Gesamtschule - Fortsetzung der Diskussion aus dem anderen Thread

    • Offizieller Beitrag

    Da ja in Finchens Thread Eltern wollen, dass ihre Tochter die Schule wechselt... sehr viel Diskussions- und Austauschbedarf zur Gesamtschule zu bestehen scheint, mache ich hier mal einen extra Thread auf, in dem man sich dann zu dem Thema austauschen kann, damit der andere Thread nicht gesprengt wird.


    Ich zitiere mal die letzten Beiträge:


    Zitat

    Original von sina
    Ich muss jetzt noch mal ganz naiv nachfragen: Wenn sich nicht genug Kinder mit RS- oder Gym-Empfehlung bewerben, wie bekommt ihr denn dann die entsprechenden Kurse voll? Steckt ihr da einfach die besseren HS-Schüler rein? Ich habe immer gedacht, es muss z.B. grundsätzlich einen Gym-Mathekurs, einen RS-Mathekurs und einen HS-Mathekurs geben (dass die Bezeichnung nicht stimmt, ist mir klar).


    LG


    Sina


    Zitat

    Original von barmeliton
    Wenn Du schlau bist und willst Medizin studieren: Klasse 5 bis 10 am Gymnasium. Dann an die Gesamtschule für die Oberstufe. Der Numerus Clausus ist Dir sicher.



    Zitat

    Original von Aktenklammer


    Die Korrekturen der an meiner Schule angelangten GS-Klausuren zur Zweitkorrektur waren erschreckend schlecht, weil so gut nicht vorhanden (sowohl sprachlicher als auch inhaltlicher Art) ... Die Kollegen haben sich mächtig geärgert.


    Die gesamte Diskussion mit allen Beiträgen findet ihr in dem oben verlinkten Ursprungsthread.

  • Und auch meinen Eindrücken.
    Die Anzahl der ehemaligen Schüler, die ich im Laufe meiner Berufsjahre nach ihrem Abitur an der Gesamtschule (nachdem am Gym. gescheitert oder höchstens gerade so durchgerutscht) wiedergetroffen habe und die mir strahlend berichteten, welch tollen Notenschnitt sie erzielt haben, summiert sich zunehmend. Ist doch seltsam...
    Bezeichnend und alarmierend finde ich, dass sich der Niveauabsturz durch die ZAPs in der Kl. 10 und in der Folge durch ein vereinfachtes Zentral-Abitur auch am Gym. einschleicht. Um G8 zu kompensieren und die brüchige Fassade des dt. Bildungssystems zu verschleiern. Aus jedem Hänsel wird ein Hans gemacht, und dann wird an den Unis wieder über die fehlende Studierfähigkeit geklagt... wie verlogen ist das denn eigentlich...
    [Mir mangelt es derzeit etwas an Identifikation mit meinem Betrieb ;-)]

  • Die Fehler des dreigliedrigen Schulsystems sind inzwischen hinlänglich bekannt. Siehe UNO-Kritik des Herren Muñoz, siehe die Masse an Schülern ohne Schulabschluss, siehe das Phonemen "Restschule"etc. pp.


    http://www.migrationsrecht.net…osta-rica-pisastudie.html


    Gesamtgesellschaftlich ungerecht. (Selektieren zu Gusten der Elite?)


    Die Gesamtschule hingegen scheitert an folgender Stelle:


    Die schwachen, lerngestörten, verhaltensgestörten, bildungsfernen Schüler müssten in dem Moment in dem sie zurückfallen in ihren Leistungen aus dem Unterricht gezogen werden und in parallelen Gruppen auf das Allgemeinniveau zurück gebracht werden. Später wieder zur Hauptgruppe hinzustoßen wenn sie wieder auf dem Lernniveau der anderen Schüler sind. Das alles in einem integrierten System. So und nicht wie hier in Deutschland funktioniert das im Ausland.


    Wieso wird das nicht gemacht? Ganz klar: Das kostet Geld. Denn dann müssten noch sehr viel mehr Lehrer eingestellt werden. Dieses Geld wird den Bildungsministerien nicht zugeteilt. Denn es funktioniert ja auch so ohne Revolte. Die bildungsfernen Schichten gehen schon nicht auf die Strasse zum demonstrieren solange der Fernseher nicht kaputt ist.


    Hauptfunktion von Gesamtschule und Hauptschule inzwischen: Die Gymnasien schön frei halten von der bildungsfernen Schicht. (Das ist Polemik. Ich gebe es zu.)


    Das Zwangsintegrieren aller Niveaus zwingt die Lernwilligen unweigerlich nach unten. Da hilft auch keine Binnendifferenzierung mehr.
    Das ist ungerecht gegenüber den Lernwilligen. (Sozialromantik?)
    Ungerecht ist unterschiedliche Menschen alle gleich zu behandeln.


    Alles eigene Anschauung seit 15 Jahren.

  • Die Diskussion könnte man mit der Werkrealschule (in BW; 10. Jahr auf Hauptschule = mittlere Reife) fortführen.


    Mit solchen Abschlüssen wird den Schülern, deren Eltern und potentiellen Ausbildern vorgegaukelt, dass hier ein gleichwertiger Abschluss vorliegt, mit Kenntnissen und Fähigkeiten, die diese Schüler aber definitiv nicht haben...

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Die Gesamtschule hat durchaus ihre Daseinsberechtigung, denn hier schaffen viele Kinder, die nach der vierten Klasse aussortiert wurden, noch einen Aufstieg. Von der Oberstufe kann und will ich nicht sprechen, aber viele Kinder entwickeln sich im Laufe der Sek. 1 noch positiver als es die Grundschulprognose (die viel zu oft fehlerhaft ist) vorausgesagt hat.
    Es gibt kaum ein Land, dass es sich leistet, die Kinder schon mit 9 Jahren in gut und schlecht zu sortieren. Viele Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass Gesamtschulen durchaus sehr leistungsfähig sind, wenn die äußeren Bedingungen (z.B. Ausstattung, Schülerzusammensetzung u.s.w.) stimmen.
    Hätten wir eine Gesamtschule für alle Kinder bräuchte auch die Diskussion über das Leistungsniveau der Oberstufe nicht stattfinden. Dann hätten alle in den Jahren vorher zumindest sehr ähnliche Startbedingungen.


    Aber diese Diskussion ist ja schon 1000 mal geführt worden und in Deutschland wird sich vermutlich in den nächsten Jahrzehnten nichts an unserem Schulsystem ändern, deshalb ist es ziemlich müßig darüber zu reden, denn es wiederholt sich ja doch alles.

    • Offizieller Beitrag

    Stimme barmeliton zu!
    Kostenneutral kriegen wir es weder drei- noch ein- noch sonstwiegliedrig hin. Und wenn mir was auf den Zeiger geht, ist es das Vertreten von einheitlichen Rezepten (die Einheitssschule, die heilige Dreigliedrigkeit) als Allheilmittel - es muss ein umfangreiches Angebot ganz unterschiedlicher Schulen für alle unterschiedlichen Kinder geben - alle mit der Chance auf eine zentrale Abschlussprüfung namens Abitur und am besten ohne Noten - die alle eines gemeinsam haben: kleine Klassen und so viel geschultes Personal, wie für die spezielle Ausgangslage der Schüler notwendig.


    In Wales habe ich an so einem Bildungszentrum winzige Gruppen in deutscher Konversation unterrichtet, und das war sensationell - wohlgemerkt: kein sauteures Internat - sondern ein Bildungszentrum für alle, in dem man erstmal anfing alles mögliche zu lernen, dann je nach Stärken unterschiedliche Schwerpunkt-Kurse besuchte, später wurde stärker in berufliche und allgemeinbildende Fächer aufgeteilt, man konnte sich das relativ frei aussuchen - und wenn man oder die Lehrer dachten, man sei soweit, meldete man sich zum GCSE oder dann zu den A-Levels oder man hatte die halbe Berufsausbildung schon fertig ... ich habe dort im Prinzip keinen unglücklichen oder perspektivlosen Schüler getroffen. Auf jeden der niedrigeren Abschlüsse konnte man problemlos draufsatteln, auch wenn man zum Beispiel für ein Praktikum oder eine Lehre 1-3 Jahre unterbrach.


    War natürlich ein Modellversuch und teuer - zumal das Schulgeld gering und die Fördermittel für Labors, Krankenpflegeversuchsstätten, Werkstätten, Designabteilungen, Büchereien und Computerräume enorm hoch waren, geschweige denn für die Lehrer, Theaterpädagogen, Psychologen, Betreuer, Caterer...


    Eigentlich wollte ich ja dort bleiben, aber leider hätt ich dann auf meine Ehe verzichten müssen...

  • Zitat

    Original von Meike.
    Eigentlich wollte ich ja dort bleiben, aber leider hätt ich dann auf meine Ehe verzichten müssen...


    Und da hast du dich nicht für die Schule entschieden? Meike, du hast einfach noch nicht gebrannt.... :D


    On topic: ich halte es für ziemlich fruchtlos, hier subjektiv empfundene Prüfungsleistungen von Schulformen miteinander zu vergleichen. Da spielt eine derart große Menge von Parametern rein, dass man wahrscheinlich nur über sorgfältig angelegte und langfristig (!) betriebene Studien zu einem verlässlichen Urteil kommen mag. Aber das ist schon häufig und ausgiebig diskutiert worden, da möchte ich nichts zu sagen.


    Auf dem Weiterbildungskolleg unterrichte ich jedenfalls die Dropouts aus allen Schulformen...


    Nele

  • @ Meike:


    Zitat

    alle mit der Chance auf eine zentrale Abschlussprüfung namens Abitur und am besten ohne Noten


    mal abgesehen von der Tatsache, dass dies völlig utopisch ist: würdest du wirklich die Notengebung abschaffen wollen? Wo blieben dann Vergleich, Wettbewerb usw?
    Wenn so etwas durchgesetzt würde, landeten wir schnell im Kommunismus; und das kann doch nicht ernsthaft irgendjemandes Ziel sein, oder?

    Das Leben ist KEIN Wettkampf - aber ich gewinne trotzdem

  • Zitat

    Original von Basti zwei
    Kommunismus wäre schon gut, nur lässt er sich nicht in die Praxis umsetzen...


    Ist halt immer so eine Sache mit eschalotologischen Denkgebäuden, die klappen gerne um! :D


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Ohne Noten (die eh nicht viel Wirkliches über Leistung sagen, sondern Kinder nur dazu dressieren, für die Noten statt für den Kopf/das Wissen/das Interesse zu lernen) gibt es direkt den Kommunismus?


    Das ist die Vereinfachung des Jahres - ich bin amüsiert. :D


    Der Vergleich kommt dann schon bei den Eintritts- oder Abschlussprüfungen. Wo steht übrigens in Stein gemeißelt, dass die alle nach der selben Anzahl Jahre und dem selben Prozedere antreten müssen? Welche Bibelstelle sagt, dass man das nur ein- oder zweimal tun darf? Jeder entwicklungspsychologische Halbdepp weiß, dass sich Menschen nicht gleich schnell entwickeln, nicht gleich gut lernen, nicht die selben Schicksale haben, nicht die selben Voraussetzungen - finanziell und sozial - wo ist da nochmal schnell die Vergleichbarkeit?


    Von Vergleich- und Messbarkeit zu träumen ist Irsinn. Und am Mensch und seinem Potential vorbei.


    Sollen die Firmen und Unis Eingangstests machen, dann sehen sie, ob sich derjenige welche derzeit zum Studium oder Job X eignet. Wenn jetzt noch nicht, kann er ja nochmal zurück in die Schule und kommt dann später geeigneter wieder.


    Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch das Recht haben muss, so lange zu lernen, wie er will und ebenso oft zu versuchen eine Prüfung zu bestehen. Es wird sowieso nicht jeder die Energie haben, es ewig zu tun. Aber Schülern nach ein oder zwei Versuchen die Hoffnung und damit den Antrieb zu nehmen und sie vorher jahrelang dazu zu dressieren, Dinge für eine Punktzahl zu tun und nicht für Inhalte, wird auf Dauer immer wieter verblödende dressierte Äffchen bringen.


    Klar weiß ich dass das (hier) utopisch ist. Wir wollen ja dressierte Äffchen. Die lassen sich aber sowas von saugut vermarkten und verheizen, ausnehmen und verblöden...


    Aber dass es auch anders geht, habe ich erlebt... und vermisse das oft schrecklich.
    Da waren übrigens erstaunlich wenige Kommunisten unter den Kollegen und Schülern...


    Aber verflucht viele motivierte. Mit einem Ziel vor Augen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

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