Sitzen bleiben

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    meike: die vernetzte Studie zitiert auch nur, dass die versetzten Kinder, selbst wenn sie genauso schwach sind (wären), im Endeffekt besser sind. Schaue mir nachher mal Tietze / Rossbach 1998 (wo diese Aussage her ist) an.


    Aber das Problem ist: es werden automatisch verschiedene Kinder miteinander verglichen. (Ist ja auch logisch, da man ein Kind nicht gleichzeitig versetzen und nicht-versetzen kann ;) ), so dass die Ergebnisse nicht wirklich vergleichbar sind.
    Jeder Lehrer hier kennt die Situation, dass er sich am spätestens am Schuljahresende überlegt, welche Kinder besser weitergehen und welche nicht. Man wird aber keine Kinder mit "identischen" Ausgangssituationen anders behandeln. Die, die Chancen haben, es aufzuholen, kommen weiter. Kinder, bei denen die Chancen nicht schlecht stehen kommen nicht weiter (oder werden nur auf Probe versetzt).




    kl. gr. frosch

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    inixx, ich seh's ähnlich - nur kann für mich das Mittel nicht sein, sinnloses Sitzenbleiben zu rechtfertigen, sondern für mehr Ressourcen zu kämpfen.

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    Interessant wäre auch mal zu untersuchen was für Folgen das auf das Arbeitsverhalten einer Klasse hat. Oder was das für die unterrichtende Lehrer bedeutet wenn bildungsaverse Pubertierende und deren gleichgültigen Eltern mitbekommen, dass schlechte Noten überhaupt keine Konsequenzen haben.

    Ich kann dir zwar nicht erzählen, wie es an den Gesamtschulen läuft. Interessant finde ich aber, wie es in der 2. Fremdsprache an Realschulen läuft (die ist anfangs verpflichtend, aber nur positiv versetzungswirksam, man kann also nicht deswegen sitzen bleiben):
    Vor ein paar Jahren war diese 2. Fremdsprache in der 7. Klasse ein Jahr lang Pflicht für alle, inzwischen wurde dies auf die 6. Klasse verschoben. Dann in der 7 (früher in der achten Klasse) kann diese Fremdsprache weitergeführt werden oder ein anderer Kurs gewählt werden.


    In den Schulen, in denen den Schülern gesagt wird, dass diese Fremdsprache im 1. Jahr keinen negativen Einfluss auf das Sitzenbleiben hat (von meinen damaligen Mitrefs weiß ich, dass manche Schulen das den Schülern wohl nicht so explizit sagen, damit es nicht diese Folgen hat), sind die Schüler oft nicht besonders bemüht. In meinen alten Schulen habe ich das damals sehr gut mitbekommen und wir hatten wenig Handhabe: Es wurden keine Hausaufgaben mehr gemacht, die Schüler haben kaum noch was getan und den Unterricht fast boykottiert. Die Französischlehrer hatten es total schwer und am schlimmsten fand ich es für die Schüler, die gerne später Französisch wählen würden, aber in diesem Jahr kaum was lernen.

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    Es ist wohl eher eine Frage der Gewöhnung - in England, wo ich auch 2 Jahre gearbeitet habe, gibt es auch kein Sitzenbleiben (aber freiwilliges Wiederholen) und keine mündlichen Noten (!) - und es gibt mindestens genauso viele bildungsaverse Jugendliche. Die Klassen sind völlig heterogen (es gibt keine drei Schulformen) und auch nicht lauter/leiser/fauler oder fleißiger als die deutschen Klassen. Und auch nicht kleiner. Ich halte das englische System auch nicht für ideal, vor allem in der Teilung Privatschulen versus state schools, aber dass Jugendliche komplett durchdrehen, wenn sie keine Noten und kein Sitzenbleiben mehr drohend über sich schweben haben, stimmt einfach nicht. Die Lehrer dort haben durchaus Autorität im Klassenraum. Achja: und ein ganz gutes System, was mit grenzüberschreitenden Schülern zu geschehen hat. Das bräuchten wir auch. Eher als Sitzenbleiben.

  • Die Klassen sind völlig heterogen (es gibt keine drei Schulformen) und auch nicht lauter/leiser/fauler oder fleißiger als die deutschen Klassen. Und auch nicht kleiner.


    Das kommt wohl darauf an. Mixed ability ist zumindest an Sekundarschulen momentan nicht der Trend in England. Eher setting oder streaming.

    Die Lehrer dort haben durchaus Autorität im Klassenraum.


    najaaaaaaa. Also an der Schule, wo ich war, war das nicht so. Hat der Lehrer was "böses" getan (und das konnte schon das Aufgeben von Hausaufgaben sein), rief das Kind zu Hause an und zehn Minuten später hatte der Lehrer die Eltern an der Strippe, die fragten, was er sich denn einbilde... Anwaltsdrohungen gabs auch oft. an der staatlichen Schule.

    Achja: und ein ganz gutes System, was mit grenzüberschreitenden Schülern zu geschehen hat. Das bräuchten wir auch. Eher als Sitzenbleiben.


    Auch das hängt gehörig von der Schule ab....

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    Was mich beim Thema "Sitzen bleiben" immer irritiert: das "Sitzen bleiben" ist keine "Disziplinierungsmethode für aufsässige Schüler", sondern eine Möglichkeit, den Lernstoff, in dem man Lücken hat, wieder aufzuholen. (Wobei diese Lücken nicht selten durch entsprechend grenzüberschreitendes Verhalten der Schüler erzeugt werden.)
    Bei groben inhaltlichen Lücken sollte das Kind ggf. wiederholen (nicht automatisch und/oder im Sinne einer Strafe, aber es sollte vorgesehen sein), bei noch gröberen Lücken wechselt man zur nächstniedrigeren Schulform, da man scheinbar auf dem Level nicht arbeiten kann.


    Wie machen das eigentlich die Gesamtschulen? Sitzenbleiben kann man nicht, aber bleibt man z.B. im E-Kurs, wenn man nicht die entsprechende Leistung bringt?


    kl. gr. frosch

  • Was mich beim Thema "Sitzen bleiben" immer irritiert: das "Sitzen bleiben" ist keine "Disziplinierungsmethode für aufsässige Schüler", sondern eine Möglichkeit, den Lernstoff, in dem man Lücken hat, wieder aufzuholen.

    Nun wir haben ja die Lernförderung für diese Schüler. Das passiert dann noch einmal NACH dem Ganztag am Nachmittag. Hier wird aber regelmäßig blau gemacht. So dass diese Schüler aus der Lernförderung wieder rausfliegen, damit sie anderen die Chance geben die Lernförderung zu nutzen. Diese Schüler können auch durch dieses "Loch im Netz". Dann haben sie ohne Ende Fünfen und Sechsen und gehen jedes Jahr weiter. Und irgendwann gehen sie ohne Abschluss von der Schule. Würden sie aber sitzen bleiben wären sie gezwungen etwas für die Schule zu tun.


    Wenn man die von mir geschilderten Probleme selber nicht hat ist eine "noble Haltung" in dieser Frage natürlich einfach. Das Sein bestimmt das Bewusstsein....


    Kein Gesamtschullehrer? ...

    • Offizieller Beitrag


    Das kommt wohl darauf an. Mixed ability ist zumindest an Sekundarschulen momentan nicht der Trend in England. Eher setting oder streaming.


    najaaaaaaa. Also an der Schule, wo ich war, war das nicht so. Hat der Lehrer was "böses" getan (und das konnte schon das Aufgeben von Hausaufgaben sein), rief das Kind zu Hause an und zehn Minuten später hatte der Lehrer die Eltern an der Strippe, die fragten, was er sich denn einbilde... Anwaltsdrohungen gabs auch oft. an der staatlichen Schule.


    Auch das hängt gehörig von der Schule ab....


    Eben - in deinem Falle hat das dann wohl eher was mit einer schlecht geführten oder sclecht ausgestatteten Schule zu tun. In den 4 Schulen, die ich kenne, war das kein Thema - und es handelte sich zum Teil um comprehensive schools in hoch problematischen Vierteln - aber auchum eine gute Privatschule: die Schüler, die störten, wurden in Räume geschickt, wo zuständiges Personal mit ihnen ins Gespräch über ihre Verfehlungen kam, der Unterricht konnte weitergehen. Und wenn Eltern anriefen, wurden die direkt an die "special unit" weitergeleitet und konnten dort ins Gespräch mit den Pädagogen treten - auch das lief nicht über den Lehrer.
    Es ist also eher eine Frage der Ausstattung und der Führung als des Sitzenbleibens.

  • An meiner Schule mussten störende Schüler schlicht und einfach auf den Flur und an die Wand gucken :D. Auf dem Flur war nämlich sehr häufig ich (hatte als language Assistant keinen eigenen Raum). Wenn ich da nicht war, dann gabs immerhin Fenster in der Tür, da konnten die Lehrer den "entfernten" Schüler immer sehen.
    Meine Schule war ganz gut organisiert - aber die Erzählungen, die die französische Assistentin von der Nachbarschule mitbrachte - au weia....

    • Offizieller Beitrag

    Wie gesagt, schlecht geführte Schulen oder Schulen mit einem weniger guten System, wie man mit störenden Schülern umgeht, rechtfertigen weder das Sitzenbleiben als letzte Maßregelungsmöglichkeit/Drohgebärde, noch ändern sie die Tatsache, dass es andere und bessere Möglichkeiten GIBT - siehe die von mir beschriebenen.

    • Offizieller Beitrag

    Auch auf die Gefahr, mich zu wiederholen: das "Wiederholen" sollte auch nicht als Drohgebärde/Maßregelungsmöglichkeit gesehen werden, sondern als Hilfe, die Lücken aufzuholen, damit man nicht mit den Lücken den Stoff der nächsten Klasse verstehen muss. Wenn man nur eine 5 hat, klappt das Weiterkommen mit der Lücke noch. Das kann man aufholen. Wenn zu viele Fünfen dabeisind, wird es schwierig. Die Lücken pflanzen sich sonst fort.


    kl. gr. frosch


    P.S.: IMHO steht das Wiederholen übrigens auch nicht als "Disziplinierungsmaßnahme" im Schulgesetz.

  • Okay. Nicht als Disziplinierungsmaßnahme. Die Lücken jedoch werden bei uns achselzuckend hingenommen. Drohendes Sitzen bleiben als Motivation etwas für die Schule zu tun. Wie wäre es damit?

    • Offizieller Beitrag

    P.S.: IMHO steht das Wiederholen übrigens auch nicht als "Disziplinierungsmaßnahme" im Schulgesetz.


    Nein, aber das war eines der Hauptargumente dafür: sonst hätten wir doch gar keine Möglichkeiten mehr, "faule" oder "bildungsaverse" Schüler in den Griff zu kriegen. Die Statistik zeigt: man kiegt sie so nicht "in den Griff". Und man kriegt sie auch so nicht motiviert.



    Ich habe genug Möglichkeiten kennen gelernt, die man alternativ zum Sitzenbleibendrohen effektiv zur Entlastung des Unterrichts bei Störungen / Lernverweigerung einsetzen kann - natürlich müsste man das halt bezahlen, wie alles, was gut sein könnte im Bildungssystem: es kostet halt Geld/ausgebildetes Personal. Dass wir das nicht haben, kann m.E. trotzdem kein Grund sein, Sitzenbleiben zur sinnvollen Maßnahme zu erklären, das ist dann eher Hilflosigkeit.


    Freiwilliges Wiederholen im Falle verzögerter Reifung etc kann sehr sinnvoll sein, dagegen sage ich gar nix...

  • Zitat Meike :

    Zitat

    nur kann für mich das Mittel nicht sein, sinnloses Sitzenbleiben zu
    rechtfertigen, sondern für mehr Ressourcen zu kämpfen.

    Ja, geehrte Meike, ein Kampf, den niemanden von Seiten der Schulträger, Bezirksregierungen, Bildungspolitk etc. interessiert. Außerdem, warum willst du dafür kämpfen ?
    Unsere Gesellschaft, die eh an wirklicher Bildung kaum interessiert ist, möchte für die Schulen kaum bis gar nichts bezahlen, also bekommt sie auch die Schulen, die sie verdient.
    Was stört es mich ? Und wenn die Schüler sitzen bleiben, bleiben sie halt sitzen. Ich bekomme ja deswegen nicht weniger Gehalt. Wo ist das Problem ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Sitzenbleiben ist sehr sinnvoll!
    Nämlich für die guten Schüler, die die Lernbremsen nicht mehr in ihrer Klasse haben.


    Aber es ist in D ja völlig verpöhnt, auch mal an die Bedürfnisse der leistungsstarken Schüler zu denken.
    (Jetzt könnt ihr von mir aus auf mich einprügeln...)

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Sitzenbleiben ist sehr sinnvoll!
    Nämlich für die guten Schüler, die die Lernbremsen nicht mehr in ihrer Klasse haben.


    Aber es ist in D ja völlig verpöhnt, auch mal an die Bedürfnisse der leistungsstarken Schüler zu denken.
    (Jetzt könnt ihr von mir aus auf mich einprügeln...)

    Die Leistungsverweigerer sind ja leider nicht nur Lernbremsen, in dem Sinne, dass sie das Vorankommen der Klasse im Stoff bremsen, sondern dass sie es sogar schaffen, andere Kinder davon zu überzeugen, dass es sich angenehmer leben lässt, wenn man eben nichts für die Schule macht.
    Hatte jetzt einen Schüler (Y) zum Förderplangespräch da, der mir sagte, ich hätte mir die Mühe des Schreibens und Zusammenstellens des Fördermaterials sparen können, weil er gar nicht vorhabe, sich zu verbessern. Schüler X hatte ja ne 5 auf dem Zeugnis, hat die Nachprüfung mit schriftlich 6 und mündlich 3 "bestanden" und wäre ja nun immer noch in der Klasse. Schüler X hat dieses Jahr auch noch keinen Handschlag getan, weil er ja nur im 2. HJ. was tun müsse, damit er Ausgleichsfächer hat.
    Ich sage nicht, dass es X etwas gebracht hätte, das Jahr zu wiederholen. Wie sich sein Arbeitsverhalten verändern würde, kann ich nicht prognostizieren, aber sein Weiterkommen trotz Lücken und gar Verweigerung hat Y einen Weg gezeigt, der ihm besser - weil leichter - erscheint.

  • Ich habe genug Möglichkeiten kennen gelernt, die man alternativ zum Sitzenbleibendrohen effektiv zur Entlastung des Unterrichts bei Störungen / Lernverweigerung einsetzen kann - natürlich müsste man das halt bezahlen, wie alles, was gut sein könnte im Bildungssystem: es kostet halt Geld/ausgebildetes Personal. Dass wir das nicht haben, kann m.E. trotzdem kein Grund sein, Sitzenbleiben zur sinnvollen Maßnahme zu erklären, das ist dann eher Hilflosigkeit.


    Ich sehe hier Parallelen zu der Diskussion um die Gemeinschaftsschule in BW in einem Nachbarthread und versuche das mal gedanklich zu verknüpfen.


    Meike, ich kenne dich nicht persönlich, weiß aber, dass du hier schon lange aktiv bist und dementsprechend über umfassende Berufserfahrung verfügst. Es würde mich dabei sehr wundern, wenn du in den vergangenen 10 Jahren in Hessen grundlegend andere Erfahrungen gesammelt hast, wie ich hier in BW: Das System Schule leidet zunehmend unter den Sparzwängen bei sich gleichzeitig verschärfenden gesellschaftlichen Anforderungen.


    Vor diesem Hintergrund und den finanzpolitischen Zwängen der kommenden Jahrzehnte halte ich es für vollkommen illusorisch, hier eine generelle Trendwende zu erwarten. Deshalb orientiere ich mich, was Reformansätze anbelangt, am realpolitisch Umsetzbaren. Reformen, die de facto nicht konsequent zu Ende gedacht werden können, da die Gesellschaft und die Politik uns nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, verschlechtern die Lage eher weiter, als dass sie diese verbessern. Ich verweise zur Veranschaulichung hier auf mein "Häuslebauer-Gleichnis" im Gemeinschaftsschule-Thread. Dass heißt nun nicht, dass man nicht für mehr Ressourcen kämpfen sollte - da sind wir uns wohl einig.Die Frage ist aber, welche Ziele ich mir in diesem "Kampf" setze.


    Insofern halte ich die Diskussion, ob jetzt Sitzenbleiben oder nicht Sitzenbleiben das bessere Konzept ist, fast für hinfällig. Gleiches gilt für die Diskussion in BW um die Gemeinschaftsschule. Das System Schule wird auf absehbare Zeit nicht mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden, als dass ein tiefgreifender Umbau tatsächlich funktionieren könnte- welches Konzept da theoretisch das bessere wäre, spielt in Anbetracht der Situation dann eigenltlich keine Rolle mehr. Die zusätzlichen Ressourcen, die wir erhalten und/oder uns erkämpfen, nutze ich dann doch lieber für die Pflege und Verbesserung des Bestandes. Zumal wir, bei all der berechtigten Kritik, mit dem Bildungssystem in der Bundesrepublik ja sooo schlecht nun auch wieder nicht gefahren sind, wenn wir bspw. die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte auch als Indiz für erfolgreiche Bildungsarbeit deuten.


    Jetzt wirst du vielleicht einwenden, dass sich unsere Gesellschaft aber massiv verändert (hat) und Schule darauf reagieren muss. Das würde ich durchaus auch so sehen. Utopische Zielsetzungen, die aufgrund der gesellschaftspolitischen Entscheidungen zum Scheitern verurteilt sind, führen durch ihre dann notgedrungen halbherzige Umsetzung aber eher in die Überforderung bei allen Beteiligten, statt dass sie die Lage verbessern helfen.


    Mir fällt dann noch etwas ganz anderes ein: Ich hatte in den vergangenen Monaten intensiven Kontakt zu Handwerkern verschiedener Gewerke und vor einiger Zeit auch zu "Personalern" zweier mittelständischer Unternehmen, die in ihrem Marktsegment zu den Weltmarktführern zählen. Bildungspolitik war nicht bei allen, aber bei vielen Gesprächen ein Thema. Durch die Bank weg wurde hier in die selbe Richtung argumentiert, die ein Vater (auch Handwerker) dann vor kurzem nochmals auf einem Elternabend dem Sinn nach so auf den Punkt brachte: "Wir machen uns durch die Bildungspolitik in Baden-Württemberg gerade den Mittelstand systematisch kaputt!"


    Was hat das nun mit Sitzenbleiben und der Gemeinschaftsschule zu tun? Bei den Eltern besteht ja - leider oft unabhängig von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit ihrer Kinder - schon seit längerem der Trend hin zum Gymnasium. Durch die Einführung der Gemeinschaftsschule und Gedanken zur Abschaffung des Sitzenbleibens stößt die Landesregierung hier nun in das selbe Horn: "Alle können es schaffen!" ist die frohe Botschaft an das Wahlvolk. In letzter Konsequenz werden den mittelständischen Betrieben, die eben oft tatsächlich keine Abiturienten wollen, somit aber reihenweise die jungen, befähigten Jugendlichen entzogen. Die machen jetzt im Zweifel lieber ein schlechtes Abi, als einen guten Haupt- oder Realschulabschluss. Damit werden die durch den demografischen Wandel verursachten Trends weiter verschärft.


    Klar brauchen wir in Zukunft auch Akademiker. Ob der baden-württembergischen, mittelständisch geprägten Wirtschaft aber damit gedient ist, dass man ihr die Anzahl potentieller Azubis durch schulpolitische Maßnahmen verschlankt, wage ich aber doch sehr zu bezweifeln.

  • Zitat Schubbidu :

    Zitat

    Die zusätzlichen Ressourcen, die wir erhalten und/oder uns erkämpfen, nutze ich dann doch lieber für die Pflege und Verbesserung des Bestandes.

    Ja, statt sozialträumerische pädagogische Wolkenkuckucksheime zu entwickeln, für die später eh keine Regierung vollständig zu bezahlen bereit ist (Alle werden sich aus dem Staub machen, wenn es ums Geld geht !), sollte man z.B. bei uns erstmal die Toiletten sanieren. Man hat da ca. 50 Jahre lang nichts getan. Den Urinstein kann man nur noch abmeißeln. Noch Fragen ?


    Deutschland ist hochverschuldet, Zahlmeister für die EU, Teilnehmer an mehreren mitlitärischen Einsätzen die Milliarden verschlingen...Ich frage mich, wie etliche Lehrer in naiver Weise annehmen können, dass unsere Bundesregierung und Landesregierungen vorhaben, genügend für den Umbau unseres Schulsystems zu investieren.


    Wenn man versucht, das bisherige Schulsystem zu erhalten wie es ist, so könnte evt. das ein oder andere Pöttchen Farbe für die ein oder andere sanierungsbedürftige Schule herausgeleiert werden. Bei Neugestaltung unseres Schulsystems fürchte ich, dass schon im Vorfeld Neubauruinen entstehen werden, die man weder richtig in Betrieb nehmen noch abreißen kann, wobei für mich der Begriff Bauruine auch die moralingesäuerte und verlogene pädagogische Schein-Konzeption umfasst, die man gar nicht umsetzen kann.

    Zitat

    Utopische Zielsetzungen, die aufgrund der gesellschaftspolitischen Entscheidungen zum Scheitern verurteilt sind, führen durch ihre dann notgedrungen halbherzige Umsetzung aber eher in die Überforderung bei allen Beteiligten, statt dass sie die Lage verbessern helfen.

    Ich habe sowieso den Eindruck, dass es hier nur darum geht, die Lehrer fertig zu machen, um die Plätze in den Burn-Out-Kliniken vollständig auszulasten.


    @timm70


    In vielen Deiner Äußerungen hast Du nicht Unrecht ! Ich finde es jedenfalls gut, dass Du hier entgegen dem pädagogischen Mainstream so richtig auf die Sahne haust ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Zum Thema Sitzenbleiben kann ich leider nicht viel sagen, da dies bei uns in Berlin in der Grundschule nicht mehr möglich ist. Selbst ein Rückstufung usw. wie es nun genannt wird, geht nur noch, wenn die Schule nachweisen kann, dass alle Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind. DA das auf Grund von Personal- und Geldmangel ja nie wirklich vorkommt, ist also im Rückschluss auch ein "Sitzenbleiben" ausgeschlossen.


    Moment, mal schauen, ob ich das richtig verstehe.
    Da hat ein Schüler Lücken, kann aber ressourcenbedingt nicht vernünftig gefördert werden (was ja nicht nur in Berlin der Fall ist). Aber anstatt dann wenigstens irgendwas zu machen, damit der Schüler die Lücken wieder füllt, notfalls unter Aufwendung eines weiteren Jahres, sagt man: "Geht halt nicht anders, der Schüler muss weiter. Irgendwie wird es schon weitergehen." Der Schüler wurde also nicht gefördert und wird nun mit der Aussicht auf eine genauso geringe Förderung hochgestuft, obwohl er jetzt schon Probleme hat, dabeizubleiben?


    Faszinierend.


    kl. gr. frosch


    ( Susannea: mein Beitrag geht übrigens nicht gegen dich und deine Aussage, sondern gegen das Vorgehen in Berlin.)

  • Der Schüler wurde also nicht gefördert und wird nun mit der Aussicht auf eine genauso geringe Förderung hochgestuft, obwohl er jetzt schon Probleme hat, dabeizubleiben?


    Natürlich wird der Schüler dann gefördert. Du bist ja dann verpflichtet weiter zu fördern und das auch nachzuweisen. Er kann aber nicht sitzenbleiben. Er kann maximal auf Antrag der Eltern (nicht aber der Schule) zurück gehen, das ist jedenfalls mein letzter Wissensstand.


    UNd ja, ich halte diese Vorgehen auch für gut, denn damit muss man eben fördern bzw. differenziert unterrichten und das die komplette Gurndschule, also 6 Jahre lang. Man kann nicht einfach sagen, der macht die Klasse noch mal. Ich sehe das also auch so, dass "Sitzenbleiben" keine Lösung ist und damit die Regelung in Berlin gar nicht so schlecht ist.

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