Anregung für meine Examensarbeit

  • Guten Tag,


    ich mache mir gerade Gedanken über meine Examensarbeit. Ich würde sie gerne im Bereich der pädagogischen Psychologie schreiben und habe da ein paar Ideen. Was ich ganz interessant finde, gerade jetzt auch in Corona-Zeiten, wäre etwas über Prokrastination oder selbst reguliertes Lernen. Es soll sich um eine empirische Arbeit handeln, weshalb ich überlegt habe, dass man dazu dann auch andere Studierende oder alternativ Schüler befragen könnte, wie sie mit der Situation klar kommen mit dem selbstständigen Lernen. Andernfalls könnte ich mir auch vorstellen in die Richtung zu Burnouts bei Lehrern zu gehen. Da könnten natürlich auch Interviews gemacht werden. Hätte da jemand zu einem der Vorschläge noch weitere Ideen oder Anregungen?

  • Guten Tag,


    ich mache mir gerade Gedanken über meine Examensarbeit. Ich würde sie gerne im Bereich der pädagogischen Psychologie schreiben und habe da ein paar Ideen. Was ich ganz interessant finde, gerade jetzt auch in Corona-Zeiten, wäre etwas über Prokrastination oder selbst reguliertes Lernen. Es soll sich um eine empirische Arbeit handeln, weshalb ich überlegt habe, dass man dazu dann auch andere Studierende oder alternativ Schüler befragen könnte, wie sie mit der Situation klar kommen mit dem selbstständigen Lernen. Andernfalls könnte ich mir auch vorstellen in die Richtung zu Burnouts bei Lehrern zu gehen. Da könnten natürlich auch Interviews gemacht werden. Hätte da jemand zu einem der Vorschläge noch weitere Ideen oder Anregungen?


    Ein paar Gedanken dazu:


    Keine Schülerbefragungen. Allein durch den Aufwand wirst Du kaum eine Schule finden, die da mitmacht. Das muss ja nicht nur die Schule an sich genehmigen, sondern es müssen auch Einverständniserklärungen der Eltern eingeholt werden, ich bezweifle, dass sich das ein Direktor antut. Dazu kommt noch, dass man auf Schülerumfragen - sorry - wenig geben kann, zeigen diverse Versuche mit schriftlichen Feedbackmethoden. Da hast Du mehr Verfälschungen als echte Antworten.


    Bei Lehrern hast Du eher Chancen. Wir haben zwar auch keinen Bock, aber immerhin ist es eine Hürde weniger, weil unsere Eltern nicht mehr unterschreiben müssen ;)


    Egal ob bei Lehrern oder Schülern würde ich zu persönlichen Interviews raten und damit eher qualitativ als quantitativ forschen. Mit 08/15-Ankreuzumfragen wird man zugeschmissen (übrigens auch und gerade in Internetforen wie hier), die nimmt imho niemand mehr ernst.


    Zum Thema Burnout wäre ich vorsichtig. Jemand, der gerade voll aktiv im Dienst ist, hat entweder keinen oder er gibt's nicht zu/weiß es (noch) nicht, sonst wäre er nicht aktiv im Dienst. Wenn jemand wegen Burnout krankgeschrieben ist, geht es weder Dich noch sonst jemanden etwas an, die fallen als Interviewpartner also ebenfalls raus.

    Leider ist Burnout immer noch ein Stigma, und gerade Lehrer sind ein erstaunlich ängstliches Volk, wenn es darum geht, etwas preiszugeben, mit dem man sich (nach eigenem Empfingen, nichtmal objektiv betrachtet) angreifbar machen könnte.

    Einmal editiert, zuletzt von DpB ()

  • gerade Lehrer sind ein erstaunlich ängstliches Volk, wenn es darum geht, etwas preiszugeben, mit dem man sich (nach eigenem Empfingen, nichtmal objektiv betrachtet) angreifbar machen könnte.

    Also - erstaunlich finde ich das jetzt nicht gerade.


    Ansonsten volle Zustimmung. Eine kleine Anregung noch: Vielleicht gibt es ja KuK, die ihrerseits schon Erhebungen wie die von der TE angedachten unter ihren Schülern durchgeführt haben. Vielleicht lässt sich da jemand finden.

  • Es gibt auch Bundesländer, in denen das Ministerium einer Befragung von SchülerInnen zustimmen muss. Das ist ein längeres Verfahren, das meist von den Profs unterstüzt wird.


    Noch eine Umfrage:

    Welche Aufgaben stehen an und welche werden am ehesten a) aufgeschobe, b) verkürzt oder c) fallen gelassen, weil sie in der möglichen Arbeitszeit nicht leistbar sind?

  • Leider ist Burnout immer noch ein Stigma, und gerade Lehrer sind ein erstaunlich ängstliches Volk, wenn es darum geht, etwas preiszugeben, mit dem man sich (nach eigenem Empfingen, nichtmal objektiv betrachtet) angreifbar machen könnte.

    Hinzu kommt, dass man in diesem Forum gesperrt wird, wenn man empfiehlt wegen psychosomatischer Beschwerden den Hausarzt aufzusuchen, um sich krank schreiben zu lassen.

  • Das mit dem Burnout ist schon eine schwierige Geschichte.

    Die Potsdamer Studie zur Lehrergesundheit 2004 hat vier „Lehrertypen“ herausgearbeitet: Gesundheitstyp G (ca. 17 %), Schontyp S (ca. 23 %), Risikotyp A (ca. 30 %) und Risikotyp B ( ca. 30 %). Typ B ist der mit dem höchsten Risiko, gesundheitliche Schäden wie z. B. Burnout davonzutragen und Typ A ist stets gefährdet, selber zu Typ B zu werden. Was ich daran so faszinierend finde, ist, dass diese Ergebnisse zwar sowohl im Studium als auch im Referendariat unter dem Thema „Lehrergesundheit“ behandelt werden, aber niemand auf die offensichtliche Botschaft wirklich eingeht: ca. 60% der Lehrer arbeiten am Belastungslimit, ca. 23% schützen sich durch Dienst nach Vorschrift und etwa 17% schmeissen den Laden (wobei dadurch natürlich nicht ausgedrückt werden soll, dass die anderen 83 % nicht auch ihr Bestes geben). Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass alle (100 %) in den Lehrerberuf starten und hoffen, entgegen der statistischen Wahrscheinlichkeit, dass sie zu den 17% gehören, die viele Zusatzaufgaben, guten Unterricht, ein stabiles soziales Umfeld und ausreichend Freizeit, kurzum eine ausgewogene Work-Life-Balance, unter einen Hut bekommen.

    Meiner Meinung nach spricht die Lebenswirklichkeit leider dagegen. Befindet man sich lange genug in der Welt Schule, dann merkt man, dass gerade das Thema „Arbeitsbelastung im Lehrerberuf“ ein sehr sensibles Thema ist. Man lernt bereits im Referendariat, dass eigentlich nur Perfektion erwartet wird und Fehler und Unsicherheiten möglichst nie gezeigt werden dürfen, da es eben keine wirkliche Ausbildung, sondern eher ein großer Belastungstest der bereits erworbenen und vorausgesetzten Fähigkeiten ist. Ich möchte hier jedoch keine Diskussion über den Sinn oder Unsinn des Referendariats aufmachen, sondern auf einen anderen Punkt hinweisen. Nach meiner Beobachtung schützt dich im Referendariat eigentlich nichts davor, deine Stunden perfektionistisch vorzubereiten und auch zu halten. Das große Problem, dass ich dadurch sehe, ist, dass dadurch unrealistische Erwartungen an den eigentlichen Berufsalltag sowohl bei den Referendaren als auch bei den Vorgesetzten (Schulleiter, Fachleiter, Mentoren) entstehen. Man konkurriert im Referendariat als Nicht-Pefektionist dann leider auch mit diesen Leuten und der erwartete Standard ist dann eben ein von den Perfektionisten über die Zeit entstandener und sich immer weiter zuspitzender. So ist es eben und wird sich so schnell auch nicht ändern. Was dann aber im eigentlichen Schulalltag bei voller Stelle vorgefunden wird, ist aber für einen Perfektionisten nun nicht mehr zu leisten (Diskussionen über Perfektionismus finden sich hier im Forum zur Genüge), weshalb diese Leute dann gezwungen sind, Ausweichstrategien zu verfolgen wie z. B. Stellenreduktion, ungesunde Mehrarbeit, Herabsenken des eigenen Anspruchs usw. Gleichzeitig darf sich aber niemand ansehen lassen, dass ihn diese Situation belastet oder überfordert, weshalb man auch vor allem im Lehrerzimmer ständig das Gefühl hat, dass jeder andere Kollege einen Haufen Arbeit leistet und nie Probleme hat und man selbst nur unzureichende und minderwertige Arbeit erbringt. Daraus ergibt sich dann das folgende Phänomen, dass ich die beiden Hauptdisziplinen des Lehrers nenne: sich beschweren und rechtfertigen. Man kann das zum einen beobachten, wenn Lehrer unter sich sind, und zum anderen, wenn Lehrer unter nicht Lehrern sind. Auch dieses Verhalten beginnt bereits im Referendariat und wird über die Zeit kultiviert.


    Dieses Phänomen wird der TE sicherlich nicht nachhaltig lösen können und ich schließe mich der Aussage an, dass die Suche nach Probanden sich schwierig gestalten könnte, da es ein offenes Geheimnis ist, über das niemand gerne spricht, um nicht auch die eigene Fassade in Gefahr zu bringen.


    Doch möchte ich versuchen auch ein paar Anregungen zu machen:

    Schaarschmidt (Leiter der Potsdamer Studie) hat anscheinend auch ein Programm entwickelt, welches die prozentuale Verteilung der Typen im positiven Sinne verändern kann. Vielleicht könnte der TE hier vertiefend nach wirksamen Studien forschen und eine eigene Erhebung in Bezug auf Strategien im Umgang mit Belastung durchführen und auswerten.

    Ich finde es zudem auffällig, dass die Verteilung der Lehrertypen ziemlich genau die Pareto-Verteilung abbildet. Vielleicht kann man da etwas drauß machen 🤷. Irgendwie eine Zusammenhang aus Potsdamer Studie, Perfektionismus, Pareto-Prinzip und Burnout. Man könnte auch noch untersuchen, inwiefern die Big-Five (Persönlichkeit) einen Einfluss auf die Lehrergesundheit haben.


    Viel Erfolg

    Ragnaroek

    :autsch:„Lache und die Welt lacht mit dir; weine und du weinst allein.“ (Oldboy)


    Und ja, meine Lehrer waren auch beide Eltern ;)

  • Zwei Anmerkungen, Ragnaroek

    Ich bin mir nicht sicher, ob gerade die 17% den Laden schmeißen. Sie haben für sich die Arbeitsleistung eingependelt, aber die anderen 60% sind vermutlich eher die, die springen, wenn es brennt. Leider brennt es immer, sodass die Erholungsphasen ausbleiben, weil die 60% mit sich selbst nicht vereinbart bekommen, es brennen zu lassen und sich wegzudrehen.


    Es gibt durchaus Kollegien, in denen es offen besprochen wird, wer welche Belastungen hat, gerade auf dem Zahnfleisch geht und wie man irgendwo ein Quäntchen Abhilfe schafft, zudem auch Kollegien, die sich selbst darin stützen, dass ihr Weg, der eine oder der andere, richtig ist.

  • Hast du Ahnung von qualitativen Forschungsmethoden bzw. Interviewanalysen?


    Ansonsten würde ich eher davon abraten, selbst in dieser Weise Daten zu erheben und auszuwerten.


    Burnout wäre sicherlich ein Thema, zu dem man viel Material (auch empirisches) zu finden sein dürfte.

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