Über den Wolken... wie wird man eigentlich Hobbypilot?

  • WillG

    Zu welcher Fluglizenz willst Du etwas wissen? Zum Gleitschirm oder zur 2-sitzigen Propellermaschine, also einem Ultraleicht-Flugzeug?


    Ich denke das Wichtigste bei bei beiden Fluggeräten ist, daß man sich von Anfang an klar wird, was man da tut. Sicher habe ich Vieles vergessen, aber an die Ansprache meines damaligen Fluglehrers aus der 1. Theorie-Stunde erinnere ich mich noch sehr gut.

    Zitat

    "Ihr seid die Piloten, es ist euer Leben, das an den Entscheidungen, die ihr trefft dran hängt, nicht meins. Folglich habt ihr nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht zur letzten Entscheidung. Leider haben heute nur die wenigsten Piloten den Schneid selber Entscheidungen zu treffen und die dann auch durchzuziehen, auch gegen mich als Fluglehrer oder gegen den Papst höchstpersönlich. Wenn einer startet, starten alle Anderen hinterher und fliegen wie die Lemminge in ihr Unglück."

    Dazu gab es dann noch diesen "Festvortrag" von Bruno Gantenbrink (mehrfacher deutscher Meister):
    --> https://www.afg.ethz.ch/wp-con…cherheit_beim_Fliegen.pdf

    Der Vortrag handelt eigentlich vom Segelfliegen, aber das Fluggerät ist da eigentlich beliebig austauschbar.


    Ich habe damals auch meine Ausbildungsflüge da im Zillertal gemacht. Wir sollten vom Melchboden Richtung Mayrhofen fliegen, die Ortschaft überfliegen und südlich der Ortschaft landen. Der Fluglehrer stand mit einem Funkgerät am Landeplatz und sagte mir, daß ich versuchen solle zum Landeplatz zu kommen. Ich war aber der Meinung, daß die Höhe nicht mehr reichen würde, um über die Häuser und die Stromleitungen (in Mayrhofen gibt es ein Umspannwerk) drüberweg zu kommen und habe abgedreht. Mein letzter Kommentar am Funkgerät war nur noch, daß er mich gerne rausschmeißen könne, wenn ich am Boden bin. Aber so lange der Vogel in der Luft wäre, wäre das mein Kommando. Ich hatte da so eine richtig schöne frisch gemähte Heuwiese für die außerplanmäßige Außenlandung unter mir und habe da zwischen den Silageballen zur Landung angesetzt.


    Eine gute Viertelstunde später kam der Fluglehrer mit dem Auto angefahren und es gab den Ritterschlag, von wegen: "Endlich mal jemand, der den Schneid hat selber Entscheidungen zu treffen, auch gegen den Fluglehrer." :staun:

  • Ich wusste nicht, dass du auch Gleitschirme fliegst - ich hatte das sozusagen nicht "auf dem Schirm". (Man möge mir verzeihen, die Ferien machen sich bemerkbar... und es ist wunderbar).


    Jedenfalls würde mich das Ultraleichtflugzeug tatäschlich mehr interessieren. Zusaätzlich zu meinen Fragen oben gerne auch mit einer persönlichen Einschätzung zum Gefahrenpotential, bspw. im Vergleich zum Autofahren oder so.


    Also, nur wenn du Lust hast, natürlich. Aber ich hab so den Eindruck, dass du nicht ungern von diesem Hobby erzählst und irgendwie reizt mich der Gedanke ja schon.

  • Ich bin als Student mit der Gleitschirmfliegerei angefangen. Für mehr reichte damals das Geld einfach nicht. Aber wenn man mehr oder minder in Norddeutschland wohnt und zum Fliegen in die Alpen fahren muß, macht das irgendwie auch keinen Sinn. Daher bin ich, als dann irgendwann ein regelmäßiges Gehalt kam, auf die Ultraleicht-Fliegerei umgestiegen.


    Die größte Gefahr bei beiden Fluggeräten ist das Wetter. Die kleinen Propellermaschinen werden halt rein auf Sicht geflogen wie zu Zeiten des 1. Weltkriegs. Sie haben weder die notwendigen Instrumente für den Blindflug (=Instrumentenflug) noch einen Autopiloten. Das ist noch richtiges Handwerk. Die meisten Unfälle passieren, weil sich die Piloten auf dem Heimflug selber unter Druck setzen und mit dem Wetter anlegen. Da kommen dann solche Gedanken:

    • Morgen muß ich wieder auf der Arbeit (in de Schule) erscheinen.
    • Mein Auto steht am Zielflugplatz. Wenn ich jetzt hier auf einem kleinen Flugplatz mitten im Nirgendwo lande, wie komme ich dann nach Hause?
    • Wie bekomme ich später das Flugzeug hier wieder weg?
    • Für morgen hat schon ein anderes Vereinsmitglied die Maschine gebucht, die Maschine muß morgen wieder im Hangar stehen.

    Und dann versucht man doch noch irgendwie zwischen den tiefhängenden Wolken durchzukommen, was durchaus überwiegend tödlich endet, weil man komplett die Orientierung verliert und nicht einmal mehr weiß wo oben und wo unten ist.

  • Was die Kosten und die Zeit angeht, gibt es bei der Ultraleicht-Fliegerie zwei Modelle:

    • Man geht zu einer kommerziellen Flugschule und muß mit knapp 50 Flugstunden zu je ca. 100€ planen. Gesetzlich sind 25 Flugstunden mindestens vorgeschrieben, aber 40-45 Stunden sind durchaus üblich. Hinzu kommt die Theorie. Inkl. Prüfungskosten und das Medical beim Fliegerarzt ist man dann mit gut 6.000€ dabei. Der Vorteil der kommerziellen Flugschule ist, daß man schneller voran kommt, weil man auch Termine werktags machen kann. Je nach Wetterlange kann man dann durchaus innerhalb eines halben Jahres seine Fluglizenz in der Hand halten.
    • Man geht zu einem Verein un macht die Ausbildung dort. Die Flugstunden sind entsprechend günstiger, aber da die Fluglehrer das ohne Bezahlung machen, wird üblicherweise nur am Wochenende ausgebildet, so daß sich die Ausbildung durchaus schon einmal ein gutes Jahr hinziehen kann. Dafür reden wir dann aber von Kosten von ca. 3.500-4.000€.

    Der limitierende Faktor bei beiden Ausbildungsmethoden ist aber das Wetter. Es gibt auch Piloten, die die Ausbildung in 2 Monaten geschafft haben, was aber sehr selten ist. Die Kosten werden üblicherweise monatlich abgerechnet. Man bekommt also einmal im Monat eine Abschlagsrechnung über die geflogenen Stunden.


    Ich habe damals meine Lizenz in einer kommerziellen Flugschule gemacht und bin dann in einen Verein gewechselt, weil die Stundenpreise einfach eine ganze Ecke günstiger waren. Derzeit kostet mich die Maschine 70€/Flugstunde naß, also inkl. Benzin. Bis auf eine der Ostfriesischen Inseln brauche ich 1:05 Stunden, bis Helgoland sind es ca. 1:20 Stunden jeweils einfache Strecke. Abgerechnet wird über den Betriebsstundenzähler im Flugzeug.


    Mit dem Schein in der Tasche darf man dann den 2-Sitzer alleine fliegen, man darf aber keinen Passagier auf dem zweiten Sitz mitnehmen. Früher war es so geregelt, daß man 60 Stunden (Flugstunden) nach Lizenzerhalt automatisch die Passagierberechtigung bekommen hat, ab dann also Passagiere mitnehmen durfte. Da aber viele Piloten schon eher ihre Ehefrau etc. mitnehmen wollten, wurde die 60-Stunden-Regel durch eine zusätzliche praktische Flugprüfung ersetzt. Der Passagier sitzt halt mit mir im Cockpit und hat einen Steuerknüppel sowie die Seitenruderpedale vor sich. Da muß man sich schon etwas um ihn kümmern und dafür muß man im Flug erst einmal Kapazitäten frei haben. Der Anfänger, der sich noch komplett aufs Fliegen konzentrieren muß, kann das nicht.


    Ich habe mir damals, als ich die Fluglizenz bekommen habe, geschworen, daß ich frühestens nach 100 Stunden jemanden mitnehme. Wenn ich schon Mist baue, will ich da nicht noch jemanden mit rein reißen. Entsprechend spät habe ich die praktische Flugprüfung für die Passagierberechtigung auch gemacht und habe den Prüfer in Staunen versetzt. Diese zusätzliche Prüfung ist durchaus vergleichbar mit dem Unterschied zwischen LKW- und Bus-Führerschein. Der LKW-Fahrer braucht die Fahrfähigkeit. er muß also das große Gerät auf der Straße halten können. Der Bus-Fahrer braucht Fahrfertigkeit, er muß den großen Koffer also auch "schön" fahren können, ohne das die Passagiere auf den Stehplätzen beim Bremsen durch den Bus fliegen. Da waren dann noch einmal 500€ fällig.


    Das wirklich Teure aber ist nicht die Fluglizenz einmal zu erlangen sondern sie später fortlaufend aktiv zu halten. Also alle 2 Jahre sind mindestens 12 Flugstunden angesagt und dazu das Medical vom Fliegerarzt. Damit man wirklich im Training bleibt, sollte man aber schon eher so 20-30 Stunden jährlich fliegen. Außerdem muß man alle 90 Tage mindestens 3 Starts nachweisen. Falle ich einmal aus dieser 90-Tage Frist raus, heißt das, daß ich drei Platzrunden mit einem Fluglehrer drehen muß, um ihm zu zeigen, daß ich es noch kann. Im Winter ist das immer ein Problem. Damit soll vermieden werden, daß jemand 23 Monate gar nicht fliegt und dann im letzten Monat der 2-Jahres Frist versucht die 12 Stunden am Stück abzureißen.


    Viele Piloten kommen mit dem Wunsch in die Flugschulen mit der ganzen Familie in den Urlaub fliegen zu wollen. Entsprechend machen sie nicht die Lizenz für die kleinen Ultraleicht 2-Sitzer sondern für die 4-Sitzer vom Typ Cessna c172 oder Piper pa28. Bei der Lizenz ist man schon eher mit 10-15.000€ dabei. Aber danach schaffen sie es nicht ihre Lizenz fortlaufend aktiv zu halten, weil ihnen die Flugstundenpreise (200-250€) für das Anmieten der Maschine dann doch zu hoch sind. Da hängen viele nach 2 Jahren die Fliegerei wieder an den Nagel, weil die laufenden Kosten nicht tragbar sind. Aus genau dem Grund habe ich mich vor dem Gang in die Flugschule für doe kleinen 2-Sitzer entschieden. 70€ pro Flugstunde sind da schon ein Unterschied.

  • Vielen Dank für die ausführlichen Infos. Das ist echt extrem interessant. Vor allem auch der Teil dazu, wie aufwendig es ist, die Flugerlaubnis zu behalten. Das hätte ich nicht gedacht.

    Klingt trotzdem nach einem echt coolen Hobby. Ich weiß aber nicht, ob das hier in Nordbayern genau so spektakulär ist wie bei dir, wo man schnell mal nach Pellworm oder Helgoland jetten kann.

  • Wenn Du in Bayern wohnst, dann würde ich die Alpenflugeinweisung machen und, wenn du irgendwann einmal genug Routine hast, die Gletscherflugeinweisung. Dann schnallst Ski unter die Räder und landest auf den Alpengletschern. Die kleinen 2-Sitzer können das, die 4-Sitzer eher nicht.


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    Ach ja, allgemein heißt es bei den kleinen Kisten: "Du mußt mit dem Flugzeug fliegen, nicht gegen das Flugzeug, sonst wird das nie etwas. Ist wie mit der Freundin, du mußt mit ihr Sex haben und nicht gegen sie (da grobschlächtig rumfuhrwerken)."

    Die Steuerkräfte sind bei den kleinen Maschinen sehr gering und man braucht echt ein Gefühl für das Ding. Nicht umsonst fliege ich selber immer schon mit ganz dünnen Schuhen (Puma Speedcat), um mehr Gefühl auf den Ruderpedalen und den Fußspitzenbremsen zu haben.

  • Das Problem ist halt, dass Bayern groß ist und ich auch zu weit weg von den Alpen wohne, um in solchen Panoramen herumzufliegen.

    Ich vermute, sollte ich das wirklich auch machen, dann würde ich eine Großteil der "Pflichtflüge" zum Behalten der Lizenz über dem Main-Spessart machen. Das ist sicher auch nicht schlecht, aber halt wenig abwechlsungsreich. So Alpenflüge etc. wären dann auch eher was für einen Urlaub. Aber das muss ja nicht schlecht sein. Ich hab aber schon ein anderes Hobby, das ich nur zu bestimmten Gelegenheiten ausführen kann, meistens muss ich dazu auch irgendwohin reisen. Möglicherweise käme sich das in die Quere - oder würde sich sogar perfekt ergänzen.

    Ach, keine Ahnung, ich lass das alles mal sacken. Auf jeden Fall sehr spannend und informativ. Das ist schon ein cooles Hobby. Vielen Dank für die Einblicke.

  • Das Problem ist halt, dass Bayern groß ist und ich auch zu weit weg von den Alpen wohne, um in solchen Panoramen herumzufliegen.

    Ich habe jetzt einfach mal Kitzingen als Startpunkt in Nordbayern genommen und als Ziel Innsbruck. Meine Planungssoftware sagt mir, daß das 290km sind. also bei einer Marschgeschwindigkeit von 200km/h reden wir da über ca. 1,5 Stunden. Oder 240km bis Konstanz am Bodensee. Das wäre dann ca. 1,25 Stunden.

  • Da wir hier noch ein paar mehr Mitleser haben, stelle ich wohl einfach mal ein paar Fotos ein.



    Auf nach Helgoland, auch wenn es etwas mehr Aufwand bedarf, weil man einen Flugplan einreichen und an selbigen halten muß und Schwimmwesten Pflicht sind. Sollte man notwassern müssen, wollen sie halt wissen, wo sie in der Nordsee nach einem suchen müssen.



    Da steht unser kleiner gelber Vereinsbomber auf Helgolands Dühne. Zwar mit Werbung drauf, aber dafür kostet die Flugstunde auch nur 70€ naß (also inkl. Benzin). Warum hat sie bei uns im Verein wohl den Spitznamen "Die Bierkiste"? :gruebel:



    Mein Lieblingsziel: Baltrum
    Auf der nur 360m kurzen Piste dort zu landen ist wenigstens mal eine kleine sportliche Herausforderung. Außerdem ist der Ort nicht so ewig weit von dem Flugplatz weg wie auf Norderney oder Juist.


    Auf dem Weg dorthin kommt man dann an sowas vorbei:


    Der Dümmer.


    Und wenn man nach Hause kommt:


    Das Navi auf dem iPad bringt einen bis ca. 1km vor den Flugplatz und dann heißt es gucken: "Ah, da unten ist der Flugplatz, dann muß da vorne die Platzrunde sein und dann mal rein mit dem Otto... :cash:


    Das Fliegen mit den kleinen Vögeln ist halt noch reine Handarbeit. Computer, Autopilot, Instrumentenflug? Gibt es alles nicht. Da ist Augenmaß, Handwerk und sehr viel Gefühl gefordert. Die Steuerkräfte sind sehr gering, weshalb ich immer mit Schuhen mit ganz dünner Sohle (Puma Speedcat) fliege. Auch heute lernt man noch ausschließlich mit Papierkarte, Kopaß und Armbanduhr quer durch ganz Deutschland zu navigieren. Das ist halt Fliegen wie zu Zeiten des 1. Weltkriegs.



    Im Ausland im Urlaub miete ich auch schon einmal so eine kleine Kiste für einen Rundflug. Dann allerdings inkl. Fluglehrer auf dem rechten Sitz. Auf die paar Euro kommt es dann auch nicht mehr an. Aber dafür läuft man nicht Gefahr gegen irgendwelche lokalen Regeln zu verstoßen.



    Anflug auf Milford Sound Neuseeland. Der Fluglehrer auf dem rechten Sitz hat das Foto gemacht. Der muß ganz viel Vertrauen in mich gehabt haben, daß er in dem Moment selenruhig fotografieren konnte so kurz vor der Landung, wo er mich zuvor noch nie hat landen sehen. Das war am Morgen des 24. Dezember... Weihnachten im Hochsommer bei 25°C. :top:


    Ach ja, hier noch ein paar Impressionen aus unserer Vereinswerkstatt im Keller des örtlichen Gymnasiums, das auch eine Segelflug AG hat.




    Im Winter wollen halt die Flugzeuge gewartet werden, um in der nächsten Saison wieder einsatzbereit zu sein. Da heißt es dann wirklich Vertrauen in die eigenen Hände Arbeit zu zeigen. An dem Funktionieren der Technik hängt schließlich auch das eigene Leben dran.

  • Reizen täte es mich, aber mit Stent nach Herzinfarkt dürfte ich flugmedizinisch gegrounded sein.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

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