Nutzt ihr im Unterricht gendergerechte Sprache?

  • Was soll das denn sein? Als Deutschlehrerin sollte man Vorbild sein und keine nicht-existenten Konstruktionen verwenden.

    Ich habe ja echt viel dazu gelesen, geforscht, etc. Ich habe immer die Vor- und Nachteile abgebildet, die Effekte, die Ansprüche einer Gesellschaft, etc. Letztendlich habe ich aber nie jemandem vorgeschrieben, d a s s er oder sie gendern SOLL, w i e er/sie es soll, w e n n er/sie es tut o. ä.
    Jede:r kann auf Grundlage der Fakten, Einwände, Überzeugungen eben gendern, indem er/sie das generische Maskulinum nutzt (wohlwissentlich, was das für andere bedeutet, welche Fallstricke das beinhaltet, wie ungenau es dadurch manchmal wird) oder eben Doppelformen, Asterisken etc. pp. (wohlwissentlich, was das wiederum beinhaltet).

    Allerdings wollen mir "Gendergegner" oft vorschreiben, wie ich zu schreiben habe (und zu denken), obwohl gerade oft die von einer Sprachdiktatur reden, die ihnen wohl Verschreibungen machen möchte. Das ist total widersprüchlich.


    Im Übrigen habe ich bei Autor:innen das Autor als männlich markiert dargestellt in meiner Auflistung, dass Du bei 3 Parametern direkt die erste Aufzählung geflissentlich überliest, ist Teil dieser ganzen Misere. Man kann eigentlich kaum diskutieren, weil jede:r nur hören will, dass er oder sie recht hat, kaum jemand möchte verstehen, denken, abwägen (wie es eigentlich wissenschaftlich der Fall ist), sondern nur auftrumpfen.


    Was ich schlimm finde und einen Topos, der mich wirklich triggert: Menschen, denen Nicht-Muttersprachler:innen völlig egal sind, spielen sich beim Morphem -in oder den Zeichen :*/ paternalistisch auf, dass Gendern die Sprache für sie so unverständlich macht. Hypo-/Parataxen, Fachwörter, Textlänge, gesellschaftliche Dinge etc. sind aber völlig egal, da ändern wir nichts und wir nennen unsere Soßen und Süßigkeiten auch weiter wie bisher. Nicht-Muttersprachler:innen sind nicht doof. Viele kriegen das Gendern nicht nur hin, sondern wollen das sogar. Andere eben nicht. Beides ist o.k.


    Dass das wirklich zu schwer ist, ist dann der Fall, wenn die Sprachkompetenz noch sehr gering ist. Da ist auch der Plural von Haus dann schwer durch das angehängte Morphem und den Umlaut. Es schreit aber keine:r, dass es Yannick, Yanik, Jannik, Yannik gibt und Lilly, Lily, Lilli, Lili (mit durchaus unterschiedlicher Betonung), dass es extrem lange Komposita gibt und Einschübe und Nebensätze vierter Ordnung. Aber das Gendern, das ist das Schwerste und Wichtigste an der Sprache überhaupt. Und dann sieht man bei allen Themen in den Social Media, wo es um ernste Sachen geht, dass sich Dutzende über gegenderte Sprache aufregen und so vom Kern ablenken und gleichzeitig vorwerfen, die Gendersprache sei so unwichtig. Wie widersprüchlich und inkonsistent Menschen sein können und wie wenig tolerant und gelassen.


    Zu mir als Lehrperson: Indem ich bei meinen Schüler:innen im Sprachgebrauch beides annehme, zeige ich ihnen Toleranz, Zugewandtheit, Respekt, Gelassenheit uvm. Wenn es in Klausuren auf Grundlage von Beschlüssen als falsch angestrichen werden muss, dann tue ich das natürlich. GsD ist es eher ein Folgefehler und nicht wirklich notengefährdend. GsD deshalb, weil ich junge Menschen nicht für ihre Kritik, Reflexion und Partizipation abstrafen möchte. Auch in Klausuren geht es eher um Inhalte und Rechtschreibung und Grammatik sind vielfältig und auch hier geht es um mehr als dieses eine Thema.

    Außerdem kann man das entsprechend ansagen und auch diskutieren und hinterfragen. Regeln sind menschengemacht. Sie ändern sich, wenn sie ihren Zweck nicht (mehr) richtig erfüllen, sich Gesellschaftsstrukturen ändern, Regeln als unzulässig angesehen werden usw.

  • Du musst dich auch nicht angesprochen fühlen. Dein Satz mit der Beliebigkeit (oder so ähnlich) hat nur so schön gepasst. Auf vermeintlich fixe Regeln haben sich zuvor andere berufen und daraus ableiten wollen, warum jetzt dieses und jenes nicht ginge. Es kommt auch immer mal wieder ganz konkret vor, dass jemand versucht meine Ausdrucksweise zu korrigieren, die aber im helvetischen Sprachraum sehr wohl "korrekt" ist. Wie du lesen kannst, sind wir in der Diskussion ja schon wieder bei "falsch" und "ausgedacht" angekommen.

    Ja, dieses Richtig-Falsch-Denken in Bezug auf Sprache steckt in vielen drin und ich gebe es zu, vor dem Studium ging es mir oftmals nicht anders. Aber man wächst ja und erweitert den Horizont. Oft sind Regeln ja nur ein flüchtiges Festhalten des gerade Dominanten. Heteronormativität eben. Dass ich ich anders ausspreche als Schweizer:innen, ist zwar Standard aber nicht richtig(er).

    Ein Problem bei Sprachen ist, glaube ich, dass sie eben Gegenstand und Mittel der Diskussion sind, somit jede:r etwas sagen kann und darf (was ich richtig finde), viele sich aber logischerweise nie vertieft damit auseinandergesetzt haben. Ich kann mir solche Diskussionen in der Physik kaum vorstellen. Vielleicht gibt es das da auch, aber sicher nicht in der Breite.

  • Es klingt auch gleich ganz anders, wenn du es schreibst :*

    Danke! :) Ach, ich vermisse die Uni, die Kurse, die Diskussionen und das Studieren ganz arg. Da ist das hier teils eine Freude! (teils auch eine Unfroide)

  • Ich kann mir solche Diskussionen in der Physik kaum vorstellen.

    Die gibt es schon, aber auf einer ganz anderen Ebene, davon bekommt der gemeine Pöbel nichts mit ;) Daraus folgt aber erst recht, dass Leute meinen, "Gesetze" in den Naturwissenschaften seien unumstösslich und anfangen mit sprichwörtlichen faulen Eiern zu werfen, wenn's nicht auf jede Frage grad eine passende Antwort gibt. Man erinnere sich an die Covid-Pandemie zurück ... besser nicht.


    Ehrlich gesagt finde ich es einigermassen beschämend, wenn ausgerechnet Naturwissenschaftler*innen in Bezug auf Sprache auf dem "wo komm wer denn da hin!!!" Niveau diskutieren. Ich hatte in der Fachdidaktik in beiden Fächern Veranstaltungen zu gendergerechtem Unterricht, es gibt regelmässig Fortbildungen zu sprachsensiblem Unterricht in den Naturwissenschaften. Offenbar sind einige Leute gut darin, das zu ignorieren. Mindestens müsste aber jedem Naturwissenschaftler und jeder Naturwissenschaftlerin schon mal aufgefallen sein, dass Fachtexte grundsätzlich entpersonalisiert passiv geschrieben werden und keine Sau im Alltag so spricht. Als Lehrperson muss man Jugendlichen beibringen, selbständig verfasste Arbeiten genau so zu schreiben. Man ist also durchaus in nicht unerheblichem Umfang mit Sprache beschäftigt.


    Darüber hinaus ist mein Wissen natürlich laienhaft. Ich habe 3 romanische Sprachen mehr oder weniger gelernt bzw. gebe mir Mühe damit und kann mich erinnern, dass vor mehr als 20 Jahren der generische Gebrauch des Maskulinums im Plural schon ein Thema war. Ich wundere mich daher, wie einige hier so sicher sein können, dass die ganze Gender-Debatte ein rein deutschsprachiges Phänomen sei. Es ist vielleicht eine kulturelle Eigenheit, dass man in Deutschland besonders hysterisch darüber diskutiert, aber das ist doch bei jedem Thema so, nicht wahr? Dann hätte ich noch Japanisch im Angebot und wundere mich weiter, wie man behaupten kann, Sprache hätte keinen Einfluss auf die eigene Sozialisation. Da frage ich mich schon, wie methodisch schlecht Studien gemacht sein müssen, die zu diesem Ergebnis kommen. Aber was weiss denn ich schon, ich habe ja nur Chemie studiert :P

  • Lasst uns doch probehalber das generische Femininum mal eine Woche nutzen, auch Kollegin SteffdA ist selbstverständlich mitgemeint. Ob sie sich so fühlt oder nicht, könnten wir dann hinterher auswerten.

    Naja, wenn ich es ganau nehme, dann mache ICH das schon zu ~95% in der Schule, wenn ich vom Land bezahlt werde, seit etwa 20 Jahren.

    Fast einzige Außnahme bei der ersten Zeile in der Begrüßung. Dort habe ich biser immer etwas wie "Liebe Schülerinnen und Schüler" geschrieben. Bzw. Wenn ich selbst eine Matheaufgabe erstellt habe in der soetwas vorkommt, dann habe ich auch "Schüler und Schulerinnen" geschrieben.

    Ansonsten bin ich das Problem immer umgangen, indem ich "wir", "ihr", ... oder ähnliche Formulierungen benutzt habe.

    Die Texte in Büchern oder Arbeitsheften habe ich natürlich nie geändert und würde es auch nicht machen. Soll ich jetzt die Texte im Mathebuch alle durchstreichen oder wie stellst du dir meine Testphase vor?


    Wenn ich für Schulen privat arbeite, dann kann ich das aber leider nicht machen. Ich habe die drei Gründe dafür hier auch mehrfach genannt. Es ist leider Unmöglich das umzusetzen. Es geht dort einfach nicht.

  • Ein Kind weiß, dass ein Ingenieur ein Mann ist.

    Das Kind weiß das nur, weil es dem Kind so beigebracht worden ist. Das Problem liegt leider bei euch, nicht an der Sprache, die anders benutzt wird. Warum wird es dem Kind nicht richtig beigebracht?

  • In der Tat. Immer nur über die Nachteile zu reden, ist keine gute Lösung.

    Deswegen habe ich doch auch die Vorteile genannt und mit den anderen Varianten verglichen. Es gab aber keinen Vorteil gegenüber den anderen Varianten. Welchen Vorteil möchtest du denn jetzt nennen?

  • Das Kind weiß das nur, weil es dem Kind so beigebracht worden ist. Das Problem liegt leider bei euch, nicht an der Sprache, die anders benutzt. Warum wird es dem Kind nciht richtig beigebracht?

    Das ist Quatsch. Ich weiss nicht, um welche Sprache es hier geht, aber Japanisch unterscheidet z. B. zwischen "Männer- und Frauensprache". Natürlich hat das im höchsten Masse Einfluss auf die Sozialisation eines Kindes.

  • Schade das man nicht einfach Zahnärztin zur Zahnärztin sagen kann, weil man beweisen muss, wie praktisch das Maskulinum für alle ist.

    Meinst du jetzt mich als Kind oder den Werbeclipschreibenden?

    Der Werbeclipschreibende hätte es nicht machen dürfen. Bin mir jetzt nicht Sicher in welchen Bereich das fällt. Ich denke es wäre der Strafttatsbestand "Betrug".

    Ich als Kind habe mir über soetwas gar keine Gedanken gemacht und das übernommen, was mir die Erwachsenen in der eachten Zahnarztpraxis und im Fernsehen "vorgemacht" haben. Als wenn ich mich als Kind am Wochenende hinsetzen würde und mir Gedanken über "die Fehler" in der Sprache gemacht hätte und was die Erwachsenen doch eigentlich hatten anders machen müssen. Vorallem, da ich das Problem doch gar nicht als Kind erkannt habe. Für mich war das ok, weil es so offensichtlich gemacht wird.

  • Schräges Argument. Adorno und Benjamin schreiben auch nicht gerade leserfreundlich und völlig anders als andere Autor:innen, v. a. heutzutage. Diversität ist doch nichts Schlechtes?!

    Dann hast du leider nicht verstanden, was ich in dem Absatz erkärt habe. Es ging darum, dass Texte bei den verschiedenen Versionen eine total andere Bedeutung haben. Man würde die Texte falsch verstehen. In dem Beispiel mit dem Lehrerausflug würde man dann denken, dass nur die Männer auf den Ausflug gefahren wären. Ich stelle mit dann in 500 Jahren vor, wie im Geschichtsunterricht den Kindern erklärt wird, dass in Deutschland noch um das Jahr 2000 nach Christi übelste Diskriminierung der Frauen üblich war. Die dürften noch nicht mal mit auf die Ausflüge.

    Ja... Ihr sagt jetzt wieder "konstruiertes Beispiel"... Aber solche zusammenhänge und Schlußfolgerungen könnte auch eine KI machen und bei der Interprestation von Gesetzestexten könnte es dann ggf auch spannend werden.

    Ja, dieses Argument ist auch nicht das Hauptargument. Es ist nur eine kleine Randnotiz. Die anderen genannten Gründe sind die eigentlich wichtigen.

  • Trotzdem kann man das sehr spannend finden.

    Ich finde auch solche Sachen total spannend. Am interessantesten fand ich, dass vor ein paar Monanten ein Volksstamm aus Alaska mit nur wenigen 1000 Mitgliedern es geschafft hat, endlich ihr Zahlensystem umzusetzen. Die hatten keine eigene Schrift und erst durch die Europäer gelernt zu Schreiben und zu Rechen. Das haben die dann im Dezimalsystem gelernt, obwohl in ihrer Sprach ein 20er System genutzt wird. Das konnten die aber nicht darstellen (den Trick wie bei Hexadezimalsahlen kannten sie wohl nicht und/oder wollten es wohl bewußt nicht machen). Daraufhin haben die in den letzten Jahren Zeichen für ihre Ziffern erfunden und die würden in den UTF-Zeichensatz aufgenommen, sodass heute dies jeder am Rechner/Handy/Tablet schreiben kann. War ein Artikel auf heise.de. Finde ihn gerade so schnell nicht. Würde ich aber auf Nachfrage noch mal suchen.

  • Ich habe ja echt viel dazu gelesen, geforscht, etc. Ich habe immer die Vor- und Nachteile abgebildet, die Effekte, die Ansprüche einer Gesellschaft, etc. Letztendlich habe ich aber nie jemandem vorgeschrieben, d a s s er oder sie gendern SOLL, w i e er/sie es soll, w e n n er/sie es tut o. ä.

    Und genau deshalb solltest du doch wissen wie schwer es war zu erkenne was gemeint war. Und mit deinem Vorschlag machst du es doch später lesenden, forschenden, etc. noch schwerer, da jetzt noch eine abweichende Form vorkommen kann. Warum nicht mein Vorschlag, dann würdest du es Forschern viel einfacher machen, weil die Texte nicht plötzlich ihren Sinn verdrehen würden.

  • Das mit der anekdotischen Evidenz ist dir als Physiklehrer ein Begriff, oder?

    Musste ich gerade noch mal nachlesen. Worum es da geht ist mir klar. Diesen Fachbegriff dafür hätte ich nicht mehr gewußt.

    Beim letzten mal wurde ich für die Quellenangabe angemacht ("Was hast du immer mit deiner Werbung?"). An einigen Stellen hier im Forum habe ich die Quelle bewußt nicht geschrieben um die Quelle bzw mich zu schützen. An einigen Stellen habe ich die Quelle nicht hingeschrieben, weil es mir im Verlauf der Diskussion unwichtig erschien. An welcher Stelle vermisst du eine Quellenangabe?

    oder Beziehst du das jetzt auf meine Kindheit? Nun, dann haben hier alle das gleiche Problem, oder? Wer sagt uns denn, dass deine Kindheit allgemein objektiver war? Du unterliegst dem gleichen Problem.

  • Ich meine das nicht despektierlich, aber ich verstehe überhaupt nicht mehr, was du sagen willst, Volker_D , vielleicht kann es jemand anders erklären? Du würdest eine männliche Form einführen. Da wir aber alle keine Macht haben, irgendwas zu bestimmen, verstehe ich das Beharren nicht. Und was soll die Geschichte mit der Zahnarztgattin, da geht es doch völlig am Thema vorbei, das Palim aufgeworfen hat:weissnicht:

  • Beim letzten mal wurde ich für die Quellenangabe angemacht ("Was hast du immer mit deiner Werbung?").

    Da wären wir wieder bei den unterschiedlichen Kommunikationsebenen... Quittengelee ging es mit ihrer Aussage - die du hier in Klammern wiedergibst - doch überhaupt nicht um eine Quellenangabe deinerseits. Es ging die ganze Zeit darum (so auch mir), dass dein Beispiel aus der Werbung einfach rein gar nichts mit dem von Palim vorher gegebenen Beispiel der "Anrede" von Pastoren-Ehefrauen zu tun hatte.

    Aber es ist - glaube ich - langsam wirklich nicht mehr der Mühe wert. Wir reden hier ständig aneinander vorbei.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Dann hätte ich noch Japanisch im Angebot und wundere mich weiter, wie man behaupten kann, Sprache hätte keinen Einfluss auf die eigene Sozialisation.

    Die Japaner können ja total abgedreht im Sprachgebrauch sein. Keine Ahnung ob das alle Japaner so machen. Aber aus meiner Praxis: Wenn die Japanischen Übersetzer Probleme mit dem Platz bei der Übersetzung hat, dann ist der total "enspannt". Wenn der Text zu lang ist und nicht mehr auf den Bilschirm passt, dann wechseln die einfach den Zeichensatz. Die haben ja ihre 2 eigenen Schriften und auch noch die chinesische Schrift und packen auch problemlos lateinische Schift mitten in ihre Texte. Da wird wild hin und her gesprungen.

    Und Regeln für Anführungszeichen? Die nutzen alles was es weltweit so gibt. Gänsefüßchen, Striche, Klammer, ...

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