Studierfähigkeit

  • In der Oberstufe ist mein Ziel, die Schüler studierfähig zu machen.


    Das heißt für mich, selbstständiges Lernen zu fördern, Teamarbeit zu fürdern usw.


    Jetzt höre ich immer wieder, dass das Studium total verschult.


    Nix mit Teamarbeit
    Nix mit Selbsständigkeit


    Ist das so? Ich bin jetzt schon 10 Jahre vom Studium entfernt.


    Und wenn es so ist. Wie mache ich die Schüler studierfähig?(außer inhaltlich) Es wäre ja schon schrill, wenn die drei Jahre Oberstufe ein exotischer Ausflug in seminarähnliches Arbeiten wäre und im Studium alle wieder frontal nach Stundenplan Wissen eingehämmert bekommen.


    Ich interessiere mich speziell für die Studienfächer Geschichte, Deutsch und Politikwissenschaft.


    Danke!

  • also es ist schon so, dass vorlesungen und seminare mehr an frontalunterricht erinnern, als an teamarbeit o.ä. vorlesungen sind eben oft auch nur VORLES(en)ungen und in seminaren werden referate gehalten (oder vorgelesen ;)), die dann, wenn überhaupt, durch eine gruppenarbeit ergänzt werden. die referate werden alleine, in zweier- oder kleingruppen gehalten.
    in deutsch kannst du es dir tatsächlich wie in der schule, nur auf weit höherem niveau, vorstellen. max zwei personen halten ein ref, in dem entweder ein literarisches werk, ein autor oder eine epoche vorgestellt wird. dazu gibts ein handout, auf dem alles steht, evtl. eine folie mit dem bild des autors oder einem gedicht. manchmal gibts dazu auch ne powerpointpräsentation. anschließend wird dann, wenn zeit ist, im plenum darüber gesprochen. eine examensvorbereitung für lyrik sieht exakt so aus, wie eine klassische lyrikanalyse in der schule. examensvorberietungen für sprachwissenschaft sind eher nur ein vergleichen von ergebnissen, also quasi wie hausaufgabenkontrollen. wenn man die aufgaben gemacht hat, kann man sie verbessern, wenn nicht schreibt man die richtige lösung halt mal mit...


    selbstständigkeit spielt aber schon eine große rolle, da man sich sehr viel selbst erarbeiten muss. für übungen in den seminaren ist eigentlich keine zeit, das bleibt an einem zu hause hängen. am wichtigstens ist, glaube ich, die diszipliniertheit motiviert mitzulernen oder es sich am ende selbst beizubringen.
    teamfähigkeit benötigt man eigentlich nur, wenn man eine lerngruppe bildet, die aber erst seit der examensvorbereitung eine rolle spielen. für kleingruppenreferate spielt sie natürlich auch eine rolle, aber da man die ja in 99% der fälle mit seinen freunden hält, ist die mehr oder weniger automatisch gegeben, man will ja schließlich seine freunde nicht reinreiten...


    aber ich finde, dass du wegen sowas nicht deinen unterricht umstellen solltest. schließlich sind das wichtige kompetenzen. und wer weiß, wie es in anderen studiengängen aussieht? wollen ja nicht alle lehrer werden ;) vielleicht beginnen manche auch eine ausbildung, für die, diese kompetenzen sofort sehr wichtig sind.


    übrigens finden heute in ganz deutschland demos gegen sie verschulung an universitäten statt... ;)

    • Offizieller Beitrag

    Mein Studium (inzwischen auch schon 7 Jahre her) war überhaupt nicht verschult. Die Geisteswissenschaften bestanden fast nur aus selbständigem Arbeiten, was im Studium meine größte Schwierigkeit war, weil die Schule uns leider überhaupt nicht darauf vorbereitet hatte. Ich fand es anfangs wahnsinnig schwer, selbstorganisiert zu arbeiten. Ich glaube, ich habe zu Schulzeiten z.B. insgesamt nur 2 oder 3 Referate gehalten.


    Es kann in anderen Fächern anders sein, bei Freunden, die damals an FHs waren, war das Studium z.B. viel verschulter.


    Ach so, zum Thema Teamarbeit: Besonders in den Erziehungswissenschaften und in den sprachpraktischen Veranstaltungen in der Anglistik bei den meist jungen, muttersprachlichen Dozenten, wurde sehr viel Teamarbeit gemacht.

  • Also, ich mache den Wechsel ja momentan wirklich wunderschoen durch: vom Diplom ueber das Staatsexamen bis jetzt zur Modularisierung im Erweiterungsfach. Und es ist tatsaechlich so: das Studium ist durch das Bachelor/Mastersysterm sehr verschult geworden, es werden Veranstaltungen mit strenger Anwesenheitspflicht belegt und am Ende des Semesters wird ein Leistungsnachweis in allen Veranstaltungen verlangt, sei es Klausur, Essay, Hausarbeit, etc. Dies fuehrt zu einer grossen Haeufung von Pruefungen, fuehrt dazu, dass Themen kurz angelernt oder angelesen werden - um nach der Klausur oder Hausarbeit moeglichst schnell wieder vergessen zu werden. Studium aus Interesse, forschungswissenschaftliche Vertiefungen, Nachgehen von Neigungen - nichts mehr ist davon uebrig, es geht um die Abarbeitung der Module - und zwar moeglichst schnell, vom Niveau will ich erst gar nicht sprechen.


    Foerderung der Studierfaehigkeit - m.E. am besten durch das Lernen von wissenschaftlichem Arbeiten - hier sehe ich die meisten Probleme meiner Mitstudent/innen. Also: Erstellung von Essays, Hausarbeiten, selbststaendige Literaturrecherche, die nicht nur im Internet betrieben wird, Herausarbeiten wissenschaftlicher Fragestellungen, Bildung von Thesen, etc.


    Gruss von Afrinzl

  • "Verschultes Studium" heißt lediglich, dass es relativ straff durchorganisiert ist und man ziemlich wenig Freiheit hat.


    "Viel Freiheit" hatte ich, damals: Einzige Anforderung im Hauptstudium waren zwei Seminarscheine. Danach konnte ich die Diplomarbeit anfangen und Prüfungen machen. Ob ich vorher in den Vorlesungen gesessen habe, war grad egal, und in einigen Fächern habe ich ausschließlich nach Skript gelernt.
    Viele kommen mir allzu viel Freiheit nicht zurecht, aber auch in einem "verschulten" Studiengang bedeutet "Studierfähigkeit" z. B., dass man selbstständig arbeitet, sich mit anderen abspricht, sich selbst zu regelmäßiger Arbeit anhalten kann, sich verständlich machen kann usw. Am wichtigsten finde ich, dass man in der Lage sein muss, Lücken zu erkennen und selbstständig zu schließen. Der große Unterschied zur Schule, nämlich dass keiner ständig danach guckt, was man so macht: Dieser Unterschied besteht eben auch bei einem "verschulten" Studiengang. Kleine Privatuniversiäten vielleicht ausgenommen.


    "Eingehämmert" wird sicher nach wie vor viel Wissen. Die Mediziner lernen ja bekanntlich sogar Telefonbücher auswendig :D


    Und "frontal" ist so ein Vorlesung natürlich auch. War sie schon immer!


  • Wie schon von einigen zuvor erwähnt wurde, ist der frontale Anteil gerade in Bezug auf die verpflichtenden Vorlesungen wohl recht hoch. Aus diesem Grund halte ich in der Oberstufe auch den regelmäßigen Griff zum Lehrervortrag für sinnvoll. Nach meinen Erfahrungen schätzen das die Schüler sogar sehr. Methodenwechsel und Phasen des selbstständigen Lernens bleiben dabei natürlich trotzdem wichtig.


    Um deine Frage mal noch etwas grundsätzlicher zu beantworten: Ich glaube ja, dass die starke Betonung des selbstorganisierten Lernens, die im Moment auf allen Bildungs-Ebenen vorherrscht, in der jetzigen Form oft eher kontraproduktuiv ist. Es ist doch schon verblüffend, dass man im Vergleich zu früher in Kindergarten und Schule dazu neigt, feste Strukturen bzw. Lernwege aufzulösen und den Kindern mehr Freiheiten und Eigenverantwortung zumutet und die Unis dann genau die gegenteiligen Linie fahren - also die Strukturen immer unbeweglicher gestalten. Gleichzeitig hört man dann von dieser Seite in regelmäßigen Abständen die Klage von der abnehmenden Studierfähigkeit der Jugendlichen.


    Ich habe nun seit einiger Zeit das dumpfe Gefühl, dass die Kinder viele Fachinhalte aber auch Lernstrategien eben gerade bei den freieren Methoden nicht erlernen, da sie hier viel leichter ausweichen können. Wenn sie dann an die Uni kommen, fehlt ihnen dann eben immernoch das Handwerkszeug, um dort zu bestehen.

  • Also bei uns damals waren die Vorlesungen freiwillig und die Seminare verpflichtend und dies war ich aus meinner Schulzeit gar nicht gewohnt.


    Daher gestalte ich meinen Oberstufenunterricht sehr seminarorientiert.


    In der Mittelstufe bin ich der Trainer an der Seitenlinie, in der Oberstufe der Teammanager, um ein Bild zu wählen.

    • Offizieller Beitrag

    Das selbstständige und lebenslange Lernen braucht man nicht nur an der Uni, sondern auch und vor allem "im richtigen Leben" - ebenso wie die Teamarbeit, vom Beruf über die freundschaftlichen, sportlichen, ehrenamtlichen, nachbarschaftlichen Beziehungen bis hin zum Kleinstteam = Familie / Ehe ;) ...


    Selbst wenn die Arbeitsformen in der Uni sich dahingehend entwickeln sollten, die Menschen wieder zur Unselbstständigkeit zu erziehen, juckt mich das wenig. Dann bereite ich die Schüler eben aufs Leben und nicht bloß auf die Uni vor. Is ja auch ein hehres Ziel.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

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