"Pädagogisches Runden" - Zeugnisnoten erstellen

  • Leider sind Noten nicht objektiv. Es sind Momentaufnahmen, die zudem jeweils im Verhältnis zum Leistungsspektrum der Gruppe - und zur Lehrkraft - stehen.


    Über die Jahre als Klassenlehrer habe ich schon einiges erlebt. Weil an der Werkrealschule in den vergangenen Jahren Sport, Musik und Kunst als Fächerverbund "MSG" am Jahresende zu einer Note zusammengefasst werden mussten (sic!) hatte mir eine Kollegin die Sportnoten (um das besser ausrechnen zu können) immer auf 2 Dezimalstellen genau (sic !!!) übermittelt. Ich musste das dann mit den Kunstnoten (die im 4-Haufen-Verfahren + Mitarbeit) entstanden waren, den Musiknoten (die aus Referaten und Tests resultierten) im Verhältnis der unterrichteten Stunden zusammenwursteln. Dass von 3 Sportstunden pro Woche jeweils eine Stunde durch den Spaziergang zur Sporthalle und das Umkleiden bestand, war unerheblich. Absurdistan in Reinkultur - im Nebenfach hinnehmbar, denn die meisten Schüler erhielten am Ende in MSG sowieso die Ratatouille-Note "befriedigend".


    In der Abschlussklasse bestand ein Kollege (kein Pfarrer) im Fach Katholischer Religion darauf, einer Schülerin die Note 5 zu geben (IMHO eine Verhaltensnote). Weil die Schülerin in Mathematik, Englisch sowie in Hauswirtschaft ebenfalls auf 5 stand, hätte eine Wiederholung des Schuljahres erfolgen müssen - was bei dieser Schülerin sinnlos vertane Lebenszeit gewesen wäre. Es wurde dann möglich, durch Abwahl der Fremdsprache den eingeschränkten Hauptschulabschluss zu erteilen. Ein Austritt aus der Kirche hätte die Religionsnote nicht getilgt. Wäre ich katholisch, wäre ICH - mit Verweis auf diesen menschlichen Gnadenbeweis des Kollegen - ausgetreten. :sauer:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • warum soll man in Religion keine 5 haben können? Das ist ein Unterrichtsfach wie andere auch

    Und eine 5 muss nicht sein, man kann zumindest etwas lernen und im Unterricht sich beteiligen (bei Mathe, Sprachen und Physik ist für manche Schüler die 5 nicht mehr verbesserbar, wenn zu viele Grundlagen fehlen).


    Ich sehe eine 5 in Religion, Ethik, Geschichte, Geographie usw. (zumindest eine 4 sollte möglich sein) als Leistungsverweigerung und das darf nicht belohnt werden (auch aus pädagogischen Gründen).

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Eine 5 in Religion kann durchaus auch die Überzeugung des "Lernenden" (Kann man Religion lernen?) widerspiegeln, Hardcore-Religionslehrende sind ja so leicht zu provozieren.

    am Gymnasium ist es auf jeden Fall mehr lernen und diskutieren (glauben ist nicht entscheidend)

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  • Eine 5 in Religion kann durchaus auch die Überzeugung des "Lernenden" (Kann man Religion lernen?) widerspiegeln, Hardcore-Religionslehrende sind ja so leicht zu provozieren.

    Klar kann man im Religionsunterricht Inhalte lernen und Kompetenzen üben, um diese später abzuprüfen. Das ist nicht anders als Ethik- oder Politikunterricht. Bei den letztgenannten Fächern kann es übrigens auch schnell passieren, dass Lernende eine andere Überzeugung vertreten als die Lehrkraft. Damit umgehen zu können, ist Teil unseres Berufs. Ich würde sogar sagen, dass es selbstverständlich ist. Denkst du wirklich, es werden 5er verteilt, wenn SchülerInnen sich kritisch über die Kirche oder den Glauben äußern? Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten KollegInnen, die Religion unterrichten, gerade diese Stunden am spannendsten finden.

    • Offizieller Beitrag

    Eine 5 in Religion kann durchaus auch die Überzeugung des "Lernenden" (Kann man Religion lernen?) widerspiegeln, Hardcore-Religionslehrende sind ja so leicht zu provozieren.

    Du verwechselst Religionsunterricht mit Missionierungsstunden


    Oder denkst an Uromas Dorfschulunterricht

  • In der Abschlussklasse hätte ich gerade in einem solchen Fach Gnade vor Recht erwartet - und die Schülerin nicht wegen Religion in eine Zusatzrunde geschickt.
    Manches muss, manches muss nicht. Es wäre auch möglich gewesen, eine Zusatzarbeit zum Ausgleich einzufordern. Aber zwischen der Schülerin und dem Kollegen war der "menschliche Graben" zu tief und der Glaube an die Vergebung der Sünden zu schwach.
    Mit anderen Kollegen haben wir einen Weg gefunden, dass die Schülerin den Abschluss geschafft hat und eine Ausbildung beginnen konnte.Die Unerbittlichkeit und Diskussionsverweigerung des Fachkollegen hat jedoch dazu geführt, dass der Graben zwischen uns dem Gran Canyon gleicht.
    Mein Verständnis von Christentum - und Pädagogik - ist anders.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Mich wundert etwas, dass du das so am Reli-Kollegen fest machst, wenn doch die Schülerin auch in vielen anderen Fächern mangelhafte Leistungen hatte. Möglicherweise hat sie dann zu Recht den Abschluss nicht erhalten können.

  • In der Abschlussklasse hätte ich gerade in einem solchen Fach Gnade vor Recht erwartet

    Das Problem mit geschenkten Noten ist, dass sie denen gegenüber, die sich ihre Noten verdient haben, unfair sind. Das gilt unabhängig vom Fach.

  • Denkst du wirklich, es werden 5er verteilt, wenn SchülerInnen sich kritisch über die Kirche oder den Glauben äußern?

    Oder denkst an Uromas Dorfschulunterricht

    Manchmal fehlt hier halt so etwas wie ein Provozier-Smiley... Ich sprach von "Hardcore-Religionslehrenden" ... Und die gibt es (hoffentlich nur vereinzelt) immer noch, selbst schon erlebt, leider.

  • und die Schülerin nicht wegen Religion in eine Zusatzrunde geschickt.

    Sie hatte doch deiner Info nach auch noch in Mathe, Englisch und Hauswirtschaft eine 5. Warum wäre sie dann wegen Religion durchgefallen? Scheinbar war sie insgesamt grottenschlecht!

  • Mich wundert etwas, dass du das so am Reli-Kollegen fest machst, wenn doch die Schülerin auch in vielen anderen Fächern mangelhafte Leistungen hatte. Möglicherweise hat sie dann zu Recht den Abschluss nicht erhalten können.

    Du beurteilst das aus der SEK II-Sicht. Ich beurteile das aus der Sicht des Klassenlehrers einer Hauptschul-Abschlussklasse, der den Job mehr als 30 Jahre macht - und in Zeugnissen SELTENST eine 5 in Religion notieren musste - in einer Abschlussklasse noch nie.

    Die Schülerin hatte auch in Deutsch eine 5 - was sich wohl auch auf die schriftliche Leistung in Religion ausgewirkt hat. Dass Religion als "das Zünglein an der Waage" das Nichtbestehen einer Abschlussprüfung bewirkt - während aus Sport, Musik und Kunst (als Fächerverbund MSG), jeweils nur ein Fach für den Ausgleich und die Schnittberechnung zählt - und im Fächerverbund WAG (aus Technik und Hauswirtschaft) nur die Gesamtnote zählte, war ein Konstruktionsfehler der Versetzungsordnung in Ba-Wü - der in der neuen Versetzungsordnung glücklicherweise geändert wurde.
    In früheren Jahren hatte dieses Fach nicht diesen Stellenwert. Im gesamten Schuljahr mussten ZWEI Tests geschrieben werden. Da hat man als Kollege (bei gutem Willen) durchaus Möglichkeiten, Leistungsnachweise einzufordern, die einen "noch ausreichenden Glauben" bescheinigen.
    Diesen hat er der Schülerin sicherlich ausgetrieben. Eine weitere Kandidatin für den Kirchenaustritt.

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    Heinrich Böll

  • Sie hatte doch deiner Info nach auch noch in Mathe, Englisch und Hauswirtschaft eine 5. Warum wäre sie dann wegen Religion durchgefallen? Scheinbar war sie insgesamt grottenschlecht!

    Religion war die 5 - die den Ausschlag gab. Gut - da könnte man auch Mathe dafür definieren.
    Wenn es um eine Nichtversetzung in einem normalen Schuljahr gegangen wäre - geschenkt.
    Aber wenn wegen Religion die Abschlussprüfung versemmelt wird und die Lehrstelle flöten geht, kann ich schon die Frage nach Recht, Glaube und Gnade stellen - zumal gegenseitige Aversionen (Schülerin-Relifachlehrer) mit Ausschlag gebend waren. :sauer:

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  • Gut - da könnte man auch Mathe dafür definieren. Aber wenn wegen Religion die Abschlussprüfung versemmelt wird und die Lehrstelle flöten geht,

    Nein, die geht nicht flöten. Die kriegt dann jemand anders, die sie nicht kriegte, wenn sie jemand mit geschenkten Noten bekommt. Seht’s doch ein. Ihr habt nichts zum Verschenken im Säckl. Die Lehrstelle, die ihr der einen „verschaz“ müsst ihr einer anderen wegnehmen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Nein, die geht nicht flöten. Die kriegt dann jemand anders, die sie nicht kriegte, wenn sie jemand mit geschenkten Noten bekommt. Seht’s doch ein. Ihr habt nichts zum Verschenken im Säckl. Die Lehrstelle, die ihr der einen „verschaz“ müsst ihr einer anderen wegnehmen.

    Vom "Lehrstellenmarkt" hast du scheinbar nicht viel Ahnung. Mittlerweile gibt es viele Lehrstellen, die unbesetzt bleiben - weil alle nur noch "Job mit Krawatte" wollen. Diese Lehrstelle wäre unbesetzt geblieben.

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  • Diese Lehrstelle wäre unbesetzt geblieben.

    Das weißt du mit der gleichen Sicherheit, mit der ich das Gegenteil behaupte.


    Aber sei’s drum: Wenn die Firma jemanden mit einem bestimmten Abschluss haben möchte, darf das auch gerne ein echter Abschluss sein.

  • alias: Ich habe selten eine so absurde „Argumentation“ gelesen.

    Nicht die Argumentation ist absurd, sondern der letzte Bildungsplan in Ba-Wü war absurd. Samt Notenverordnung, die solche Blüten und absurde Notenbildungen und Ausgleichsberechnungen hervorgebracht hatte. Das wurde nicht ohne Grund im neuen Bildungsplan wieder revidiert.

    Nebenbei: Das Mädchen hat einen echten, gültigen Hauptschulabschluss. Samt Note 5 in Religion. Es besteht die Möglichkeit des "eingeschränkten Hauptschulabschlusses", bei dem die Fremdsprache Englisch nicht gewertet wird. Sie kann nun keine Fremdsprachensekretärin oder Krankenschwester werden (es sei denn, sie qualifiziert sich nach) aber es ist ein offizieller Schulabschluss.

    Dass hier einige mein Bauchgrimmen im "pädagogischen Begleitverfahren" und der Notenfindung nicht nachfühlen können, ist mir bewusst. Das sind in der Regel KuK, die Noten auf 2 Dezimalstellen berechnen, damit sie "objektiv" sind. :autsch:

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    Heinrich Böll

  • Die Schülerin hatte den Ausführungen nach einen ganzen Stapel Fünfen angesammelt. Da ist es doch nur konsequent, dass sie keinen Abschluss bekommt. Oder hätte sie nach dem neuen Bildungsplan mit vier Fünfen bestanden?

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