Gefährdungsbeurteilung - so ein Schmarrn

  • Ja, weiss ich und deswegen machst du's halt. Ich muss nicht und lebe genauso gut.



    Du hast ein abgeschlossenes Fachstudium und ein Staatsexamen. Das IST dein Führerschein. Den machst du auch nur einmal und unterschreibst nicht vor jeder Autofahrt neu, dass du's kannst.

    Aber Zeiten ändern sich. Es gibt Länder, die regelmäßig eine Erneuerung (eines Teils) des Führerschein verlangen (in Autoland Deutschland natürlich undenkbar). Manches Gesetz hat sich in den letzten 30 (oder gar 60 Jahren, der Führerschein meiner Mutter ist so alt) geändert.


    Zu Chemie. In meinem Grundstudium (80er Jahre) hat sich noch niemand an meiner Uni Gedanken über Gefahrstoffe gemacht. Ich habe versehentlich meine Swatch am Arm in Lösemittel aufgelöst (es blieb nur die Batterie übrig). Wir haben mit Spülol gewaschen (zusammengesetzt aus Spülen und Lösemittelabfällen vor allem Methanol). Benzol hatte ich in einigen Versuchen eingesetzt, erst im Hauptstudium (nach 1990) wurde langsam darauf geachtet (und noch langsamer in der Fakultät bewusst). Wer also 3 Jahre vor mir studiert hat, ...


    Gerade wenn man etwas immer schon so gemacht hat, denkt man oft zu wenig nach, recherchiert man nicht im Internet, ob die Chemikalie immer noch als ungefährlich eingeschätzt wird. Ich selbst hatte mein Aha-Erlebnis mit Sudan 3. Früher als völlig ungefährlich eingeschätzt (überhaupt kein Gefahrensymbol) war es plötzlich ein KMR-Stoff (und damit verboten) oder Fuchsin oder Lackmuslösung (welches Lösemittel hat unsere Lösung oder .. ) Ohne erneute GBU hätte ich den Versuch wie jedes Jahr gemacht, so nahm ich einen anderen Farbstoff. Auch meine Kollegen haben mich schon öfter gefragt, seit wann dieser Stoff X (für Schülerversuche) verboten ist. Sie hätten es ohne GBU nicht gewusst und den Versuch wie in der Vergangenheit gemacht.


    Kalium wird heute in Paraffinöl statt Petroleum aufbewahrt, um Peroxide weitgehend zu verhindern. Wer keine GBU macht, weiß es (vielleicht) nicht (ich verwende Kalium inzwischen lieber als Natrium, spielt bei meinem Vorgehen im Unterricht eine große Rolle, ich habe lange und immer wieder darüber nachgedacht, ob ich ihn weglasse).


    Ich bin ein vorsichtiger Mensch, handle sehr überlegt, bilde mich fort. Ich weiß leider, dass es nicht alle Fachkollegen tun. Manche haben immer noch den Wissensstand von 1990 (Studium) und vieles vergessen (es ist doch immer gut gegangen). Ich staune, wenn sie erzählen. GBUs sind Zwang (vom Staat), dass alle (nicht nur die Besonnenen) sich immer wieder der Gefahr bewusst werden und natürlich tun es nicht alle oder verwenden irgendeine von 2010.


    Mir ging es am Anfang wie laleona. (Erster Gedanke, dann mache ich nichts mehr.) Inzwischen habe ich genug Erfahrungen (eigene und von Kollegen), dass ich sie gutheiße (natürlich kann man fragen, wo die Grenze ist, aber Vorschrift ist Vorschrift, alles zu hinterfragen bringt auch nichts).


    GBUs müssen übrigens nicht nur Lehrer erstellen. Es gilt auch für Betriebe (bzw. Abteilungsleiter) aller Art. Berufsunfälle sollen vermindert werden (wir sind für unsere Schüler verantwortlich).

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  • Muss man dann vor jedem Gebrauch der Kaffeemaschine den Wortlaut im LZ verlesen, sich von einer Kolleg:in befragen lassen, damit sie beglaubigt, dass man es gelesen und verstanden hat?

    Nein, aber du kannst die SL nicht verklagen, wenn du etwas nicht beachtest und dich verletzt.

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  • Ja... Ich habe selbst im Studium noch mit Schwefelwasserstoff, Quecksilberchlorid und ich weiss nicht was gearbeitet. Die Welt dreht sich weiter, das ist so. Was hat das jetzt mit dieser Zettelausfüllerei zu tun? Dafür gibt es Fachfortbildungen. Wir haben allein in den 9 Jahren, die ich an der Schule bin, schon mehrfach die Sammlung durchgeräumt. Und ich wiederhole mich: Ich habe noch nicht einen einzigen Unfall verursacht oder auch nur einen Feueralarm ausgelöst und auch kein Natrium von der Decke gewischt. Ganz falsch kann ich nicht unterwegs sein.

  • Vielleicht sollte man Chemieunterricht nicht mit gewöhnlichen Ausflügen (Spaziergang, Theater, Museum) vergleichen. In Chemie kann ich mir das schon vorstellen, da ist man ja um einiges sensibler geworden. Aber bei einem Spaziergang zum 800m entfernten Park? Gefährdungsbeurteilung?

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Eben. Ich fülle der Schulleitung fürs Lager oder den Klassentag ein Projektblatt aus, damit die wissen, wo wir sind. Wenn der zuständige Konrektor da sowas wie "Fliessgewässer" liest, grätscht er eh rein. Ich frage mich gerade, wie viel die Gefährdungsbeurteilung eigentlich bei diesem berühmt-berüchtigten "Wanderausflug" nach Österreich genutzt hat, den am Ende die Bergwacht beendet hat. So ein hirnverbrannter Quatsch käme mir in 100 Jahren nicht in den Sinn, dafür brauche ich keinen Zettel ausfüllen.

  • Nein, aber du kannst die SL nicht verklagen, wenn du etwas nicht beachtest und dich verletzt.

    Aber ich werde verklagt, wenn doch etwas noch Unvorhergeseheneres passiert, dass ich in der Gefährdungsbeurteilung zuvor nicht bedacht hatte?


    Dabei geht es bei Ausflügen etc. um Menschen, nicht Maschinen.


    Die Konsequenz muss dann sein, dass man alles außerhalb des Schulgeländes unterlässt.


    Geht es darum, sich Gefahren bewusst zu machen und umsichtig zu sein, oder darum, dass sich Versicherungen einen schlanken Fuß machen wollen?

  • Aber ich werde verklagt, wenn doch etwas noch Unvorhergeseheneres passiert, dass ich in der Gefährdungsbeurteilung zuvor nicht bedacht hatte?

    Wenn man mit Fachkunde eine GBU gewissenhaft durchführt und dokumentiert sowie sich dann auch noch an seine abgeleiteten Maßnahmen hält, dann ist eine grobe Fahrlässigkeit sehr unwahrscheinlich.

    Damit ist dann auch eine erfolgreiche Regressforderung oder Strafbarkeit eher unwahrscheinlich.

  • Uns wurde gesagt, alles was nicht grob fahrlässig ist, betrifft uns ohnehin nicht.

    Deswegen erst recht, wozu diese Gefahrensbla.. ?

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

    Einmal editiert, zuletzt von laleona ()

  • Nein, bei sorgfältig erstellter GBU ist es höchstens fahrlässig, wenn du nichts offensichtliches weglässt, und dafür wird man nicht verurteilt. Wenn du keine GBU erstellst ist vor Gericht der Nachweis schwieriger, dass du alles mögliche bedacht hast. Dann kann dir leichter grob fahrlässig oder gar bedingter Vorsatz unterstellt werden. Unvorhergesehenes ist unvorsehbar und wird nicht bestraft.


    Wenn man mit Fachkunde eine GBU gewissenhaft durchführt und dokumentiert sowie sich dann auch noch an seine abgeleiteten Maßnahmen hält, dann ist eine grobe Fahrlässigkeit sehr unwahrscheinlich.

    Damit ist dann auch eine erfolgreiche Regressforderung oder Strafbarkeit eher unwahrscheinlich.

    Eben. Auch uns wurde mehrfach gesagt, dass es dann höchstens fahrlässig sei und nicht mehr.


    Und wurd gesagt, alles was nicht grob fahrlässig ist, betrifft uns ohnehin nicht.

    Deswegen erst recht, wozu diese Gefahrensbla.. ?

    Wie kommst du darauf, dass grob fahrlässig dich nie betrifft?

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  • Hmmmm...

    Weil ich alles beachte?

    Und wie beweist du es?


    Solange nichts passiert, fragt niemand (außer Eltern von einem deiner Schüler befinden sich gerade im Rosenkrieg, das Problem hatten wir einmal).

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  • Mein Mann hatte mal so ein Problem, seine mündliche Aussage reichte vor Gericht bzw an den RA . Es ging um vorsätzliche Brandstiftung und Aufsichtspflicht.

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    Aldous Huxley

  • Also wenn mir beim Wandern einer im Kuhfladen ausrutscht und auf die Nase fliegt habe ich meist 20 Zeugen dabei die bestätigen, dass ich die arme Wurst nicht vorsätzlich in den Fladen geschickt habe. Dass ich nichts Wüsteres als T2 im Schwierigkeitsgrad wähle, lässt sich im Zweifel sogar per GPS-Tracking belegen.

  • Ich steige aus der Diskussion aus, bringt ja nichts. Zum letzten Mal, ich kenne den Fall deines Mann nicht, weiß nicht, ob eine GBU schon Pflicht war, wie eindeutig der Fall war usw. Und nur, weil es einmal bei deinem Mann gut ging, geht es bei dir auch immer gut?


    Du hast heute weitaus schlechtere Karten, wenn du keine GBU erstellst. Und wenn du alles sowieso beachtest, dann schreib es einmal als Beweis auf und kopiere es jedesmal (bei uns reichte bis vor kurzem eine neue Unterschrift und inzwischen benötigen wir noch nicht einmal das, wenn sich nichts geändert hat). Dann ist man rechtlich abgesichert (außer ich schreibe ein Blödsinn oder halte mich nicht daran).

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  • Also wenn mir beim Wandern einer im Kuhfladen ausrutscht und auf die Nase fliegt habe ich meist 20 Zeugen dabei die bestätigen, dass ich die arme Wurst nicht vorsätzlich in den Fladen geschickt habe. Dass ich nichts Wüsteres als T2 im Schwierigkeitsgrad wähle, lässt sich im Zweifel sogar per GPS-Tracking belegen.

    Noch spannender wäre mit der Nase im Kuhfladen.


    Aber on topic: Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Kreativität SuS Dinge tun, die kein Mensch erwarten würde. Was ich - zum Glück nicht bei mir - schon so mitbekommen habe, was manche so mit elektrischen Strom tun, offenen Fenstern etc. Wahnsinn.

  • Ja... Aber wenn sich eins aus dem Fenster stürzt kann ich genau was dafür? Dazu müsste bei uns im Schulhaus die Person vorsätzlich die Storen manipulieren. Dann läge der Vorsatz ganz klar beim Schüler und nicht bei mir. Strom... Ja, ich unterrichte Physik. Mit Praktikum. 10 V Gleichspannung am Schülerarbeitsplatz, keine Ahnung, wie sich da mit unserem Experimentiermaterial einer umbringen soll. Ist in den 50 Jahren, die die Schule existiert, auch noch nie passiert.

  • ir machten uns bisher auch Gedanken, nur mussten wir sie nicht niederschreiben noch vor dem Ausflug ein Formular ausfüllen.

    Nur denken, nicht schreiben. Bisher.

    Jetzt: Vorher Formular passgenau ausfüllen, abgeben.

    ich finde es nicht schlecht, es gibt dir selbst ja Sicherheit, es schützt dich vor dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.

    Und es ist schnell ausgefüllt, wenn man es ein paarmal gemacht hat. Gerade bei so Dinge wie einem Spielplatzbesuch, da ändert sich nicht viel, das machst du einmal und speicherst dir die Vorlage ab, und vor dem nächsten Ausflug dieser Art schaust du einmal drüber, ob etwas an die jeweilige Klasse oder Situation anzupassen ist.

    Bei außergewöhnlicheren Ausflügen oder Aktivitäten ist es sowieso sinnvoll, sich mal hinzusetzen und es in Ruhe auf Gefahrenquellen zu durchdenken. Und dann kann ich das auch direkt schriftlich machen, die Vorlage gibt mir ja sogar beim Überlegen eine Stütze, ein Gerüst.

    ich bin sicher, ihr gewöhnt euch schnell dran.

  • Bei außergewöhnlicheren Ausflügen oder Aktivitäten ist es sowieso sinnvoll, sich mal hinzusetzen und es in Ruhe auf Gefahrenquellen zu durchdenken

    Jetzt mal blöd nachgefragt: Das klingt so, als sei das irgendwie *nicht* selbstverständlich?! Ich war bis anhin noch vor jedem Klassenlager z. B. einmal alleine vor Ort um mir einen groben Überblick zu verschaffen, was man tun kann. Wenn ich in der Region wandern gehe, dann nur auf mir bekannten Wegen. Eine tatsächliche "Gefährdungsbeurteilung" ergibt sich da situativ unterwegs, wenn ich z. B. entscheiden muss, was tun bei schlechtem Wetter. Oder upps, es stellt sich unterwegs raus, dass jemand panische Angst vor Nacktschnecken hat (kein Witz...).

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