• ... läuft diese Diskussion? Die Sendung mit den Viertklässlern habe ich gesehen. Ich fand das derart erschreckend, dass ich mir gerne ansehen/anhören möchte, was Verantworliche und/oder Betroffene dazu zu sagen haben.

  • Hab auch 37 Grad gesehen...


    War auch total schockiert, wie Eltern ihre Kinder pushen. Das hat man zwar schon immer irgendwie gewusst, aber so "live" und in Farbe war es echt erschreckend, dass eine Mutter ihr offensichtlich müdes Kind abends um 10 noch zum Lernen "zwingt".


    Aber ich habe auch die blonde Lehrerin nicht verstanden. Als besagte Mutter nicht dabei war, sagte sie, dass sie es nicht richtig fände, dass die Eltern Druck auf die Kinder ausüben, das besagte Kind vor Arbeiten immer sehr müde sei und viele Kinder vor Proben "Kügelchen" zur Beruhigung schlucken. Im Gespräch mit der Mutter hat sie diese allerdings mehr oder weniger bestätigt. Warum sagt man dann nicht ehrlich: Es wäre besser, wenn sie die Sache lockerer angehen würde. o. Ä. !?


    Ist schon enorm, was für ein enormer Druck auf den Kindern lastet, sei er selbst gemacht oder durch die Eltern.

  • Ich hab' mir die Diskussion gerade mal im Internet (ZDF-Mediathek) angesehen. Dort saßen eher Vertreter, die mein Entsetzen über das, was da Kindern zugemutet wird, teilten. Mich hätte schon auch interessiert, wie z.B. das Bayrische Kultusministerium derartige Foltermethoden rechtfertigen will. Fazit: Bin froh, nicht in Bayern Schüler zu etwas bringen zu müssen, was bei mir Gänsehaut auslöst.

  • Das ist ja echt krass!!!
    Ich bin froh, das ich eine andere Schulzeit erleben durfte.
    <Zynismuss an>
    So kann man Kinder richtig gut kaputtspielen.
    <Zynismuss aus>

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich bin ebenfalls schockiert. Die Kindheit wird den Kindern immer mehr gestohlen. Es beginnt schon im Kindergarten...

  • Ich habe das gerade gesehen und kann speziell die beiden Mädchen nur bedauern.
    Kann mir ein Kollege oder eine Kollegin aus BAyern ebstätigen, dass man mit einem Notenschnitt von 3 in Klasse 4 in bayern tatsächlich auf die Hauptschule gehen muss?
    Das wäre schon echt ein Ding, wenn man sich die Notendefinitionen ansieht.

    • Offizieller Beitrag

    Das sind nicht nur die Eltern. Die geben eigentlich nur den Druck weiter, den auch wir weitergeben sollen, und manche Kollegen tun das auch: "Dann kommst du nicht aufs Gymnsaium" - eine viel gehörte Phrase (von Lehrern wie Eltern!) bei meinen Nachbarskindern / Patenkindern / Bekanntenkindern.
    Im Prinzip wünscht 'Overlord Arbeitsmarkt' fertig vorsortierte Produkte, wir im Schulsystem kriegen ordentlich Druck, dass wir ordentlich mitsortieren und tun das via Note und Notendrohungen auch - und die Eltern wollen oder müssen da eben auch mit, oder meinen zu müssen, wenn ihr Kind nicht hinten runter fallen soll.
    Und sind wir mal ehrlich: die Einstellungsquoten von Hauptschülern in Lehrstellen sind nicht rosig, und auch nicht jeder Realschüler kriegt, was er will oder kann.
    Das ganze System ist pervertiert und wir tragen alle kräftig dazu bei - und das funktioniert so lange wunderbar (divide et impera) so lange Eltern und Lehrer gegeneinander ausgespielt werden und sich als auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches sitzend verstehen und so lange Angst und Misstrauen das Geschäft regiert: jeder gegen jeden und mein Kind zuerst und Druck, Druck, Druck...
    Sollten sich Eltern und Lehrer eines Tages zum Wohle der Kinder zusammentun und dem Selektionsregiment und dem Notenwahn gemeinsam ein Ende setzen wollen, können sie das auch erreichen: Noten abschaffen, Verweildauer an der Schule erweitern, Übergänge fließend machen, beliebig viele Schulformen zulassen, Einstellungstests von den Betrieben und Unis fordern: dann können die selber sehen, wer auf sie passt und ob das nun ein Gymnasiast oder ein Hauptchüler ist, ist dann weniger relevant als die Performance im Test. Als eine denkbare Möglichkeit.
    Bisher funktioniert die Angstnummer aber noch wunderbar... und manchmal habe ich das Gefühl, wir alle oder die meisten von uns wollen es gar nicht anders: es soll schön ein klares Oben und ein klares Unten geben... wie schon seit tausenden von Jahren ... oder?


    ;) Meike

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Die Fächer Deutsch, Mathe und Heimat- und Sachkunde sind ausschlaggebend für den ÜBertrittsschnitt in Bayern.


    Ab 3,00 und schlechter kann das Kind nicht mehr automatisch auf die Realschule, sondern muss an einem 3-tägigen Probeunterricht teilnehmen.


    Und jetzt zitier ich mal (damit ich nicht soviel tippen muss):


    "Von den Schülern werden an den ersten beiden Tagen schriftliche Arbeiten aus den Fächern Deutsch und Mathematik verlangt. Der Prüfungsstoff umfasst dabei alles, was im zurückliegenden Schuljahr bisher behandelt wurde.
    Die Aufgabenstellung orientiert sich auch an den Anforderungen der aufnehmenden Schule, so dass der Schwierigkeitsgrad höher liegt als in der Grundschule. Eine grobe Orientierung: Viele Schüler liegen mit ihren Prüfungsergebnissen etwa um einen Notengrad unter ihren Grundschulleistungen.


    Am dritten Tag ist – ebenfalls in den Fächern Deutsch und Mathematik – mündlicher Unterricht, wobei besonderes Augenmerk auf die Zweifelsfälle unter den Prüflingen gelegt wird. Während der drei Prüfungstage macht immer einer der betreuenden Lehrer Aufzeichnungen über die Mitarbeit.


    Die schriftlichen Prüfungsaufgaben und empfohlene Notenschlüssel werden zentral erstellt und den Schulen vorgegeben. Dort ist für die Durchführung, Korrektur und Bewertung jeweils ein Aufnahmeausschuss verantwortlich, der sich aus Lehrern der aufnehmenden Schule zusammensetzt. Über das Ergebnis des Probeunterrichts werden Sie mit ausführlicher Begründung schriftlich informiert."


    Der Probeunterricht ist bestanden, wenn in einem Fach mindestens eine 4 und im anderen mindestens eine 3 erzielt wurde. Falls das Kind zweimal die 4 hat, können die Eltern dennoch Antrag auf Aufnahme an die Realschule stellen (Elternwille).


    Ab einmal Note 5 ist ein Übertritt nicht möglich.

  • Zitat

    Original von Meike:
    Sollten sich Eltern und Lehrer eines Tages zum Wohle der Kinder zusammentun und dem Selektionsregiment und dem Notenwahn gemeinsam ein Ende setzen wollen, können sie das auch erreichen: Noten abschaffen, Verweildauer an der Schule erweitern, Übergänge fließend machen, beliebig viele Schulformen zulassen, Einstellungstests von den Betrieben und Unis fordern: dann können die selber sehen, wer auf sie passt und ob das nun ein Gymnasiast oder ein Hauptchüler ist, ist dann weniger relevant als die Performance im Test. Als eine denkbare Möglichkeit.



    Grundsätzlich gebe ich dir recht. Das System ist pervers. Mittlerweile gibt es schon in der zweiten Klassen Tränen, wenn es "nur" eine 3 ist. Aber wie genau sollte ich denn mit den Eltern versuchen, das alles zu ändern?




    Bibo

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke nicht an einzelne Menschen, sondern an eine ganze Masse an Willensbekundungen. So lange eine durchaus große Notenlobby und Lobby für's bisherige Schulsystem aber noch unter den Eltern zu finden ist (unter den Kollegen ist die gar nicht mehr so groß) und immer mehr Vergleichstests, Normierungen, Erhebungen etc gefordert werden, seh ich da noch schwarz...
    Im Moment traut sich ja noch keine einzige Partei etwas Grundlegendes ändern zu wollen - die Unterschiede in den bildungspolitischen Absichten sind marginal, verglichen mit der radikalen Änderung, die sein müssten, wenn man etwas mehr Sinnhaftigkeit ins System bringen wollte... Will man aber nicht. Denn im Prinzip bedient die Politik - und damit auch wir - erfolgreich genau das Gewünschte: Vorsortierte Jugendliche mit Labeln auf der Stirn: Elite - gut brauchbar - bedingt brauchbar - unbrauchbar.

  • Von Grundschullehrerseite aus ist meiner Meinung nach kein großer Rückhalt für dieses System vorhanden. Etwas anderes dürfte es bei Realschul- und Gymnasiallehrern aussehen. Die bekommen die Kinder bereits vorsortiert und noch nicht im vollpubertären Alter. Was will man mehr? Die Meinungen der Eltern sind meines Wissens nach gemischt. Viele halten die frühe Selektion zwar für falsch, aber kaum einer möchte sein Kind in eine Grundschule mit hohem Ausländeranteil geben. Also doch PRO Selektion. Nicht, dass die eigene Brut durch die anderen schlimmen Kinder dann zu wenig lernt. :evil:
    Und letztendlich bräuchte man für wirkliche Veränderungen am besten auch einen Machtwechsel in Bayern. Und daran glaubt wohl keiner. Deswegen wird wohl alles so bleiben wie es bisher schon immer war.



    Bibo

  • Jetzt mach ich mich unbeliebt!


    Ich befürworte die Dreigliedrigkeit des Schulsystems (eine Verbindung von Realschule und Hauptschule kann ich mir aber gerade noch vorstellen). Vor allem bin ich gegen eine verlängerte Grundschulzeit.


    Ich möchte meine Hauptschüler nicht erst mit 13/14 kennenlernen. Und meine Hauptschüler sollen nicht 6 Jahre lang Frust schieben. Wir müssen sie meist erst monatelang aufpäppeln, wenn sie zu uns kommen.


    Bei uns ist die Ausbildungssituation noch nicht ganz so schlecht. Viele unserer Schüler kommen durch ein Praktikum (wir machen zwei: 9. und 10. Sj., viele machen noch ein weiteres freiwillig in den Ferien) an einen Ausbildungsplatz. Sie können sich dort nämlich gut "verkaufen" und haben einen "Fuß in der Tür".


    Da mir beim Arbeiten mit Schülern der pädagogische Aspekt sehr wichtig ist, wäre eine Gemeinschafts- oder Einheitsschule mit unglaublich viel Differenzierungen und wenig Klassenverband nichts für mich.


    Ich lebe in einer Fast-Idylle (mit aufziehenden Wolken) auf dem platten Land - also kein Vergleich zu Rütli oder anderen Vorzeige-Negativ-Schulen, die ich aber aus meiner Großstadtzeit gut kenne.
    Die dortigen Gesamtschulen lagen leistungsmäßig überwiegend auf dem Niveau unserer HS, mittlerweile - aus Angst vor G8 (in NRW) gibt es mehr gute Schüler an den Gesamtschulen.


    Erschreckend fand ich bei 37° die Eltern, die ihren Willen für die höchst angesehene Schulform ihren Kindern aufgezwungen haben. Die Erleichterung, dass der Junge dann doch zur Realschule "will", war der Mutter so sehr anzusehen, dass man merken konnte, wie der Junge von der Mutter manipuliert worden war - nach dem Motto: endlich will er das richtige.


    Wir bekommen oft genug Realschüler als sogenannte Rückläufer zu uns an die Schule, die gegen die Empfehlung der Grundschule sich zwei Jahre durch die Realschule gequält haben und auch bei uns massive Probleme haben. Was tun die Eltern ihren Kindern nur an? Nicht jedes Kind kann wirklich Abitur machen, auch wenn das gerne behauptet oder gefordert wird. Viele Kinder können durchaus durch Förderung mehr als sie bisher zeigen, aber nicht jeder (ich auch nicht) kann Arzt oder Chemiker oder.... werden, nicht jeder kann (ich auch nicht) gut handwerklich arbeiten. Aber jeder sollte doch die Erfahrung machen können/dürfen, dass das, was er leisten kann - wofür er sich interessiert und sich einsetzt - auch angemessen honoriert wird.


    Eine bessere Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen ist zu fördern und auch die vorhandene ist besser zu nutzen. Bei uns wechseln (zwar nur wenige) auch zur Realschule. Nach dem 10. Schuljahr sind es fast ein Drittel, die dann auch ein Verlängerungsjahr in Kauf nehmen. Aus meinem letzten 10. Schuljahr haben es zwei auch in den vorgesehenen drei Jahren geschafft, einer in der Gesamtschule (er war vorher Realschüler), einer auf dem Berufskolleg (mit Abischnitt 1,4). Dieser war sechs Jahre lang bei uns - technisch/mathematisch sehr begabt, sprachlich eher schwach, was ihm gut tat, war die pädagogische Begleitung in einem sehr kleinen Schulsystem (350 Schüler). Er wurde immer selbstbewusster und ist heute im IT-Bereich erfolgreich tätig.


    Liebe Grüße von Boeing (die auf ihre Schläge wartet)

  • Ich muss auch zugeben, dass ich nicht nur negative Seiten an einem gegliederten Schulsystem sehe. Das System wird von vielen Eltern jedoch nicht verstanden - man möchte seinem Kind mindestens die Realschule, am Besten jedoch das Gymnasium "aufzwingen".


    Die meisten Eltern übersehen dabei, dass es die Möglichkeit durchaus gibt, nach der 9. oder 10. Klasse Realschule ans Gymnasium zu gehen. Oder auch den Bildungsweg über FOS/BOS zum (Fach)abitur.

  • Zitat

    Original von Boeing:
    Jetzt mach ich mich unbeliebt!


    Nur zu! ;) Ich kann deiner Argumentation schon folgen und sie teilweise auch verstehen. Nur macht sie meine Arbeit deswegen nicht angenehmer.


    Zitat

    Original von Boeing:
    Ich möchte meine Hauptschüler nicht erst mit 13/14 kennenlernen. Und meine Hauptschüler sollen nicht 6 Jahre lang Frust schieben. Wir müssen sie meist erst monatelang aufpäppeln, wenn sie zu uns kommen.


    Verstehe ich grundsätzlich schon. Ich habe auch Kinder, denen ich wünsche, dass sie endlich nach ihrem eigenen Tempo arbeiten können und sich nicht mit den Kindern für das Gymnasium messen müssen. Das ist allerdings der kleinste Teil bei uns. Du schreibst, du wohnst in der Fast-Idylle. Ich arbeite in einer größeren Stadt und noch dazu in einem Viertel, in dem man sich zu den Besseren zählen kann. :evil: Ist man dort ein HS-Kind mit bessergestellten Eltern, geht der Kampf auch in Klasse 5 weiter. Für die Eltern ist das die nächste Chance ihr Kind übertreten zu lassen und es wird gekämpft so gut es geht. Im schlechtesten Fall eben gegen die Schule. Diese Kinder werden abermals auf der Strecke bleiben und hätten in dieser Situation mehr davon, länger auf der GS zu bleiben. Bei einem Übertritt nach der 6. Klasse wäre der Druck dann zumindest in der 2.-4. Klasse noch nicht so stark. Die Kollegen der HS, die unsere Kinder bekommen, sind mittlerweile auch am Verzeifeln. Die werden in den nächsten Monaten weniger die Schüler aufpäppeln als sich gegen deren Eltern wappnen.


    Zitat

    Original von Boeing:
    Bei uns ist die Ausbildungssituation noch nicht ganz so schlecht. Viele unserer Schüler kommen durch ein Praktikum (wir machen zwei: 9. und 10. Sj., viele machen noch ein weiteres freiwillig in den Ferien) an einen Ausbildungsplatz. Sie können sich dort nämlich gut "verkaufen" und haben einen "Fuß in der Tür".


    Ich würde mal behaupten, dass es bei uns nicht mehr ganz so gut aussieht. Ich kann mich aber auch irren. Problematisch an unseren Hauptschulen (vor allem in den Städten) ist aber vor allem, dass sie zu Restschulen verkommen. Die RS-geeigneten Kinder wandern teilweise an das Gymnasium ab, die wirklichen HS-Kinder gehen teilweise an die Realschule. Insgesamt verschiebt sich alles und an unsere Sprengel-HS geht wirklich nur noch der klägliche Rest.


    Boeing und Nighthawk: Ihr habt beide Möglichkeiten angesprochen, wie es nach der HS weitergehen kann. Ich sehe das grundsätzlich schon auch so. Nur will das in der GS kaum ein Elternteil hören und sehen, wenn ich von Möglichkeiten spreche, die ein Kind einige Jahre später haben könnte. Und der Verlierer ist letztendlich wieder das Kind. Leider fehlt den Eltern der Vergleich und das eigene Kind ist halt das Größte was es gibt. Dass es vielleicht dreimal so lange braucht um eine Aufgabe zu erledigen oder manche Dinge einfach nicht verstehen kann, weil es dafür nicht clever genug ist, können und wollen diese Eltern eben nicht sehen. Und wenn alle anderen auf das Gymnasium gehen, dann doch auch das eigene Kind! Was sollen denn sonst die Nachbarn denken?!? :rolleyes:


    Schläge gibt es jetzt für niemanden, denn ich kann euch grundsätzlich schon verstehen. Aber ich würde auch gerne wieder sinnvolle Arbeit verrichten und nicht 2-3 (meistens überflüssige) Elterngespräche pro Woche führen, in denen es ausschließlich um den Übertritt geht, gar nicht so sehr um das Kind. Diese Zeit möchte ich lieber für meine Unterrichtsvorbereitung benutzen. Am Vormittag möchte ich unterrichten und nicht Therapeut für vollkommen überforderte Kinder spielen. Es wäre schön, Unterricht nach anderen Gesichtspunkten zu planen als "da-müssen-wir aber-eine-Probe-schreiben" Ich könnte auch darauf verzichten, ständig mit einem Damoklesschwert über dem Kopf herumzulaufen, weil man wieder mal einen Kollegen mit dem Anwalt oder dem Schulrat traktiert und man wartet, wann es bei einem selbst so weit ist. Und wer die Eltern bei 37 Grad schlimm fand: Es gibt ganz andere. Solche die hysterisch werden oder mit dem Anwalt ankommen. Die gezeigten waren die Harmlosen.



    Bibo

  • Ganz ketzerisch: Wir werden unsere "Bildungsmisere" durch reine Schulreformen nicht in den Griff bekommen ... egal, ob gegliedertes Schulwesen oder Gesamtschule, ob G8 oder G9 ...



    Wenn im Elternhaus, in der Gesellschaft nicht ein Umdenken einsetzt.


    Bei der Diskussion hier stellt sich schon die Frage: Ist das gegliederte Schulwesen das Problem - oder sind es die Eltern (ja, ich reduziere das jetzt mal recht kontrovers)?


    Ich erlebe am Gymnasium über die letzten Jahre zunehmend Kinder, die überfordert sind, bei denen es aber die Eltern sind, die - auch zur Not mit den Anwalt und über alle erdenklich möglichen Lücken in der Notengebung der Lehrer - versuchen, den schulischen Erfolg des Kindes zu erstreiten. Da wird über Fehler diskutiert, die der Lehrer vielleicht gar nicht hätte anstreichen müssen - die 25 anderen Fehler des Kindes sind dabei egal.


    Es geht vielen Eltern nicht mehr darum, dass das Kind die seinen Fähigkeiten am Besten entsprechende Bildung erhält, sondern dass das Kind den Berechtigungsschein "Abitur" bekommt - egal, ob es dann eine gewisse Bildung hat oder nicht.
    Dass es andere Wege zum Studium gibt wollen diese Eltern nicht wahr haben - warum eigentlich? Ich habe selbst 3 Jahre an einer FOS/BOS unterrichtet und (auch hier wieder etwas ketzerisch) nach den jüngsten Entwicklungen sehe ich diese Schulformen von Qualität und Anforderungen her als mindestens gleichwertig mit dem "normalen" Abitur - ganz davon abgesehen, dass viele Fachabiturienten wegen der besseren Praxisausbildung in bestimmten Berufssparten sogar lieber genommen werden.


    Viele Eltern geben an das Kind nicht weiter, dass es sich lohnt, Dinge so gut zu machen, wie man es eben kann - sie erziehen das Kind zu "solange es gerade so reicht, passt es ... warum anstrengen?".


    Wirkliche Leistung scheint nichts mehr wert - gute Schüler bemühen sich inzwischen um die eine oder andere schlechte Note, um nicht als "Streber" gemobbt zu werden. Gute Leistungen haben fast einen negativen Beigeschmack (Der hat ja gar keine Kindheit mehr ... usw.). Durchkommen, egal wie ist das Motto.


    Wenn im Elternhaus der Bildung nicht ein gewisser Stellenwerdt eingeräumt wird, Mama oder Papa nicht auch mal mit der Zeitung oder einem Buch zu sehen sind - wie soll dann das Kind sich mit Literatur beschäftigen bzw. Motivation hin zur Bildung entwickeln?


    Ich gehe jetzt noch weiter: Die Grundlagen für den schulischen Erfolg liegen außerhalb der Schule und zeitlich lange vor dem Zeitpunkt, an dem ein Kind das erste Mal eine Schule von innen sieht. Wurde dem Kind vorgelesen? Wurde mit ihm forschend/entdeckend gespielt? Wurden von ihm auch mal Konzentration und Anstrengung und das Einhalten von Regeln eingefordert? Wurde es für jeden Schmierer auf dem Blatt gelobt oder hieß es auch einmal: Das kannst Du aber noch besser?


    Wenn das Kind mit einer schlechten Note nach Hause kommt, heißt es dann: "Woran lag das? Hast Du etwas nicht verstanden? Musst Du / müssen wir vielleicht nächstes Mal etwas mehr lernen?"


    ... oder heißt es: "Böser Lehrer, böse Schule, so viel kann man doch von meinem Engel nicht verlangen"?


    Ich weiß, dass das, was ich gerne hätte, in der Realität seltener wird, vielleicht in unserer Gesellschaft nicht mehr exisitieren kann.


    Müssen wir anerkennen, dass die Gesellschaft sich ändert und uns auch anpassen?


    Vielleicht, aber dann müssen wir das der Gesellschaft auch offen sagen und nicht mit Reformen verzweifelt etwas zu überdecken suchen (oder mit anderen "Ausreden" für die Misere kommen - im Moment hat unsere Schulleitung den "Unterrichtsausfall" als Grund für die Misere "erkannt" ... dabei liegt der Großteil des Unterrichtsausfalls an unserer Schule an Veranstaltungen der Schule wie Exkursionen, Workshops etc - die durchaus vom Lehrplan und vom Ministerium gefordert und für gut befunden werden ... auch von Eltern. Warum sagt man nicht offen: "Wenn ihr das wollt - und es gibt ja auch gute Gründe dafür - dann ist der Preis einfach ein gewisser Unterrichtsausfall ... Punkt."?).


    Oder ich erinnere an eine Rede eines Bundespräsidenten, in der er einen "Ruck in der Gesellschaft" anregte ...


    Nachtrag: In Amerika gibt es Schulen, an denen die Eltern am Anfang des Schuljahres folgende Punkte unterschreiben:


    - Mein Kind kommt nicht mit leerem Magen in die Schule, es bekommt ein Frühstück
    - Mein Kind hat vor einem Schultag in der Nacht mindestens 8/10 Stunden geschlafen (nach Jahrgangsstufe)
    - Mein Kind verbringt unter der Woche maximal zwei Stunden jeden Tag vor dem Fernseher/Computer


    usw.


    Die Nichteinhaltung dieser Vereinbarung führt zu keinen Sanktionen, aber es macht den Eltern bewusst, dass auch sie einen Beitrag zum schulischen Erfolg leisten können.


    PS: Ich habe hier bewusst recht schwarz-weiß gezeichnet, die Wahrheit liegt wohl irgendwo im Zwischenbereich - aber ich habe das Gefühl, dass in der öffentlichen Diskussion die eine Seite, die mir auch am Herzen liegt, kaum auftaucht.

  • Und noch ein Nachtrag:


    Ich kann Grundschullehrer(innen) sehr gut verstehen, ich würde das nicht machen wollen. Der Druck, den Eltern ausüben, damit das Kind eine Unterrichtsempfehlung bekommt, ist wohl riesig.


    Da verstehe ich sehr gut, dass man ab und zu mal einfach die Empfehlung vergibt, weil man weiß, dass die Eltern sich sonst sowieso über sie hinweg setzen, man sich aber damit viel Arbeit und Streit erspart.


    Ich verstehe auch, dass man gefrustet ist, wenn man SuS einteilen muss und genau weiß, dass das jetzt eine recht punktuelle Bestandsaufnahme ist - vielleicht wäre das Kind in einem Jahr der geborene Gymnasiast.


    Aber: Wir haben sieben 5. Klassen bei uns ... im Schnitt 30 Schüler. Über die letzten Jahre hinweg hab ich auch immer wieder in diesen Klassen unterrichtet ... ca. 1/3 war am Gymnasium überfordert (und wir sind keine unmenschliche Schule, sonst hätten wir nicht das Problem, dass wir uns vor Anmeldungen kaum retten können und sogar Schüler ablehnen müssen).


    Überforderung ist schlimm ... das Selbstwertgefühl leidet, Angst, Bauchweh ...


    Man tut weder als Grundschullehrer noch als Eltern Kindern etwas Gutes, wenn man sie mit Gewalt auf das Gymnasium bringt. Mit dem G8 ist es noch schwieriger geworden (auch wenn die Politik das anders darstellt): höheres Tempo, weil der Lehrplan eben nicht so entrümpelt werden kann, wie man vorspielt. Zweite Fremdsprache gleich in der 6. Klasse, statt in der 7. Klasse. usw.
    Eigentlich gebietet uns also die Sorge um das Kind, unangenehme Gespräche zu führen.


    Die den Grundschulkollegen/Kolleginnen so gut bekannten "unangenehmen" Gespräche mit Eltern führe ich auch ... evtl. in geringerem Umfang (oder auch nicht, ich hab 32 Kinder in meiner Klasse ... Grundschulklassen sind bei uns in der Regel so ca. 24).


    Ich ernte völliges Unverständnis von manchen Eltern, wenn ich Zweifel äußere, dass "Montag Klavier, Dienstag Reiten, Mittwoch Turnen und Donnerstag wieder Reiten ... Wochenende dann Turnwettkampf oder Reitturnier" und gymnasialer Erfolg problemlos funktionieren ...


    Ich ernte Unverständnis, wenn ich bei fehlender Hausaufgabe die von den Eltern per Zettel mitgegebene Entschuldigung "Am Wochenende war Großonkels 63. Geburtstag" nicht akzeptiere ... vor allem, wenn die letzte Stunde am Donnerstag war.


    In meiner jetzigen 5. Klasse gibt es SuS, bei denen ich mir gar nicht vorstellen kann, dass sie schon 4 Jahre Schule hinter sich haben ... hat ihnen nie jemand gesagt, dass man sich gegenseitig auch zuhören soll? Dass man im Unterricht nicht einfach zu summen oder singen anfangen kann (ja, ich bin ein Miesepeter, statt mich über solche kindlichen Zeichen des Wohlbehagens zu freuen empfinde ich sie, wenn sie in jeder Stunde vorkommen, als Störung). Hatten sie bisher nie Hausaufgaben und ist ihnen völlig unbekannt, dass diese Hausaufgaben an eine Seitentafel geschrieben werden und man sie halt in das Hausaufgabenheft abschreibt (ich WEIß, dass das an den Grundschulen in meinem Ort auch üblich ist - also warum "können" die Kinder das nach 4 Jahren nicht?).
    In 5 Minuten beantworte ich viermal die Frage "Wohin sollen wir die Hausaufgabe schreiben?". Dabei haben wir nur EIN Übungsheft, in das alles - Übungen in der Schule und Hausaufgaben - geschrieben wird.
    Am nächsten Tag haben 3 SuS die Hausaufgabe nicht, weil sie nicht wussten, wohin sie sie schreiben sollten (undenkbar, dass man es auf ein Blatt schreibt und das dann im richtigen Heft - gibt ja nur eins zur Auswahl - einklebt ... da macht man schon lieber nichts).


    Ich möchte damit verdeutlichen, dass auch wir Gymnasiallehrer uns mit Dingen herumschlagen, die uns viel Zeit und Energie kosten, die bei den Kindern und dem Unterrichtsstoff besser aufgehoben wäre.


    Bei aller Diskussion über die zu stark geforderten Kinder vergessen wir aber auch bitte nicht die - zugegeben wenigen -, die mit all diesen Problemen gut zurecht kommen und an einem anderen Schultypus evtl. unterfordert wären - und Unterforderung ist genau so schlecht wie Überforderung (wie wir bei Hochbegabten, deren Hochbegabung nicht erkannt wurde leider sehr oft sehen).

  • @ Nighthawk: Du sprichst mir voll aus der Seele! An unser Schule gibt es aber haargenau die selben Unterhaltungen mit und Einstellungen bei den Eltern....


    @ Boeing: Ebenfalls meine Meinung.


    Liebe Grüße vom
    Raket-O-Katz

    • Offizieller Beitrag

    Nighthawk::respekt: genauso ist es!
    Ich setze noch eines drauf:


    Warum haben Kinder nach 4 oder 5 Schuljahren noch nicht gelernt, dass jeden Tag in jedem Fach Hausaufgaben erteilt werden,
    dass Hausaufgaben auch gemacht werden müssen, wenn in einem anderen Fach eine Schulaufgabe ansteht,
    dass man sich seine Aufgaben einteilen muss und nicht auf den letzten Drücker damit anfängt ?

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