Überprüfung LRS

  • Hallo ihr Lieben!


    Ich habe bei einem meiner Schüler den Verdacht auf LRS. Er ist sehr sehr schwach im Lesen und kann Mitte des 2. Schuljahres noch immer kaum lauttreu schreiben. Wir haben letzte Woche einen Lesetest gemacht und da kam als Ergebnis auch Verdacht auf LRS raus. Wo schicke ich nun die Eltern am besten hin, um das austesten zu lassen? Wenn ihr so ein Kind in der Klasse habt, welche Konsequenzen zieht ihr dann? Wie geht ihr mit dem Kind um? Bekommt es IMMER Extraaufgaben??
    Über Antworten und Anregungen würde ich mich freuen...


    lg missy

  • Wo schicke ich nun die Eltern am besten hin, um das austesten zu lassen?


    Das kommt darauf an, was genau du austesten lassen willst.
    Meine Meinung: Ihr macht eine umfassende förderdiagnostische Arbeit in der Schule; davon profitiert das Kind sicherlich mehr, als wenn es von einem Psychologen oder gar Mediziner oder wem auch immer pathologisiert wird. Oder was genau erhoffst du dir von der "Austestung"?



    Wenn ihr so ein Kind in der Klasse habt, welche Konsequenzen zieht ihr dann? Wie geht ihr mit dem Kind um? Bekommt es IMMER Extraaufgaben?


    Mit "so einem" Kind in der Klasse gehe ich um wie mit jedem anderen: Es bekommt dort spezielle Aufgaben, Differenzierungen und Anregungen, wo es sie benötigt, und wird entsprechend seinem Entwicklungsstand gefördert.



    Davon abgesehen finde es noch nicht so dramatisch, wenn ein Kind nach 1,5 Jahren Schule noch nicht perfekt lauttreu schreibt - oder wie darf ich mir seine Schreibungen vorstellen?
    Welchen Lesetest habt ihr denn gemacht und was ist dabei rausgekommen?

  • @ Plattenspieler
    Wie läuft denn die Diagnose in der Schule ab?
    Gibt es einen speziellen Test?
    Wer führt die denn durch?
    Nur so aus Interesse!
    LG
    Pet

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Das schwierige bei Ratschlägen ist ja immer, dass es von Bundesland zu Bundesland anders gehandhabt wird, insofern weiß ich nicht, ob es dir was nützt, aber ich schreib mal, wie es bei uns läuft: zunächst gibt es an der Schule einen LRS-Moderator (soll hier in Berlin jede Schule haben), der für genau solche Fragen Ansprechpartner ist. Vielleicht gibt es bei euch ja etwas ähnliches oder zumindest einen Kollegen der sich besser auskennt ???? Wenn der Verdacht auf LRS besteht, können wir das in der Schule "antesten" (Testung erfolgt durch Lehrer) . Das machen wir mit der HSP (Auswertung erfolgt mittlerweile online, es gibt aber zur Not auch eine Kollegin die das kann). Wenn die HSP auch auffällige Ergebnisse liefert, haben wir für unseren Bezirk die Möglichkeit, dem Kind eine Lernkur anzubieten (10 Wochen in Kleingruppe an anderer Schule). Wenn die Eltern das wünschen, wird das Kind durch die Schulpsychologie noch näher angeguckt, vor allem wird da nochmal nach den Lesefähigkeiten geschaut, erst dann werden die Pätze für die Lernkuren vergeben (sind leider immer zu wenige). Unabhängig von der Lernkur (ist ja auch recht speziell) wäre also die Schulpsychologie auch dafür zuständig. Wichtig wird die Diagnose auf jeden Fall, wenn man einen Nachteilsausgleich beantragen möchte. Bleibt die große Frage der Förderung: idealerweise sollten die Ergebnisse der HSP auch dazu genutzt werden, genauer festzustellen in welchen Bereichen das Kind besonders gefördert werden muss, noch idealerweise erstellt man einen Förderplan. Die Förderung erfolgt dann über Binnendifferenzierung innerhalb deines Unterrichts und (wenn es "am idealsten" läuft) womöglich noch über zusätzliche Förderstunden(...???).
    Zu deinem Kind: ich habe es nicht so verstanden, dass das Kind nur noch nicht "perfekt lauttreu" schreibt, sondern fast noch gar nicht. Ich habe zur Zeit auch einen Schüler bei dem das so ist: es fehlen sehr viele Laute, ähnliche Laute werden verwechselt, die Laute sind in der Reihenfolge verdreht und er schreibt immer wieder Laute auf, die nicht (auch nicht ähnlich) im Wort vorkommen. Ansonsten kann er (sehr zögerlich) Silben lesen mehr aber noch nicht. Ich finde das auch auffällig und werde ihn mit Sicherheit auch bei der nächsten Gelegenheit testen lassen (normalerweile frühestens in Klasse 2, er ist jetzt aber als "Verweiler" immer noch Erstklässler). Ein anderer wichtiger Punkt ist für mich immer zu klären, ob mit der Wahrnehmung alles in Ordnung ist. Dazu nimmt sich unsere Sonderpädagogin die Kinder nochmal raus und gewinnt einen ersten Eindruck. Gegebenfalls empfehlen wir dann den Eltern, das noch näher untersuchen zu lassen oder raten auch mal direkt zu Ergotherapie etc. (wenn es sehr eindeutig ist). Oft dürfen wir dann für den Kinderarzt auch nochmal einen ausführlichen Bericht schreiben....
    Das ist jetzt lang geworden, hoffe es hilft dir irgendwas
    Gruß icke

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Hallo icke!


    Ich danke dir für deine umfassende Antwort.
    Das Kind schreibt beispielsweise in einem lauttreuen Diktat von 35 Wörtern 20 Wörter falsch und teilweise so falsch, dass sie nicht zu lesen sind. Viele Kinder in der Klasse machen noch Fehler, vor allem im freien Schreiben, aber bei diesem Kind kann man kaum etwas richtig lesen...
    Die Ratschläge sind gut, aber bei uns nicht zu realisieren. Da kommt grad ein klein wenig Neid auf Berlin auf... Ihr scheint da wohl gut gerüstet zu sein! Bei uns im Kollegium kennt sich niemand näher damit aus und es gibt auch keine Kleingruppen, in denen die Kinder gezielt darin gefördert werden können. Wir haben zwar Förderunterricht Deutsch einmal pro Woche, aber mit 2 Klassen und es ist nur dieses eine Kind mit Verdacht auf LRS, d.h. es werden andere Übungen gemacht. Bei uns bleibt alles am Klassenlehrer hängen! Ich fühle mich aber auch nicht ausreichend geschult das Kind richtig zu fördern...
    In Ergotherapie ist es schon lange. Es geht wohl auch phasenweise zur Logopädie. In einem halben Jahr gibt es bei uns Noten und es besteht die Möglichkeit das Kind, wenn es ein Gutachten über diagnostizierte LRS hat, die Noten im Bereich Lesen/Rechtschreibung auszusetzen. Es wäre schade, wenn es durch schlechte Noten noch mehr die Lust an der Schule verliert.


    lg missy

  • Ich schicke Kinder, wenn der Verdacht auf LRS besteht zu einem Kinderpsychologen. Die sind dazu ausgebildet und es geht nicht um Stempel oder ähnliches. Hier gibt es auch die Möglichkeit über den Landkreis eine Förderung zu erhalten - aber nur mit fachlicher Diagnose.
    Ich bin nicht dazu ausgebildet, eine Legasthenieauszuteten, zu überprüfen oder festzustellen.
    Klar bin ich in der Lage die HSP durchzuführen, die alleine disgnostiziert aber keine LRS.

  • In BW testen die schulpsychologischen Beratungsstellen, allerdings müssten da wohl die Eltern mit dem Kind hingehen. Abgesehen davon müsste man am Schriftbild schon erahnen können, ob LRS vorliegt, was bei Deiner Beschreibung imho gut der Fall sein könnte. Mit einer Notenaussetzung ist es natürlich nicht getan, das Kind braucht individuelle bzw. Kleingruppen-Intensiv-Förderung. Wie das in eurem System umzusetzen ist, kannst nur Du selbst herausfinden. Überprüfung der Wahrnehmung ist natürlich u. U. auch wichtig.

  • Und ich hab mich schon gefragt: werde ich es schaffen einen Beitrag zu schreiben, an dem Plattenspieler nichts auszusetzen hat.... na ja...


    @ missy (die es zum Glück trotzdem geschafft hat, meinen Beitrag zu verstehen): falls es dich tröstet: auf Berlin musst du wirklich nicht neidisch sein. Ich habe zwar geschrieben, wie es idealerweise laufen sollte, aber: die Realität sieht leider auch anders aus... eine temporäre Lerngruppe für LRS-Kinder gibt es an meiner Schule auch nicht und die HSP zu nutzen, um daraus Förderschwerpunkte abzuleiten und womöglich einen Förderplan zu erstellen überfordert hier auch die meisten. Was wirklich eine große Erleichterung ist, sind in der Tat die Sonderpädagogen! Die haben wir aber auch erst seit zwei Jahren und sie kommen nur tageweise... aber egal, ich bin so froh, dass wir sie haben!!!

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Hallo,


    bei uns (NRW) gilt Folgendes:


    Wir machen regelmäßig mit der ganzen Klasse die HSP und testen zusätzlich mit dem Test "schreib.on von Dideon", welche an die HSP angelehnt ist. Kinder mit Auffälligkeiten werden individuell im Unterricht gefördert und die Förderung wird regelmäßig evaluiert, Förderpläne angepasst. In NRW regelt der LRS Erlass alles. Wir werden angehalten, nicht sofort die Schulpsychologie einzuschalten, denn ein Nachteilsausgleich kann schon von uns Lehrkräften gewährt werden, wenn die Kinder gemäß LRS Erlass auffällig sind. Dabei spricht man von Schwierigkeiten im Lesenund/oder Schreiben und nicht von einer Lese-Rechtschreibschwäche, denn die Gründe dafür sind so vielfältig und könnten sogar im Elterhaus oder anderen psychischen Problemen verankert sein. Erst, wenn eine Förderung nicht greift und die Schule alles ausgeschöpft hat, kommt bei uns die Schulpsychologie zum Tragen. In den meisten Fällen ist dies, bei gezielter und guter Förderung jedoch nicht nötig.


    Ich weiß nicht, ob das auch für andere BL gilt, aber in NRW ist es ein Irrglaube, dass man eine offizielle Bescheinigung der Schulpsychologie oder einer anderen Institution braucht, um einen Nachteilsausgleich geltend zu machen. Dies ist nicht so!


    Ich bin in unserer Stadt im LRS-Netzwerk und wir erarbeiten hier gemeinsam für unsere Schulen Konzepte und klären eben auch solche Aoekte der Zuständigkeit.


    Ich würde dir empfehlen, dich etwas in das Thema einzulesen. Ich bin da auch auf diesem Wege reingerutscht, da ich 3 Kinder mit einer LRS habe und mir da auch eine Menge Gedanken machen musste. Mittlerweile bin ich da recht fit, weshalb sich mei Aufgabengebiet an der Schule stetig ausweitet. Allwissend bin ich aber auch nicht.


    Es gibt eine Seiten, die gut helfen kann:
    http://www.arbeitsblaetter.org/


    Hier gibt es zu verschiedenen Problemfelder gute Arbeitsblätter in Mengen. Man kann auch einfach mal aus jedem Bereich Blätter machen lasssen und dann findet man recht schnell raus, dass in den ein oder anderem Bereicht vermehrt Probleme gibt. Das könnte ein Bereich sein, in welchem das Kind Hilfe braucht.


    Wichtig ist auch, sich alles zu notieren, Beobachtungsbögen zu führen.


    Biete dem Kind anderes Material an uns achte darauf, dass die Arbeitsblätter nicht so überladen sind. Ich kopiere Klassenarbeiten beispielsweise größer uns strukturiere sie übersichtlicher. Auch nutze ich ein anderes Bewertungsraster bei den Arbeiten. Die Rechtschreibung nehme ich gänzlich raus. Bei einem Kind setze ich die Bewertung sogar ganz aus. Es kann sein, dass du in den Arbeiten Aufgaben auch nochmal am Platz mit den Kindern lesen musst, damit sie dies bearbeiten können. Das ist von Kind zu Kind anders. Ich differenziere gänzlich. Bei mir arbeiten aber generell alle Kinder differenziert, weshalb die LRSler gar nicht auffallen. Niemand macht bei mir dasselbe und am Ende kommen wir trotzdem alle ans gleiche Ziel. Das verhält sich bei den Hausaufgaben genauso! Ich fahre damit sehr gut. 2 von meinen 3 Kindern kann ich mittlerweile wieder normal bewerten und sie liegen im guten Dreierbereich. Sie haben ihre Schwierigkeiten überwunden, wir bleiben aber gemeinsam am Ball. Ein Junge hat 4 Jahre im Heim gelebt und ist psychisch recht angeschlagen. Hier ist die LRS eine Sekundärsymptomatik, die ich mit einer Förderung nur schwer in den Griff bekomme kann. Da sind uns einfach Grenzen gesetzt.


    Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen!?


    LG

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