1000 Euro für irgend jemanden - warum sollte das nicht funktionieren?

  • Liebe Leute,


    ich schreibe hier, weil es in diesem Forum viele schlaue Menschen gibt, die es gewohnt sind, nachzudenken und zu reflektieren und zu diskutieren (und weil ich sonst nicht in vielen Foren unterwegs bin).


    Ich würde gerne mal nach Madagaskar fliegen. In Madagaskar liegt das Durchschnittseinkommen bei unter 400 Euro/Jahr. Zum Vergleich, in Deutschland liegt die "Armutsgrenze" bei über 1000 Euro/Monat.


    Auch kaufkraftbereinigt ist ein großer Teil der Bevölkerung kaum in der Lage, sich zu ernähren. Kinderarbeit und Kinderprostitution sind weit verbreitet.


    Ich bin niemand, der regelmäßig Geld spendet. Ich kaufe faires Essen und faire Kleidung (soweit möglich), aber Geld an Organisationen zu geben, von denen viele hohe "Verwaltungskosten" ausweisen, in Werbung investieren oder bei denen hier und da mal Geld verschwindet, damit konnte ich mich nie anfreunden. Klar, es mag tolle Organisationen geben und Werbung und Verwaltung mag wichtig sein, aber bei denen, mit denen ich mich näher beschäftigt habe, habe ich ständig Dinge gefunden, die mir wirklich zuwider waren. Das ist aber auch nicht das Thema.


    Auch Madagaskar ist nicht das Thema, das Land dient nur als Beispiel.


    Was, wenn ich einem Menschen auf der Straße 1000 Euro gebe (das doppelte durchschnittliche Jahresgehalt)? Der Mensch könnte seine Kinder zur Schule schicken, anstatt zur Arbeit. Er könnte seinen Nachbarn bei irgendetwas helfen oder etwas für das Dorf tun. Und was, wenn ich ihm versprechen würde, das die nächsten ... 30 Jahre weiterzuführen?


    1000 Euro im Jahr bedeuten doch nichts. Wenn ich im Monat 100 Euro weniger hätte, würde ich das maximal zur Kenntnis nehmen, an meinem Leben würde sich 0,0 ändern. Den meisten von euch geht es genauso. Aber ein Menschenleben ist doch gleich viel wert, egal wer es führt und wo er lebt. Man könnte also das Leben eines Menschen oder einer ganzen Familie verändern/verbessern... retten, ohne selbst dadurch Einschränkungen zu erfahren.


    Wenn dieser Mensch nun seinen Mitmenschen hilft und seine Kinder zur Schule schickt, dann hat man doch etwas Gutes getan. Gerade bei den Kindern, denke ich daran, wie lebensverändernd so etwas sein könnte.


    Ich habe die Idee mal einem Freund vorgeschlagen. Die Antwort war: "Ich glaube, das klappt so nicht". Aber warum eigentlich nicht?


    Das ist wirklich eine ernsthafte Frage, ich will gar nicht provozieren.



    Über praktische Probleme und die üblichen Ratschläge habe ich nachgedacht:
    Der Mensch hat kein Bankkonto --> Das Geld geht an die örtliche Poststelle, er kann es dort im Januar abholen. Otto von der Poststelle bekommt 50 Euro für seine Zuverlässigkeit.
    Spende lieber an Deutsche --> Alle Leben sind gleich viel Wert, in armen Ländern sind sie nur billiger zu retten. Ist das nicht mathematisch richtig?
    Spende lieber an Organisationen --> Aus diversen Gründen (s. oben) keine Option.
    Spende lieber an das ganze Dorf --> Das schließt sich nicht aus. Hat damit aber nichts zu tun.




    Nun habe ich eine weitere Idee: Der arme Mensch, ich nenne ihn mal Fritz, hat nun ein sicheres Einkommen, die Kinder gehen zur Schule, er gibt seinem Nachbarn etwas ab, die beiden haben Zeit und keine finanziellen Sorgen. Nun gehen die beiden dennoch einer Arbeit nach (nur ein paar Stunden in der Woche) und zwar einer Arbeit, bei der Produkte entstehen, die man hier verkaufen kann. Kunsthandwerk, ne Schnitzerei aus Holz, ne Kette, Kakao anpflanzen, was auch immer. Diese Waren, es müssen gar nicht viele sein, importieren wir (1x pro Jahr würde ja reichen) und verkaufen sie hier bei - Achtung - Ebay. Ihr wisst alle, dass echte Importware, insbesondere aus armen Ländern, hier ein Vielfaches des Herstellungspreises kostet. Getrocknete Kakaobohnensplitter kosten im Laden 3 Euro für 100 Gramm. In der Herstellung keine 3 Cent.
    Mit dem Geld wird Fritz nächster Nachbar unterstützt. Auch der hat nun mehr Zeit, investiert auch ein paar Stunden pro Woche, um nicht für einen Hungerlohn zu arbeiten, sondern um Waren zu produzieren, die zu deutschen Preisen verkauft werden.
    Kein Gewinn für mich, theoretisch gibt es Steuern, aber das ist ja alles privat. Langfristig baut sich ein Netz von Leuten auf, die in einem Entwicklungsland Waren für den Direktexport nach Deutschland herstellen. Es fällt etwas Arbeit an, aber die übernehme ich. Die Importkosten ebenso.


    Warum geht das nicht?
    Und lohnt es nicht einen Versuch? Es gibt doch nichts zu verlieren außer ein bisschen Geld.

  • In meiner Gegend gibt es eine Organisation (im Kern ein älteres Ehepaar), die unterstützen eine Schule in Indien. Sie vermitteln Patenschaften in dem Sinne, dass der Pate das Schulgeld für ein Kind bezahlt. Von dem Geld, das ich da gebe (ich hab die Patenschaft für zwei Kinder), kommt im Prinzip alles auch dort an (ich kann mir die Aufstellung zeigen lassen und dass die Kinder tatsächlich die Schule besuchen sehe ich an ihren Briefen). Im Jahr kostet mich das wohl tatsächlich knapp 1000 Euro ...

  • Ich kaufe faires Essen und faire Kleidung

    Ihr wisst alle, dass echte Importware, insbesondere aus armen Ländern, hier ein Vielfaches des Herstellungspreises kostet.

    Ich kenne einen Kaffeeröster der seine Bohnen direkt und ohne Fairtrade-Zwischenstufe aus den Erzeugerländern holt und hier verkauft. Dessen Kaffeebauern verdienen ein Vielfaches dessen, was sie normalerweise (auch bei Fairtrade) bekommen. Scheint also möglich zu sein. Frag mich aber nicht, wie weit verbreitet das Konzept ist ...

  • in Werbung investieren

    Plakatwerbung wird bei manchen Organisationen tatsächlich kostenlos geklebt - nämlich immer dann, wenn die Werbefläche sonst nicht vermietet ist. "Einzige" Voraussetzung: Sie muss interessant / ein Hingucker sein. Ansonsten kleben die Litfaß-Säulen-Besitzer etc. lieber weißes Papier über ihre Flächen.

  • Eine Freundin von mir hat in Sri Lanka eine Schule hochgezogen, ein Umweltschutzprogramm sowie diverse Möglichkeiten für Arbeitsstellen für Frauen geschaffen. Da unterstütze ich ganz konkret auch finanziell und rühre regelmäßig die Werbetrommel.


    Ähnliches mach ich auch für einen Freund, der in Indonesien eine Kaffee- und Teeplamtage besitzt. Mit der Unterstützung kann er zB seine Arbeiter besser bezahlen und mehr auf den ökologischen Anbau achten (er baut verschiedene Sachen zusammen an und nutzt Umwelt schonende Werkzeuge/Arbeitsweisen/Ürodultionsarten).


    Im Jahr kommen durch meine Werbung regelmäßig mehrere tausend Euro raus. Mit meinem Geld unterstütz ich dann aber andere Projekte wo ich weiß wieviel Geld ankommt.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • Prinzipiell finde ich die Idee super, aber auch ich habe Bedenken, dass das so klappt wie du dir das vorstellst.
    Ich glaube, dass du damit Fritz einerseits einen großen Segen schenkst, er aber dadurch massive Probleme, vor allem im sozialen Bereich, bekommen wird.
    Jeder im Dorf wird sich fragen wo das Geld herkommt, warum er es sich leisten kann seine Kinder in die Schule zu schicken, warum sein Leben so anders geworden ist.
    Jeder möchte etwas vom Geld abheben.
    Fritz wird sich wahrscheinlich verpflichtet fühlen zumindest seinen engsten Familiezugehörigen und Freuden etwas abzugeben. Wo setzt er da die Grenze?
    Was, wenn er dadurch sozial geächtet wird?


    In Indien z.B. rennen Kinder zu jedem hellhäutigen Menschen und betteln ihn an, de nn hellhäutig = reich. Wenn man etwas gibt bist du in kürzester Zeit umringt von Kindern. Das kann schon mal gefährlich werden.
    Die Kinder, die was bekommen haben sind auch in Gefahr, sie müssen ihr Geschenktes verteidigen.
    Wirklich übel.
    Es wird strengstens empfohlen keinem etwas zu geben, aber das ist angesichts des Leids verdammt schwer.


    Ich finde es super, dass du dich mit solchen Gedanken beschäftigst.

  • Das setzt eine hohe Moral beim Empfänger voraus, das Geld tatsächlich den Kindern (zu denen dort oft ein ganz anderes Verhältnis besteht) zukommen zu lassen anstelle von Konsum, der nun endlich möglich ist....

  • Du möchtest dort hinfliegen, jemanden auf der Straße ansprechen und dann den Rest deines Lebens diesem Menschen 100 EUR im Monat schicken? Wenn ja, warum machst du es nicht?


    Ich vermute, weil du gar nicht entscheiden willst, wer derjenige mit dem unverhofften Geldsegen sein sollte. Weil es gerechter wäre, die Dorfschule zu unterstützen, als gerade Fritz und seine Kinder. Weil es Mikrokredite bereits gibt und andere sich damit auseinandergesetzt haben, wie sowas geht. Weil "der Bekannte", der in Sri Lanka eine Schule mit aufgebaut hat dort war und sich in ein bestehendes Projekt einklinken konnte. Weil es in der Summe eben doch Sinn ergibt, Organisationen das machen zu lassen, die große Spendengelder verwalten und über eine Infrastruktur verfügen.


    Aber klar, man sagt ja "wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe" oder so ähnlich. Du kannst auch einfach loslegen.

  • Tja, was soll man sagen... ein ehrenwerter Gedanke. Wenn du mit dem Risiko leben kannst, dass das Geld an "den Falschen" gerät, er das wirklich "nur" für sich alleine nutzt (- dann wäre wenigstens einem Menschen geholfen -) oder am plötzlichen Reichtum vielleicht sogar zugrunde geht (- Schlagwort "Lottomillionäre" -), dann kannst du das machen und hoffen, dass es wirklich nachhaltigen Effekt hat und nicht nur auf einen Menschen, sondern auch sein Umfeld.
    Man darf aber den Menschen in der dritten Welt nicht aus einer verklärten westlichen Sicht romantisieren, so im Sinne des noblen Wilden, der nur ein wenig Unterstützung von mir gutherzigem Westmenschen braucht, um endlich was aus seinem Leben zu machen. "The White Man's Burden", sozusagen.
    Vielleicht ist "Fritz" mit dem Stückchen Glück, das er sich von seinen selbstverdienten €400/Jahr leisten kann, sehr zufrieden?
    Vielleicht hat "Fritz" gar keine Vorstellung davon, wie wichtig eine gute Ausbildung für seine Kinder ist, und deshalb schickt er sie nicht zur Schule?
    Vielleicht sieht "Fritz" überhaupt keine Notwendigkeit, irgendwelche nachhaltigen Veränderungen durchzuführen, denn jetzt hat er ja eine Geldquelle?
    Oder er macht das so, wie du dir es im Idealfall ausmalst: Schule für die Kinder, ökoligisch verantwortlich hergestellte Produkte etc.; Wohlstand fürs Dorf...


    Ich stelle mir die eine oder andere bildungsferne Hartz VI-Familie vor, die plötzlich ein bedingungsloses Grundeinkommen von €4000 netto bekommt und wie die damit umgehen würde.
    Und dann stelle ich mir die eine oder andere Hartz VI-Familie vor, die eigentlich nur endlich eine echte Chance braucht, um aus dem Sozialsumpf herauszukommen.


    Langer Rede kurzer Sinn: Wenn dir klar ist, dass du das Geld womöglich verzockst und im schlimmsten Fall auch noch Schaden zufügen kannst, dann mach es. Es kann auch schöne Ergebnisse haben.

  • Mashkin: Es sind 1000€ im Jahr, nicht im Monat.

  • Ich persönlich wäre da skeptisch. Viele Studien zu nachhaltiger Entwicklung zeigen, dass eine solche nicht dadurch besonders gut ermöglicht wird, dass man Einzelpersonen unterstützt, sondern indem man ganze Gemeinschaften stärkt und hier eben vor allem mit Bildungsangeboten arbeitet (Schulen für Kinder, Fortbildungsangebote für Farmer zu nachhaltigem Ackerbau und Viehzucht, Gesundheitsvorsorge für Schwangere,...) und Geldleistungen nicht bedingungslos gibt, sondern z.B. in Form von Mikrokrediten (die dann vor allem an Frauen ausgegeben werden und eben nicht an die Fritzchens und Franzchens, da Frauen häufiger Geld und Einkommen dafür verwenden, dass ihre Familien vorankommen und das Geld in Bildung und Gesundheit ihrer Kinder investieren (vgl.Mikrokreditstudien), während Fritz und Franz das Geld eher für die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse einsetzen.). Auch die aktuellen Ergebnisse zum bedingungslosen Grundeinkommen in Finnland bestärken das, denn Familien/Personen, die ein solches Grundeinkommen erhielten waren zwar signifikant zufriedener und glücklicher, da sie weniger Existenzängste hatten, allerdings gab es keine signifikanten Unterschiede im Arbeitsverhalten.


    1000€ im Jahr bei einem Jahresdurchschnittseinkommen von 400€ sind auch keine Hilfe zur Selbsthilfe mehr, sondern bedeuten ganz unerwartet unvorstellbaren Reichtum für eine Familie oder sogar nur einen Menschen, der bislang weniger als die Hälfte davon hatte. Überleg dir einmal, was das umgerechnet auf Deutschland bedeuten würde und was für eine Überforderung das auch ganz schlicht und ergreifend sein kann, gerade vor dem Hintergrund, dass die gesamte Umgebung plötztlich soviel ärmer ist als man selbst. Ja, in der besten aller Welten würde ein Mensch, der davon profitiert dafür Sorge tragen, dass seine Gemeinschaft ebenfalls von dem Segen profitiert. Da du als Lehrer um die menschlichen Schwächen weißt würde ich dir hier etwas weniger Sozialutopie und etwas mehr Realismus anraten: Wenn du innerhalb einer gesamten Dorfgemeinschaft etwas verändern willst, dann such dir entweder eine Organisation mit entsprechender Erfahrung,mit der du zusammenarbeiten kannst oder unterstütze eine lokale Initiative beim Bau eines Schulhauses (o.ä.) oder betreibe hierzulande aktive Aufklärung, damit andere Menschen sich für eine bewusstere Lebensführung entscheiden (die ja ebenfalls ein Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung sein kann). Überleg dir, wo und wie du realistisch und nachhaltig etwas bewirken kannst, sonst verpuffen diese 1000€ einfach nur. Das mag dann für dich vielleicht "nur ein bisschen Geld" sein, dass du verlierst, angesichts der vielen Menschen, die auch hier in Deutschland zumindest in relativer Armut leben, finde ich solch eine Haltung aber höflich formuliert schwierig. Das konterkariert das scheinbare Engagement das du leisten willst und lässt es eher als etwas erscheinen, dass du vor allem für dein eigenes Gefühl machst und eben gerade nicht für andere Menschen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Vielleicht lieber ein Stipendium für die 5 schlauesten Kinder/Mädchen eines Jahrgangs und jeder dieser Familien 20€ im Monat... Oder 10 Familien mit 10€ unterstützt.
    Das wäre immer noch vergleichbar mit 500,-Extra Bildungscash beiuns

  • In meiner Gegend gibt es eine Organisation (im Kern ein älteres Ehepaar), die unterstützen eine Schule in Indien. Sie vermitteln Patenschaften in dem Sinne, dass der Pate das Schulgeld für ein Kind bezahlt. Von dem Geld, das ich da gebe (ich hab die Patenschaft für zwei Kinder), kommt im Prinzip alles auch dort an (ich kann mir die Aufstellung zeigen lassen und dass die Kinder tatsächlich die Schule besuchen sehe ich an ihren Briefen). Im Jahr kostet mich das wohl tatsächlich knapp 1000 Euro ...

    Kannst du mir vielleicht per PN einen Link dazu schicken?


    Ich habe mal in der Stadt mit Werbern von einer größeren Patenagentur gesprochen, das Gespräch verlief in etwa so:
    Werber: Hallo, haben Sie nicht auch Interesse, für ein Kind die Patenschaft zu übernehmen.
    Ich: Och, joar, nö, dieses Kind da (deutet auf das gezeigte Foto)?
    Werber: Ja, also, wir haben hier mehrere Kinder, die man unterstützen kann (zeigt mehrere Fotos).
    Ich: Und das Geld geht dann an genau die Kinder?
    Werber: Ja, also an das ganze Dorf.
    Ich: Warum gibt es dann Kinder zur Auswahl?
    Werber: Ja, also, ... das kommt halt dem ganzen Dorf zugute... nicht einem einzelnen Kind.
    Ich: Also gibt es das Kind da überhaupt?
    ...
    Es ging dann noch weiter um Verwaltungskosten usw.


    Schon klar, ein trauriges Kindergesicht soll dazu anregen, sich zu beteiligen. Aber da fing der Beschiss schon an. Da kann ich nicht mitmachen. Und wer bezahlt eigentlich die Leute, die in der Stadt mit mir reden? :(


    Ich kenne einen Kaffeeröster der seine Bohnen direkt und ohne Fairtrade-Zwischenstufe aus den Erzeugerländern holt und hier verkauft. Dessen Kaffeebauern verdienen ein Vielfaches dessen, was sie normalerweise (auch bei Fairtrade) bekommen. Scheint also möglich zu sein. Frag mich aber nicht, wie weit verbreitet das Konzept ist ...


    Beim normalen FairTrade-Preis bekommen die Bauern teilweise nur 20% mehr Geld für Ihre Arbeit. Da diese aber nur einen Bruchteil des Verkaufspreises ausmacht, dürfte eine faire Schokolade eigentlich maximal 1.10 Euro kosten anstatt 1.00 Euro. Inzwischen sind es so 1.50 Euro? Ich kann mich aber noch daran erinnern, als es keine "faire" Schokolage unter 2.50 Euro gab. Zum großen Teil ist das einfach eine Marketingschweinerei.
    Deshalb finde ich die von dir angesprochene Sache wirklich gut. Genau so etwas habe ich mal über Schokolade gefunden. Die Geschichte ging so, dass zwei Entwicklungshelfer sich dazu entschlossen haben, gemeinsam mit den Bauern nicht nur die Bohnen zu ernten, sondern die komplette Fertigung zu übernehmen bis hin zur fertig verpackten Schokolade. Maschinen wurden angeschafft, Bauern geschult und der komplette Produktionsprozess (Bohnenhändler, Trocknung, Lieferung, Lagerung, Zwischenhändler, Transport nach Übersee, Verarbeitung zur Schokolade, erneuter Zwischenhändler, Einzelhändler (Marge, Marge, Marge, Miete, Strom, Personal) übernommen.
    Die Schokolade kam direkt von der Bauernvereinigung aus Übersee. 100 Gramm kosteten damals irgendwie 5 Euro. Das kam mir (und kommt es noch heute) lächerlich vor.



    Eine Freundin von mir hat in Sri Lanka eine Schule hochgezogen, ein Umweltschutzprogramm sowie diverse Möglichkeiten für Arbeitsstellen für Frauen geschaffen. Da unterstütze ich ganz konkret auch finanziell und rühre regelmäßig die Werbetrommel.


    Ähnliches mach ich auch für einen Freund, der in Indonesien eine Kaffee- und Teeplamtage besitzt. Mit der Unterstützung kann er zB seine Arbeiter besser bezahlen und mehr auf den ökologischen Anbau achten (er baut verschiedene Sachen zusammen an und nutzt Umwelt schonende Werkzeuge/Arbeitsweisen/Ürodultionsarten).


    Im Jahr kommen durch meine Werbung regelmäßig mehrere tausend Euro raus. Mit meinem Geld unterstütz ich dann aber andere Projekte wo ich weiß wieviel Geld ankommt.

    Welche Projekte denn?


    Du würdest 100 Euro weniger im Monat kaum bemerken? Respekt.

    Würdest du die denn bemerken? Wir verdienen doch im Forum zum großen Teil sehr ähnlich.

  • An deinen Punkten ist wirklich etwas dran. Darüber müsste ich dann nochmals nachdenken.
    Das mit Indien kann ich leider bestätigen. Ich war mal in Nepal/Indien. Teilweise haben sich 10, 20, 25 Kinder um einen gedrängt und gebettelt. Ich habe damals auch gelesen, man solle es unbedingt vermeiden, denen (direkt) Geld zu geben. Am Ufer des Ganges in Varanasi wollte mir ein kleines Mädchen dann Blumen verkaufen. Sie war vielleicht sechs Jahre alt und hat wirklich gut Englisch gesprochen. Ich frage mich seitdem, was wohl aus der geworden ist und ob die mal eine Schule besucht hat.

  • Beim normalen FairTrade-Preis bekommen die Bauern teilweise nur 20% mehr Geld für Ihre Arbeit. Da diese aber nur einen Bruchteil des Verkaufspreises ausmacht, dürfte eine faire Schokolade eigentlich maximal 1.10 Euro kosten anstatt 1.00 Euro. Inzwischen sind es so 1.50 Euro? Ich kann mich aber noch daran erinnern, als es keine "faire" Schokolage unter 2.50 Euro gab. Zum großen Teil ist das einfach eine Marketingschweinerei.

    "Fairtrade" ist zuallersteinmal ein Business-Modell im "sozialen Bereich" mit dem sich ein paar clevere Geschäftsleute ein schönes Einkommen sichern, indem sie an das soziale Gewissen ihrer Mitbürger appellieren und sie dazu bewegen wollen, überteuerte Produkte zu kaufen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Du möchtest dort hinfliegen, jemanden auf der Straße ansprechen und dann den Rest deines Lebens diesem Menschen 100 EUR im Monat schicken? Wenn ja, warum machst du es nicht?


    Ich vermute, weil du gar nicht entscheiden willst, wer derjenige mit dem unverhofften Geldsegen sein sollte. Weil es gerechter wäre, die Dorfschule zu unterstützen, als gerade Fritz und seine Kinder. Weil es Mikrokredite bereits gibt und andere sich damit auseinandergesetzt haben, wie sowas geht. Weil "der Bekannte", der in Sri Lanka eine Schule mit aufgebaut hat dort war und sich in ein bestehendes Projekt einklinken konnte. Weil es in der Summe eben doch Sinn ergibt, Organisationen das machen zu lassen, die große Spendengelder verwalten und über eine Infrastruktur verfügen.


    Aber klar, man sagt ja "wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe" oder so ähnlich. Du kannst auch einfach loslegen.

    Ja, genau so habe ich mir das vorgestellt. Und entscheiden will ich sehr wohl. Ich habe die irrige Annahme, dass ich den richtigen schon finden würde.
    Warum ich es nicht mache? Ich bin doch dabei, deshalb frage ich hier einen Haufen gebildeter Leute nach ihrer Meinung. Fragst du einen Schüler, der sich bei dir nach einer Nachhilfe erkundigt, denn auch, weshalb er noch keine hat?
    Warum ich das bisher nicht gemacht habe? Weil ich u.a. auf Grund sehr erfreulicher Umstände (Kind --> größere Wohnung/größeres Auto, etc.) auf einem Berg Schulden sitze. Dieser wird nun aber regelmäßig kleiner und wird in absehbarer Zeit verschwinden, so dass ich dachte, jetzt wäre die richtige Zeit, endlich anzufangen. :)
    Dass es sinnvoller ist, große Organisationen zu unterstützen, da bin ich eben anderer Meinung. Was hier "gerecht" ist und was nicht, können wir wohl beide nicht beantworten.


    Vielen Dank für den Beitrag. :geschenk:

    .... Überleg dir, wo und wie du realistisch und nachhaltig etwas bewirken kannst, sonst verpuffen diese 1000€ einfach nur. Das mag dann für dich vielleicht "nur ein bisschen Geld" sein, dass du verlierst, angesichts der vielen Menschen, die auch hier in Deutschland zumindest in relativer Armut leben, finde ich solch eine Haltung aber höflich formuliert schwierig. Das konterkariert das scheinbare Engagement das du leisten willst und lässt es eher als etwas erscheinen, dass du vor allem für dein eigenes Gefühl machst und eben gerade nicht für andere Menschen.

    Mit dem riesen Teil von Beitrag, den ich nicht zitiert habe, hast du natürlich Recht.
    Die Gefahr, dass Geld verpufft, sehe ich aber bei Spenden an Organisationen viel eher. Da bewirken 1000 Euro nicht viel, es sei denn natürlich, da würden sich viele Menschen beteiligen. Aber einer konkreten Person/Familie könnte man mit einer direkten Spende helfen. Ich glaube, es geht mir vor allem darum, dass 1, 2, 3 real existierende Kinder (keine Werbeplakate) ein Leben führen, das ihnen sonst verwehrt geblieben wäre, indem sie eine Schule besuchen und ihr Potenzial entfalten. Wer weiß, was das für die nächste Generation bringt. Ich bilde mir ein, dass das Spuren hinterlassen würde.
    Ob es überhaupt echten Altruismus gibt, das müsste man einen Philosophen (oder einen echten Wissenschaftler :P ) fragen. Aber ich will dadurch keine Anerkennung und keinen Dank erreichen. Und mal ehrlich, 1000 Euro sind 1000 Euro. Kinder, die eine Schule besuchen, lernen. Kinder, die auf der Plantage oder im Bordell arbeiten, nicht. Ob ich mir dabei in meinem Kämmerlein nun wie der geilste Typ vorkomme, weil das Geld von mir stammt, ist doch eigentlich egal.

  • Warum ich das bisher nicht gemacht habe? Weil ich u.a. auf Grund sehr erfreulicher Umstände (Kind --> größere Wohnung/größeres Auto, etc.) auf einem Berg Schulden sitze. Dieser wird nun aber regelmäßig kleiner und wird in absehbarer Zeit verschwinden, so dass ich dachte, jetzt wäre die richtige Zeit, endlich anzufangen.

    Hmmm.... vielleicht brauchst du die nicht bemerkbaren 100 Euro aber nach Abzahlen der Schulden um die qualitativ hocchwertigere Kita/Tagesmutter/Klavierlehrerin/Skikurs auszusuchen...
    Sorry, aber das klingt für mich gerade nach überschäumenden Hormonen...

  • Du hattest nach Denkanstößen gefragt, eine Gegenfrage dazu war "warum hast du es bisher nicht so gemacht". Das sollte kein Angriff sein sondern eher der Hinweis, dass aus bestimmten Gründen dieses Vorgehen zweischneidig ist und dir das auch klar ist, sonst hättest du ja schon losgelegt.


    Ich finde auch diese organisierten 1:1- Patenschaften schwierig. Ich kenne jemanden, der das macht. Es ist ein Kind aus einem Kinderdorf. Die Bekannte bekommt zwar von ihrem Patenkind Dankesbriefe nach Weihnachten geschickt, alle anderen Kinder ohne Pateneltern in dem Kinderheim packen dann aber an Weihnachten nichts aus.


    Auch das erzähle ich nicht, um dich zu ärgern, sondern weil ich der Idee skeptisch gegenüberstehe und warum.

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