Meine Wohnsituation damals (ausgelagert)

  • Die Studentenzeit war die schönste Zeit meines Lebens. Ich bin 450 km weit weg gezogen, habe von Bafög und Jobs gelebt. Ich habe es genossen, richtig erwachsen zu werden ohne meine Eltern. Und es hat mir soo gut getan. Aus einem verschüchterten Entlein wurde ein fröhlicher, selbstbewussterer Schwan. Sagte jeder, der mich kannte, v.a. die Eltern meiner Freunde. Mein Elternhaus war katholisch streng. Da riss mein Vater die Tür auf, wenn ich mit 19 Besuch von einem Kumpel hatte. Man hatte in die Kirche zu gehen und den Haushalt großenteils zu machen, obwohl meine Mutter Hausfrau war...


    Ich habe es genossen, ausgezogen zu sein. Nicht wegen der Partys, da bin ich nicht so der Typ, Kneipe schon eher. Sondern einfach selbstbestimmt mein Leben zu leben, so wie ich wollte. Kommt aber immer auf die Eltern an, manche sind anders als meine.

  • Kommt aber immer auf die Eltern an, manche sind anders als meine.

    Eben, es kommt total auf das Elternhaus an - und wenn man wirklich aus einem konservativen oder gar zerrütteten Elternhaus kommt, kann ein zeitiger Auszug durchaus im Sinne aller Beteiligten sein.

  • Dass hier "konservativ" oder "zerrüttet" von Belang ist, halte ich für Quatsch. Es kommt nicht auf die Eltern an. Es ist einfach "gesünder" für die Psyche junger Menschen ab 20 Jahren, wenn sie sich um ihr Leben selbst kümmern. Und keine Wäsche mehr von Mama machen zu lassen, selbst einkaufen und kochen, angewidert auch eklige Dinge wegzuputzen, selbst merken, wann die eigene Wohnung nicht mehr "vorzeigbar" für andere ist, mit anderen Leuten zu wohnen und klarzukommen, ohne ständig Papi und Mami zu fragen (oder fragen zu müssen...). Auch die Verwaltung seiner Finanzen, ob jetzt mit oder ohne Zuschuss, kann man besser lernen, wenn man sieht, was alles Geld kostet.

    Es ist eine schlimme Entwicklung, wenn "erwachsene" Menschen Mama und Papa brauchen, um sich z.B. an der Uni beraten zu lassen und einzuschreiben. Und wenn dann noch alles weitere im Elternhaus stattfindet, wird es nicht besser für die Entwicklung zur Selbständigkeit.

    • Offizieller Beitrag

    Eine der wichtigsten Entwicklungsaufgaben der Jugend (Hurrelmann) ist ja auch die Abnabelung des Elternhauses. Das bedeutet nicht immer, komplett auszuziehen, es gibt ja schliesslich manchmal Umstände, aber grundsätzlich ist ein Auszug mittelfristig sinnvoll.
    Ich persönlich wäre nicht unbedingt freiwillig ausgezogen. Uni nur eine Stunde mit dem Zug entfernt, eine der teuersten Regionen des Landes, Zugfreikarte und kein Geld... dann kam ich an einer weiter entfernten Uni und danach verliebte ich mich in das Nachbarland. Die Wohnheimszeit auf 9-14qm, mit 13 Mitbewohner*innen, 3 Unisex-Duschen und einer Küche war eine der besten Erfahrungen in meinem Leben. Als ich dann ein bisschen mehr Geld hatte und die Wohnheimszeit ablief: die WG-Zeiten. Was ich daraus gelernt habe, ist mit Geld nicht zu bezahlen. Jede schlechte Erfahrung und jede tolle Erfahrung.

    Ob ein Auszug mit kompletter Finanzierung der Eltern, Telefonat jeden Abend und Wäsche und Carepakets am Wochenende aber besser ist als weiter zuhause wohnen, Nebenjobs, Beitrag zur Haushaltskasse (aka "für sich selbst sorgen), selbst Wäsche machen und kochen (ggf. auch abwechselnd, ergibt Sinn in einem Haushalt)... ? und dazwischen gibt es viele Graubereiche...

    also ja, schmeißt eure Kinder mit 18 aus dem Haus, es ist zu deren Wohl.. (ich weiß, ich lache selbst :-/ )

  • Je nach Region ist es auch finanziell trotz Bafög und Co nicht machbar, sich eine eigene Bude zu leisten.

    Ich habe in München studiert.

    Es ist immer leistbar. Ich habe in Heidelberg studiert, die Stadt zählte dazumal noch zu den Top 3 der teuersten Universitätsstädte Deutschlands (die Lage hat sich in den letzten 20 Jahre zum Glück deutlich entspannt). Ich war BaföG-Studentin, habe das Kindergeld aber z. B. meiner Mutter überlassen damit die selbst über die Runden kommt und habe noch während des Studiums angefangen, sie auch darüber hinaus noch finanziell zu unterstützen. Ja, es gab auch bei uns damals die Leute, die sich eingebildet haben, sie müssten in Laufreichweite zum Campus wohnen und dann zahlt man halt 500 € für ein WG-Zimmer in Neuenheim. Oder man fährt 10 km mit dem Velo und zahlt 250 € für 35 qm mit Balkon in Leimen. Ich kannte auch in Genf jemanden, der 1500 CHF für ein lausiges WG-Zimmer zahlte damit er in 5 min zur Uni laufen konnte. Ich hatte als Postdoc deutlich mehr Geld als er und zahlte 980 CHF für eine 1-Zimmer-Wohnung am Stadtrand direkt am See. Und ich kannte jemanden, der für 700 CHF im 5 km entfernten Nachbarort gewohnt hat, der dann im Gegensatz zu Morges oder Vernier halt nicht mehr direkt am See lag. Da reden wir jetzt nota bene über eine der teuersten Städte *der Welt*. Ist alles eine Frage der Prioritäten und des Wollens.


    Ich hatte das ganze Studium lang immer HiWi-Jobs. Irgendwo im Baumarkt zu arbeiten oder so war mir wirklich zu doof, wenn dann wollte ich schon auf dem Campus bleiben um nicht noch mehr Zeit als eh schon zu verballern. In den Semesterferien irgendwo am Fliessband zu stehen, kannste als Chemiker eh vergessen, die Semesterferien sind lediglich vorlesungsfrei, das Labor ist natürlich geöffnet. Bis zum Diplom habe ich 10 Semester gebraucht, was damals (und ich glaube auch heute noch ...) die durchschnittliche Studiendauer in der Chemie in Heidelberg war. Regelstudienzeit wären 9 Semester gewesen, mei, dann hat das BaföG-Amt halt den Hahn zugedreht. War zugegeben nicht ganz lustig, aber immerhin eine Erfahrung, die ich halt gemacht habe.


    Wie kamen wir eigentlich auf die Diskussion ... Ah ja, es ging um feiernde Studenten. Hand aufs Herz: Wer von euch war denn selbst jemals auf einer dieser berühmt-berüchtigten Studenten-Todsauf-Partys? Ich habe die als Mitglied der studentischen Fachschaft jahrelang selbst mit organisiert. Und ich meine nicht die spontanen, lauschigen Grillpartys auf der Wiese vor dem Institut (da hing man dann eher in "gesetzterem" Alter als Doktorand ab), sondern Veranstaltungen mit 2500 Leuten zu denen regelmässig die Ambulanz ausrücken musste, weil sich wieder irgendjemand mit den Cocktails überschätzt hatte (oder die Cocktails unterschätzt ...). Die Dimensionen der Physiker-, Sportler- und vor allem Mediziner-Partys waren (und sind?) in Heidelberg noch um einiges grösser als das. Für viele Studenten gehört das mit dazu. Also 1. die dreckige WG-Küche und eben nicht alles schön bei Mutti zu Hause und 2. das Feiern bis man im Gebüsch liegt. Da bin ich ausnahmsweise mal ganz sicher nicht der Spezialfall sondern war in den Punkten ein absoluter Durchschnitts-Student.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • Dass hier "konservativ" oder "zerrüttet" von Belang ist, halte ich für Quatsch. Es kommt nicht auf die Eltern an. Es ist einfach "gesünder" für die Psyche junger Menschen ab 20 Jahren, wenn sie sich um ihr Leben selbst kümmern. Und keine Wäsche mehr von Mama machen zu lassen, selbst einkaufen und kochen, angewidert auch eklige Dinge wegzuputzen, selbst merken, wann die eigene Wohnung nicht mehr "vorzeigbar" für andere ist, mit anderen Leuten zu wohnen und klarzukommen, ohne ständig Papi und Mami zu fragen (oder fragen zu müssen...). Auch die Verwaltung seiner Finanzen, ob jetzt mit oder ohne Zuschuss, kann man besser lernen, wenn man sieht, was alles Geld kostet.

    Es ist eine schlimme Entwicklung, wenn "erwachsene" Menschen Mama und Papa brauchen, um sich z.B. an der Uni beraten zu lassen und einzuschreiben. Und wenn dann noch alles weitere im Elternhaus stattfindet, wird es nicht besser für die Entwicklung zur Selbständigkeit.

    Manchmal ist aber die Wohnungssuche nicht so einfach. Mein Sohn sucht derzeit etwas in Tübingen. Bei schlagenden Verbindungen würde er sofort unterkommen, alles andere ist sofort weg oder erheblich weiter als sein bisheriges zu Hause. Seine Uni ist nicht weit weg, aber das Ausziehen sollte er trotzdem nicht verpassen.

  • Zauberwald : Ein Freund zog damals kurz nach mir im meine Unistadt (in meinen 10m2 hatte ich für ihn leider keinen Platz) und kam nur in einem Verbindungshaus unter - billig und gut gelegen, schrecklich wegen der verpeilten Leute. Aber die sofort einsetzende intensive Wohnungssuche hat nach ein paar Wochen schon Erfolg gehabt. Wäre er so lange die 100km gependelt, hätte das sicher viel länger gedauert.

  • Zauberwald : Ein Freund zog damals kurz im meine Unistadt (in meinen 10m2 hatte ich für ihn leider keinen Platz) und kam nur in einem Verbindungshaus unter - billig und gut gelegen, schrecklich wegen der verpeilten Leute. Aber die sofort einsetzende intensive Wohnungssuche hat nach ein paar Wochen schon Erfolg gehabt. Wäre er so lange die 100km gependelt, hätte das sicher viel länger gedauert.

    Stimmt, ich hoffe, dass er durch die Vorkurse schon Leute kennenlernt und vllt. so leichter unterkommt. Coronabedingt ist sowieso alles anders.

    • Offizieller Beitrag

    Meine Töchter sind bereits ausgezogen, mein Sohn sucht gerade. Alles hat seine Zeit.

    Glaub mir: macht, was ich sage, nicht, was ich tue ;)

    und so oder so, wie oben geschrieben, es gibt ganz viele Abstufungen. Kein einziger meiner damaligen Schulfreunde ist zum Studium ausgezogen. Die 800 Euro für eine Wohnung neben dem Elternhaus und trotzdem zur Uni eine Stunde pendeln? trotzdem ist was aus denen geworden.

  • Zauberwald Ich lag das letzte Mal nach dem Rigorosum im Gebüsch und zwar buchstäblich. Die Geschichte ging irgendwie so, dass jemand vom "sinnbildlichem" Gebüsch im Zusammenhang mit fiesen Partys sprach und ich daraufhin gesprungen bin. Ich glaube ich hatte Glück mir nicht den Arm gebrochen zu haben. :saint:


    Meine Güte... Ist auch schon bald wieder 10 Jahre her. Ich glaube mit 40 ist es dann jetzt mal gut mit Büschen.

  • Das mit dem Ausziehen ist aber auch eine kulturelle Sache. Erzählt manchen Südeuropäern oder Ostasiaten, dass ihre Kinder doch mit 18 ausziehen sollen und die werden euch den Vogel zeigen ;) !

  • Das mit dem Ausziehen ist aber auch eine kulturelle Sache. Erzählt manchen Südeuropäern oder Ostasiaten, dass ihre Kinder doch mit 18 ausziehen sollen und die werden euch den Vogel zeigen ;) !

    Ist aber auch ätzend. Ich erinnere mich an den erwachsenen Mann von Mitte 20 aus katholisch-südeuropäischem Hause, der sich bei seiner Mutter beschwerte, dass sie in seine Schubladen gesehen hatte. Nach kurzem Empören stellte sich heraus, dass täglich sein Bett zu machen ihre Aufgabe war! Abtörnender geht kaum.

  • Erzählt manchen Südeuropäern oder Ostasiaten, dass ihre Kinder doch mit 18 ausziehen sollen und die werden euch den Vogel zeigen

    La Mamma in Italien hat sicher (noch) einen traditionellere Funktion als hier. Deswegen muss man das aber doch nicht gut finden. Ich würde denen, die das als vorbildlich darstellen, einen Vogel zeigen. (Ist aber nicht meine Art...)

  • Das mit dem Ausziehen ist aber auch eine kulturelle Sache

    Die ganze Diskussion hier kam so, dass ich behauptet habe, dass das zu Hause ausziehen in Deutschland viel üblicher ist als in der Schweiz, was sich übrigens auch mit Zahlen belegen lässt:


    In der Schweiz leben 43 % aller Studenten zu Hause

    In Deutschland sind es nur 25 %


    Dann meinte mal wieder jemand behaupten zu müssen, ich hätte vom Leben in Deutschland ja keine Ahnung. Klar doch, da bin ich nur geboren und aufgewachsen, habe dort studiert und gearbeitet, 31 Jahre lang, was länger ist, als Du z. B. alt bist (ich weiss, Du hast das nicht behauptet).

  • Das mit dem Ausziehen ist aber auch eine kulturelle Sache. Erzählt manchen Südeuropäern oder Ostasiaten, dass ihre Kinder doch mit 18 ausziehen sollen und die werden euch den Vogel zeigen ;) !


    Und es gibt Kulturen, da sind Frauen (Mädchen) mit 14 schon versprochen oder verheiratet. Ist doch kein Vergleich, wir haben wohl alle (größtenteils) in Deutschland studiert und darum geht es doch.



    Hatte nen WG-Mitbewohner, Mitstudent, der ist mit 25 zu mir gezogen, von zu Hause. Wäsche waschen, Nudeln kochen habe ich ihm dann erst einmal beibringen dürfen.

  • Das Wertkonservative und für mein Empfinden oft übertrieben Heimatverbundene (Heimweh nennt man auch "Schweizer Krankheit") sind übrigens Eigenheiten, die ich an den Eidgenossen nicht besonders schätze. Sag hier mal einem Schüler, die EPFL sei ein toller Ort für Naturwissenschaften. Uiuiui. Die reden da ja anders. :autsch:

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