Grundschulförderklasse - wer entscheidet letztendlich?

  • Hallo zusammen.

    In BaWü gibt es ja die GS-Förderklasse für Kinder, die vom Alter her schulpflichtig sind, aber zurückgestuft werden.

    Nun der Fall: Kind X soll im September eingeschult werden. An der aufnehmenden Grundschule wurde eine Eingangsdiagnostik durchgeführt mit dem Ergebnis, dass X für noch nicht schulreif erklärt wurde. Die Schule sagt nun, X solle in die GS-Förderklasse.

    Allerdings sind die Eltern und Erzieher des Kigas nicht dieser Meinung und können das Ergebnis nicht nachvollziehen. Sie sehen das Kind in Klasse 1.


    Wer hat hier letztendlich das letzte Wort, wenn Schule und Eltern ihren Standpunkt beibehalten?

  • § 74 (2) Kinder, von denen bei Beginn der Schulpflicht auf Grund ihres geistigen oder körperlichen Entwicklungsstandes nicht erwartet werden kann, daß sie mit Erfolg am Unterricht teilnehmen, können um ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt werden; mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten können auch Kinder zurückgestellt werden, bei denen sich dies während des ersten Schulhalbjahres zeigt. Die Entscheidung trifft die Schule unter Beiziehung eines Gutachtens des Gesundheitsamtes. Die Zeit der Zurückstellung wird auf die Dauer der Pflicht zum Besuch der Grundschule nicht angerechnet.

    Ich würde meinen, dass das analog auch für die Entscheidung über den Besuch einer Förderklasse gilt. Ist ja auch eine Art Zurückstellung.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Also die Schule?!

    Aber muss der Besuch nicht von den Eltern beantragt werden? Die Eltern müssten ja dann diesen Antrag unterschreiben… Wenn dies nicht erfolgt, wird das Kind quasi „zwangseinschult“ in die Grundschulförderklasse?!

  • Es sind zwei Fragen, die getrennt betrachtet werden müssen:

    1. Zurückstellung vom Schulbesuch

    2. Besuch der Grundschulförderklasse (auch Verbleib im Kiga u. a. ist ja alternativ möglich)

  • Ich wollte den Sachverhalt lediglich griffiger machen, also sozusagen sprachlich einlaminieren.

  • Zitat

    Es sind zwei Fragen, die getrennt betrachtet werden müssen:

    1. Zurückstellung vom Schulbesuch

    2. Besuch der Grundschulförderklasse (auch Verbleib im Kiga u. a. ist ja alternativ möglich)

    Zu 1) Ich denke, hier genau liegt das zentrale Problem: Wer stellt den Antrag auf Zurückstellung? Die Eltern oder die Schule?


    Zu 2) Das Kind wird vor dem 30.06. sechs Jahre alt und ist demnach schulpflichtig. Ein Verbleib im Kiga würden die Eltern erst recht ausschließen (das wäre ja eine noch drastischere „Rückstufung“ als die GFK).

  • Zu 1) Ich denke, hier genau liegt das zentrale Problem: Wer stellt den Antrag auf Zurückstellung? Die Eltern oder die Schule?

    Die Eltern können den Antrag stellen. Die Grundschule kann Kinder aber auch ohne Antrag der Eltern zurückstellen, wenn sie bei der Kooperation Kiga - Schule bzw. bei der Schulanmeldung den Eindruck bekommt, dass das Kind noch nicht schulfähig ist.


    Es können eine Untersuchung und ein Gutachten des Gesundheitsamts über die Schulfähigkeit hinzugezogen werden (Schulgesetz § 74, Abs. 3). Dort steht: "auf Verlangen der Schule bzw. der Schulaufsichtsbehörde". Man könnte aber zumindest nachfragen, ob dies auch auf Wunsch der Eltern möglich ist, wenn so ein Dissens in der Einschätzung besteht.

    Ein Verbleib im Kiga würden die Eltern erst recht ausschließen (das wäre ja eine noch drastischere „Rückstufung“ als die GFK).

    De iure wäre es dasselbe (eine Zurückstellung vom Schulbesuch). De facto ist meistens der Besuch der GFK sinnvoller, aber das hängt vom Einzelfall ab. Je nach Region können aber Plätze in den GFK auch sehr begrenzt sein.


    Wenn ich fragen darf, du musst natürlich nicht antworten:

    Mit welcher Begründung möchte die Grundschule das Kind zurückstellen? In welchen Bereichen sieht sie noch Entwicklungsbedarf? Gab es bei der ESU 1 bereits Auffälligkeiten?

  • Das ist egal. Wenn die Eltern es nicht wollen, wird das Kind eingeschult. Meist passiert erst etwas, wenn der Leidensdruck dann zu hoch wird.

    Es mag sein, dass das viele Schulen in der Praxis so machen. Rechtlich können sie das Kind aber auch gegen den Willen der Eltern zurückstellen. Ich kenne solche Fälle. Sie können auch gegen den Willen der Eltern schon vor der Einschulung einen Antrag zur Prüfung sonderpädagogischen Förderbedarfs stellen. Auch solche Fälle kenne ich.

  • Aber dem Geschriebenen mach kann man in BW dann noch im ersten Halbjahr wechseln aus der 1. Klasse in die Förderklassen?

    Da ist dann aber kein Platz mehr. So eine Förderklasse hat ja nicht jede Schule. Wie gesagt, manche Kinder sitzen morgens 1 Stunde im Taxi.

  • Aber dem Geschriebenen mach kann man in BW dann noch im ersten Halbjahr wechseln aus der 1. Klasse in die Förderklassen?

    Ist selten, aber auch schon erlebt, ja.


    Eine Grundschulförderklasse bei uns entspricht übrigens in etwa dem, was in NDS und anderen Ländern ein Schulkindergarten ist. Ein Schulkindergarten bei uns ist wiederum in etwa eine heilpädagogische Kita, nur förderschwerpunktspezifisch und an die SBBZ (das wären in anderen Ländern Förderschulen) angegliedert.

  • Ich habe gestern meine Beiträge gelöscht, weil ich nichts Falsches schreiben wollte. Theoretisch ist es nämlich so, wie Plattenspieler schreibt. In der Praxis sieht es aber bei uns zumindest so aus, dass wir ohne Einverständnis der Eltern nichts tun können.

    So muss beispielsweise eine Kollegin in Klasse 2 einem Schüler in DE und Ma eine 6 geben, damit er nicht auf Bestehen der Eltern weiterversetzt wird. Er arbeitet Nix. Nicht einmal in Kunst, aber alle unsere Vorschläge und Hilfsangebote werden ignoriert. So haben wir manche bis Kl. 3. Da schaffen wir es, einen IQ-Test machen lassen zu können und wenn er unter 78 oder 80 ist, zu veranlassen, dass Schüler in die Förderschule Lernen wechseln, nachdem wir schon 2 oder 3 Jahre erfolglos versucht haben, irgendetwas anderes zu bewirken. So haben wir eigentlich in allen Klassen den ein oder anderen Schüler sitzen, der auf irgendeine Art Hilfe bräuchte, aber nichts passiert. Manchmal bekommen die Eltern auch einfach an den entsprechenden Stellen 1 Jahr lang oder länger keine Termine.

    Tipps und Verbesserungsvorschläge dieser Situation werden gerne hier entgegengenommen.

  • Dass eine Eingangsdiagnostik durchgeführt wurde, geschieht ja nicht willkürlich. Es besteht 1 Jahr vor der Einschulung eine Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule und eine oder 2 Lehrerinnen besuchen regelmäßig die Kindergärten, um sich ein Bild zu machen und die Kinder schon kennenzulernen. Wahrscheinlich ist das Kind den Kolleginnen in irgendeiner Weise aufgefallen und sie meinen es nur gut.

    Manche Eltern lehnen den Austausch der Erzieherinnen mit den Lehrerinnen ab, die Eltern müssen ja einverstanden sein. Diejenigen, die das machen, haben in der Regel Angst, dass irgendwas herauskommt, was nicht stimmen könnte.

    Vergessen wird dabei immer, dass es den Kindern helfen würde, sie möglichst früh zu fördern, anstatt die Augen zu verschließen. In die GFK zu kommen ist für viele aber noch das kleinere Übel, als gleich in die Förderschule Lernen zu müssen. Obwohl es manchmal dann nicht viel bringt. Denn es hilft Kindern, die bildlich gesprochen, eine Brille bräuchten, nichts, wenn die Eltern das auf keinen Fall wollen, aber dafür lieber eine Zahnspange nehmen.

  • Es hilft Kindern, die eine Brille bräuchten, nichts, wenn die Eltern das auf keinen Fall wollen, aber dafür lieber eine Zahnspange nehmen.

    [Zitat leicht bearbeitet] Das lasse ich in Messing gravieren und über meiner Schultüre anbringen.

  • Mich überrascht, dass der Kindergarten das so anders sieht als die Schule. Welche Argumente hat denn die Schule angeführt?


    Ein Verbleib im Kindergarten ist vermutlich auch deswegen keine Option, weil der Kindergarten den Platz sicher schon anderweitig vergeben hat. Sie sind ja davon ausgegangen, dass das Kind eingeschult wird.

  • Zitat

    Mit welcher Begründung möchte die Grundschule das Kind zurückstellen? In welchen Bereichen sieht sie noch Entwicklungsbedarf? Gab es bei der ESU 1 bereits Auffälligkeiten?

    Intellektueller Bereich, Motorik, etc. in Ordnung. Kind ist in Deutsch / Mathe fit.


    Die Schule sieht Auffälligkeiten im sozial-emotionalen Bereich (Kind ist schüchtern, redet wenig). Außerdem, dass das Kind nicht altersgemäß malen kann.


    ESU war ohne Auffälligkeiten.


    Zitat

    Mich überrascht, dass der Kindergarten das so anders sieht als die Schule. Welche Argumente hat denn die Schule angeführt?

    siehe oben.

    Im Kindergarten sind diese Auffälligkeiten nicht vorhanden.

  • Was sagt denn das Gesundheitsamt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kind ohne Einwilligung der Eltern zurückgestellt werden kann, wenn die Sachlage so uneindeutig ist. Ich würde es im Zweifel auf eine Klage ankommen lassen.

  • Man kann doch eine dritte Meinung einholen, z.B. bei einer Überprüfung in einem sozialpädiatrischen Kinderzentrum. Da braucht man eine Überweisung vom Kinderarzt, aber meist kommt da ein sehr gutes und genaues Gutachten heraus. In dubio kann man das der Schule unter die Nase halten, wenn es entsprechend ausfällt.

    Auf alle Fälle kann man bei so einer Untersuchung vieles sehen und evtl. verbessern. Vielleicht reicht auch erst einmal Ergotherapie. Das kann man halt von weitem nicht beurteilen.

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