicht hinten anstellen kann, kann man möglicherweise befürchten, dass er in wirklich kritschen Situationen erst recht Schwierigkeiten damit hat. Jemand, der mit dem Argument er lege die Bibel vollständig wortwörtlich aus, den Diensteid verweigert, wird möglicherweise auch ein Problem haben, wenn das Englisch-Curriculum zB auf einmal von ihm verlangt in Klasse 10 die Entwicklung der Homosexuellenbewegung in Amerika unter der Prämisse "Erziehung zur Toleranz" zu unterrichten. (Womit ich nicht unterstellen möchte, dass das bei dir so wäre.)

  • Die Vereidigung ist verpflichtend für alle, und as aus gutem Grund:


    abgesehen von den schlimmen Befürchtungen, die du gegen den TE hast, ist es durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar, dass jemand nicht den "normalen" Eid ablegt, sondern aus religiösen Gründen
    eine "Versicherung an Eides statt". Dieser ist dem Eid gleichgestellt und ist inhaltlicht fast identisch, bis auf die Passagen mit dem schwören und dem Berufen auf "Gottes Hilfe".
    Einige aus unserem Seminar haben dies damals wahrgenommen.

    • Offizieller Beitrag

    Hier ein Auszug aus einem Bibelkommentarzu dieser Frage.



    kl. gr. frosch

  • Ist es nicht so, dass man als Referendar nicht verbeamtet wird - aber trotzdem erst mal ein Referendariat macht - wenn angekreuzt hat, dass man in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung war? Da gab es zumindest zu meiner Zeit diesen Fragebogen, einschließlich Kleintierzüchterveband der DDR, wenn ich mich recht erinnere. Und da hieß es immer, wenn man da ankreuzt, wird man erst mal nicht verbeamtet. Weiß aber nicht, ob das stimmt.


    (Schwören soll man nicht, aber eine Ehegelöbnis abgeben? Anderes Thema.)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Nun ja, mit Exegese kann man nicht wirklich argumentieren, denn Bibelauslegungen sind völlig arbiträr, d.h. willkürlich. Mit diesem mythologischen Literaturkanon kann man alles und sein Gegenteil je nach Wunsch begründen, dazu ist die Theologie als Deutungskunst schließlich erfunden worden...


    Unsere Gesellschaftsordnung zeichnet sich durch große religiöse Toleranz aus, deswegen muss natürlich auch von Staats wegen auf Glaubensfragen Rücksicht genommen werden, z.B. ob jemand aus metaphysischen Gründen bestimmte Formulierungen nicht aussprechen darf. Das ist meiner Meinung nach auch völlig richtig so, so lange nicht unveräußerliche Grundprinzipien und Ideale unserer Gesellschaftsordnung dadurch verletzt werden.


    Das ist im Zusammenhang mit Glaubensfragen leider ein sehr konkretes Problem, da Religionsgruppen aufgrund ihrer Glaubensüberzeugungen anscheinend historisch systemisch dazu neigen, wesentliche Menschen- und Bürgerrechte in Frage zu stellen (als einige, wenige Beispiele Gedankenfreiheit, Gleichberechtigung von Homosexualität, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Arbeitnehmerrechte in kirchlichen Einrichtungen.) Das gilt allerdings gleichermaßen auch für politische Überzeugungen, die auf den Umbau unserer Gesellschaftsordnung hin zu einem utopischen Ideal abzielen, sei es aus linker, sei es aus rechter Richtung.


    Da der Unterricht von Kindern und Jugendlichen in Deutschland aus guten Gründen in staatlicher Hand liegt, muss offensichtlich dafür gesorgt werden, dass angehende Lehrer als Staatsdiener in ganz besonderem Maße auf die Verfassung als verbindliche Setzung unserer Gesellschaftsideale verpflichtet werden. So wird jedem angehenden Staatsdiener in einem symbolischen Akt demonstriert, dass er sich auf eine der Gesellschaft gegenüber besonders verantwortungsvolle Tätigkeit einlässt, hinter der gegebenenfalls eigene ideologische Überzeugungen zurückzustehen haben. Der Staatsdiener tritt mit dem Diensteid in ein besonderes Verhältnis zum Staat ein.


    Unsere Rechtsordnung kennt den performativen Sprechakt als Mittel der Setzung von Zuständen: der Standesbeamte muss "ich erkläre Sie hiermit zu Mann und Frau" sagen, der Polizist "Sie sind verhaftet". Der Diensteid als Handlung ist meiner Meinung nach aus diesem Grund unverzichtbar, die genaue Formulierung, solange sie nicht die besondere Verpflichtung zur Verfassungstreue berührt, dagegen nicht entscheidend. Auf den Inhalt muss streng geachtet werden, denn sonst wäre es leicht, sich durch religiöse Einwände aus der Verpflichtung selbst herauszulavieren.


    Nele

  • Du legst die Bibel also wörtlich aus...


    Sorry, ich kann es leider nicht lassen: Das ist dein Gutes Recht. Ich nehme allerdings an, das gilt für die gesamte Bibel, und also auch für z. B. folgende Bibelstellen:


    "Wenn eine Jungfrau verlobt ist und ein Mann trifft sie innerhalb der Stadt und wohnt ihr bei, so sollt ihr sie alle beide zum Stadttor hinausführen und sollt sie beide steinigen, dass sie sterben, die Jungfrau, weil sie nicht geschrien hat, obwohl sie doch in der Stadt war, den Mann, weil er seines Nächsten Braut geschändet hat; ..."
    (5. Mose 22,23-24)


    "Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben; ..."
    (3.Mose 20,13)


    "Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen ihn Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und Trunkenbold. So sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe, ..."
    (5. Mose 21,18-21)


    Besonder interessant ist folgende Stelle:


    Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung.Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie über den Mann Herr sei, sie sei still.
    Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen lassen. Sie wird aber selig erden dadurch, daß sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben mit Besonnenheit im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung (1. Timotheus 2,11 ff).


    Wie bringst du das in Einklang mit den Anforderungen des Grundgesetzes, das zu befolgen für dich nach eigener Aussage kein Problem ist.


    Gruß FraV, der kein Atheist ist, aber von wörtlicher Bibelauslegung nun mal gar nichts hält...

  • Ich bin auch bekennende Christin und schätze religiöse "Konsequenz" als Lebensform sehr, halte sie jedoch auch nicht für geeignet, in alle Bereiche einzudringen. Mich würde auch interessieren, wie der TE zu den oben genannten Bibelstellen, oder Bibelstellen allgemein, die den Grundrechten so deutlich widersprechen, steht. Aber vielleicht sind es ja auch nur, ich unterstelle das wohlwollend, gewisse Prinzipen, wie z.B. eben das Gebot des nicht Schwörens.


    Bauchschmerzen bereitet mir die Bemerkung, "ich habe ja an sich kein Problem mit dem Grundgesetz". Vielleicht überinterpretiere ich diese Stelle- aber drückt das nicht Distanz aus? Jedenfalls drückt es nicht explizit aus, dass der jenige voll hinter dem Grundgesetz steht, wenn wir schon bei Empfindlichkeiten bezüglich gewisser Wortlaute sind.


    Alles andere, warum das "Versprechen" (nennt es , wie ihr wollt) das Grundgesetz zu vertreten unbedingt notwendig ist, hat Nele m.E. super ausgeführt

  • Ich würde vorschlagen, zu der Frage "Was leistet Exegese, was nicht" einen neuen Thread aufzumachen - hier geht es ja um ein rein dienstrechtliches Problem, das mit Glaubensfragen eigentlich wenig zu tun hat.


    Nele

  • Ok, meine Frage wurde ja eh schon hinreichend beantwortet. Vielen Dank für alle konstruktiven Beiträge.

    • Offizieller Beitrag

    Ich muss zur Beantwortung deiner Frage noch einmal eine Aussage von dir aus dem abgespaltenen Thread zitieren:

    Zitat


    Wie gesagt befolge ich diese Dinge als Gebote für mein persönliches Leben, ich beziehe es nicht auf die Öffentlichkeit, und auch nicht auf den öffentlichen Dienst.


    Der Eid gehört IMHO zur "Öffentlichkeit" und zum "Öffentlichen Dienst". Sollte also daher für dich (wie in meinem Zitat weiter oben auch schon zitiert) kein Problem sein.


    kl. gr. frosch

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