Hallo ihr alle,
ich wollte euch mal daran Teilhaben lassen, was mir vor 1 1/2 Wochen in meiner mündlichen Prüfung Gymnasiallehramt Deutsch in meinem ersten Staatsexamen passiert ist.
Diese Prüfung führte mich gradewegs hinein in eine Sinnkrise, ob ich als zukünftige Lehrerin überhaupt Teil dieser ganzen subjektiven Bewertungsmaschine werden will...
Also ich darf getrost sagen ich war gut vorbereitet und gut aufgeregt.
Der eine Prof der 20 min hatte für die Sprachwissenschaft war der bei dem ich die Examensarbeit geschrieben hatte (Note 1). Der Mann mochte mich wirklich und war von meinem können überzeugt. Der andere der Litwiss und Didaktik prüfte war problematisch - er war bekannt dafür, dass er gute und schlechte Tage hatte.
Naja, 1.5 Wochen vor der Prüfung ging ich nochmals bei ihm in die Sprechstunde, um die Gliederungen nochmal abzusprechen.
Plötzlich waren ihm die Themen, die ich schon Monate vorher ausgemacht hatte (es war ausgemacht - 4 Themen eins kommt in der Klausur, die anderen mündlich) nicht mehr genug - er verlangte dass ich kurz mal eben noch 2 mehr lese (geplant war eine) und mir noch ein klassisches Thema zu Gemüte führen sollte zusätzlich zu den 3 die ich schon hatte.
Das Kotzen fing also an, ich machte nur noch Nachtschicht.
Tja dann kam die Prüfung - die Herren fragten wer anfangen solle, ich bat darum dass der Sprachwissenschaftler anfängt - Sprachwissenschaft war mein Lieblingsthema während des Studiums. Die Fragen waren anspruchsvoll aber ok - also keine klassischen Auswendiglernsachen sondern Fragen die zeigen sollten dass ich mich mit den Themen auseinandergesetzt habe und zu eigenständigem Denken fähig bin. Nach der Beantwortung der ersten Frage schaltete sich der andere Prüfer ein, der das Protokoll schrieb und sagte
" ich muss darauf aufmerksam machen, dass diese Frage nicht beantwortet ist"
Mir fuhr der Schreck durch alle Glieder. Mein Prüfer verdrehte die augen etwas und sagte " nun, dann beantworten sie die Frage doch nochmal für herrn XY" was ich dann tat. allerdings mit viel viel Adrenalin im Blut.
Nun ja, so ging das Spiel dann weiter, das Tat er bei der nächsten Frage auch.
Ich glaube ab diesem Zeitpunkt fühlte er sich dann total verarscht durch meinen Prüfer. Er begann mich zu hassen.
Dann kam er dran. Das erste Thema war das worin ich dachte dass ich am sichersten war. Aber er schaffte es, mich auf einen Satz festzunageln, den er hören wollte.
Ab da war ich dann im Arsch.
Irgendwann kam eine arme Putzfrau versehentlich in den Nebenraum die brüllte er dann so zusammen, dass ich total verschreckt war - so vonwegen " alles versaut hier, alles dreckig, und dann kommen sie JETZT WO PRÜFUNG IST, unverschämtheit " etc...
Danach dann beschränkte er sich darauf, mich fertig zu machen - zb dadurch in dem er Interpretationsansätze aus der Sekundärliteratur einfach lächerlich machte, abwertete und als Gipfel, als absoluter Höhepunkt, meinte er dann noch mir erzählen zu müssen dass
"Märchen ja wohl nur was für die Grundschule"
wären und im Gymnasium nichts zu suchen haben.
Während sich bei mir daheim die Literatur stapelte, über Märchen im Deutschunterricht, Märchen in der Unterstufe, ja, sogar Märchen in der OBERSTUFE.
Nebenbei bemerkt, hatte ich im Praktikum eine Unterrichtsreihe zum Thema Märchen in einer 5. Klasse gehalten und meine Mentorin ebenso wie mein Praktikumsleiter waren voll des Lobes für die Stunde in der sie dabei waren.
Spätestens da war ich dann absolut sprachlos.
Was tut man in so einem Fall?
Die Prüfung war beendet, ich bin raus, es dauerte eine ewigkeit bis sie wieder rauskamen.
Mein Lieblingsprof stand da, etwas hilflos und hinten in der Ecke wie eine beleidigte Diva der andere Prof.
Der Nette sagte mir " Keine Angst, sie haben bestanden, allerdings leider nur mit einer 3"
worauf ihm der ander eins Wort fiel, dass ich die 3 ja wohl kaum verdient hätte bla bla bla.
Die beiden müssen sich so richtig gefetzt haben.
Na super. Abends hab ich mich maßlos besoffen und geheult, den nächsten Tag hab ich vor dem Fernseher verbracht, und auch jetzt noch, wo ich noch für 3 weitere Prüfungen lernen muss sitzt mir die Angst im Nacken, dass mir sowas nochmal passiert.
Ich hätte alles über die Wiener Moderne gewußt, über Hermann Bahn, Ernst Mach, Schnitzler und die Psychoanalyse.
Warum fragt mich jemand "Welchen Satz von Fridolin aus der Traumnovelle hätte der Herr Gräsler niemals gesagt?"
Das ist doch der blanke Hohn.
Die Lösung?
"Ich will dir alles erzählen"
Tja, und so wollte ich euch alles erzählen, was einem so bei der mündlichen passieren kann.
Ich bin echt fertig und hab keinen Bock mehr. Dass ich noch ne drei bekommen hab habe ich nur dem anderen Prof zu verdanken. Ich würd ihn gern mal fragen wie er diese Prüfung empfunden hat.
Jetzt sitz ich da und bemühe mich zu lernen und fühle mich völlig traumatisiert - noch 3 Prüfungen vor mir und ich hab wirklich einfach nur noch Angst, nochmal dieser Willkür ausgesetzt zu sein.
Nunja, Unkraut vergeht nicht, oder?
Toll, dass solche Menschen über die Zukunft eines Menschen entscheiden dürfen.
Ganz liebe Grüße von einer gestessten
Jez