Bedeutung extrem detaillierter Stoffpläne

  • Hallo zusammen,


    werde mich im Sommer in NRW auf Stellen bewerben, nachdem mein Schweizer Lehrdiplom in Deutschland anerkannt wurde. Und bin gerade zum Spass schon mal ein bisschen am Schulen suchen...


    ... und folgendes macht mich stutzig: In vielen Schulen gibt es Stoffpläne, die so weit runtergebrochen sind, dass da sogar explizit drin steht, welche Aufgaben aus dem Mathebuch gemacht werden sollen. Dann geht das teilweise noch weiter und es wird sogar vorgegeben, in der wievielten Wochenstunde man doch mal welche Aufgabe aus dem Buch machen soll.


    Wie soll ich so was verstehen? Ist das ernst gemeint und ich habe dann an einer solchen Schule in jeder Stunde genau nach Planvorgabe zu unterrichten? Wenn ja, weiss ich ehrlich gesagt nicht so ganz, wieso ich überhaupt im Planen von Unterricht ausgebildet werden musste, wenn mir da eh so viele Vorgaben gemacht werden. Oder sind solche Pläne für gewöhnlich eher als grobe Richtlinien gemeint?


    Habe nämlich schon gerne meine Freiheiten und setze gerne eigene Unterrichtsideen um...

  • Ja, an manchen Schulen ist so etwas ernst gemeint...an einigen aber auch nur eine "Arbeitserleichterung", damit das Erstellen eines Stoffverteilungsplanes schneller geht.

  • Manche Schulen haben da der Einfachheit halber den vorgeschlagenen Stoffplan verwendet, der vom Verlag dem Lehrwerk beiliegt.
    Wie bereits geschrieben: Das ist eine Orientierung und "in Papier gegossene Pflichterfüllung". Die pädagogische Freiheit und der Zufall degradieren Stoffpläne in der Regel zu reinen Wegmarkierungen.


    Es mag Gymnasien geben, in denen Parallelkollegen zum Tango nach Plan verpflichtet sind - falls sich eine derartige Konstellation abzeichnet:
    Die Schullandschaft ist weit.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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  • Habe nämlich schon gerne meine Freiheiten und setze gerne eigene Unterrichtsideen um...

    Sorry wenn ich Dich gerade ein bisschen auslachen muss. Du wirst grosse Freude an einem deutschen Gymnasium haben ;) Ich fürchte, Du musst Dich einfach damit abfinden müssen, dass die Uhren nördlich des Rheinknies anders ticken.

  • Erstens habe ich natürlich meine Erfahrung aus der Schülerperspektive und zweitens habe ich deutsche Lehrerkollegen. Drittens ... ja natürlich, jedes Bundesland ist anders etc. pp. ... aber grundsätzlich ist das deutsche Bildungssystem ein anderes als das schweizerische und ein wesentlicher Unterschied sind eben die vom TE-Ersteller erwähnten viel detaillierteren Vorgaben der deutschen Lehrpläne. Du wirst an einem schweizer Gymnasium kaum jemals überhaupt das Wort "Lehrplan" hören.

    • Offizieller Beitrag

    Wollsocken, jetzt bin ich neugierig geworden: wurschtelt dann jedes Gymnasium vor sich hin?


    heißt, am Gymn. A wird in einem Jahrgang etwas anderes unterrichtet als am Gymn.B derselben Stadt/ desselben Kantons?


    es gibnt keine Standards für den zu behandelnden Lernstoff, so dass jeder Kollege ganz nach Gutdünken verfährt?


    Offenbar bin ich deutsch genug, um solche Vorstellungen ...well, let's say... befremdlich zu finden :staun:

  • Das kann durchaus so sein, ja. Funktioniert aber. Ich hab mich auch nur kurz amüsiert, dass dem schweizer Kollegen der Lehrplan seiner potentiellen neuen Wirkungsstätte befremdlich vorkam. ;)

  • Der Stoff für das Abi ist sehr genau vorgegeben, weil es ja ein zentrales Abi gibt. Da sind auch die Lehrpläne sehr genau in ihrer Aufteilung. Ich empfinde das eher als Hilfe als als Einengung: Ich weiß, wieviel Zeit ich für was habe. Hat man dann ein gutes Buch, dann braucht man tatsächlich nicht mehr viel zu planen und kann sich auf die Gestaltung der Unterrichtsstunden konzentrieren. Sich dabei was einfallen zu lassen, was zu der aktuellen Lerngruppe passt, ist Arbeit genug.


    Ansonsten würde ich das auch nicht zu wörtlich nehmen. Papier ist geduldig. Niemand hat Zeit, deinen Unterricht ständig zu überwachen, und es gibt immer Unwägbarkeiten, die den Zeitplan durcheinanderbringen. Es gibt so viele Dinge zu beachten, wenn man eine Schule sucht, die zu einem passt - da ist das mit den Stoffverteilungsplänen nur ein Aspekt, den solltest du nicht überbewerten.

  • es gibnt keine Standards für den zu behandelnden Lernstoff, so dass jeder Kollege ganz nach Gutdünken verfährt?

    ... um hier mal was gerade zu rücken: Die Freiheiten beruhen natürlich auf dem Vertrauen der anstellenden Behörde in uns Fachlehrer, dass wir als ausgebildete Experten in unserem Fach schon wissen werden, worauf es ankommt. Es gibt natürlich in allen Fächern einen stillschweigenden Konsens darüber, was man eben so unterrichten sollte bis zur Matur. Irgendwo dümpeln da auch irgendwelche Lehrpläne rum, klar. Ich meine, ich hätte unseren während der Ausbildung auch mal gesehen. Aber im Grundlagenfach überprüft faktisch niemand, ob das auch tatsächlich alles unterrichtet wurde, was da drin steht. Ach ... im Schwerpunktfach eigentlich auch nicht.



    Da sind auch die Lehrpläne sehr genau in ihrer Aufteilung. Ich empfinde das eher als Hilfe als als Einengung:

    Ja, das ist tatsächlich ein Vorteil. Ich habe schon an einer Schule unterrichtet, an der wirklich 5 Kollegen innerhalb eines Fachs was komplett anderes machen. Das ist fürchterlich mühsam vor allem für Schüler, die aus irgendwelchen Gründen mal die Klasse wechseln, oder ganz einfach die Klasse wiederholen müssen. Mir ist es lieber, wenn man sich da wenigstens innerhalb der Fachschaft einig ist, was gemacht wird. Trotzdem ist es auch an meiner jetzigen Schule so, dass meine Schwerpunktfachschüler z. B. wissen wie ein p/n-Übergang funktioniert, der Jahrgang drüber und drunter weiss das nicht. Das macht nichts. Ich hab jetzt ein paar Repetenten aus dem Jahrgang drüber dazubekommen, mit denen setze ich mich halt einzeln hin und bespreche solche Dinge. Wir halten aber wenigstens die Reihenfolge der grossen Themen wie Bindungslehre, Reaktionsgeschwindigkeit, chem. Gleichgewicht, etc. ein. Um jetzt einfach mal Beispiele aus meinem eigenen Fach zu nennen. Erst letztens beim Mittagessen habe ich aber gelernt, dass auch die Unterschiede in der Geschichte z. T. recht gross sind. Irgendwie sind sich alle einig, dass ein Oberstufenschüler mal was vom 3. Reich gehört haben sollte aber darüberhinaus setzt jeder Kollege seine Schwerpunkte doch sehr anders.


    Es wird für den schweizer Kollegen SEHR gewöhnungsbedürftig sein, dass ihm diese Freiheiten an seiner neuen Schule genommen sein werden. Genauso wie ein deutscher Kollege sich dran gewöhnen müsste, dass man ihm hier erst mal sagen würde ... ja, mach doch, wie Du meinst. ;)


  • Es wird für den schweizer Kollegen SEHR gewöhnungsbedürftig sein, dass ihm diese Freiheiten an seiner neuen Schule genommen sein werden. Genauso wie ein deutscher Kollege sich dran gewöhnen müsste, dass man ihm hier erst mal sagen würde ... ja, mach doch, wie Du meinst. ;)


    Neinein, so wild kenne ich es auch nicht. An unserer Schule (wo ich jetzt bin) stellt zum Beispiel der ganze Jahrgang gemeinsam eine Matura auf, und man weiss vorher, was durchgenommen werden muss (und das ist auch nicht allzu anders als der Stoff, den ich selbst in D fürs Abi gelernt habe.) Insofern macht mir jetzt auch ein Zentralabi keine Angst.


    Hätte nur einfach ein Problem damit, zu viele Aufgaben aus dem Buch verwenden zu müssen. Weil: Habe ehrlich gesagt beim Lambacher Schweizer fast nie das Gefühl, dass da etwas wirklich gut erklärt ist oder die Aufgaben wirklich lehrreich sind. (wenn da einer gegenhalten will, mache er dafür bitte einen eigenen Thread auf. Hier gehts ja eigentlich um was anderes.) Wenn die Vorgabe einfach nur wäre: "Die Schüler müssen bis zum Zeitpunkt X das können, was man aus Aufgabe 3 auf Seite 74 lernen würde.", dann hätte ich damit schon kein Problem mehr.

  • Neinein, so wild kenne ich es auch nicht. An unserer Schule (wo ich jetzt bin) stellt zum Beispiel der ganze Jahrgang gemeinsam eine Matura auf, und man weiss vorher, was durchgenommen werden muss (und das ist auch nicht allzu anders als der Stoff, den ich selbst in D fürs Abi gelernt habe.)

    Jo ... ich glaub in Mathe ist der Konsens noch am grössten, weil ja alle in Mathe Matura machen müssen. Aber frag mal die Chemiker oder die Physiker an Deiner Schule ... ;) Fürs Schwerpunktfach stelle ich ja alleine die Matura, also mach ich was ich will.

  • Keiner sagt, dass du den Lambacher-Schweitzer im Unterricht vorlesen sollst. Das sind halt Wegemarken.


    Nicht jedes Rad muss von jedem Mathelehrer neu erfunden werden. Manche Kollegen legen den Schülern mit ihren eigenwilligen Methoden sogar Steine in den Weg.

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