Schüler (8. Klasse) außerhalb der Klasse arbeiten lassen

  • Ah, individuelle Förderung. Das "Mantra" der pädagogischen Lehre, in der wir durch Binnendifferenzierung und Coaching unsere SuS zu besseren, kreativen und lebenslang lernenden Geschöpfe heranwachsen lassen. In welcher niemand scheitert und in der jeglicher Unterrichtsstoff auf jedes Anspruchsniveau didaktisch reduziert werden kann. In der Abschlüsse durch jeden Schüler zu erreichen ist, denn mittels individueller Förderung wird jeder dazu in die Lage versetzt. Und all dies gelingt den Lehrpersonen bei immer volleren Klassen und knapper Ausstattung. :victory:

    Nicht zu vergessen: Die stärkeren Schüler helfen den Schwächeren und dadurch profitieren alle. Am besten in Kombination mit einer inklusiven und integrativen Gemeinschaftsschule.


    Zum Ausgangsthema: Wir haben ein Foyer mit Tischen und einen Aufenthaltsraum.


    Dort bearbeiten einzelne Lerngruppen ihre Themen. In Oberstufenklassen ist das ein Selbstläufer, aber ich befürworte auch, damit früher anzufangen, nur dann lernen die Schüler auch diese Art zu arbeiten.

    Sobald die Lehrkraft weg ist wird meist nichts mehr gearbeitet und entspannt Kaffee getrunken.


    Und nach dem Schulabschluss geht's genau da weiter: Wer kein Physik studieren will, muss auch gar nicht. Und wer Physik liebt, arbeitet selbständig an seinen Aufgaben, da fragt nämlich keiner ständig nach, ob man fleißig am Platz sitzt, Hausaufgaben macht und Vorgekautes widergibt.

    Die Bologna-Reform ist an dir vorbeigegangen.

  • Zitat von Landlehrer

    Sobald die Lehrkraft weg ist wird meist nichts mehr gearbeitet und entspannt Kaffee getrunken.

    Dann ist die Aufgabe nicht klar umrissen, nicht zum Selbststudium / Eigenarbeit geeignet, zu hoher / zu niedriger Schwierigkeitsgrad, keine Kontrollmechanismen eingebaut und und und.


    In der Berufsschule und meinem Bildungsgang (meist ab 3. AJ) absolut üblich: Schüler arbeiten mehrere Schultage alleine an einem klar umrissenen Projekt. Anhand des Projekttagebuchs kann ich genau ablesen, was sie in den Stunden 1-4 gemacht haben. Am Ergebnis und dem anschließenden Fachgespräch erkenne ich, ob sie es alleine oder mit Hilfe gemacht haben. Dabei ist es mir egal, ob sie in meinem Raum oder draußen arbeiten. Fragen dürfen sie natürlich immer stellen. Manche beantworte ich, bei anderen verweise ich auf die zur Verfügung gestellten Informationsmaterialien.


    Mich kostet es im Vorfeld viel Arbeit. Nach jedem Durchlauf ändere ich was dran (bisher). Aber der Unterricht ist dann ein Selbstläufer.


    Zur TE: Ich glaube, dass das klappen kann, aber dann muss das Material mit viel Arbeit so erstellt sein, dass die S. alleine klar kommen.

  • Schade, dass es offenbar immer noch Kollegen gibt, die nicht verstanden haben, worum es bei IF überhaupt geht...

    Dann erkläre es mir bitte. Aber unter Berücksichtigung des Einbezugs der realen Einschränkungen in unserem Beruf, welche auch in meinem Post genannt wurden. Blumige Worte und schöne pädagogische Wünsche kann man schnell formulieren. Die Umsetzung in der Realität sollen aber schön die Lehrer leisten und nicht irgendwelche Didaktiker oder Politiker.
    Inklusion, offene Schule, Leitbild, Schulentwicklung, individuelle Förderung, Binnendifferenzierung, neues Konzept hier, neues Konzept da... Was ist eigentlich unser Kerngeschäft? Wie sieht die tatsächliche Unterstützung für die Realisierung aus?
    Es genügt, dass man sich den Thread von "Eule" durchliest. Und das ist nur ein (reales) Beispiel.

    ;) Ja, ich würde sagen genauso ist das. Bis zum Schuleintritt macht jeder Mensch das, was seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht und jeder lernt auf dem Weg, auf dem er sich befindet, ohne dass ihm jemand erklärt wie man läuft und in welcher Woche man laufen können muss.
    Und nach dem Schulabschluss geht's genau da weiter: Wer kein Physik studieren will, muss auch gar nicht. Und wer Physik liebt, arbeitet selbständig an seinen Aufgaben, da fragt nämlich keiner ständig nach, ob man fleißig am Platz sitzt, Hausaufgaben macht und Vorgekautes widergibt.

    Also wenn ich mich richtig zurückerinnere, haben sich meine an meine Arme gehängt und wir sind die Wohnung abgelaufen. So alles alleine war wohl nicht ;) .
    Klar, wer kein Physik studieren will, muss das auch nicht. Aber wer kein Abitur will, muss auch nicht.

    Nun, wer auf eine berufliche Schule wechselt, dem sollten die Zubringerschulen die notwendigen Kenntnisse vermittelt haben; notfalls mittels der individuellen Förderung. Klappt aber wohl nicht so gut.
    Und wie soll diese denn bei 30+ Klassen funktionieren, deren Ziel eine Hochschulreife ist? Der Anspruch an das Abitur ist immer noch ein anderer als z.B. an die Mittlere Reife.


    Dann ist die Aufgabe nicht klar umrissen, nicht zum Selbststudium / Eigenarbeit geeignet, zu hoher / zu niedriger Schwierigkeitsgrad, keine Kontrollmechanismen eingebaut und und und.
    In der Berufsschule und meinem Bildungsgang (meist ab 3. AJ) absolut üblich: Schüler arbeiten mehrere Schultage alleine an einem klar umrissenen Projekt. Anhand des Projekttagebuchs kann ich genau ablesen, was sie in den Stunden 1-4 gemacht haben. Am Ergebnis und dem anschließenden Fachgespräch erkenne ich, ob sie es alleine oder mit Hilfe gemacht haben. Dabei ist es mir egal, ob sie in meinem Raum oder draußen arbeiten. Fragen dürfen sie natürlich immer stellen. Manche beantworte ich, bei anderen verweise ich auf die zur Verfügung gestellten Informationsmaterialien.


    Mich kostet es im Vorfeld viel Arbeit. Nach jedem Durchlauf ändere ich was dran (bisher). Aber der Unterricht ist dann ein Selbstläufer.


    Zur TE: Ich glaube, dass das klappen kann, aber dann muss das Material mit viel Arbeit so erstellt sein, dass die S. alleine klar kommen.

    Berufsschüler kenne den beruflichen Alltag. Bei denen hast du ganz andere Druckmittel. Spätestens bei dem Ausbildergespräch werden da die Karten auf den Tisch gelegt. Und in den meisten (kaufmännischen) Berufen haben die Ausbilder auch eine entsprechende Erwartungshaltung an ihre Auszubildenden. Und in einigen Ausbildungsberufen erfolgt die Präsentationen in Betrieben und vor verschiedenen Ausbildungsleitern. Teilzeit und Vollzeit da zu vergleichen ist völliger Nonsens.

  • Zitat von Yummi

    Berufsschüler kenne den beruflichen Alltag. Bei denen hast du ganz andere Druckmittel. Spätestens bei dem Ausbildergespräch werden da die Karten auf den Tisch gelegt. Und in den meisten (kaufmännischen) Berufen haben die Ausbilder auch eine entsprechende Erwartungshaltung an ihre Auszubildenden. Und in einigen Ausbildungsberufen erfolgt die Präsentationen in Betrieben und vor verschiedenen Ausbildungsleitern. Teilzeit und Vollzeit da zu vergleichen ist völliger Nonsens.

    Öhm, ich hab das durchaus auch schon bei meinen VOLLZEIT-Bildungsgängen gemacht! Ist ja jetzt nicht so, als gäbe es am Berufskolleg nur duale Ausbildung. Wie gesagt: Kontrollmechanismen und (noch viel wichtiger) astrein vorbereitete und durchdachte Aufgaben sind Voraussetzung. Dazu sind jedoch viele meiner Kollegen schlichtweg zu faul. Dauert nämlich ne Weile, bis man sowas vorbereitet hat.

  • ...
    Es genügt, dass man sich den Thread von "Eule" durchliest. Und das ist nur ein (reales) Beispiel.
    ...

    Ja, das ist ein sehr gutes Beispiel. Dann lies dir mal die Antworten in Ruhe durch und vergleiche, wer mit den Bedingungen wie umgeht.




    Sobald die Lehrkraft weg ist wird meist nichts mehr gearbeitet und entspannt Kaffee getrunken.


    Wisst ihr, ich schimpfe auch oft auf System und Finanzen, aber es gibt auch immer Veränderungsmöglichkeiten oder- was auch legitim ist- man nimmt, was man hat und gibt, was möglich ist. Im kleinen Rahmen. Frontal kann ne sinnvolle Sache sein, reicht zum überleben und niemand verlangt von euch, dass ihr differenziert arbeitet.


    Deswegen aber mieszumachen und zu belächeln, was andere erfolgreich, aus tiefster Überzeugung und zufrieden betreiben ist so mega kontraproduktiv, dass ich dafür keine angemessenen Worte finde.


    Man könnte es ja auch umgekehrt formulieren: Wenn eure SchülerInnen Kaffeetrinken, obwohl sie arbeiten sollen, dann ist was schief gelaufen.
    Dann hat ihnen halt jahrelang einer was von vorne eingetrichtert, was sie kurz für ne Klausur gelernt und dann sofort wieder vergessen haben. Ja, diese SchülerInnen haben keinen Bock, weil sie die Schulzeit absitzen wollen, mehr nicht. Und sie werden trotzdem nur durch die Uni kommen, wenn sie das Studium, das sie ergreifen, beenden wollen. Wegen des Abschlusses, weil sie ein bestimmtes Berufsziel haben oder tatsächlich aus Interesse für das Fachgebiet. Aber kein Prof. und kein Papa kann sie dazu zwingen, 5 Jahre lang zu lernen, was ihnen häppchenmäßig vorgekaut wird.


    Vorschlag: 10 min. in sich gehen und ernsthaft drüber nachdenken, wie Schule und Lernen funktionieren und wie ihr zu dem geworden seid, der ihr jetzt seid. Wer hatte daran welchen Anteil?

  • @Sissymaus
    Völlig in Ordnung dass du mit dieser Lehrmethode zufrieden bist. Ich bevorzuge dagegen klar strukturierten Frontalunterricht. Mit deiner Methode wäre ich nicht authentisch. Mit meiner dagegen gelingt mir die Erfüllung meiner Lehrpflicht und zwar den SuS die notwendigen Kenntnisse für ihre Abschlussprüfungen zu vermitteln.


    Vielleicht ist es bei deinen Kollegen ähnlich und sie sind nicht einfach nur faul? Demgegenüber könnte ich plakativ zurückwerfen, dass diejenigen, die ständig Gruppenarbeit, Stationenlernen und all die anderen modernen Methoden anwenden, damit fehlendes Fachwissen und fehlende Lehrerpersönlichkeit überspielen. Ein bisschen billig, oder?

  • @Schantalle
    Das ist wirklich der Klassiker. Frontalunterricht sorgt nur dafür, dass der Stoff sofort nach der Klausur vergessen wird. Die modernen Methoden dagegen sorgen für langfristigen Wissenserwerb. Und dann den Kollegen, die guten Frontalunterricht betreiben Überheblichkeit vorwerfen. :daumenrunter:

  • @Sissymaus
    Völlig in Ordnung dass du mit dieser Lehrmethode zufrieden bist. Ich bevorzuge dagegen klar strukturierten Frontalunterricht. Mit deiner Methode wäre ich nicht authentisch. Mit meiner dagegen gelingt mir die Erfüllung meiner Lehrpflicht und zwar den SuS die notwendigen Kenntnisse für ihre Abschlussprüfungen zu vermitteln.


    Vielleicht ist es bei deinen Kollegen ähnlich und sie sind nicht einfach nur faul? Demgegenüber könnte ich plakativ zurückwerfen, dass diejenigen, die ständig Gruppenarbeit, Stationenlernen und all die anderen modernen Methoden anwenden, damit fehlendes Fachwissen und fehlende Lehrerpersönlichkeit überspielen. Ein bisschen billig, oder?

    Da habe ich eine andere Meinung. In der SekII sind die Kompetenzen Selbstständigkeit und Problemlösungskompetenz eine Basis der Berufsfähigkeit. Die Schüler müssen in hohem Maße ohne Anleitung fachliche Probleme lösen. Dazu gehört natürlich Fachwissen, was sie teilweise auch frontal serviert bekommen, aber zunehmend (und zum Schluss nahezu ausschließlich) selbst erarbeiten müssen. In den Betrieben will der Chef nämlich nicht erst erklären müssen, wie das Problem zu lösen ist, sondern er benötigt Mitarbeiter, die selbstständig wissen, wo und wie sie sich informieren und wie sie an ein Problem herangehen müssen, um es lösen zu können.
    Gleiches gilt eigentlich auch für die Studierfähigkeit.


    Daher empfinde ich reinen Frontalunterricht in der SekII als überholt und gefährlich, da es die Selbstständigkeit hemmt. Ich bin aber auch nicht der Meinung, dass der Unterricht nur in dieser Form des Selbstlernens / Projektarbeit stattfinden sollte. Wie immer liegt die "Wahrheit" in der goldenen Mitte.

  • Als ob Frontalunterricht nicht problemorientiert sein kann und bei der Lösung von komplexen Inhalten keine Auseinandersetzung durch den Schüler alleine verlangt ist.


    Auch in einem Betrieb wird ein Azubi zu Beginn nur kleinschrittig herangeleitet und mit der Zeit größere Aufgaben erhalten. Daneben müssen die Schüler in kaufmännischen Ausbildungen eine Projektarbeit durchführen und vor Ausbildern präsentieren. Diese Lehrgorm ist durchaus berücksichtigt.


    Und in der SEK 2 gibt es ebenfalls ausreichend Berücksichtigung für diese Form der selbstständigen Erarbeitung im Rahmen von GFS u.ä.


    Aber Frontalunterricht als zentrale Lehrform als gefährlich zu bezeichnen ist schon ganz schön arrogant. Empirische Belege für die Gefahr wäre mal nett. Ansonsten ist das die übliche Meinungsmache bestimmter Gruppen.

  • @Schantalle
    Das ist wirklich der Klassiker. Frontalunterricht sorgt nur dafür, dass der Stoff sofort nach der Klausur vergessen wird. Die modernen Methoden dagegen sorgen für langfristigen Wissenserwerb. Und dann den Kollegen, die guten Frontalunterricht betreiben Überheblichkeit vorwerfen. :daumenrunter:

    Deswegen schrieb ich ja auch: "man könnte es auch umgekehrt formulieren". Jeder kann doch den Unterricht am besten finden, den er selber gibt. Wär ja schlimm, wenns anders wäre ;)


    Ich finde es nur generell hilfreicher, von seinen positiven (oder auch negativen) Erfahrungen zu berichten, davon profitiert ein(e) Fragestellerin meines Erachtens mehr, als von einem unkonkreten "das ist doch alles doof", von jemandem, der damit noch nie was zu tun hatte.
    Egal ob es um Auslandsaufenthalte, Kindeswohlgefährdung, psychische Erkrankungen, Förderschule, Freiarbeit oder was ganz anderes geht.

  • Dann erkläre es mir bitte. Aber unter Berücksichtigung des Einbezugs der realen Einschränkungen in unserem Beruf, welche auch in meinem Post genannt wurden.

    Gerne erkläre ich dir, was individuelle Förderung bedeutet. Die vier wichtigsten Aspekte sind

    • Der Schüler erwirbt aktiv neue Kompetenzen, indem er sich größtenteils selbständig mit den Inhalten auseinandersetzt. (Wissen kann nicht einfach vom Lehrer auf den Schüler übertragen werden, sondern muss von jedem Schüler selbst konstruiert werden.)
    • Der Schüler übernimmt Verantwortung für seinen eigenen Lernprozess.
    • Der Schüler reflektiert und evaluiert seinen eigenen Lernprozess.
    • Jeder Schüler hat so die Gelegenheit den für ihn bestmöglichen Schulabschluss zu erwerben. (Und wenn im individuellen Fall ein 4,0 MBA sein sollte, ja, dann ist es halt so.)

    Mit "Binnendifferenzierung", "Keiner kann scheitern.", "Jeder kann Abitur machen." hat das überhaupt gar nichts zu tun! Da hast du was durcheinander gebracht.


    Von den "realen Einschränkungen" wie du es nennst, spüre ich bei dieser Art von Unterricht wenig. Ich muss sicherstellen, dass mein Unterricht entsprechend vorbereitet ist, sodass die Schüler sich eben selbständig mit den Inhalten auseinandersetzen können. Das ist aufwändig, keine Frage, aber meiner Meinung nach lohnt sich das. Weiterhin muss ich selbst die Inhalte fachlich in einem hohen Maße durchdrungen haben, um bei aufkommenden Diskussionen über den Lernstoff unmissverständlich und nachvollziehbar argumentieren/erklären zu können. Und das sollte man drauf haben, wenn man das Fach studiert hat.


    Ansonsten haben die Schüler ihr Schulbuch, einen Block und einen Stift. In Mathe idealerweise noch ein Geodreieck und einen Taschenrechner. Mehr brauchen sie bei mir im Unterricht nicht.


    Ob da 20 oder 30 Schüler im Unterricht sitzen, ist auch unerheblich. Ich habe bisher weder das Gefühl gehabt, dass Schüler zu kurz kommen, noch haben Schüler sich darüber beschwert. Da frontale Phasen wegfallen, habe ich ja auch volle 90 Minuten Zeit um alle Fragen, Probleme, etc. aus der Welt zu schaffen.


    Was ist eigentlich unser Kerngeschäft? Wie sieht die tatsächliche Unterstützung für die Realisierung aus?

    Unser Kerngeschäft ist das Unterrichten. Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichts. Der fachliche Austausch mit Kollegen ist Gold wert und eine sehr gute Unterstützung bei der Realisierung von IF.

    Und wie soll diese denn bei 30+ Klassen funktionieren, deren Ziel eine Hochschulreife ist?

    Wie ich oben schon schrieb, ich unterrichte durch meine Fächerkombination hauptsächlich Oberstufe (dieses Jahr 22 Deputatsstunden) und es hat bisher immer funktioniert. Auch bei Klassen mit 30 Schülern und mehr.

    Das ist wirklich der Klassiker. Frontalunterricht sorgt nur dafür, dass der Stoff sofort nach der Klausur vergessen wird. Die modernen Methoden dagegen sorgen für langfristigen Wissenserwerb.

    Ja, genauso ist es. Wie ich oben sagte: Ich kann mein Wissen nicht auf die Schüler übertragen. Die Schüler müssen dieses Wissen selbst aufbauen. Wenn ich so an den klassischen Frontalunterricht denke: Erstmal Hausaufgabenbesprechung, die nur einem Bruchteil der Schüler überhaupt etwas bringt. Anschließend ein 30-minütiger Lehrervortrag, wenn man Glück hat fragend-entwickelnd, bei dem zumindest in Mathe die Hälfte der Schüler nach 5 Minuten aussteigt und man am Ende dann vllt noch fünf Zuhörer hat. Dann eine Übungsphase, die in der Regel nur die Fleißigen zur Übung nutzen. Die anderen warten nämlich auf die sich an die Übungsphase anschließende Besprechung.


    Ich mag nicht bestreiten, dass es Schüler gibt, die sehr gut durch Frontalunterricht lernen. Die gibt es sicher. Aber für den Großteil unserer Schüler ist ein solcher Unterricht wenig motivierend.

    Daher empfinde ich reinen Frontalunterricht in der SekII als überholt und gefährlich, da es die Selbstständigkeit hemmt. Ich bin aber auch nicht der Meinung, dass der Unterricht nur in dieser Form des Selbstlernens / Projektarbeit stattfinden sollte. Wie immer liegt die "Wahrheit" in der goldenen Mitte.

    Hier stimme ich voll zu. Irgendwann wird jede Methode langweilig. Die Abwechslung macht es. Ich mache weder das ganze Jahr "Flip the classroom" noch das ganze Jahr "Projektarbeit". Und natürlich gibt es bei mir auch mal die ein oder andere frontale Phase, weil man schlicht nicht immer Möglichkeiten findet, den Stoff so aufzuarbeiten, dass die Schüler es sich selbständig erarbeiten können. Ein Beispiel für die Leute vom Fach: Randwertuntersuchung bei Optimierungsaufgaben... Wer da etwas handlungsorientiertes hat, her damit. Bisher hatte ich keine zündende Idee dazu...

    Als ob Frontalunterricht nicht problemorientiert sein kann und bei der Lösung von komplexen Inhalten keine Auseinandersetzung durch den Schüler alleine verlangt ist.

    Wie denn? Wann soll denn der Schüler Zeit haben, sich aktiv mit den Inhalten auseinander zusetzen. 15 von 90 Minuten gehen für Besprechung der HA drauf, 30 Minuten für den Lehrervortrag, 15 Minuten für die Abschlussbesprechung. Wie soll der Schüler es schaffen, in 30 Minuten Übungsphase (deren Aufgaben leider auch häufig so gestaltet sind, dass bloßes Wiederkäuen des Lehrervortrags reicht...) ein komplexes Thema so zu durchdringen, dass der Stoff verinnerlicht ist? Meine Schüler haben dafür 90 Minuten Zeit und manchmal reichen diese noch nicht und dann wird in der Pause nach dem Raumwechsel nochmal das Mathe-Buch ausgepackt...

  • Nimm es mir nicht übel. Aber deine obige Aufzählung klingt genau wie aus einer Didaktikvorlesung. Ich treffe diese Annahme und gehe davon aus dass sie passt. Klingt schön, muss ich dir lassen.
    Empirisch ist aber nicht nachgewiesen worden, dass diese Art des Unterrichtens besser ist als die tradierte Form. Aber auf der Kompetenzwelle, Selbstreflexion und all die blumigen Begriffe reiten zur Zeit irgendwie viele herum.


    Ich weiss zwar nicht was du dir so vorstellst unter kompletter Durchdringung der Materie. Aber du solltest dringend guten Frontalunterricht bei einem deiner Kollegen anschauen. Denn Übungsaufgaben sind per se nicht bloßes Wiederkäuen sondern können durchaus anspruchsvoll ausgestaltet sein. Und wenn es SuS gelingt 30 Minuten an anspruchsvollen rechtlichen Themen mit Hinzunahme ihres Gesetzbuches auseinanderzusetzen, dann ist das durchaus eine tolle Leistung.


    Lehrervorträge sind darüberhinaus nicht bloß zuhören. Es geht um Interaktion, um gemeinsame Problemanalyse und der Auseinandersetzung damit. Guter Frontalunterricht zeugt vom Einbezug der SuS. Das ist Lehrerpersönlichkeit; Faszination am Fach ausstrahlen, klare Problemstellungen mit den SuS in Interaktion bearbeiten und lösen.


    Und das Argument mit den Hausaufgaben ist schon seit Jahrzehnten immer wieder Diskussionsthema. Ich erwarte selbstverständlich, dass man eine (vereinfachte, auf schulischem Niveau angesiedelte) Bilanzanalyse mittels des Lehrbuchs durchführt. Wer glaubt, Hausaufgaben bringen nichts, der kann das gerne tun. Aber das gehört auch zu der sehr gerne zitierten Verantwortung für den eigenen Lernprozess.


    Und mal eine persönliche Frage. Du verzichtest dich nicht freiwillig auf Deputatsstunden um somit mehr Zeit zur Unterrichtsvorbereitung zu haben oder?

  • Nimm es mir nicht übel. Aber deine obige Aufzählung klingt genau wie aus einer Didaktikvorlesung. Ich treffe diese Annahme und gehe davon aus dass sie passt. Klingt schön, muss ich dir lassen.

    Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber außer beim Lernen auf die Abschlussprüfung im Referendariat habe ich noch nie wieder ein Didaktikbuch in der Hand gehabt... Wir haben eine Kollegin, die seit Jahren IF betreibt und von ihr habe ich das gelernt.

    Aber du solltest dringend guten Frontalunterricht bei einem deiner Kollegen anschauen.

    Bitte nimm es mir nicht übel, aber meine Klassen schneiden im Schnitt eine bis eineinhalb Noten (bzw. 3 bis 4 Notenpunkte) besser ab als "herkömmlich" unterrichtete Klassen. Da werd ich mir mit Sicherheit nicht Frontalunterricht angucken, der regelmäßig dazu führt, dass die Kollegen um einen 4er-Schnitt bangen müssen...

    Guter Frontalunterricht zeugt vom Einbezug der SuS.

    Erkläre mir doch bitte mal, wie du in 90 Minuten, von denen wie gesagt mehr als die Hälfte durch unnötige Dinge wie Hausaufgaben-Besprechung, etc. wegfallen, 30+ Schüler aktiv in den Unterricht einbeziehen willst. Würde mich wirklich interessieren...

    Wer glaubt, Hausaufgaben bringen nichts, der kann das gerne tun. Aber das gehört auch zu der sehr gerne zitierten Verantwortung für den eigenen Lernprozess.

    Ich habe nicht gesagt, dass Hausaufgaben nichts bringen. Jedoch kommt es darauf an, WAS es für Hausaufgaben sind. Wenn ich mich daran erinnere, was ich damals für Hausaufgaben bekam... Aufgaben 1 a) bis c) wurde im Unterricht gemacht, d) bis f) war dann als "Hausaufgabe" auf. Nein, das bringt nichts.

    Du verzichtest dich nicht freiwillig auf Deputatsstunden um somit mehr Zeit zur Unterrichtsvorbereitung zu haben oder?

    Nein, natürlich nicht. Die "fehlenden" drei Stunden unterrichte ich in der Berufsschule, die ja gemeinhin zur Mittelstufe gezählt wird.

  • Aktuelles Beispiel: ich habe heute ein Projekt angestoßen, dass insgesamt 19 Unterrichtsstunden dauern soll. Das sind ca. 4 Unterrichtstage, wenn man mal Klassengeschäfte und ähnliches berücksichtigt. Für das Einstielen habe ich tatsächlich ca. 6 Unterrichtsstunden benötigt, die teilweise frontal, teilweise mit kleinen Übung- und Arbeitsphasen abgelaufen sind. Vorbereitet (Zuhause) habe ich das ganze Projekt ungefähr 5 Stunden lang. Nun sind die Schüler in der Lage, das Projekt (bis auf Nachfragen oder Klären von Schwierigkeiten, die bei der Bearbeitung auftreten etc) alleine zu bearbeiten .


    Ich behaupte (und NEIN, ich kann es nicht empirisch belegen, mir reichen die ca. 4/30 Kammerbesten, davon in der Regel ein Landesbester- und einmal ein Bundesbester-Absolvent), dass die Schüler bei dieser Arbeitsweise den höchsten Lernertrag haben. Wie Mrs. Pace schon sagte: Sicher gibt es Schüler, die durch guten Frontalunterricht viel lernen. Umso mehr sind es jedoch, die es erst begreifen (und auch behalten), wenn sie es selber tun. Sonst wären an der Unis Übungsgruppen, Repetitoren, Tutorien etc überflüssig, da jeder durch die Vorlesung den Stoff beherrscht.


    Ich bin mit dieser Mischung meines Unterrichts absolut zufrieden und an dem Arbeitseifer der Schüler sehe ich, dass ihnen das auch viel bringt. Natürlich wird da auch mal ein Kaffee getrunken oder über privates geredet. Das gehört absolut dazu. Dann wird aber wieder weitergearbeitet. Und das sind keine kaufmännischen Schüler, sondern welche aus dem Metallbereich. Es geht: man muss es wollen und akribisch vorbereiten. Dann bringt es was und zwar allen.

  • Dass Schüler auch draußen vor der Tür arbeiten, ist Standard. Allerdings würde ich nicht die halbe Klasse rausschicken, sondern maximal 4-5. Wir haben auf den Fluren auch immer ein paar Tische stehen, da geht das ganz gut.

  • Wie so oft haben alle ein bisschen recht.


    a) es kommt auf die Lehrerpersönlichkeit an.
    b) es kommt auf das Alter der Schüler an.


    Ich selber unterrichte in der Mittelstufe noch häufiger zentral, in der Oberstufe (Studierfähigkeit) gehe ich aber bewusst einen Schritt zurück und werde zum Coach (Bologna hin oder her)
    Oberstufenschüler müssen selbst wissen, wie, was und wofür sie lernen. Ich helfe natürlich sehr gerne.

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